Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zuerst über den von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 5/6911. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Es folgt der Entschließungsantrag von der Fraktion der SPD, der Fraktion DIE LINKE und der FDP-Fraktion auf Drucksache 5/6914. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

Damit schließen wir Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Entwicklungspolitische Leitlinien der Landesregierung Brandenburg

Unterrichtung der Landesregierung 5/151

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik

Drucksache 5/6806

Die Abgeordnete Richstein beginnt die Debatte für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin momentan noch etwas irritiert, weil ich dachte, dass das zuständige Mitglied der Landesregierung - sprich: der Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten …

Er kommt noch.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Er ist noch nicht dran!)

- Er kommt noch? Na und, er ist nicht gleich dran, aber ich denke schon, dass er als Mitglied die Debatte über einen Bericht der Landesregierung mitverfolgen sollte.

(Beifall CDU)

Es wäre schön, wenn er kommen würde.

(Zuruf: Natürlich!)

Ich nehme an, meine Zeit läuft noch nicht? - Doch?

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal mein Unbehagen darüber ausdrücken, lege Ihnen aber als Vorsitzende des Ausschusses für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik den Bericht über die Befassung mit den entwicklungspolitischen Leitlinien der Landesregierung Brandenburg und die Beschlussempfehlung des Ausschusses vor.

Die Leitlinien wurden bekanntermaßen am 31. Mai 2012 beschlossen und sind dem Präsidenten am 28. Juni 2012 zugeleitet worden.

Wir haben uns in drei Sitzungen damit befasst. Am 17. Oktober wurde uns seitens der Koalitionsfraktionen angekündigt, dass sie eine Beschlussempfehlung einreichen würden. Leider kam diese erst am 5. Februar. Ich bedauere das insbesondere deswegen, weil ich es gern gesehen hätte, dass auch der Landtag eine Stellungnahme in der Broschüre „Forum Entwicklungspolitik in Brandenburg“ abgegeben hätte. Das hätte das ganze Bild ein wenig abgerundet. Aber es ist nun einmal so: Wenn die Koalitionsfraktionen sich uneinig sind, dann ist das leider das Ergebnis.

(Beifall CDU - Minister Christoffers betritt den Plenar- saal.)

Meine Damen und Herren - guten Tag, Herr Minister -, die Überarbeitung der Entwicklungspolitischen Leitlinien war notwendig, nachdem sie erstmalig 1999 erarbeitet worden waren. Es war deswegen notwendig, weil natürlich auch die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000, die Paris-Deklaration aus dem Jahr 2005 und der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz „Zukunftsfähigkeit sichern - Entwicklungspolitik in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen“ vom 24. Oktober 2008 einbezogen werden sollten.

Es wird über den Inhalt der Entwicklungspolitischen Leitlinien wohl kaum Dissens in dieser Debatte geben, denn aus vielen Gesprächen - auch mit den Stakeholdern - kann man das übereinstimmende Fazit ziehen, dass es moderne Leitlinien sind. Dass wir uns auf das konzentrieren, was wir auch leisten können - also der gesamte Bereich; was wir in unseren Partnerländern tun können -, ist nicht mehr so explizit gefasst. Wir zentrieren uns in den Entwicklungspolitischen Leitlinien auf die Nachhaltigkeit und - ich denke, das ist sehr wichtig für die Akzeptanz dieser Leitlinien -: Sie sind in einer breiten Diskussion mit den Stakeholdern und an einem Runden Tisch erarbeitet worden.

An dieser Stelle möchte ich auch ganz herzlich den Nichtregierungsorganisationen danken, die nicht nur am Round Table mitgearbeitet haben, sondern tagtäglich, jahrein, jahraus entwicklungspolitische Arbeit hier im Land Brandenburg leisten, und möchte stellvertretend natürlich auch dem VENROB - namentlich Herrn Uwe Prüfer - herzlich danken,

(Beifall CDU)

der wirklich in jeder Sitzung des Ausschusses, soweit es seine Zeit erlaubt, anwesend ist und uns nicht nur in entwicklungspolitischen Fragen unterstützt, sondern auch darüber hinaus eine breit gefächerte Kompetenz, auch was europapolitische Fragen anbelangt, hat.

