Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Parteien der Regierungskoalition haben aus meiner Sicht gemacht, was sie tun müssen. Sie haben gesellschaftliche Entwicklung nicht negiert. Sie haben Schwingungen in der Gesellschaft aufgenommen. Sie haben unterschiedliche Interessen, die manchmal meilenweit - wie wir hier auch in der letzten Stunde wahrnehmen konnten - auseinanderliegen, gedanklich ein Stück anzunähern und zusammenzubringen versucht und haben sich damit auf den Weg gemacht, einen sinnvollen Kompromiss zu suchen. In welcher Situation dies passiert - es wurde mehrfach darauf hingewiesen -: Ein sehr erfolgreiches Volksbegehren ist die Grundlage.

Wir haben des Weiteren zur Kenntnis zu nehmen, dass die Gräben relativ tief sind zwischen Menschen, die sich in den betroffenen Gegenden - aber wie wir aus Umfragen wissen, auch darüber hinaus - intensiv für mehr Nachtruhe einsetzen, und anderen Menschen, die sagen: Mir ist die Rolle, die der Flughafen, die dieses Infrastrukturprojekt in unserem Land spielen soll, wichtiger. Mir ist wichtiger, dass Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden, und dann müssen wir anderes hinnehmen. Das ist ein klarer, deutlicher Interessenkonflikt, wie er nun einmal in Gesellschaften keine Seltenheit ist.

Dazu kommt - das hat den ganzen Prozess nicht befördert, das ist doch auch keine Frage, machen wir uns doch nichts vor -, dass der Flughafen eben nicht eröffnet ist. Warum kommt das dazu? Weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass manche der Ängste von Betroffenen oder virtuell Betroffenen sich relativiert hätten, wenn der Flughafen in Betrieb wäre, weil manche, die heute Bedenken haben, vielleicht gemerkt hätten, dass sie diese Bedenken nicht mehr zu haben brauchen, weil die Belastung bzw. Belästigungen nicht so groß sind. Das können wir jetzt nicht nachweisen, denn er hat nicht eröffnet und er wird in den nächsten Monaten nicht eröffnen. Wir müssen auch virtuelle Ängste ernstnehmen und müssen mit ihnen um

gehen. Auch das gehört zur Demokratie, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Welche Möglichkeiten haben wir denn? Das sollten wir ganz nüchtern fragen. Wir haben als Parlament die Möglichkeit, das Begehren abzulehnen. Was folgt? Natürlich eine monatelange Kampagne. Und welchen Charakter wird die Kampagne haben? Das liegt ganz klar auf der Hand: Sie kann und sie wird keine flughafenfreundliche Kampagne sein, sondern sie wird versuchen - das muss sie ja auch, und sie wird gut geführt werden, das haben wir beim Volksbegehren gesehen -, alles darzustellen, was man auch an Negativa mit einem solchen Infrastrukturprojekt verbinden kann, denn sie will am Ende erfolgreich sein. Das ist doch auch völlig klar.

Wird eine solche Kampagne dem Standort Berlin-Brandenburg nutzen? Ich sage: Nein, das wird sie nicht. Wir haben so schon genug Schwierigkeiten mit dem Ruf dieses Projekts. Wird sie dem Flughafen speziell nutzen? Nein, wird sie nicht, sondern sie wird eher zusätzliche Schwierigkeiten für dieses Projekt bringen. Und im Lande wird es danach ganz automatisch keine flacheren Gräben geben, sondern sie werden nach einer solchen Kampagne eher noch tiefer sein. Auch das ist doch normal.

