Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Insgesamt gilt für das Land: Die Hochschulpolitik in Brandenburg ist geprägt von hohen Ansprüchen, zumindest dahingehend, dass die Hochschulen möglichst maximale Leistung erbringen und internationale Vergleichbarkeit aufzeigen mögen. Doch die Voraussetzungen dafür müssen geschaffen werden, und eine davon ist nun einmal die Ausfinanzierung. Es ist aber auch wichtig, Abiturienten zu haben, die nicht erst noch ein Semester zwischenschalten müssen, um überhaupt studierfähig zu werden.

Meine Damen und Herren von Rot-Rot, Sie sagen immer, Priorität habe die Bildung - hier wäre der Ansatz, zu handeln.

Meine Damen und Herren, zu den Gegnern dieser Gründung: Es gab, noch bevor das Emmermann-Gutachten das Licht der Welt erblickte, an der BTU Cottbus eine Veranstaltung mit den Jungen Liberalen. Da entwarf Prof. Zimmerli ganz unvermittelt das Bild einer Hochschule unter einem Dach: zwei Säulen, zwei Eingänge, zwei Ausgänge. - Ein paar Wochen danach war das alles falsch, völlig verkehrt und völlig abstrus. Wie passt das zusammen?

Auch den Grünen-Abgeordneten möchte ich deutlich sagen: Noch zwei Jahre Sit-in können wir uns nicht leisten; vielleicht noch mit dem Ausreichen von glücklich machenden Keksen oder was?

(Zuruf der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Wir haben nicht mehr die Zeit dafür, meine Damen und Herren.

Letztlich möchte ich noch einmal in Richtung CDU sagen: Wir hätten als Opposition viel mehr erreichen können, wenn Sie sich konstruktiv in diesen Prozess eingebracht hätten.

(Beifall FDP - Ja! bei SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Opposition bedeutet nicht „Nein, basta!“, genauso wenig wie Regieren bedeuten darf: „Wir machen das so, basta!“ Wenn wir nicht dazu kommen, dass die parlamentarische Demokratie wirklich parlamentarisch-demokratisch agiert, also auch wir hier miteinander reden, dann ist alles sinnlos; dann brauchen wir uns auch über Betroffenheitslyrik, die wir heute gehört haben, nicht zu wundern.

Herr Abgeordneter Lipsdorf, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich bin damit am Ende meiner Ausführungen angelangt. - Danke.

(Beifall FDP)

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, für angemessene Ruhe im Saal zu sorgen. Es ist sehr schwer, das gesprochene Wort zu verstehen. Ich bitte Gespräche auf den Bereich außerhalb dieses Raumes zu verlegen. Vielen Dank! - Wir kommen nunmehr zu einem weiteren Beitrag. Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein klares Konzept vorläge, wohin die Landesregierung mit ihrer Landeshochschulpolitik will, dann wäre Eile für mich nicht das Problem. Denn einmal gewohnte Strukturen an Universitäten und Fachhochschulen sind wahrscheinlich wirklich nur durch Tempo und energisches Vorgehen zu verändern, auch dann, wenn es - in der Gesamtschau des Landes - um eindeutige Verbesserungen geht. Mutig ist es allemal, nicht nur zu sagen, dass es im Hochschulbereich nicht so wie bisher bleiben kann, sondern auch noch gravierende Änderungen vorzuschlagen.

Das Problem ist, dass bereits mit dem Papier eines bis heute nicht bekannten Gremiums unter dem Titel „Modernisierungsvorhaben des Landes Brandenburg in der 5. Legislaturperiode“ vom 14. November 2011 unter Punkt 8 die Weichen für ein Durchregieren gestellt wurden. Selbst als der anfangs mehr oder weniger spontane Cottbuser Protest mehr und mehr durch alternative Konzepte und den festen Willen zur Veränderung ersetzt wurde, gab es kein Interesse des Ministeriums, an der großen Aufgabe gemeinsam zu arbeiten: die Hochschullandschaft des Landes Brandenburg - also auch in der Lausitz - den neuen Herausforderungen anzupassen.

