Lassen Sie doch mal Taten folgen! Sie stellen sich hier hin und sagen: Man müsste, man müsste, man müsste. Werden Sie doch aktiv! Genau das tun Sie nicht.
Seit mehr als 13 Jahren arbeitet das Aussteigerprogramm EXIT erfolgreich, es kann mit Abstand die besten Fallzahlen für erfolgreiche Ausstiege aus der Szene vorweisen, gerade in Brandenburg. Deshalb sollte es auch vom Land Brandenburg das fordern wir heute als CDU-Fraktion ein - unterstützt werden. Nicht nur Worte, sondern auch Taten, Herr Ness! Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Lakenmacher, Sie haben die Redezeit deutlich überschritten. Ich möchte darum bitten, dass sie eingehalten wird. - Für die Fraktion DIE LINKE wird Frau Abgeordnete Fortunato die Aussprache fortsetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Werte Gäste! Zuerst einmal zu meinem Vorredner: Für mich ist Rechtsextremismus kein inflationärer Begriff, sondern er ist hochgefährlich.
Ich finde, Brandenburg geht sehr aktiv damit um. Ich werde in meiner Rede noch darauf zu sprechen kommen.
Durch die monatlichen Anfragen der Fraktion DIE LINKE seit 2001 zu rechtsextremen Straftaten sind die Zahlen für diesen Bereich bekannt. 2001 waren es 903, 2012 1 354 rechtsextrem motivierte Straftaten. Von den nochmals geprüften politisch rechts motivierten Tötungsdelikten wurden neun nachtäglich noch als solche klassifiziert. Die Liste der Tötungsdelikte wird das hat der Innenminister am 11.03.2013 angekündigt - weiter überprüft. Ich begrüße deshalb auch das jüngst eröffnete Forschungsprojekt des Moses Mendelssohn Zentrums Potsdam zur Opferliste rechter Gewalt und hoffe, dass auch dieses wei
tere Aufschlüsse bringen wird. Brandenburg hat leider aufgrund der Geschehnisse in den 90er-Jahren erheblichen Anlass, die damalige Einschätzung und Bewertung zu den Tötungsdelikten zu hinterfragen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Große Anfrage - noch einmal herzlichen Dank für die Ausführlichkeit - zeigt uns deutlich, dass rechtes Gedankengut sich bei weitem nicht nur an der NPD festmacht. Die Diskussion zum NPD-Verbot möchte ich jetzt nicht wiederholen, aber ich bin der Meinung, Faschismus und Rechtsextremismus sind keine Dummheit, sie sind hochgefährlich.
„Es wäre ein klares und notwendiges Signal der Geschlossenheit gewesen, wenn alle Verfassungsorgane gemeinsam diesen Antrag gestellt hätten.“
Die Denkweise und die Art des Auftretens der Rechten haben sich über die Jahre verändert. War es anfangs der pure Hass auf Ausländer, der sich in plumpen Parolen äußerte, sind es jetzt verschiedene Teile der NPD, vorrangig aber die sogenannten Freien Kräfte, die in Brandenburg den größten Teil der Rechtsextremen ausmachen, und subkulturell gewaltbereite Rechte, die ihren Hass als Ablehnung der Gleichheit aller Menschen, als Hass auf Andersdenkende - da sind immer besonders die Linken im Fokus -, auf die pluralistische Gesellschaft als solche - das macht sich im Angriff auf Büros von Abgeordneten, auf Redaktionen von Lokalzeitungen, auf Beratungsstellen deutlich - und als Verachtung des Verfassungsstaates, der Demokratie in Gänze zeigen. Das sehen wir besonders an den sogenannten Reichsbürgern; Herr Ness ist schon darauf eingegangen. Und das wird nicht nur durch Worte, sondern auch durch Gewalttaten gezeigt.
Die seit Jahren engagierten Partner und Initiativen des Handlungskonzepts Tolerantes Brandenburg waren und sind die richtige Antwort Brandenburgs auf diese kranke Denkweise. Entgegen dem, was Kollege Lakenmacher gesagt hat, kennt dieses Handlungskonzept sehr wohl die neuen Formen des rechten Handelns und passt sich ständig an. Sie sollten sich vielleicht ein bisschen mehr mit diesem Handlungskonzept beschäftigen.
