Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Jede Straftat ist eine zu viel. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, sich zurückzulehnen und Entwarnung zu geben. Jeder hat Anspruch auf ein Leben in Sicherheit, wobei darunter mehr zu verstehen ist als nur Sicherheit vor Gewalt und Kriminalität. Deshalb ist es auch gut, immer wieder einmal in Erinnerung zu rufen: Die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik.

Öffentliche Sicherheit ist und bleibt ein sensibles Thema, mit dem man nicht spielen sollte. Einerseits geht es darum, den Menschen ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln, das nun einmal zu einer hohen Lebensqualität gehört. Subjektives Kriminalitätsempfinden des Einzelnen wird durch viele Komponenten beeinflusst. Orientiert man sich allein an dem über die Medien vermittelten Verständnis von Kriminalität, so muss jeder be

sorgt sein, Opfer eines gewaltsamen Überfalls oder einer Entführung zu werden. Umso wichtiger ist es, durch entsprechende Aufklärungsarbeit und Prävention im besten Sinne ein realistisches Bild von Kriminalität zu vermitteln. Damit verbindet sich die Einsicht, dass bei nüchterner Betrachtung die Wahrscheinlichkeit für den Einzelnen, Opfer einer Straftat zu werden, eigentlich sehr gering ist.

Andererseits ist letztlich jeder für sich selbst und den Schutz seines Eigentums verantwortlich. Unter dieser Voraussetzung gilt der Grundsatz: Jeder muss sich darauf verlassen können, dass in einer Notsituation die Polizei bereit ist, entsprechend einzugreifen. Denn die Polizei kann nicht - und soll auch nicht - überall sein. Aber sie muss so aufgestellt sein, dass sie einen starken Verfolgungsdruck entwickelt - da stimme ich völlig mit Ihnen überein, Herr Goetz - und im Notfall schnell zur Stelle ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die antragstellende Fraktion für diese Aktuelle Stunde hat Recht, wenn sie feststellt, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger insbesondere bei Eigentumsdelikten überdurchschnittlich belastet sind. Das zeigt die PKS eindeutig auf. Richtig ist auch, dass dies besondere Anstrengungen der Polizei erfordert, wie es in der Begründung zur Aktuellen Stunde heißt.

Wenn wir uns auf dieser sachlichen Basis verständigen könnten, wäre mir gar nicht bange, dass wir uns mit unserer Diskussion nicht nur selbst gefallen, sondern damit auch zu gesellschaftlichen Lösungen beitragen. Bei einer sachlichen Betrachtung liegt auf der Hand, dass kein Grund für Panik und Hysterie besteht, wie sie insbesondere von der CDU verbreitet werden. Das muss man einmal so deutlich sagen.

Die aktuellen Zahlen spiegeln wider, dass das Land Brandenburg bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht schlecht aufgestellt ist. Dabei ist zu bedenken, dass die Polizei erst seit 2011 in den neuen Strukturen arbeitet. Es ist ganz normal, dass diese strukturellen Veränderungen auch mit Umstellungsprozessen und entsprechenden Einschränkungen verbunden waren und noch sind.

Diese neuen Strukturen sind in erster Linie entwickelt worden, um den aus Haushaltsgründen notwendigen Personalabbau zu vollziehen und zugleich eine höhere Wirksamkeit polizeilicher Arbeit zu erreichen. Es ist kein Geheimnis: Man kann noch nicht abschließend sagen, ob das tatsächlich gelingen wird. So zeigt die aktuelle Entwicklung, dass sich die polizeiliche Tätigkeit immer wieder auf neue Kriminalitätsphänomene einstellen muss. Deshalb muss nachgesteuert werden. Das geschieht auch.

Mit der für 2014 geplanten Evaluierung der Reform wird die Frage verbunden sein, ob mit dem geplanten weiteren personellen Abbau die Aufgabe erfüllt werden kann, landesweit zuverlässig öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.

