Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Was ist nun geschehen? - Die EU-Kommission beabsichtigte mit einer Richtlinie über die Konzessionsvergabe, das Vergaberecht von Dienstleistungskonzessionen europaweit transparenter zu gestalten und Korruption zu bekämpfen. Das ist zunächst einmal ein Schritt, den wir begrüßen; denn nicht überall in Europa ist gewährleistet, dass bei der Vergabe von Konzessionen alles mit rechten Dingen zugeht. Mehr Transparenz ist deshalb gut, um in Europa gegen Korruption vorzugehen und um dort, wo es notwendig ist, Licht ins Dunkel zu bringen.

Der Vorschlag der Kommission schießt aber weit über dieses Ziel hinaus. Mehr noch: Die Kommission will sich einer Sache annehmen, die gut funktioniert. Sie beabsichtigt, auch für die öffentliche Wasserversorgung Marktregelungen anzuwenden. Die EU-Kommission beteuert zwar, dass sie mit diesen Marktregelungen keine Privatisierung oder Liberalisierung der Wasserversorgung anstrebe, jedoch sehen wir in der Richtlinie die Gefahr einer schleichenden Öffnung der Wasserversorgung für einen reinen Wettbewerbsmarkt. Zudem sehen wir die Gefahr, dass die geplante Regelung Liberalisierungsdruck auf die Kommunen ausübt und bewährte Strukturen infrage stellt. Auch gibt es reichlich Anschauungsmaterial, warum wir gut beraten sind, diese Gefahr immer noch ernst zu nehmen.

Blicken wir zurück: Anfang der 90er Jahre begann eine erste Liberalisierungswelle in Großbritannien. Die marktorientierte konservative Politik der britischen Regierung führte dazu, dass die Wasserversorgung der Bürger privatisiert wurde. Großkonzerne mit Renditeinteressen spielten eine immer stärkere Rolle. Die Konsequenz war drastisch: Wasser wurde für die Bürger enorm teuer und viel Wasser versickerte in den Rohren, weil notwendige Investitionen im Versorgungsnetz ausblieben und Leitungen verrotteten. Damit waren zugleich Qualität und Service der Wasserversorgung beeinträchtigt.

Wir müssen aber gar nicht so weit über den Kanal schauen. Diese Auswüchse der Liberalisierungswelle haben wir auch bei uns in Deutschland zu spüren bekommen, und zwar auch bei uns in der Region. Potsdam hat schlechte Erfahrungen mit einem französischen Wasserversorger gesammelt, und in Berlin sprach sich vor zwei Jahren ein erfolgreicher Bürgerentscheid gegen die Teilprivatisierung der Wasserversorgung aus.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sehr gut!)

Was lehren uns diese Erfahrungen? - Wasser ist nicht irgendeine beliebige Handelsware. Es darf nicht zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher dem Gewinnstreben privater Interessen ausgesetzt werden. Insofern muss die Wasserversorgung aus dem Anwendungsbereich der EU-Richtlinien herausgenommen werden, weshalb es auch notwendig ist, öffentliche Träger der Wasserversorgung - unter anderem Stadtwerke und kommunale Zweckverbände - nicht in diesen Anwendungsbereich aufzunehmen. Wir sehen keinen Grund, warum wir bewährte Trinkwasserversorgung den Binnenmarktregelungen unterwerfen sollen.

Die EU-Kommission muss ihren Vorschlag nachbessern. Aber auch die schwarz-gelbe Bundesregierung und Bundeskanzlerin Merkel müssen erkennen, dass es falsch war, in Brüssel dem Vorschlag der EU-Kommission zuzustimmen. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass die Bundesregierung ihren Einfluss geltend macht und sich in Brüssel dafür einsetzt, damit die Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft eine gute und bezahlbare Wasserversorgung in Anspruch nehmen können.

