Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Unsere ausdrückliche Zustimmung findet auch die vorgesehene Möglichkeit der freiwilligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Diese Regelung entspricht einer Forderung der CDU-Fraktion. Wenn ein entlassener Sicherungsverwahrter sagt, er wolle lieber in der Einrichtung bleiben, weil er selbst merke, dass von ihm eine Gefahr ausgehe, dann dient das auch dem Schutz der Allgemeinheit und findet natürlich unsere Zustimmung.

Unsere Zustimmung findet ebenfalls die vorgesehene Erweiterung der therapeutischen Maßnahmen und der Diagnoseverfahren, die bereits im Strafvollzug beginnen sollen. Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es gefährliche Gefangene gibt, die therapieunfähig bzw. -resistent sind. Diese Personen gehören natürlich weiterhin in die Sicherungsverwahrung.

(Beifall CDU)

Außerdem wissen Sie, dass Sie für diese ehrgeizigen Behandlungen und Vollzugsziele mehr Fachleute und mehr Justizvollzugsbeschäftigte benötigen. Sie aber wollen in den nächsten Jahren nach der Personalbedarfsplanung der Landesregierung über 169 Stellen im Strafvollzug abbauen. Das passt nach unserer Auffassung nicht zusammen.

(Beifall der Abgeordneten Niels [GRÜNE/B90] - Minis- ter Dr. Schöneburg: Aber nicht in der Sicherungsverwah- rung!)

Nicht nachvollziehbar ist für mich auch, dass Sie - wie im Strafvollzugsgesetz - die Arbeitspflicht für Sicherungsverwahrte abschaffen wollen. Weder das Bundesverfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben die Abschaffung der Arbeitspflicht gefordert - ganz im Gegenteil. Fakt ist: Die Arbeitspflicht dient der Resozialisierung und muss erhalten bleiben.

Was uns in diesem Gesetzentwurf der Landesregierung völlig fehlt, das ist der Opferschutz. Er ist kein Widerspruch zur notwendigen Behandlung der Sicherungsverwahrten. Behandlung und Opferschutz sollten sich nach unserer Auffassung viel mehr ergänzen. Wir wollen, dass die Straftäter und Sicherungsverwahrten im Rahmen der Behandlung das Tatgeschehen aufarbeiten und lernen, tatgeneigte Situationen zu erkennen, zu vermeiden und eine Opferempathie zu entwickeln. Von all dem ist im Gesetzentwurf leider nichts zu lesen.

Wir wollen darüber hinaus, dass die Opfer und ihre Angehörigen umfangreiche Informations- und Beteiligungsrechte bei der Entlassung von Sicherungsverwahrten erhalten und die Haftentlassenenauskunftsdatei für Sexualstraftäter ausgebaut wird. Auch das sind sehr wichtige Maßnahmen, die wir im Verfahren noch einmal besprechen sollten. Der Rechtsausschuss hat ja bereits eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf beschlossen. Ich freue mich auf die Beratung im Rechtsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Kuhnert hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz hat einen rechtspolitischen Hintergrund - der Herr Minister ist ausführlich darauf eingegangen, das kann und will ich jetzt gar nicht wiederholen -, der bemerkenswert ist. Ich denke, man muss kein juristisches Examen haben - ich habe das nicht -, um zu erkennen, dass ein Straftäter, der seine Strafe - die von einem ordentlichen Gericht verhängt worden ist - bis zum letzten Tag verbüßt hat, nicht einfach im Strafvollzug festgehalten werden kann, es sei denn, es gibt ein neues Urteil. Das genau besagen - etwas verkürzt gesagt - die Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts. Diese sagen nicht, dass die Betreffenden jetzt freigelassen werden sollen, sondern dass sich Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden muss. Genau das müssen und wollen jetzt alle 16 Bundesländer umsetzen. Sie haben einen gemeinsamen Musterentwurf entwickelt, der diesen Urteilen Rechnung trägt. Unser Gesetzentwurf, der hier vorliegt, ist nah an ihm dran.

Ich habe es vielleicht falsch verstanden, Herr Eichelbaum: Sie stellen es so dar, als seien die Opfer gefährdet. Das „Wegsperren“ bleibt ja, nur in einem anderen Zusammenhang, indem Behandlung und Verwahrung gleichermaßen eine andere Wichtigkeit bekommen, aber der Gefangene - der dann nicht mehr eine Strafe verbüßt - auch Rechte hat, die er dann auch wahrnehmen kann.

Willi Köpke vom Bund der Strafvollzugsbediensteten hat - zumindest mir, ich glaube, den anderen auch - ein Papier mit einem langen Katalog mit sechs Schwerpunkten überreicht, zu denen Gesprächsbedarf und eventuell Änderungsbedarf besteht. Ich kann mich anschließen, Herr Eichelbaum: Ich freue mich auf eine spannende Anhörung und eine spannende Debatte.

Ich empfehle die Überweisung dieses Gesetzentwurfs in den Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Abgeordnete Teuteberg spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 - es wurde schon erwähnt - ist klar: Auch in Brandenburg müssen wir die Unterbringung der Sicherungsverwahrten an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anpassen, auf neue Beine stellen. Der Bund war aufgefordert, die wesentlichen Leitlinien vorzugeben. Dies wurde mit der Verabschiedung des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung getan. Nun ist Brandenburg am Zug!

Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich gleich zu Beginn meiner Ausführungen deutlich machen: Wir Liberale stehen für einen resozialisierungsfreundlichen und therapiegerichteten Vollzug der Sicherungsverwahrung, der vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Abstandsgebots hat unser höchstes Gericht in Karlsruhe folgende - nicht zehn, aber doch mehrere - Gebote formuliert: das Individualisierungs- und Intensivierungsgebot - das heißt, die Durchführung einer wissenschaftlichen Anforderungen genügenden Behandlungsuntersuchung -, das Motivierungsgebot, das Trennungsgebot - also die getrennte Unterbringung der Sicherungsverwahrten vom allgemeinen Strafvollzug - und schließlich das Minimierungsgebot - also eine Konzeption der Sicherungsverwahrung, die Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten muss, wobei größtmögliche Freiheitsorientierung beachtet werden soll.

Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 haben nun die Länder die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Strafvollzuges. Einheitliche Regelungen sind trotz der Möglichkeit der unterschiedlichen Ausgestaltung durch die Länder notwendig, schon allein, um sich nicht von Anfang an der Möglichkeit einer Zusammenarbeit im Vollzug mit anderen Bundesländern zu begeben. Aus diesem Grund begrüßen wir die gemeinsame Erarbeitung des Gesetzentwurfs mit Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Meine Damen und Herren, die größte Herausforderung wird darin bestehen, die zu Recht hohen Standards, die auch eine Personalverstärkung erfordern, in Brandenburg zeitnah umzusetzen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Insbesondere die Frage, ob wir ausreichend gut qualifiziertes Fachpersonal zur Verfügung haben, wird in den Beratungen eine Rolle spielen müssen. Auch die räumlichen Voraussetzungen müssen in unseren Justizvollzugsanstalten zum Teil erst geschaffen werden.

Lassen Sie mich kurz auf den Punkt der Sicherheit in Brandenburg eingehen: Mir ist durchaus bewusst, dass es in der Bevölkerung Angst und Vorbehalte gegenüber Sicherungsverwahrten gibt. Dies trat insbesondere in den Ländern zutage, in denen aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Sicherungsverwahrte kurzfristig und ohne Entlassungsvorbereitungen entlassen werden mussten. Wir Liberale nehmen diese Ängste sehr ernst.

Wir sind zugleich weiterhin davon überzeugt, dass allein ein resozialisierungsfreundlicher und therapiegerichteter Vollzug der richtige Ansatz ist. Auch Sicherheit muss verfassungskonform sein. Es gilt eben nicht der Schrödersche Satz vom „wegschließen - und zwar für immer“. Im freiheitlichen Rechtsstaat verpflichtet uns schon die Verfassung dazu, nach verbüßter Freiheitsstrafe die Freiheit zu gewähren und nur in wenigen, eng umgrenzten Fällen besonderer Gefährlichkeit eine besondere, vom Strafvollzug deutlich unterscheidbare Unterbringung anzuschließen. Alles andere ist Populismus.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf besonnene und umfassende Beratungen im Rechtsausschuss. Dort werden wir uns im Februar in einer Anhörung von Experten darum küm

mern, dass ein Vollzugskonzept aus einem Guss entsteht, das den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und den Leitlinien des Bundesgesetzgebers entspricht und keine Spielräume für Umgehungen in der Praxis erlaubt. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Mächtig setzt für die Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst sagen: Herzlichen Dank, Herr Minister, für die Vorstellung des Gesetzes. - Eigentlich könnte man sich hinsetzen und sagen: Nehmen Sie sich bitte Zeit, lesen Sie das Protokoll noch einmal, denn zur Erläuterung des Gesetzes ist hier wirklich alles gesagt. Frau Teuteberg hat das noch ergänzt, was die Gebote angeht. Und dennoch: Ich würde hier schweren Herzens aus dem Raum gehen, wenn ich nicht sagte: Mensch, wer kann bei uns alles Volljurist werden!

Herr Eichelbaum, Sie tun ja gerade so, als wüssten Sie nicht, dass wir, wenn wir über Sicherungsverwahrung reden, nicht über Haft reden. Das aber müssen Sie endlich begreifen, sonst sind Sie falsch in der Funktion und in diesem Hause.

(Beifall DIE LINKE)

Und es ist eben falsch, wenn Sie von Strafvollzug und gleichzeitig von Sicherungsverwahrung reden, das ist schlicht und ergreifend falsch! Und ich bitte Sie, die von Ihnen immer wieder beschworene Angst der Bevölkerung nicht selbst zu schüren.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Sie sind Täter und beklagen die Tat - das kann nicht sein. Das ist ärgerlich, und ich muss sagen: Wir haben das nicht zum ersten Mal diskutiert, und ich erwarte einfach von Ihnen, dass Sie irgendwann doch noch einmal in die Bücher gucken und vielleicht zu der Erkenntnis kommen, worüber wir eigentlich reden.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Das Zweite, was Sie hier machen, ist unglaublich! Wissen Sie, ich war in einem meiner Leben Mathe- und Musiklehrer. Niemand hat erwartet, dass, wenn ich in den Musikunterricht komme, mit den Schülern Rechenaufgaben löse. Aber Sie reden permanent von Opferschutz, wenn wir über Sicherungsverwahrung reden. Verdammt noch mal, Sie verfehlen das Thema!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Und gestatten Sie: Sie können ja auch Haushaltspläne nicht lesen - das ist wirklich tragisch! Wir haben doch nun erklärt es steht ja auch schwarz auf weiß, Sie müssen es ja nicht nur hören, Sie können nachlesen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Verstehendes Hören!)