Natürlich kann man, Herr Beyer, der Meinung sein: Das wollen wir und das soll so sein. - Wenn es irgendeinen Nutzen am Ende bringen würde, eine veränderte Situation, würde ich Ihnen auch aus demokratietheoretischen Erwägungen - zustimmen. Wie ist aber am Ende die Situation? Sie ist so, wie ich sie geschildert habe. Es gibt negative Wirkungen, und sie sind mit dem möglichen Ergebnis verbunden, dass die Landesregierung genau denselben Verhandlungsauftrag hat, den sie nach einem eventuellen Landtagsbeschluss jetzt auch hat. Keine Puseratze anders. Sie müsste genauso verhandeln wie jetzt. Es hat sich dann also nichts verändert, außer dass die Stimmung schlechter geworden ist, dass sich die Standortbedingungen nicht verbessert haben und der Ruf des Flughafens nicht besser geworden ist. Deshalb finde ich einfach vernünftig, was sich die Regierungskoalition vorgenommen hat.

Da will ich auch einmal den Kollegen der Medien sagen: Wir wissen doch, wie eine Kampagne begleitet werden würde, denn wir haben es beim Volksbegehren erlebt. Die „Berliner Zeitung“ hat am 4. Dezember getitelt: „Das Volk begehrt mehr Nachtruhe“ - nach dem Volksbegehren. Lesen Sie die „Berliner Zeitung“ jetzt einmal! Ich sage noch einmal: Was alles so in einer Zeitung in wenigen Wochen möglich ist! - Auch das muss man, wenn man Politik macht in einem Land, einbeziehen.

(Zurufe von der CDU)

- Ja, ich kenne doch die Vorhaltungen, ich kenne doch Ihre Vorwürfe. - Wenn gesagt wird, das wäre alles nur vordergründig, dann sage ich: Nein, das gehört alles dazu, dass man diese Dinge mit einbezieht, denn das wirkt sich auf das Klima im Land, auf die Entwicklung des Landes und auf die politischen Verhältnisse aus. Deshalb finde ich es überhaupt nicht vorwerfbar, dass man all das sehr wohl ins Kalkül zieht.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich sage noch einmal: Am Ende, meine Damen und Herren Herr Beyer, da schließe ich direkt an Sie an -, gibt es demokratietheoretisch auch noch andere Bedenken. Natürlich werden, wenn die Kampagne gut geführt ist und entsprechend engagiert durchgeführt wird, nicht hunderttausend, sondern Hunderttausende Menschen zur Wahl gehen. Und viele davon werden hingehen, ihre Stimme abgeben und die Hoffnung haben - legitimerweise aus ihrer Sicht -, dass es, wenn sie den Zettel hineingesteckt haben und die Volksabstimmung erfolgreich ist, eine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr geben wird. Da sich aber an den rechtlichen Bedingungen auch dadurch nichts geändert hat, muss diese Hoffnung enttäuscht werden. Ich weiß nicht, ob man zuschauen muss, dass die Enttäuschung dann noch wächst, und frage, was das gesellschaftlich bringen soll. Ich kann den Nutzen für die Gesellschaft wirklich nicht erkennen.

Meine Damen und Herren, man muss auch einmal bei dem, was jetzt an Kommentierungen kommt, sagen: Wie denn nun bitte? Da gibt es auf der einen Seite die Frage: Stimmungen aufnehmen, Entwicklungen wahrnehmen und reagieren? Das wird dann betitelt mit Umfallen, Einknicken und Ähnlichem. Wenn wir heute dies abgelehnt und ignoriert hätten, hätte es geheißen: Durchregieren, Ignoranz, mangelnde Demokratie. Wie hätten wir es denn gern? Natürlich muss am Ende wieder ein Weg stehen, der möglichst viele - niemals alle, das wird nicht möglich sein - einbezieht. Deshalb haben sich die Regierungsparteien jetzt für Verhandlungen entschieden, weil das der bessere Weg für die Region und den gesellschaftlichen Frieden ist.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ja, meine Damen und Herren, wir haben auch nicht vor, irgendjemanden hinter die Lampe zu führen. Der Entschließungsantrag beschreibt eine Situation klipp und klar und für jeden nachlesbar. Matthias Schubert und andere wissen genauso wie ich, dass die Gespräche schwierig werden. Sie werden kompliziert werden. Ich nehme den Verhandlungsauftrag mit ganzer Kraft an und werde alles, was geht, mit den Partnern, die wir haben, die zu dem Projekt gehören, versuchen.