Der Landtag hat mit seinem Begleitbeschluss zur Polizeireform das rufe ich noch einmal in Erinnerung - inhaltlich vorgegeben, dass die Polizeipräsenz in der Fläche des Landes aufrechtzuerhalten und der Streifendienst im bisherigen Umfang zu gewährleisten ist. Der Streifendienst ist im bisherigen Umfang zu gewährleisten! Wir haben auch festgelegt, dass sich die

Interventionszeiten nicht verschlechtern sollen - das hat dieser Landtag beschlossen. An diesen Maßstäben muss sich die Reform messen lassen.

Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in Thüringen Reformen vorbereitet werden, die ähnlich angelegt sind wie die Polizeireform hier im Land Brandenburg und eine starke Reduzierung der Anzahl der Polizisten zum Ziel haben.

Meine Damen und Herren, die grenzübergreifende Kriminalität bleibt ein Dauerbrenner, auch wenn es nach der PKS einen Rückgang gibt. Insofern sind die besonderen Maßnahmen wie der Einsatz von mehreren Hundertschaften der Bereitschaftspolizei offensichtlich über längere Zeit erforderlich als ursprünglich gedacht. Aber das kann kein Dauerzustand sein da stimmen wir, denke ich, überein. Eine enge und stabile Zusammenarbeit mit unseren polnischen Nachbarn dagegen muss ein dauerhafter Faktor bei der Kriminalitätsbekämpfung sein, und da ist, glaube ich, noch einiges zu tun.

Wir sollten uns darauf konzentrieren, wie die deutlich angestiegenen Wohnungseinbrüche im Berliner Umland besser bekämpft werden können. Dieser auch bundesweit zu verzeichnende Trend - das ist auch eine Wahrheit - hält seit Jahren an. Einbrecher werden immer dreister, indem sie am helllichten Tag in Häuser einsteigen und gezielt stehlen. Wenn das unter Verwendung eines Polizeiautos geschieht und die Einbrecher zudem uniformiert sind, kommen die Nachbarn nicht einmal auf die Idee, dass es sich um einen Einbruch handeln könnte. Gott sei Dank funktioniert ein solcher Coup nicht ständig.

Ich habe kürzlich auf einer Veranstaltung in Potsdam erlebt um einmal aus der Schule zu plaudern -, wie Menschen verunsichert werden, wenn mit diesem Thema schamlos Wahlkampf - in diesem Fall: Bundestagswahlkampf - betrieben wird. Die selbsternannte innenpolitische Expertin der CDU, Katherina Reiche, kennzeichnete als Teilnehmerin einer Podiumsdiskussion die Sicherheitslage in der Landeshauptstadt mit brennenden Häusern und brennenden Autos. Ich habe eine Zeit lang an „Alarm für Cobra“ und „SOKO Leipzig“ gedacht.

Frau Reiche sprach vor Bewohnern der Berliner Vorstadt und des Bereichs am Neuen Garten von unerträglichen Einbruchsserien, obwohl genau diese Wohngebiete nach Aussagen der anwesenden Vertreter der Polizei eindeutig kein Kriminalitätsschwerpunkt sind. Sie führte das alles auf den Personalabbau bei der Polizei zurück - nicht überraschend -, der noch dazu ohne vorherige Aufgabenkritik erfolge.

Ich musste immer wieder daran denken, wie das bei Herrn Schönbohm gelaufen ist. Da hat sich nicht einmal der Landtag richtig mit der Polizeireform beschäftigen können; das war damals ausschließlich Sache der Landesregierung. Vergleichen Sie das einmal mit dem, was wir hier an Diskussionen führen und wie wir diesen Prozess begleiten. Das sollte man, denke ich, auch einmal betrachten.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Bezogen auf die von mir angesprochene Veranstaltung: Die Landeshauptstadt ist trotz der bevorstehenden Schließung der ehemaligen Wache in Babelsberg nun wahrlich nicht in der Situation, über eine unzureichende Polizeidichte klagen zu

