Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Ich lade Sie recht herzlich ein, mit uns gemeinsam zu arbeiten, nicht nur in einem Unterausschuss, sondern fachübergreifend, ministerienübergreifend. Ich meine, dann bringen wir ein gutes Gesetz auf den Weg.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Wöllert. - Für die Landesregierung spricht Minister Ruppert. - Nein, bitte verzeihen Sie. Zuvor hat die Fraktion GRÜNE/B90 das Wort. Bitte, Frau Nonnemacher.

Ja, Frau Präsidentin, so weit in die äußerste Ecke des Plenarsaals abgedrängt, werden wir leicht übersehen.

Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit den Kinderschutzgesetzen in dieser Republik ist es eine schwierige Sache. Das erste Kinderschutzgesetz wurde 1903 verabschiedet und regelte die Kinderarbeit im Deutschen Reich. In den letzten Jahren ist vor dem Hintergrund schwerer Misshandlungs- und Vernachlässigungsfälle sowie Kindstötungen die Notwendigkeit eines bundeseinheitlichen Kinderschutzgesetzes erkannt worden.

Wir hatten in der letzten Legislaturperiode zwei Kinderschutzgipfel. Der von der schwarz-roten Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zu einem Bundeskinderschutzgesetz scheiterte im Sommer dieses Jahres unter anderem an der Kritik der Fachverbände und der kommunalen Spitzenverbände. Dieser Tage hat nun das Abgeordnetenhaus von Berlin mit seiner rotroten Mehrheit das Berliner Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt dieses Berliner Gesetzes steht ein verbindliches Einladungswesen und Rückmeldeverfahren, um die Teilnehmerquote an Früherkennungsuntersuchungen zu erhöhen. Auch dem Berliner Kinderschutzgesetz ist Kritik nicht erspart geblieben, unter anderem von der FDP und den Grünen. Das sage ich durchaus: Kinderschutzgesetze sind eine schwierige Angelegenheit.

Brandenburg hat mit dem im März 2006 angenommenen Kinderschutzprogramm bereits einen Schritt in die richtige Richtung unternommen. Die Fachstelle Kinderschutz leistet gute Arbeit. Hervorzuheben ist die Fortbildung für Kinderschutzfachkräfte. Auch der Brandenburger Leitfaden zur Früherkennung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie die Maßnahmen infolge des Gesundheitsdienstgesetzes verdienen durchaus Respekt und sind ein Fundament, auf dem sich aufbauen lässt.

Um die weiterhin bestehenden erheblichen Defizite im Kinderschutz zu verbessern, halten wir die Erarbeitung eines umfassenden Kinderschutzgesetzes für nötig, in das die vorhandenen

Ansätze integriert werden. Besonders wichtig erscheint die flächendeckende Erarbeitung von Standards sowohl für die Prävention als auch für die Intervention, die Qualifizierung von Mitarbeitern und die umfassende Vernetzung aller zuständigen Berufsgruppen.

Die angesprochene landesweite Kinderschutz-Hotline halten wir gerade in einem dünnbesiedelten Flächenland für unerlässlich. Die Hotline muss eine enge Anbindung an erfahrene Kinderschutzfachkräfte haben, um gezielt zu beraten und eine schnelle und zielgerichtete Intervention zu gewährleisten. Die Erfahrungen der Berliner Hotlinie Kinderschutz und die der Hotline des Flächenlandes Mecklenburg-Vorpommern dürften wertvoll sein. Die Erfahrungen aus unserem Nachbarland, auch einem Flächenland, sind sehr positiv. Das niederschwellige Angebot wird gut angenommen und die angebotene Anonymität oft genutzt. In anderthalb Jahren wurde auf die Situation von 1 140 Kindern und Jugendlichen aufmerksam gemacht. In knapp der Hälfte der Fälle bestand ein Interventionsbedarf, nicht immer durch eine Inobhutnahme, aber durch eine Intervention. Eine nicht unerhebliche Zahl gefährdeter Kinder war den Jugendämtern bis dahin nicht bekannt.