Übrigens werden die Bedingungen in einem halben Jahr kein bisschen weniger schwierig; es werden genau dieselben Rahmenbedingungen sein, mit denen wir jetzt umgehen müssen. Klar, wir haben ein höchstrichterliches Urteil, das bereits Kompromisslösungen beinhaltet. Aber ich sage auch, weil immer gesagt wird: „Du als Aufsichtsratsvorsitzender“ - übrigens, wenn ich weiter normales Aufsichtsratsmitglied wäre, würde das genauso gelten -: Zum erfolgreichen wirtschaftlichen Bestehen eines Unternehmens, noch dazu eines solchen Infrastrukturunternehmens, das atmet, das mit der Region eng verwoben ist, das ganz viele Beziehungen in die Region hinein hat, gehört auch eine entsprechende Akzeptanz. Sonst würde es sich nicht entwickeln.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Diese Akzeptanz wird nie hundertprozentig herstellbar sein. Ich habe mir viele Umgebungen von anderen Flughäfen angeguckt. Übrigens, unsere alte Geschäftsführung hatte auch erhebliche Defizite beim Bemühen um Akzeptanz. Das ist eine tägliche Aufgabe.

(Zuruf von der CDU: Das ist ja etwas Neues!)

Manche dieser mangelnden Bemühungen - damit hatten Sie ja vorhin Recht - hat natürlich auch zu der schlechten Stimmung in der Region und vielleicht auch teils zum Erfolg des Volksbegehrens beigetragen, keine Frage. Das ist auch die Ernte dessen, was an dieser Stelle versäumt worden ist.

Meine Damen und Herren, ich werde mit anderen zusammen alles dafür tun, dass am Ende eine Lösung steht, die für die Bürgerinnen und Bürger deutlich mehr Nachtruhe beinhaltet.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das wird nicht durch ein Patentrezept gelingen. Dazu werden wir uns eine Menge einfallen lassen müssen. Es wird eines Bündels intelligenter Maßnahmen bedürfen, die in der Summe dann zu diesem Ergebnis führen.

Gleichzeitig - das sage ich genauso klar und deutlich - werde ich alles dafür tun, dass dieses Projekt, dieser Flughafen wirtschaftlich erfolgreich wird und unserem Lande, der gesamten Region und ihren Menschen dienen wird.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich denke dabei immer Berlin-Brandenburg als eine Region. Wir hängen wirtschaftlich zusammen. Ich denke dies zusammen, wir denken dies zusammen. Ich werde mich auch künftig in Inhalt und Ton so verhalten, dass man spürt, dass es eine Region ist, wie ich es bisher gemacht habe. Ich werde mich davon auch durch manche Äußerung aus Berlin nicht abbringen lassen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das noch sagen: Es werden in diesem Jahr 23 Jahre, dass ich in die erste brandenburgische Landesregierung eingetreten bin. Ich habe seitdem allen fünf brandenburgischen Landesregierungen angehört. Über all diese Jahre, man kann schon sagen, Jahrzehnte habe ich versucht, eigene Sichten immer wieder auch auf den Prüfstand zu stellen. Niemand ist im Besitz der alleingültigen Wahrheit. Ich habe immer versucht, Konflikte zu lösen - und dazu bekenne ich mich auch - im Sinne meines politischen Ziehvaters Johannes Rau, wo es geht, zu versöhnen statt zu spalten. Das werde ich auch künftig tun, und ich werde bis zum Schluss nicht davon ablassen, Kompromisse in der Politik nicht als eine Sünde anzusehen, sondern als eine Tugend, als eine Grundlage für den Umgang in der Demokratie überhaupt. Dazu gehört auch der Weg, den wir jetzt gehen, und nichts anderes ist es. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Es gibt die Anmeldung einer Kurzintervention durch Herrn Abgeordneten Dombrowski, auf die der Herr Ministerpräsident noch reagieren kann. Herr Abgeordneter Dombrowski, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen danken für Ihre Offenheit. Denn was