Brandenburg hat bereits im vergangenen Jahr im Bundesrat gegen die Konzessionsrichtlinie gestimmt. Mit unserem Antrag setzt der brandenburgische Landtag ein Zeichen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes - ein Zeichen für gute und sichere öffentliche Wasserversorgung.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Vorschlag der EUKommission hat hohe Wellen geschlagen. Viele Bürger lehnen

Eingriffe in die örtliche Wasserversorgung ab. Die Europäische Bürgerinitiative „Water is a Human Right!“ hat bereits mehr als 1 Million Unterschriften gegen diese Pläne der EU-Kommission gesammelt. Damit haben die Bürgerinnen und Bürger ein starkes Zeichen gegen eine Liberalisierung der Wasserwirtschaft gesetzt. Die politischen Verantwortlichen sollten diesen Willen der Bürger ernst nehmen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Meine werten Kolleginnen und Kollegen, Bundespräsident Joachim Gauck hat in der vergangenen Woche in seiner Grundsatzrede zu Europa darüber gesprochen, wie mehr Vertrauen in Europa geschaffen werden kann. Er hat auf den Verdruss der Bürgerinnen und Bürger hingewiesen, die eine technokratische Regelungswut aus Brüssel beklagen. Zugleich wies er darauf hin, wie ein Gefühl der Macht und Einflusslosigkeit überwunden werden kann, indem nämlich die Bürger Europas ihre Gestaltungskraft in die Tat umsetzen. Ich glaube, die Initiative mit mehr als 1 Million Unterschriften macht dies deutlich. Das ist ein wichtiger Gedanke.

Meines Erachtens ist die Europäische Bürgerinitiative für eine gute und sichere Wasserversorgung ein eindrucksvoller Beweis für solch demokratische Gestaltungskraft. Dieses starke Signal unterstützen wir. Jeder Bürger soll auch in Zukunft Zugang zu sicherer, guter und bezahlbarer Wasserversorgung haben.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Deshalb stimmen Sie bitte unserem Antrag zu!

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Der FDP-Antrag behauptet, unser Antrag sei überflüssig und der Vorschlag unter 2. a) könne gestrichen werden. Das würde bedeuten, dass es dieses Problem nicht gibt. Dazu kann ich nur Folgendes sagen: Wenn es im Moment auch so aussieht, warne ich davor, sich dem Glauben hinzugeben, dass diese Kuh vom Eis ist. Barnier und andere Kommissare haben auch schon Einiges versprochen. Aber bei einer EU-Richtlinie, die sich verselbstständigt, müssen wir sehr vorsichtig sein; denn hier geht es um ein System.

Ich fand gestern Abend Herrn Holtmann sehr deutlich beim Thema Sparkassen, bei dem es angeblich auch immer heißt: Die Kuh ist vom Eis. Das ist eben nicht der Fall. Wir haben in Deutschland die kommunale Selbstverwaltung, bei der es das Problem der Stadtwerke mit übergreifenden Kompetenzen gibt. Diesbezüglich besteht Regelungsbedarf. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt dazu Folgendes:

„Die neue EU-Richtlinie zur Wasserversorgung setzt falsche Signale. Beobachter befürchten, dass von ihr ein neuer Privatisierungsschub ausgehen könnte. Zwar wird keine Kommune zur Privatisierung genötigt, aber Kommunen, die partout nicht wollen, müssen sich juristische Finessen einfallen lassen.“

Hier müssen wir uns schützend vor die Kommunen und ihre Stadtwerke bzw. Wasserversorger stellen. Ich hoffe, dass Sie dem Antrag zustimmen und den FDP-Antrag mit uns ablehnen. - Danke.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Die Abgeordnete Richstein spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vorab: Die CDU-Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Dennoch muss ich auch Folgendes sagen: Frau Hackenschmidt, während Ihrer Rede habe ich mir immer mehr gewünscht, dass meine Fraktion das Votum gefasst hätte, diesem Antrag nicht zuzustimmen; denn Sie haben so viele Dinge vermengt, die zum Teil richtig, aber auch zum Teil falsch waren. Manche waren sogar ganz falsch.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Oh!)

Insofern ist es wirklich schwer, Ihrem Antrag mit dieser Diktion zuzustimmen.

(Beifall CDU und FDP)

Grundsätzlich - das möchte ich noch einmal erwähnen - sind wir natürlich für die Binnenmarktregeln, für Transparenz und für Rechtssicherheit. Dem wollen wir auch unser Votum zugrunde legen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie dieses Thema in der vergangenen Woche im Ausschuss angesprochen hätten, wo man hätte fachlich über diese Richtlinie diskutieren können. Dies wäre besser gewesen, als hier mit einem Antrag aufzuwarten, der so vieles vermengt, dass man ihm nur halb zustimmen könnte.