Für uns, für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ist wichtig, nochmals den überragenden Stellenwert der Prävention zu betonen. Die Rede von Herrn Büttner von der FDP hat mir in vielen Dingen sehr aus dem Herzen gesprochen. Herr Kollege, wir sind nahe beieinander, was die Ausgestaltung dieses Kinderschutzgesetzes angeht. Aufklärungskampagnen, Stärkung der Familienhilfe und wissenschaftliche Begleitung sind in diesem Zusammenhang unverzichtbar. Auch wenn wir verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen und ein Einlade- und Rückmeldewesen befürworten, so sollen doch vertrauensbasierte aufsuchende Maßnahmen und Hilfsangebote im Vordergrund stehen. Die Androhung von Sanktionen im Vorfeld halten wir für kontraproduktiv. Auch der schwierige Spagat zwischen Kinderschutz und Datenschutz muss in einem modernen Kinderschutzgesetz reflektiert werden.

Nicht verschwiegen werden sollte auch, dass Kinderschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist. Kinderschutzkonzepte können nicht umgesetzt werden, wenn die Einrichtungen der Familienund Jugendhilfe sowie die Gesundheits- und sozialen Dienste gleichzeitig von Finanz- und Personalkürzungen betroffen sind.

Ich komme zum Schluss. Kinderschutz taugt nicht für ideologische Grabenkämpfe. Im Initiativantrag der SPD und der Linken werden gute und sinnvolle Vorschläge unterbreitet. Im Land Berlin wird im Januar das Kinderschutzgesetz in Kraft treten. Der Bund wird in dieser Legislaturperiode einen neuen Anlauf zur Schaffung eines Bundeskinderschutzgesetzes unternehmen. Lassen Sie uns im Land Brandenburg die schon vorhandenen, durchaus sinnvollen Ansätze durch ein modernes Kinderschutzgesetz krönen, meinetwegen auch zu einem anderen Stichtag als dem 30. Juni 2010. Nur: Wir sollten auch nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag evaluieren. Jedes getötete, misshandelte oder traumatisierte Kind ist eines zu viel. - Danke.

(Beifall Grüne/B90 und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Nonnemacher. - Herr Minister, nun haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Lehmann hat es bereits festgestellt: Wir haben in der letzten Legislaturperiode sehr häufig und intensiv über die Verbesserung des Kinderschutzes diskutiert. Wahrscheinlich war damals gerade Ihr Fernsehapparat defekt, Herr Wichmann, sonst hätten Sie das sicherlich registriert.

(Heiterkeit - Beifall SPD und DIE LINKE)

Glauben Sie mir eines: Die Namen der gequälten Kinder, die Sie genannt haben, sind in diesem Hause nicht vergessen worden. Im Gegenteil! Sie waren uns stets Motivation, im Bereich Kinderschutz etwas zu tun. So hat die Landesregierung dem Landtag im März 2006 ein Programm zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit vorgelegt. Darin enthalten waren ein Praxisbegleitsystem für die Jugendämter, die Empfehlung zum Umgang und zur Zusammenarbeit bei Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung, die präventiv angelegte Verbesserung der Arbeit mit Eltern, die Einrichtung einer Fachstelle Kinderschutz und anderes mehr.

Die Empfehlungen zum Kinderschutz, auf deren Grundlage in allen Kreisen und kreisfreien Städten regionale Arbeitsgemeinschaften zum Kinderschutz gebildet wurden, sind gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet und herausgegeben worden, und sie haben - das habe ich auf Jugendministerkonferenzen erfahren - überregional großes Interesse gefunden.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Kinderschutz sind ebenfalls wesentlich verbessert worden. Ich nenne drei Beispiele: Das Schulgesetz regelt jetzt, dass die Schulen jedem Anhaltspunkt für Vernachlässigung und Misshandlung nachgehen müssen. Das Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz regelt jetzt, dass Hilfen in den Familien auch dann gegeben werden können, wenn ein formeller Antrag der Eltern nicht gestellt wurde. Das Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst schafft ein verbindliches Einladungswesen für die Früherkennungsuntersuchungen und die Verpflichtung zur Teilnahme an einer Untersuchung, die von den Gesundheitsämtern koordiniert und durchgeführt wird.