müssen. Die Polizei will bis Mitte des Jahres anstelle des Wachengebäudes übrigens andere Räume in Babelsberg anmieten, in denen Sprechstunden durchgeführt werden. Hier wird ein Dialog mit der Stadtverwaltung und der Stadtverordnetenversammlung geführt, und das Ergebnis ist, dass es dabei auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt der Stadt geben soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Entwicklungen sind nicht nur in Verantwortung mit der Polizei zu lösen - auch das sollten wir im Auge haben. Es wird ja immer so getan, als ob das nur ein Problem und eine Aufgabe für die Polizei sei. Wir sehen hier auch ein Feld für den Ausbau der kommunalen Kriminalitätsverhütung, die nach meiner Einschätzung seit etlichen Jahren vernachlässigt worden ist. Das enge Zusammenspiel zwischen den Kommunen und der Polizei bietet ein großes Potenzial, um insbesondere der Diebstahlskriminalität wirksamer begegnen zu können. Allein die präventive Aufklärung der Bevölkerung kann durch kommunale Sicherheitskonzepte in spezifischer Weise geleistet und begleitet werden. Das sollten wir, denke ich, in Zukunft auch stärker berücksichtigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein beunruhigendes Signal ist der Anstieg der rechtsextremistischen Delikte. Insbesondere rechtsextremistische Gewalttaten haben in einer Weise zugenommen, dass man das schon genau betrachten muss. Gerade heute, wo sich der Tag von Potsdam zum achtzigsten Male jährt, sollten wir uns einig sein, dass Neonazis in unserem Land keine Chance haben dürfen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus muss ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit der Polizei sein. Das wird, denke ich, dann noch Gegenstand der Diskussion zur Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen sein. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete Nonnemacher setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen …“

So textete Reinhard Mey vor vielen Jahren. Hier unten bei uns, unter den Wolken, gibt es aber weder grenzenlose Freiheit noch grenzenlose Sicherheit, wie sie im Antrag der Aktuellen Stunde von der FDP-Fraktion adressiert wird. Und so beschäftigen wir uns jedes Jahr mit den Sorgen und Ängsten in Bezug auf die Brandenburger Kriminalitätsentwicklung.

Sorgen und Ängste sind ebenso wie Sicherheit und Kriminalität Begrifflichkeiten, die sich schwer objektivieren und messen lassen. Für die Kriminalität verwenden wir die Polizeiliche

Kriminalstatistik PKS, wohl wissend, dass ihre Aussagekraft Grenzen hat. Trotzdem müssen wir einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl der Straftaten 1994 bei 328 499 und 2012 bei 195 146 lag. Die Kriminalitätshäufigkeitszahl ist dementsprechend von fast 13 000 pro 100 000 auf 7 819 pro 100 000 im Jahre 2012 gesunken. Diese Zahlen sind mit denen von Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und SchleswigHolstein vergleichbar, aber für ein Flächenland leider immer noch keine guten Werte.

Wenn wir diese lineare Abnahme der Kriminalitätsbelastung in den letzten 18 Jahren und die Zahlen der Stellenentwicklung bei der Polizei anschauen, machen wir ebenfalls eine interessante Beobachtung: Das Absinken der Kriminalität war von einem parallelen kontinuierlichen Stellenabbau begleitet. Von 1999 bis 2012 sank die Stellenzahl von 10 306 auf gut 8 500 zum 01.01.2013 - dem Datum, ab dem die Personalreduktion durch die rot-rote Polizeistrukturreform 2020 erst einsetzt.

Ich will damit diese Reform nicht verteidigen. Auch wir Grünen haben die Zielzahl 7 000 und das Standortkonzept hart kritisiert und begrüßen, dass es doch erhebliche Modifikationen an den ursprünglichen Überlegungen gegeben hat. Es kann aber auch nicht akzeptiert werden, dass ständig simplifizierende Korrelationen zwischen Stellenzahl und Kriminalitätsentwicklung gebetsmühlenartig wiederholt werden - sonst hätten wir in den letzten 18 Jahren einen stetigen Stellenaufwuchs haben müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall B90/GRÜNE und vereinzelt SPD)

Herr Lakenmacher, ich sage Ihnen: Wenn einem die Zahlen nicht passen, wird eben einfach die statistische Methode der PKS infrage gestellt - Stichwort: Dunkelfeld ist in Brandenburg besonders hoch. Das ist auch nicht

(Frau Stark [SPD]: Seriös!)

seriös, sondern eher obskur.