(Beifall der Abgeordneten Frau Heinrich [CDU] und Lipsdorf [FDP])

Natürlich wissen auch wir, dass Wasser das lebenswichtigste Gut überhaupt ist. Viele Kriege wurden schon um Wasser geführt

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Ja!)

und werden wahrscheinlich auch wieder um Wasser geführt werden. Dennoch leben wir gegenwärtig in einer so zivilisierten Europäischen Union, dass dies hier nicht der Fall sein wird.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Na, na, na!)

Mit dieser Konzessionsrichtlinie wird das Abendland bestimmt nicht untergehen. Gleichwohl werden wir - ich habe es bereits erwähnt - dem Antrag zustimmen.

Was ich ein wenig schade finde, ist, dass hier Gutes und Schlechtes miteinander vermengt wird. Ich habe mich im ersten Moment sehr gefreut, als ich den Medien entnahm, dass die erste europäische Bürgerinitiative über 1 Million Unterschriften erhalten hat - auch deswegen, weil die CDU-Fraktion die einzige Fraktion hier im Landtag war, die sich im Vorfeld mit dieser Bürgerinitiative auseinandergesetzt hat. Im Ausschuss war das leider nicht möglich, weil die Regierungsfraktionen keine Stellungnahme abgeben konnten. Aber wenn ich mir wiederum die Arbeit der Bürgerinitiative anschaue, meine ich, dass es doch schade ist, dass hier Gutes und Schlechtes vermengt wird.

Punkt 1 kann jeder von uns unterschreiben: EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten sorgen dafür, „dass alle Bürgerinnen und Bürger das Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung haben.“ - Dem stimme ich vollkommen zu. Im zweiten Punkt wird schon wieder pauschal gesagt: Aber auf gar keinen Fall liberalisieren! - Wenn ich mir dann die Initiatoren der Bürgerinitiative anschaue und sehe, dass dies neben ein paar Nichtregierungsorganisationen insbesondere der Verband der öffentlichen Anbieter im Bereich Wasserversorgung und Abwasserreinigung und Gewerkschaften sind, die Beschäftigte im öffentlichen Dienst unterstützen, die natürlich nicht aus den öffentlichen Stadtwerken herausgehen wollen, weil eventuell hier privatisiert werden könnte - nicht muss -, finde ich das leider schon wieder sehr stark instrumentalisiert. Wenn wir irgendwann einmal eine Lobbyismusdebatte haben, bin ich gespannt, wie Sie erklären, warum Sie an diesem Punkt die Lobbyisten unterstützen.

(Beifall CDU - Dr. Bernig [DIE LINKE]: Die Gewerk- schaft muss nun einmal Interessen vertreten!)

Gleichwohl zum dritten Mal: Wir unterstützen Ihren Antrag, wir stimmen ihm zu - es haben auch noch andere Fraktionen in anderen deutschen Landtagen zugestimmt; auch im Bundesrat gab es meines Wissens eine überparteiliche Zustimmung zu einem Bundesratsbeschluss, und meines Wissens - weil Sie wieder einmal die Bundesregierung kritisiert hatten, man hätte hier schon zugestimmt - ist das noch nicht vom Tisch, sondern die Beratungen laufen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Ludwig spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vereinten Nationen erklärten das Jahr 2013 zum Internationalen Jahr der Zusammenarbeit im Bereich des Wassers. Wenn es uns auch allen bewusst ist - das weltweite Motto dieses Jahres zeigt: Es ist noch immer nötig zu betonen, dass der Zugang zu Wasser kein Privileg ist. Wasser ist ein Menschenrecht. - Diese Feststellungen der UN aus dem Jahre 2010 bestätigen die heute bereits erwähnten über 1 Million EU-Bürgerinnen und -bürger durch ihre Unterzeichnung der gleichnamigen europäischen Bürgerinitiative. Wasser darf niemals eine Handelsware werden.

(Beifall DIE LINKE)

In Deutschland ist die Wasserversorgung Kernstück der Daseinsvorsorge und liegt in der kommunalen Hoheit. Wie bekannt, steht dies als kommunales Selbstverwaltungsrecht unter dem Schutz unseres Grundgesetzes und ist im EU-Vertrag von Lissabon im Subsidiaritätsprinzip verankert. Dabei ist es nicht nur aus organisatorischen Gründen sinnvoll, dass die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger auf der untersten der möglichen staatlichen Ebenen stattfindet. Vor allem rechtfertigt das die Gemeinwohlverpflichtung, die als oberster Grundsatz aller Dienstleistungen der öffentlichen Hand gilt, denn es geht um die nachhaltige Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschen durch die Einhaltung hoher Standards.