Aber, meine Damen und Herren, die Leitlinien sind das eine, und die Umsetzung ist das andere. Bislang habe ich zwar zur Kenntnis genommen, dass die Entwicklungspolitischen Leitlinien verabschiedet wurden. Ich habe aber in der konkreten Tagespolitik noch nicht erkennen können, dass sie auch angewandt werden. Die Kollegen von den Grünen haben das in der Broschüre „Forum Entwicklungspolitik Brandenburg“ auch angemahnt. Im Vergabegesetz findet man keinen Hinweis darauf.

Brandenburg hat sich, was ich sehr bedaure, an dem Promotorenprogramm der Bundesregierung nicht beteiligt, und das, obwohl in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen wurde, dass die Verantwortung nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Ländern liegt.

Auch wenn es um die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes geht, kann ich in den Eckpunkten einer Strategie für nachhaltige Entwicklung noch nichts erkennen, was Entwicklungspolitik unmittelbar betrifft. Nun kann man sagen: Sie sind im Februar 2011 beschlossen worden; das war, bevor wir die Leitlinien hatten. - Aber auch bei den Aktivitäten der Landesregierung im Bereich nachhaltige Entwicklung kann ich in diesem Punkt keinen Fortschritt sehen. Wenn ich beispielsweise die Dokumentation des zweiten Runden Tisches „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ aus dem November 2012 anschaue, dann stelle ich fest: Da ist keine Rede von Entwicklungspolitik. Es werden neue Themenfelder angesprochen: Fachkräftesicherung, lebenslanges Lernen und Biodiversität - wichtige Akzente, das sehe ich ein. Aber wo, bitte schön, ist die Verknüpfung mit der Entwicklungspolitik?

Daher bin ich sehr froh, dass der Ausschuss Ihnen empfiehlt, zu beschließen, dass die Landesregierung konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Schwerpunkte der Entwicklungspolitischen Leitlinien erarbeitet und dass hierüber dem Ausschuss auch jährlich und darüber hinaus anlassbezogen berichtet wird. Die Zeit fängt nicht erst heute an zu laufen, die Jahresfrist hat schon am 31. Mai 2012 begonnen, sodass ich hoffe, dass wir bald darüber reden werden. Der vierte Round Table wird am 21. Juni 2013 stattfinden. Bis dahin erwarte ich schon konkrete Punkte der Landesregierung und keine Planung zu dem dann stattfindenden Zeitpunkt, wann und wie irgendwas einmal umgesetzt werden soll. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Die Abgeordnete Hackenschmidt setzt die Debatte für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ja, Brandenburg kann mit Fug und Recht auf eine gute und wichtige Tradition zurückblicken. Seit 1990 haben sich viele Menschen in unserem Land mit ihrem ehrenamtlichen Engagement

für nachhaltige Entwicklungspolitik eingesetzt: für die Bekämpfung von Armut und Unterentwicklung, für Klimaschutz und für bessere Bildung in unserer Welt. Wir können froh sein, dass wir auf diesen Erfahrungen in unserem Land aufbauen können, und wir sind gut beraten, dies auch zu tun.

Deshalb betone ich das besonders: Wir sind den Teilnehmern aus der Zivilgesellschaft dankbar, die sich in den vergangenen Jahren engagiert und kenntnisreich beim Round Table „Entwicklungspolitik im Land Brandenburg“ eingebracht haben. Ich verweise auf die Publikationen und empfehle sehr, dort vieles nachzulesen. Denn es geht jetzt um das Handeln. Dafür finden wir dort gute Ansätze, auch bei den Stellungnahmen der einzelnen Fraktionen.