Wir als Land aber haben die Verpflichtung, durch eigenes Handeln auf allen Ebenen unseren Beitrag zu leisten. Ja, ich denke, es handelt sich um eine Verpflichtung, eine Verpflichtung gegenüber den Toten aus den 90er-Jahren und aus der Geschichte. Der Ministerpräsident hat in dieser Woche anlässlich des heutigen 80. Jahrestags der Machtübergabe an die Nationalsozialisten mehrmals an die Verantwortung vor der Geschichte erinnert:
Ja, und aus dieser Erinnerung folgt auch die Verpflichtung zum Handeln im Heute. Das betrifft präventive Maßnahmen - ich denke da an Bildung, an Aufklärung, an Projekte, zum Beispiel des Landessportbundes und der Landesfeuerwehr -, das betrifft die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten - das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg wurde genannt; ich erwähne noch die lokalen Aktionsbündnisse und das „Demokratie-Mobil“ -, und das betrifft staatliche repressive Maßnahmen, massive Aufklärung und Verfolgung durch die Polizei und effektive Strafverfolgung durch die Justiz. Erforderlich aber bleibt eine breite zivilgesellschaftliche Aktivität in den verschiedensten Formen. Diese unterschiedlichen Formen, zum Beispiel auf den Gegendemos in den zurückliegenden Monaten, haben die Menschen zum gleichen Ziel zusammengebracht, nämlich, dem braunen Spuk nicht die Öffentlichkeit zu überlassen.
Was ist aber mit dem braunen, dem rechten Gedankengut in den Köpfen? Es bleibt die Frage, wie es in Brandenburg und anderen Ländern der Bundesrepublik immer wieder zu rechten Gewalttaten bis hin zu Morden kommen konnte. Rechtsextreme Hassbands und Musik sind nach wie vor „Einstiegsdroge“, wie man sagt. Der Verkauf von Szenemusik ist nicht zuletzt Geldquelle für rechte Betreiber. In dem Undercoverfilm über die Nazimusikszene - „Blut muss fließen“ - sagt eine junge Frau:
„Die Musik ist doch toll, sie zieht junge Leute auf dem Land an, weil ja hier sonst nicht so richtig was abgeht.“
In fast allen gesellschaftlichen Bereichen versuchen Rechtsextremisten Fuß zu fassen, sei es als Elternsprecher, als Trainer im Sportverein oder bei der Feuerwehr. Unsere landesweiten Beratungsnetzwerke sind auf solche Situationen vorbereitet. Voraussetzung ist jedoch, dass die Probleme auch an sie herangetragen werden. Die Menschen müssen sensibler werden.
Ein weiteres Problem ist und bleibt die Grauzone zwischen Kampfsport und Gewalt. Die bei dieser Sportart vermittelte Disziplin und Kampfbereitschaft sind Grundeigenschaften, die den Rechtsextremen sehr gelegen kommen.
Die sich häufende Einstellung von Rechten im privaten Wachschutz birgt ein hohes Konfliktpotenzial. Wir müssen feststellen, dass das nationalsozialistische Personenpotenzial dort sehr hoch vertreten ist. Hier sind einerseits die Aufsichtsbehörden gefragt, andererseits sollte man darüber nachdenken, ob die bestehenden rechtlichen Regelungen ausreichend dafür sind.
Zivilcourage zu entwickeln ist besonders auf der kommunalen Ebene wichtig. Ich denke, dass genau dieser eine hohe Bedeutung im Kampf gegen Rechts zukommt. Es gibt immer noch Städte und Gemeinden, die die Thematisierung des Rechtsextremismus als Schaden für das Ansehen ihres Ortes betrachten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam mit der Landesregierung, mithilfe des Handlungskonzepts Tolerantes Brandenburg und mit all den engagierten Brandenburgerinnen und Brandenburgern weiter dafür Sorge tragen, dass der braune Spuk auf der Straße, in den Bildungseinrichtungen, in den Sportvereinen, in den Köpfen und in unserer Gesellschaft insgesamt keine Chance hat!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Fortunato. - Die Aussprache wird mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fortgesetzt. Herr Abgeordneter Goetz hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Die Antwort der Landesregierung ebenso wie die Verfassungsschutzberichte der vergangenen Jahre und auch die am vorigen Freitag vorgestellte Polizeiliche Kriminalstatistik machen deutlich, dass in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus im Land Brandenburg noch lange keine Entwarnung gegeben werden kann. Der Extremismus ist in Brandenburg trotz Repression, Prävention und zivilgesellschaftlichen Engagements - das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg wurde bereits angesprochen - weiterhin ein massives Problem. Wir dürfen uns nicht ausruhen und müssen die polizeiliche Prävention, die Einbeziehung der Landeszentrale für politische Bildung und das zivilgesellschaftliche Engagement in gleicher Weise wie bisher fortsetzen.