Dass nun eine zusammenfassende gesetzliche Regelung gefordert wird, halte ich für grundsätzlich sinnvoll. Sie findet sich im Koalitionsvertrag, den Sie, Herr Wichmann, vielleicht nicht aufmerksam genug gelesen haben. Darin steht: Wir fordern ein Kindergesundheits- und Kinderschutzgesetz. Zunächst - auch das steht in der Koalitionsvereinbarung - sollen die Wirkungen der bisherigen Initiativen evaluiert werden. Auf dieser Basis soll dann, und zwar in enger Abstimmung mit den Kommunen, ein solides Gesetzeswerk erarbeitet werden, das seinem Anspruch gerecht wird. Das heißt in meinem Zuständigkeitsbereich ganz klar: besserer Schutz vor Misshandlung und Vernachlässigung für alle Kinder in unserem Land.

Meine Damen und Herren! Das Gesetz ist unser gemeinsames Ziel. Das ist in den Redebeiträgen deutlich geworden. Wir sollten uns für eine gründliche Bewertung der bisherigen Praxis Zeit nehmen, bevor wir das Gesetzgebungsverfahren einleiten. Das muss natürlich nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag sein. Danke schön.

(Beifall SPD, DIE LINKE und vereinzelt GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Minister.

Wir sind am Ende der Debatte angelangt und kommen zur Abstimmung. Ich stelle zunächst den Antrag der Fraktionen der CDU und GRÜNE/B90 - Vorlage eines Landeskinderschutzgesetzes - in der Drucksache 5/120 zur Abstimmung. Wer dem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und DIE LINKE in der Drucksache 5/179. Wer dem Entschließungsantrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei mehrheitlicher Zustimmung, wenigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen ist der Antrag angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

BVVG-Gewässer unentgeltlich in Landeseigentum übertragen

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/121

in Verbindung damit:

Privatisierung von Brandenburger Seen stoppen und öffentliche Zugänglichkeit sichern

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/131

Wir beginnen die Aussprache mit dem Redebeitrag der Fraktion der CDU. Herr Abgeordneter Dombrowski, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben zwei Anträge im Zusammenhang zu betrachten: einen Antrag der Koalitionsfraktionen und den weitergehenden Antrag der CDUFraktion zum selben Thema. Beide Anträge sind dem Anliegen, sich in Brandenburg verstärkt um die Seenprivatisierung der BVVG zu kümmern, geschuldet. Wir hätten das gern früher getan; dazu komme ich noch.

Die Betroffenheit vor Ort und die Diskussionen sind bekannt. Das prominenteste Brandenburger Beispiel ist die Diskussion um den Wandlitzsee, der im Jahr 2003 verkauft und privatisiert wurde. Auch wenn sich alle an der nachfolgenden Kritik beteiligt haben, bleibt doch anzumerken, dass das Land Brandenburg dem Verkauf zugestimmt hatte. Letztlich hat die Diskussion um den Wandlitzsee zu einer erhöhten Sensibilität für das Thema und auch zu einem Erkenntnisgewinn bei der Landesre

gierung geführt. Es kam zu einer Einvernehmlichkeit bezüglich dieses Themas im Landtag Brandenburg.

Klar ist, Seen gehören in die öffentliche Hand, sie sind Allgemeingut und Orte, an denen sich die Bürger und Besucher unseres Landes erholen und erfreuen wollen. Vor diesem Hintergrund sind die Gewässer und deren Nutzung für die Kommunen im Hinblick auf die touristische Entwicklung und die Entwicklung der regionalen Wirtschaft in Brandenburg absolut wichtig und prioritär.

Darum fordern wir in unserem Antrag die Landesregierung auf, sich der Bundesratsinitiative des Landes MecklenburgVorpommern zur Seenprivatisierung anzuschließen. Wir wissen, dass sich das Kabinett gestern offenbar schon dazu positioniert hat. Dennoch wäre es gut, wenn sich die Landesregierung gestärkt durch ein Votum des Landtages morgen in den Bundesrat begibt.

Wir fordern weiterhin, sich über den Bundesrat für eine Verlängerung des Moratoriums beim Verkaufsstopp einzusetzen. Wir wollen klarstellen, dass das Land Brandenburg nicht nur - wie es die Bundesratsinitiative von Mecklenburg-Vorpommern vorsieht - die Übertragung der Gewässer in Landeseigentum fordert, sondern auch die Möglichkeit, den Kommunen die Gewässer direkt zu übertragen. Das ist mittlerweile auch Inhalt des Antrags der Koalitionsfraktionen.