Frau Richstein hat es schon gesagt: Besonderer Dank gilt VENROB, dem Verbund entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen in Brandenburg, speziell Herrn Prüfer. Bei der Erarbeitung der Leitlinien und im gesamten Diskussionsprozess war VENROB mit seiner Kompetenz und Erfahrung ein unverzichtbarer Partner. Hierfür gebührt VENROB unser Dank.

Mit den Entwicklungspolitischen Leitlinien der Landesregierung setzt Brandenburg ein wichtiges Zeichen. Es geht darum, nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit zu stärken, und es geht darum, hier in Brandenburg unseren Beitrag für diese eine Welt, in der wir leben, zu leisten. Mit den Entwicklungspolitischen Leitlinien hält die Regierungskoalition ihr Wort. Sie setzt mit dem Beschluss eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag von 2009 um. Ziel der damaligen Vereinbarung war es, die bestehenden Entwicklungspolitischen Leitlinien an die heutigen Bedingungen anzupassen; denn wir hatten damals schon welche.

Aus sozialdemokratischer Perspektive ist Entwicklungszusammenarbeit ein Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität, der nur als langfristige globale partnerschaftliche Zusammenarbeit erfolgreich sein kann. Daher ist es wichtig und richtig, dass sich die Leitlinien in Brandenburg dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung verpflichten. Nur wenn wir Entwicklungspolitik langfristig denken und unser Handeln danach ausrichten, können wir entsprechende Erfolge erzielen.

Ein zweiter wichtiger Punkt: Schauen wir auf den brandenburgischen Verfassungsauftrag im Hinblick auf die eine Welt, dann verstehen wir unter einer guten Entwicklungszusammenarbeit eine gleichberechtigte Partnerschaft mit starken zivilgesellschaftlichen Akteuren. Mit diesen Ansprüchen an gute Entwicklungszusammenarbeit als Grundlage setzen die Leitlinien die richtigen Schwerpunkte. Denn diese liegen auf den Feldern Bildung und Jugend, Migration und Integration, Wissenschaft und Forschung sowie Wirtschaft. Das sind die Bereiche, in denen Entwicklungspolitik ansetzen muss. Und ganz wichtig: Alle diese Felder müssen miteinander vernetzt sein. Auch das greifen die Leitlinien auf.

Nachhaltige Entwicklungspolitik heißt auch, dass sie in allen Ressorts als Querschnittsprinzip verankert ist und so bestmöglich zum Tragen kommt. Deshalb werden die konkreten Maßnahmen der Entwicklungspolitischen Leitlinien im engen Zusammenwirken der Landesministerien umgesetzt. Greift man das Nachhaltigkeitsprinzip auf, so stehen Bildungsfragen am Anfang einer langfristigen wirkungsvollen Entwicklungszusam

menarbeit. Denn darunter fallen Bildungsarbeit gegen Fremdenfeindlichkeit, Schulpartnerschaften und Freiwilligenprogramme für Jugendliche. Das sind die richtigen Maßnahmen, um das Fundament für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Herausforderung für gute Entwicklungszusammenarbeit ist es, in unserem Land das Bewusstsein für eine nachhaltige Entwicklungspolitik weiter zu stärken. So ist es sehr erfreulich, dass etwa in brandenburgischen Städten Einkaufsführer existieren, die auf Geschäfte mit Fair-Trade-Produkten hinweisen.

Auch das Land leistet in diesem Prozess der Bewusstseinsbildung seinen Beitrag. Das Bekenntnis in den Entwicklungspolitischen Leitlinien, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge den Nachweis zu verlangen, dass Leistung ohne ausbeuterische Kinderarbeit zustande gekommen ist, ist wichtig. Dieser Nachweis muss in der Praxis konsequent eingefordert werden. Hier gilt es weiter anzusetzen. Der Kunde muss seinen Anspruch artikulieren. Das bekommen wir nur durch entsprechende Bewusstseinsbildung hin. Damit müssen wir unbedingt bei den Kindern anfangen.