Es blieb beim Durchregieren. Das zuständige Ministerium bekam nicht einmal einen Dialog hin. Das wäre alles als Kröte zu schlucken, wie es in Koalitionen oder in der Politik allgemein vielleicht üblich ist, wenn das Gesetz selbst innovativ und pass

fähig für die Besonderheiten der Lausitz wäre. Das ist es aber nicht. Jetzt sind von der Fraktion DIE LINKE initiierte Änderungsanträge in den aktuellen Entwurf aufgenommen worden. Diese Änderungen begrüße ich, weil sie Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Text darstellen.

Es liegt ein gesonderter Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vor. Dieser Antrag zielt darauf ab, in gewisser Weise einen Neustart zu wagen, also alles auf Anfang zu setzen und so manchen Fehler nicht noch einmal zu begehen. Das ist in Ordnung, aber beiden Anliegen liegt zugrunde, dass es möglich sein soll, über die Lausitz zu befinden, ohne die anderen Hochschulen des Landes einzubeziehen. Das wiederum halte ich für falsch.

Ich möchte noch auf einige Einzelprobleme hinweisen:

Erstens bleibt es das für mich wichtigste Problem, wie wir zukünftig in Brandenburg damit umgehen, dass das Geld für die gegenwärtige Struktur nicht reichen wird, obwohl im Vergleich zur Hochschulregion der Bundesrepublik alle Hochschulen im Land bereits jetzt strukturell unterfinanziert sind.

(Frau Melior [SPD]: Nicht alle! Das ist nicht richtig!)

Ja, wir brauchen eine neue Konzeption für das Hochschulsystem des Landes insgesamt. In Cottbus und Senftenberg ausprobieren zu wollen, wie weit man gehen kann, ist nicht fair. Richtiger wäre es, im Zusammenhang mit dem Entwurf des Landeshochschulkonzeptes auch über notwendige Veränderungen in der Lausitz zu streiten. Das wäre schwierig, aber dieses Herangehen hätte Logik. Ein gemeinsam erarbeitetes Ergebnis wird auch ganz anders umgesetzt als eine separate Zwangsfusion im Süden des Landes.

Zweitens. Die Arbeitsplatzfrage für befristet angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Angestellten im technischen und im Leitungsbereich scheint mir nicht geklärt zu sein. Was soll ich davon halten, wenn ich höre, dass für den Übergang einiger Kolleginnen und Kollegen zum TV-Umbau mehr Geld als bisher nötig wird? Im TV-Umbau kommt es aber doch zu Gehaltskürzungen! Es wäre weniger Geld nötig. Sind hier etwa bereits die Fahrtkosten zur neuen Arbeitsstelle in anderen Regionen des Landes oder die Arbeitsgerichtskosten eingerechnet?

Drittens. Die Chance, die Rolle des akademischen Mittelbaus von Anfang an aufzuwerten und neu zu bestimmen, ist nicht genutzt worden. Das aber hätte ein attraktives Alleinstellungsmerkmal der BTU Cottbus-Senftenberg werden können.

Viertens. Nicht sehr energisch, aber doch deutlich wird gesagt, dass mit Gründung der BTU Cottbus-Senftenberg alle drei Standorte erhalten bleiben. Finanzpolitisch ist dieses Vorhaben unter den dann neuen Bedingungen nicht darstellbar. Sachsendorf macht doch in wenigen Jahren nur noch Sinn, wenn dieser Standort eine spürbare Profilierung erfährt. Dies wäre durchaus möglich, wenn die dort bestehenden Vernetzungen mit Sozialeinrichtungen in der Stadt Cottbus ausgebaut und mit dem neuen Schwerpunkt Gesundheit und Pflege organisch verbunden würden und die Musikpädagogik als Orchidee - nicht zuletzt im Sinne der Ausstrahlung in die Region mit den sich daraus ergebenden Aufgaben - erweitert, nicht aber auf ein neues Feld eingeschränkt würde.

Fünftens. Es ist fast immer nur von Cottbus die Rede; Senftenberg sei einverstanden mit dem, was da kommt. Das glaube ich nicht. Aber selbst wenn es so wäre - Cottbus wird sich hochrappeln und relativ schnell als Technische Universität den neuen Platz im Landesmaßstab und darüber hinaus behaupten. Letztendlich wird Cottbus nicht verlieren. Anders verhält es sich mit Senftenberg, denn die wichtigen Teile der ehemaligen Fachhochschule werden schnell zur Sache der Universität in Cottbus werden. Allein dass die Idee, eine neue Art von Professoren im Rahmen des Bologna-Gedankens zu schaffen, abgelehnt wurde, wird das Klima bei der gemeinsamen Arbeit nicht verbessern.

Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich bin gleich am Ende. - Das Volksbegehren ist noch in Arbeit. Allerdings werden sich nach Lage der Dinge alle Gegner dieses Gesetzes recht schnell auf einen Plan B einstellen. Im Kulturradio des RBB gab es heute...

Herr Dr. Hoffmann, Sie haben leider keine Zeit mehr, das auszuführen.

Das ist aber schade!

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Bevor die Ministerin an das Rednerpult tritt, möchte ich ganz besonders herzlich Schülerinnen und Schüler der Torhorst-Gesamtschule Oranienburg hier bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Ministerin, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute in abschließender Lesung das Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz. Hinter uns liegen elf Monate öffentlicher Diskussion. Auch wenn Skepsis und manchmal Angst zu spüren waren, bin ich dankbar, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger an diesen Debatten beteiligt haben. Dieses leidenschaftliche Engagement unterstreicht eindrücklich, welch große Bedeutung der Wissenschaft in der Region zugemessen wird. Das war und ist richtig.

Jetzt möchte ich Sie alle ermutigen, mit gleicher Energie auch den Entwicklungsprozess der neuen Universität mitzugestalten. Unbestritten: Es gibt auch deutliche Ablehnung des Vorhabens, aber das liegt darin begründet, dass es sehr unterschied

liche Interessenslagen gibt. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie sich angleichen werden.

Die Debatte ist bereits weit fortgeschritten. Ich möchte mich daher auf einige zentrale Aspekte beschränken. Warum brauchen wir die Neugründung? Ich möchte nochmals zwei zentrale Argumente benennen. Mit der neuen gemeinsamen Universität entsteht eine größere, schlagkräftigere Hochschule und das ist das Entscheidende - sie ist mehr als die Summe ihrer bisherigen Teile: Die BTU Cottbus und die Hochschule Lausitz sind vergleichsweise klein. An beiden Hochschulen gibt es Studienangebote in ähnlichen, teils gleichen Fächern, sei es Betriebswirtschaftslehre, Elektrotechnik, Architektur, Informatik oder Wirtschaftsingenieurwesen. Das führt zwangsläufig zu Konkurrenz untereinander und macht es für beide Hochschulen schwierig, gerade in regionalpolitisch wichtigen Fragestellungen und Fachgebieten jeweils eine ausreichende Breite des Angebots vorzuhalten und zu erhalten. Diese Breite aber ist gleichzeitig Voraussetzung für die Schaffung leistungsstarker Forschungsverbünde der Zukunft und auch für die zügige Aufnahme in die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Die neue Universität steht für mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem. Gerade erst vor wenigen Tagen hat der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft die neueste Ausgabe seines Hochschulbildungsreportes 2020 veröffentlicht. Die Zahl der deutschen Studienanfänger sinkt demnach bis 2020 von knapp 400 000 auf 320 000 - ein Rückgang um rund 20 %. Gleichzeitig erhöht sich die Nachfrage nach ausgebildeten Akademikern, da geburtenstarke Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

„Um den Arbeitskräftebedarf der Unternehmen langfristig decken zu können, müssen Hochschulen neue Studierendengruppen erschließen und dauerhaft hohe Ausbildungsleistungen erbringen.“

- So heißt es in der neuesten Ausgabe des Hochschulreports des Stifterverbandes. Weiter stellt der Bericht fest, dass das deutsche Bildungssystem sozial hochgradig selektiv sei. Selbst wenn Kinder aus Nichtakademikerfamilien das Abitur schafften, begännen nur 65 % ein Studium. Bei Akademikerkindern seien es knapp 80 %.

Das sind nicht unbedingt neue Erkenntnisse, aber sie zeigen, dass mehr Bildungsgerechtigkeit nicht nur ein berechtigtes gesellschaftspolitisches Interesse ist, sondern sie ist auch aus der Perspektive der wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet ein ganz zentrales Anliegen. Das gilt erst recht in einer Region wie der Lausitz, in der es darum gehen wird, entgegen der demografischen Entwicklung mehr junge Menschen für ein Studium zu gewinnen. Die Landesregierung wird genau diese Durchlässigkeit zu einem zentralen Erfolgskriterium der neuen Universität machen.