Institutionell allerdings spielen rechtsextreme Parteien in Brandenburg glücklicherweise kaum eine Rolle. Die DVU ist verschwunden; ich glaube, niemand von uns weint ihr auch die kleinste Träne nach. Aber auch die NPD ist in ihren Aktivitäten und in ihrer Mitgliederentwicklung seit 2010 rückläufig.
Nach wie vor sitzen jedoch Vertreter rechtsextremer Parteien in Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen. Wir müssen daran denken, dass wir im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen im nächsten Jahr wiederum vor der Frage stehen, wie wir uns mit dieser Problematik auseinandersetzen wollen und wie wir darauf hinwirken können - und zwar ohne das Aufbauen von Hürden, etwa eine 5%-Klausel -, dass rechtsextreme Kräfte nicht in gleicher Weise wie bisher, sondern in deutlich schwächerer Form - möglichst gar nicht - in die Vertretungen gelangen.
Richtig ist, dass die rechtsextremen Strukturen zunehmend dezentral werden. Rechtsextremisten organisieren sich zum Beispiel in Freien Kameradschaften, greifen populäre Themen auf und gehen unterschwellig vor. Wir stellen fest, dass Vereine Freiwillige Feuerwehren, Sportvereine und Bands sind schon genannt worden - infiltriert werden. Diese Vereine sind in Brandenburg in erheblichem Umfang aktiv, und zwar in allen Bereichen des Landes. Oft wird in diesem Zusammenhang immer nur der Südosten des Landes, insbesondere die Lausitz, genannt. Das Problem gibt es aber nicht nur dort, sondern in allen Regionen des Landes. Insofern braucht es auch die landesweite Auseinandersetzung.
Dennoch bleiben wir als FDP dabei, zum NPD-Verbot eine andere Position als die Regierungskoalition zu vertreten. Ich habe heute Vormittag schon etwas dazu gesagt; deswegen kann ich es jetzt kurzmachen.
Erstens. Ein Verbotsverfahren verschafft der NPD eine weitere Bühne. Es bedeutet jahrelange öffentliche Aufmerksamkeit, die längst nicht mehr feststellbar war.
Zweitens. Selbst wenn ein NPD-Verbotsverfahren erfolgreich wäre, würde es die Probleme, die mit Rechtsextremismus einhergehen, nicht lösen.
Drittens. Ein Parteiverbot hat erheblich höhere Anforderungen als das Verbot irgendwelcher Kameradschaften, das durch den Innenminister eines jeden Landes erfolgen kann.
Viertens. Ich glaube, dass ein Verfahren zum Verbot der NPD wie schon 2003 - erneut scheitern wird. Ein gescheitertes Verbotsverfahren wäre eine besondere Legitimation für die NPD und für die weitere Verbreitung rechtsextremistischer Propaganda. Dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich die Befürworter eines solchen Verbotsverfahrens hören.
Ich möchte uns allen das ersparen und bleibe deshalb dabei: Das Verbotsverfahren ist letztlich Ausdruck eigener Hilflosigkeit. Es zeigt, dass die richtigen Konzepte im Grunde nicht da sind. Es löst keines der Probleme, mit denen wir uns zu befassen haben.
Wichtig sind die vernetzte inhaltliche Auseinandersetzung und die Prävention. Viele Beispiele sind genannt worden; ich will das nicht vertiefen.
Zwar hatten Rechtsextremisten verschiedene Demonstrationen geplant, unter anderem in Teltow; aber alle anderen Parteien verständigten sich daraufhin kurzfristig, den Rechtsextremisten deutlich zu machen, dass sie bei uns nicht willkommen sind. In Teltow haben wir zum Beispiel den Ruhlsdorfer Platz - eine größere Fläche - besetzt. Es gab insoweit einen breiten, parteiübergreifenden Konsens. Wir haben dort einen tollen Erfolg erzielt. Ich glaube, keiner von denen hat sich bei uns in Teltow wohlgefühlt, und dabei soll es bitte auch bleiben.
Aber Parteienverbote ersetzen keine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung. Ich danke der Landesregierung, dass Sie das in Ihrem Bericht auf Seite 75 ausdrücklich festgestellt hat. Genau so ist es!
Noch kurz zur Polizeilichen Kriminalstatistik: Die Zahl der rechtsextremen Straftaten stieg im Jahr 2012 im Vergleich zu 2011 deutlich an. Der Innenminister hat dazu auf der Pressekonferenz am vorigen Freitag ausgeführt, dass 2011 möglicherweise ein - erfreulicher - Ausrutscher nach unten gewesen sei. Das kann durchaus sein.