(Beifall B90/GRÜNE und SPD - Frau Stark [SPD]: Genau!)

Wir haben in Brandenburg - und auch dies nicht erst in den letzten Jahren - aber zwei Problembereiche: die deutlich höhere Kriminalitätsbelastung in der Grenzregion zur Republik Polen und die Kriminalitätsbelastung im engeren Verflechtungsraum. Letztere erklärt sich durch die generelle Korrelation von Kriminalität und Bevölkerungsdichte, speziell aber auch durch die enge Verbindung zur Metropole Berlin. Auch dort sind die Fallzahlen stark gestiegen.

Bei der Grenzkriminalität - diese hat in den letzten beiden Jahren stark im Fokus gestanden - konnten durch massiven Einsatz glücklicherweise erste Erfolge erzielt werden. Besonders bei Diebstählen rund um das Kfz und auch bei den landwirtschaftlichen Maschinen war das der Fall.

Dass die grottenschlechte Aufklärungsquote in der Grenzregion um über fünf Prozentpunkte gesteigert werden konnte, ist ebenfalls ein Silberstreif am Horizont.

Dafür rückt jetzt der andere Hotspot, der Speckgürtel, stärker in den Fokus. Die Steigerung der Wohnungs- und Hausein

brüche um 17 % ist eklatant und eine zusätzliche Herausforderung. Ebenso wie in der Grenzregion nachhaltige polizeiliche Ermittlungsarbeit und Kooperation mit den polnischen Nachbarn der richtige Weg sind, so muss auch die Einbruchskriminalität im engeren Verflechtungsraum gemeinsam mit Berlin angegangen werden.

Die PKS 2012 bietet - wie die PKS eines jeden Jahres - Licht und Schatten; eine nach Delikten und Regionen differenzierte Betrachtung tut not. Dass sich die besorgniserregend niedrige Aufklärungsquote von 2011 etwas erholen konnte und die Straftaten insgesamt rückläufig sind, könnte ein Indiz dafür sein, dass das Chaos der Umstrukturierung überwunden ist. Grenzenlose Sicherheit aber können wir niemandem versprechen, und wir sollten auch in Wahljahren der Versuchung widerstehen, dies zu tun.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Für die Landesregierung spricht Innenminister Dr. Woidke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde widmet sich einem wichtigen Thema der Landespolitik, das dieses Hohe Haus in den letzten Monaten in nahezu regelmäßigen Abständen beschäftigt hat. Die wirksame Gewährleistung der inneren Sicherheit und der Schutz der Bürger vor Kriminalität gehören grundsätzlich zu den Kernaufgaben des Staates.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Sicherheit ist ein Grundrecht der Bürger. Darüber besteht hier sicherlich fraktionsübergreifend Einigkeit. Die Bürgerinnen und Bürger fordern diesen Schutz vor Kriminalität engagiert auch dort ein, wo sie Probleme wahrnehmen. Das ist einer der Gründe, warum wir uns heute wiederum mit diesem Thema befassen.

Der andere ist natürlich die Kriminalitätsbelastung des Landes Brandenburg insgesamt; sie liegt derzeit bei gut 7 800 Straftaten pro 100 000 Einwohner. Wir befinden uns damit im oberen Drittel der Flächenländer, Herr Lakenmacher. Das ist nicht gut; wir können da sicherlich besser werden.

Aber entgegen dem häufig - gerade vonseiten der CDU - falsch erweckten Eindruck ist die Kriminalitätsbelastung in Brandenburg in den letzten Jahren nicht gestiegen, sondern gesunken. Sie ist im Jahr 2012 weiter gesunken. Ich finde es daher schon bemerkenswert, Herr Lakenmacher, dass Sie zur Kriminalitätsstatistik etwas sagen, aber diese grundlegenden Zahlen gar nicht erwähnen. Das ist zwar nur ein leichtes Absinken, aber es ist immerhin wiederum ein Absinken; das gehört zur Wahrheit dazu.