haben Sie heute hier vorgetragen, da, wo die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel erwartet hätten, dass Sie erklären, was Sie mit einem Kompromiss meinen? Sie haben nicht einmal den Begriff „22 bis 6 Uhr“, wie im Volksbegehren benannt, in den Mund genommen. Sie kündigen einen Kompromiss an. Sie sagen nicht, wie er aussehen soll.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben einen Antrag von Brandenburg im Bundesrat gestellt, ganz geschickt, in dem aber nichts steht, was irgendwie zu einer Entlastung beitragen könnte, geschweige denn zu einem bundesweiten Nachtflugverbot. Sie haben in Richtung der Bürger gesprochen, Sie haben von virtuellen Ängsten gesprochen, die man jetzt um den Flughafen herum hat. Die Ängste der Bürgerinnen und Bürger sind aber nicht virtuell, sondern real und realistisch. Sie haben einen Beitrag dazu geleistet, indem Sie über Jahre nachhaltig versucht haben, wie ich schon gesagt habe, die Bürger um den ihnen zustehenden Lärmschutz zu betrügen. Nicht anders kann man es bezeichnen.

Sie haben dann die Sorge um das Land in den Raum gestellt, dass eine Kampagne zum Inhalt des Bürgerbegehrens dem Land schaden könnte. Nein, eine Kampagne um den Flughafen BER schadet dem Land nicht. Was dem Land geschadet hat, ist Ihr Management oder Missmanagement auf dem Flughafen.

(Beifall CDU)

Da hilft es auch nichts, wenn Sie sagen, dass Sie sich große Mühe geben, das irgendwie hinzukriegen. Im Grunde waren Sie so ehrlich, hier zu sagen, dass Sie die Sorge hatten, dass eine Kampagne dazu führen könnte, dass sich die politischen Verhältnisse in Brandenburg ändern.

(Beifall CDU - Lachen bei der SPD)

Das ist Ihre eigentliche Sorge. Dies ist auch der Grund, weshalb die Oppositionsfraktionen - mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen - Ihnen an dieser Stelle misstrauen. Denn Sie haben mit keinem Wort erwähnt, worauf die Bürger wirklich hoffen können, außer auf Ihren guten Willen. Das ist zu wenig, Herr Ministerpräsident!

(Beifall CDU)

Sie hätten in der Vergangenheit die Interessen Brandenburgs vertreten müssen, und Sie müssen auch aktuell und in Zukunft die Interessen Brandenburgs vertreten. Das haben Sie nicht getan. In mehreren Debatten haben wir darauf hingewiesen. Es nützt überhaupt nichts festzustellen, dass dies der falsche Standort ist. Natürlich ist es der falsche Standort.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

- Ach, hören Sie doch auf, hier rumzukrähen!

(Beifall CDU)

Sie wissen doch, dass die Entscheidung für den Flughafenstandort in die Zeit fiel, in der die SPD in Brandenburg allein regiert hat.

(Beifall CDU - Lachen SPD)

Das ist aber gar nicht das Thema. Gewöhnen Sie sich daran, dass Sie in Brandenburg regieren, dass Sie zuallererst Verantwortung haben, den Bürgern die Antworten auf die Fragen zu geben und nicht die Bürger heute mit lauen Versprechungen und mit der Bekundung des guten Willens zu entlassen.

Herr Abgeordneter Dombrowski, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich hätte erwartet, Herr Ministerpräsident, dass Sie heute sagen, was Sie tatsächlich zur Lösung des Problems einbringen wollen. - Danke schön.

(Beifall CDU)