Regelungen, die bei der Vergabe bestimmter öffentlicher Aufträge explizit ein Fair-Trade-Siegel als Nachweis einfordern, können dazu beitragen, dass in diesen Fragen das gesellschaftliche Bewusstsein weiter geschärft wird. Deshalb ist es richtig, dass in den Leitlinien der Landesregierung auch die Kommunikation und Vermittlung entwicklungspolitischer Inhalte zum Tragen kommen. Das ist ein wichtiger Aspekt, bei dem wir hier in unserem Land ganz konkret ansetzen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Entwicklungspolitischen Leitlinien schafft Brandenburg die Grundlage, damit wir hier im Land auch in Zukunft das Mögliche tun können, um gute und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit zu stärken. Die Leitlinien in Brandenburg stehen dabei für ein Erfolgsmodell. Die breite gesellschaftliche Beteiligung, wie sie bei ihrer Entstehung mit dem Round Table praktiziert wurde, wird auch in Zukunft wegweisend sein. Sie haben den neuen Termin gehört: 21. Juni.

Brandenburg bekennt sich mit den Leitlinien zu seiner Verantwortung. Es ist richtig, das Wissen und die Kompetenz für nachhaltige Entwicklung in unserer Gesellschaft zu stärken. Das verdient unsere Unterstützung. Da sind wir alle gefragt. Ich fordere Sie alle auf, sich aktiv an der zügigen Umsetzung zu beteiligen. Das gilt für Förderpolitik, aber auch für nachhaltige Beschaffung. Wir benötigen viele Dinge, wir sind immer auch Kunde und sollten uns gemeinsam für eine nachhaltige Entwicklungspolitik hier in Brandenburg einbringen.

Zur Kritik des Promotorenprogramms: Der finanzielle Hebel muss auf der Ebene des Bundes und nicht der Länder angesetzt werden. Wir registrieren, dass der Bund seine Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut hat, auch wenn der Bund noch weit davon entfernt ist, seinen internationalen Pflichten gerecht zu werden. Wir sind der Meinung, dass der Bund in der Verantwortung steht und die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit deutlich aufstocken muss.

Brandenburg hat das Ziel, seinen Haushalt zu konsolidieren, und wir beenden damit die Schuldenaufnahme - auch eine nach

haltige Entscheidung. Wir tun dies vor allem mit Blick auf die zukünftigen Generationen. In den nächsten acht Jahren gehen die Einnahmen des Landes von derzeit zehn Milliarden auf acht Milliarden Euro zurück. Das liegt am Auslaufen der Sonderförderung. Sie alle wissen das, das muss ich hier nicht weiter ausführen.

Die SPD-Fraktion unterstützt, dass Brandenburg im Rahmen seiner Möglichkeiten weiter seiner Verantwortung für entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit gerecht wird. Wir sind der Auffassung, dass in Brandenburg dieser Wille etwa durch die jährliche Unterstützung der entwicklungspolitischen Projektförderung in Höhe von 60 000 Euro zum Ausdruck kommt. Diese Unterstützung wird 2013 und 2014 fortgeführt. Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung haben wir auf Landesebene darüber hinaus gegenwärtig keine weiteren finanziellen Handlungsspielräume erkennen können.

Zum Vergaberecht bei öffentlichen Aufträgen: Ja, da sind wir gefordert, mit gemeinsamen Anstrengungen das Bewusstsein zu schärfen, bezüglich nachhaltiger Beschaffungswirtschaft ich habe es schon gesagt - genauer hinzugucken und Verantwortung zu übernehmen. Ich glaube, wir sind gut beraten, diese Dinge gemeinsam in die Praxis umzusetzen und unsere Augen dafür zu schärfen. - Vielen Dank.