- Verstehendes Hören - danke schön - kann er ja nicht.

Also ich erkläre es noch einmal: Ja, bei uns in Brandenburg gibt es - nicht nur wegen des demografischen Wandels, möglicherweise auch wegen einer sich verändernden Politik - weniger Strafgefangene. Das ist gut so, das wollen wir alle. Ja, für weniger Strafgefangene brauchen wir weniger Bedienstete.

(Zuruf von der Fraktion GRÜNE/B90: Nicht zwangs- läufig!)

Wir können das wie im Schulwesen oder im Kindergarten 1:6 machen, wenn wir es dann schaffen. Aber nein, wir sagen: Wir brauchen auch hier weniger. Aber Sie stellen fest: Die streichen doch bei den Strafvollzugsbediensteten, demzufolge haben wir auch keine Arbeitskräfte für die Sicherungsverwahrung. - Und was machen Sie wieder? Sie setzen Strafvollzug mit Sicherungsverwahrung gleich, schüren Ängste bei den Menschen und stellen nicht klar, welche wirklich wichtige Aufgabe Sicherungsverwahrung eigentlich hat: der Bevölkerung Schutz vor ehemaligen Straftätern zu garantieren. Zu deren eigenem Schutze, aber auch zum Schutze der Gesellschaft. Das negieren Sie, damit schüren Sie Ängste. Ich hoffe, dass die nächsten Beratungen und Anhörungen im Ausschuss dazu beitragen, auch Sie etwas belehren zu können. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Zum Abschluss der Rednerliste spricht die Abgeordnete Niels für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz, das wir heute in 1. Lesung beraten, behandelt folgenden Fakt: Wir kümmern uns um diejenigen, die nach Verbüßung der Haft die Sicherungsverwahrung antreten.

Linda Teuteberg hat sehr schön die vier Gebote des Bundesverfassungsgerichts zitiert, die in der Einleitung des Brandenburger Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes wiederholt werden. Von den anderen Kolleginnen und Kollegen, auch vom Justizminister selbst, haben wir gehört, dass wir uns auf die Debatte im Rechtsausschuss freuen.

Diese Freude ist bei mir etwas getrübt. Frau Mächtig hat sich auf Danny Eichelbaum von der Fraktion der CDU bezogen. Ich möchte das deswegen nicht auch noch tun. Getrübt ist die Freude deswegen, weil in der gesamten Debatte noch einmal eine riesige Vermischung stattgefunden hat. Um das Ganze zu entzerren, sage ich es noch einmal -: Bei Sicherungsverwahrung geht es darum, die Öffentlichkeit vor Menschen zu schützen, die als hochgradig gefährlich eingestuft wurden und ihre Haftstrafe bereits verbüßt haben. Deswegen gibt es das Abstandsgebot. Das heißt, man kann zwar innerhalb einer Justizvollzugsanstalt die Sicherungsverwahrung tatsächlich beaufsichtigen - aber in einem Extragebäude; es muss ein Abstand zu denjenigen vorhanden sein, die ihre Strafe noch verbüßen. Dazu ist vorgesehen - das wurde auch im Rechtsausschuss mehrfach beraten -, in Brandenburg an der Havel ein entsprechendes Gebäude zu errichten.

Jetzt komme ich zu einem kleinen Eckpunkt, der auch genannt wurde, einmal mit Pro und einmal mit Kontra, und zwar zum

Personal. Natürlich handelt es sich hier um ein sehr personalintensives Thema. Das sieht man schon an den Anforderungen hinsichtlich der Therapie, hinsichtlich dessen, dass man auch Möglichkeiten der Öffnung des Vollzugs schaffen soll. In Nordrhein-Westfalen hat man es geschafft, im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Sicherungsverwahrung auch gleich Zahlen zu nennen: Für das Personal werden dort 2,3 Millionen Euro im Jahr zusätzlich eingestellt. In Niedersachsen hat man es geschafft, die qualitativen Standards des Gesetzes mit Personalkosten zu verknüpfen, und zwar in Höhe von 1,3 Millionen Euro für zusätzliche 30 Personalstellen.

Das ist in Brandenburg nicht gelungen. Ich habe es auch schon bei meiner Haushaltsrede gesagt: Das kann so nicht weitergehen. Wenn wir eine qualifizierte Sicherungsverwahrung wollen, müssen wir auch sagen, wie teuer sie ist. Übrigens haben Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen auch Geld für Baumaßnahmen eingestellt.