Eine oft aufgeworfene Frage im bisherigen Diskussionsprozess war: Wie passt die Neugründung zum Hochschulentwicklungsplan? Meine Damen und Herren, das Ministerium hat dem Landtag im Vorabinformationsverfahren den Entwurf der Landeshochschulentwicklungsplanung, so wie er sich derzeit im Kabinettverfahren befindet, übermittelt. Der Vorwurf, wir hätten ohne einen Entwicklungsplan Entscheidungen vorgezogen, ist falsch. Es zeigt sich, dass die Wissenschaftsregion Lausitz ihre ganz eigenen Netzwerke in Richtung Sachsen und auch ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten hat. Ferner unterscheidet sich

die Weiterentwicklung dort dadurch, dass eine neue Struktur entsteht. Daher hat die neue Universität mehr und breitere Gestaltungsräume, als die beiden bisherigen jeweils für sich gehabt hätten.

Dieser größere Gestaltungsspielraum wird dadurch untermauert, dass im Rahmen der Beratungen mit den Hochschulen, den Fraktionen hier im Haus und der kommunalen Politik verlässliche Grundlagen der Finanzierung der neuen Universität geschaffen worden sind. Der Universität stehen 66 Millionen Euro plus 6,6 Millionen Euro zusätzlich für den Umbauprozess und die Entwicklung des Studienangebotes „Pflege und Gesundheit“ zur Verfügung. Die Absicherung dieser Ressourcen über das Jahr 2014 hinaus soll durch einen Hochschulvertrag mit mehrjähriger Laufzeit gewährleistet werden. Damit wurde zugesichert, was auch im Entschließungsantrag der FDP-Fraktion angesprochen wird.

Die Beratungen hier im Landtag und im Ausschuss haben den Gesetzentwurf nochmals weiterentwickelt. Die von den Fraktionen der SPD und DIE LINKE eingebrachten Änderungsvorschläge möchte ich ausdrücklich unterstützen. Ganz wichtig gerade aus der Perspektive der derzeitigen Hochschulen ist die Regelung, dass dem Gründungspräsidium jeweils mindestens ein Vizepräsident oder eine Vizepräsidentin der beiden Vorgängerhochschulen angehören sollen. Damit wird in der Gründungsphase besonders gewährleistet, dass Anliegen der Mitglieder beider bisheriger Hochschulen nicht verloren gehen. Das unterstreicht, dass die Neugründung der Universität keineswegs der Schlusspunkt der Zusammenführung ist, sondern der Diskussions- und Konzeptionsprozess intensiviert wird.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist: Für die innere Neustrukturierung bleibt mehr Zeit. Die Neuordnung der organisatorischen Grundeinheiten, der Fächerstruktur und der Studiengänge muss nicht bis 1. Juli, sondern erst zum Jahresende 2014 erfolgen. Auch die Studierenden bekommen für die Neuwahlen ihrer Gremien mehr Zeit. Das ist auch eines der Beratungsergebnisse.

Das unterstreicht: Die Mitwirkung der Beteiligten an diesem Prozess ist von zentraler Bedeutung. Dabei geht Genauigkeit vor Schnelligkeit. Es wird keine überstürzten Strukturentscheidungen geben, sondern die Universität hat Zeit, diese in ihren Gremien ausgiebig und trotzdem zielgerichtet zu beraten. Das ist weitaus produktiver, als wenn man ein neues Gremium einberufen würde, das zwei Jahre lang ausschließlich darüber diskutieren soll, ob man überhaupt zusammengehen möchte.

(Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE] und der Abgeordneten Melior [SPD])

Im Übrigen zeigt auch das Gutachten von Herrn von Wissel, erstellt im Auftrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass in ganz vielen Punkten das Zusammengehen der beiden Hochschulen als äußerst sinnvoll erachtet wird.

Gemeinsames Ziel muss es sein, die Gründungsphase für einen Aufbruch zu nutzen. Ich lade die Beteiligten noch einmal ein, an diesem Gestaltungsprozess aktiv teilzuhaben. Jetzt gilt es, die Universität gemeinsam zu bauen.