Im heute diskutierten Vorschlag der Europäischen Kommission jedoch sind hierfür Gefahren zu sehen, die Gefahren der schleichenden Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung hin zu einem reinen Wettbewerbsmarkt und damit einhergehend der Verlust qualitativer und sozialer Standards. Sehr geehrte Frau Kollegin Richstein, ich kann hier keine Vermengung unterschiedlicher Dinge feststellen, sondern es geht im Kern dieser Richtlinie genau darum.

Folgerichtig sprach der Bundesrat diesem Vorschlag gegenüber bereits im März 2012 eine offizielle Rüge aus und lehnte ihn ab; die Richtlinie verstoße gegen das Subsidiaritätsprinzip. Warum eine Regelung der Dienstleistungskonzession auf europäischer Ebene erforderlich sein soll, legte die Kommission nicht ausreichend dar. Die angeblich schwerwiegenden Wettbewerbsverzerrungen oder häufigen Korruptionsfälle bei Auftragsvergaben, die die Kommission als Gründe anführte, konnten bislang nicht schlüssig belegt werden. Zuletzt schließt der Bundesrat zudem, dass die von der Kommission avisierten Ziele mit dieser Richtlinienerarbeitung nicht einmal zustande kämen. Die Vorschriften würden weder klarer noch einfacher oder angemessener.

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier betonte stets, niemand wolle die Wasserversorgung durch die öffentliche Hand infrage stellen, und die Kommunen würden in keiner Weise beschränkt. Nach monatelangem Proteststurm gab er am Donnerstag der vergangenen Woche dennoch an, dass er den Bedenken Rechnung tragen will, und bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen räumte er nun selbst Mehrspartenunternehmen ein, zumindest die Wassersparte nicht ausschreiben zu müssen - für den Fall zumindest klarer buchhalterischer Trennung von ihren anderen Unternehmensbereichen.

Diese Idee ist aber nicht neu, sie wurde bereits seit Monaten in Brüssel vorgebracht. Außerdem handelt es sich bei dieser entgegenkommenden Geste zunächst um eine mündliche Zusage, die darüber hinaus lediglich eine sprachliche Umformulierung der gleichbleibenden Richtlinien darstellt: Die Inhalte bleiben gleich. Bei Festschreibung im nationalen Recht wäre dann eine unterschiedliche Auslegung möglich - hier droht also durch die Hintertür weiterhin die Gefahr der schleichenden Privatisierung.

Um allen Unsicherheiten und Eventualitäten einer weiteren Liberalisierung und Privatisierung durch die Hintertür einen Riegel vorzuschieben, ist die Ablehnung der EU-Richtlinie in diesem Teil notwendig. Andernfalls könnte der Aushöhlung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der sozialen Standards der Weg bereitet werden. Wir begrüßen daher die Subsidiaritätseinreden aller Länder, die wie Brandenburg die Bundesratsanträge aus Bayern und Nordrhein-Westfalen unterstützen, sowie einen entsprechenden Antrag der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag.

Mit dem Antrag hier im Landtag fordern wir, dass die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen nicht den Binnenmarktregelungen unterworfen werden. Den Entwurf der Richtlinie in seiner vorliegenden Fassung lehnen wir daher ab. Mindestens die Wasserversorgung ist aus seinem Regelungsbereich herauszunehmen. Diese Forderung soll bis an die Bundesregierung weitergetragen werden. Weiterhin fordern wir von der Bundesregierung, sicherzustellen, dass sich all ihre Mitglieder an Absprachen halten - nicht wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der seine Bedenken in Brüs

sel mit nicht vorgesehenem Handlungsmandat vortrug und die Union sowie den Entwurf des Bundestagsantrags damit schlicht überging. Diese nämlich sah vor, dass die Bundesregierung an einem klaren Gegenkurs zur Richtlinie festhalten solle oder mindestens die Herausnahme der Wasserversorgung fordern müsse.

Die Wasserversorgung muss im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, der Qualität der Wasserversorgung wie auch der Natur in öffentlicher Hand bleiben. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)