Es wäre aber gut, wenn wir auch die Landesregierung aufforderten, sich im Rahmen der Bundesratsinitiative - im Bundesrat wird ja viel gesprochen und verhandelt, bis es zu Ergebnissen kommt - einzubringen, damit die Bundesratsinitiative in Mecklenburg-Vorpommern genutzt wird, um auch im Bundesrat eine Mehrheit dafür zu bekommen, damit eine Direktübertragung an die Kommunen möglich ist. Es könnte ansonsten der Eindruck entstehen, dass wir zwar sagen: Übertragung an das Land ja!, jedoch damit auch der Spekulation Tür und Tor öffnen, das Land Brandenburg könne dann vielleicht anfangen was ich bezweifle, aber Sie wissen, was alles in den Raum gestellt wird -, die übertragenen Seen an Kommunen zu veräußern. Das wollen Sie nicht, das wollen wir nicht. Deshalb sollte man das klarstellen.

Meine Damen und Herren, wir kommen mit dem von mir vorhin angesprochenen Erkenntnisgewinn recht spät. Am 25. September 2009 hat der Ministerpräsident ausgeführt, eine BundLänder-Arbeitsgruppe werde die Zeit nutzen und das bisherige Konzept überarbeiten. In dieser Arbeitsgruppe sitzen die Fachleute aus den Agrar- und Umweltressorts der neuen Bundesländer mit am Tisch und können direkt auf das neue Verfahren Einfluss nehmen. Ich halte dies, sehr geehrter Herr Preuß, für ein erfolgversprechenderes und vor allem zügigeres Verfahren als den angesprochenen Weg über eine Bundesratsinitiative. So viel zu dem Hintergrund.

Für den Fall, dass einer der nachfolgenden Redner sagt: Hätten Sie doch vor ein paar Monaten etwas gesagt!, möchte ich vorwegschicken: Das haben wir. Es ist klar: Wenn die Spitze der Landesregierung sagt: Wir wollen keine Bundesratsinitiative!, dann ist da schwer heranzukommen. Von daher ist es gut, dass das Kabinett gestern offenbar beschlossen hat, sich der Bundesratsinitiative anzuschließen. Aber ich denke, es ist auch gut, wenn wir hier im Landtag einen Beschluss dazu fassen, die Übertragung an die Kommunen sicherzustellen, denn das Land

muss ja nicht unbedingt alles auf sich ziehen. Das waren ja die Vorbehalte, die es gab: Das Land könnte sich in die finanzielle Haftung bringen, wenn wir als Land nur sagen: Es gibt auch Kommunen, die es gern übernehmen möchten.

Zu dem Antrag, der im Nachgang noch beraten wird, der von den Inhalten her mit dem der Koalitionsfraktionen im Wesentlichen identisch ist und in dem nur die Aufforderung fehlt, sich im Bundesrat der Initiative Mecklenburg-Vorpommerns anzuschließen, möchte ich ankündigen, dass wir natürlich unserem Antrag, dem der CDU-Fraktion, aber auch dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen werden.

Ich hoffe, dass dann die Bundesratsinitiative auch insofern ein Erfolg wird, als die Bürgerinnen und Bürger der ostdeutschen Bundesländer - Hauptbetroffene sind ja Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern - sicher sein können, dass sich die Gewässer in Landesobhut und kommunaler Obhut befinden und zukünftig nicht mehr den finanziellen Interessen privater Eigentümer entgegenblicken müssen.

Wir haben nachher noch einmal Gelegenheit, zu den folgenden Einwendungen und Redebeiträgen Stellung zu nehmen. - Danke schön.

(Beifall CDU sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dombrowski. - Das Wort erhält die Fraktion DIE LINKE, für die Herr Abgeordneter Luthardt spricht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich die See seh‘, brauch' ich kein Meer mehr. Es wäre zwar ganz nett, wenn Brandenburg auch ein Meer hätte, aber in Brandenburg gibt es wunderschöne Seen. Sie sind eine Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit. Es reicht von Klarwasserseen wie dem Stechlin bis hin zu den Tagebaurestlöchern in den Bergbaufolgelandschaften. Es sind mehr als 800 Seen mit einer Größe von mehr als einem Hektar.