Protokoll der Sitzung vom 05.06.2013

(Frau Lehmann [SPD]: Prima!)

Insgesamt sehen wir gerade im Gesundheitsbereich, dass die gescheiterte Länderfusion und die Verweigerung eines Neuanfangs zu massiv nachteiligen Folgen für die gesamte Region führen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Hier wächst nicht zusammen, was zusammengehört, sondern hier wird immer ungenierter Konkurrenz gegeneinander gemacht. Lange werden wir uns das nicht mehr leisten können.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält die Landesregierung. Frau Ministerin Tack spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank den Koalitionsfraktionen für den Entschließungsantrag. Ich freue mich auch, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag mit stützt, weil ich schon denke, dass der Fokus für die Brandenburger Gesundheitspolitik genau darauf richtig gelegt ist, zentrale Aspekte der Gesundheitsregion - so verstehen wir uns: Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg - aufzugreifen, nämlich die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung. Dazu haben wir einen Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung, und dem wollen wir auch Rechnung tragen.

Ich bedanke mich bei Ihnen für die sehr sachbezogene Diskussion und sage nur an den Kollegen Schierack gewendet: So eine „Hau-druff-Opposition“ haben Sie einfach nicht nötig. Sie sind vom Fach.

Ich würde mir wünschen, einmal einen konstruktiven Vorschlag von Ihnen zur Verbesserung der regionalen Situation im Gesundheitsbereich bei uns im Land zu hören.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zurufe der Abgeordneten Prof. Dr. Schierack und Dombrowski [CDU])

- Das soll er lieber in der Öffentlichkeit nicht verraten. Das ist im Zusammenhang mit der Debatte peinlich.

Ich will nur einige Schwerpunkte für die Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg nennen: Abstimmung der Krankenhausplanung, Fortschreibung des Krankenhausplans, die Reha-Entwicklung - auch hier eine Arbeitsteilung -, Fachkräfteausbildung und Fachkräfteeinsatz, Innovationsentwicklung wie bei der Telemedizin - darauf ist eingegangen worden - und bei der Biotechnologie und gemeinsame Nutzung von Ressourcen bei der Forschung. Unser Ziel sind nicht nur innovationsstarke Unternehmen - diese natürlich auch ganz besonders - sowie Spitzenforschung und Forschungsentwicklung, sondern vor al

len Dingen haben wir gemeinsam den Nachweis zu erbringen, dass Berlin und Brandenburg für ihre Bürgerinnen und Bürger eine gesundheitliche Versorgung auf hohem Niveau sicherstellen.

Die Herausforderungen in der Gesundheitspolitik in unserem Land - Sie haben sie mehrfach hinlänglich beschrieben - haben wir auch hier schon sehr oft diskutiert. Daran werden sich die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion und vielleicht auch die der FDP-Fraktion noch erinnern. Es geht um die künftige Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung vor allen Dingen mit einem Schwerpunkt in den ländlichen Regionen unseres Landes. Es gilt die Herausforderung zu meistern, dass die Anzahl der Brandenburgerinnen und Brandenburger abnimmt, was wir zuallererst in den ländlichen Regionen merken, dass wir aber - und das ist ein Glücksumstand - viel älter werden, woraus sich auch zusätzliche und andere Leistungsangebote der gesundheitlichen Versorgung für diese Bevölkerungsgruppen ergeben.

Wir brauchen Ärztinnen und Ärzte an den richtigen Orten - das ist richtig -, Hausärzte und Fachärzte. Dabei spielt die ländliche Region eine besondere Rolle, der Aufbau von Schwerpunktpraxen, die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten sowie zwischen Krankenhäusern. Hierbei setzen wir auf eine sehr starke Kooperation, wie auch bei der Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten sowie Gemeinschaftspraxen.

In Brandenburg gibt es eine Reihe neuer Modelle, für die wir große Anerkennung - wenn auch nicht von der CDU - über Landesgrenzen hinaus in der Bundesrepublik bekommen haben. Andere Länder sagen: Ja, genau, das ist richtig; das werden wir nachmachen. - Wir haben ein eigenes Modell, AGnES II. Dieses ist erfolgt, weil der Bund nicht in der Lage war, es als Regelleistung ordentlich auszugestalten. Wir haben ein Telemedizinnetz im Aufbau, welches bereits sehr gute Ergebnisse zeigt. Außerdem haben wir - dies erwähne ich wiederum - den Patientenbus, und wir haben bereits an mehreren Krankenhäusern Bereitschaftspraxen. All dies sind Modelle, mit denen wir versuchen, besser zu werden und besser auf die Versorgung der Patienten einzugehen, als es bisher möglich war.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, auch wenn Sie es nicht gern hören: Wir stoßen - deshalb wäre es gut, Sie würden sich auch noch einmal mit der Struktur des Gesundheitswesens und vor allem mit dessen Gliederung befassen auch hier immer wieder an Grenzen. Sie kennen die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Land und Sie wissen, dass etwa 80 % aller gesetzlichen Regelungen für den Gesundheitsbereich im Bund getroffen werden. Das Versorgungsstrukturgesetz wurde bereits angesprochen. Es hat leider kein Umverteilungsinstrumentarium mit sich gebracht, was wir jedoch dringend brauchen, denn wir wollen Ärztinnen und Ärzte gern dort haben, wo sie gebraucht werden, nämlich vor Ort in Wohnortnähe.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Schierack [CDU])

Das ist alles nicht gekommen. Wir brauchen zukunftsfähige, mutige Entscheidungen, bezüglich derer ich bei dieser Bundesregierung schwarzsehe. Wir brauchen die Stärkung der haus

ärztlichen Versorgung sowie der nichtärztlichen Gesundheitsberufe. Dies sind Aufgaben, bei denen uns der Bund im Regen stehen gelassen hat.

Krankenhäuser sind Anker der gesundheitlichen Versorgung. Sie bilden einen Schwerpunkt bei der gesundheitlichen Versorgung in unserem Land. Wir haben uns hier mehrfach ausgetauscht: zur Fortschreibung des Krankenhausplanes, zur Umstellung der Finanzierung von der Einzel- auf die pauschalisierte Finanzierung. Hierbei geht es um die Investitionsfinanzierung durch das Land. - Herr Schierack, hören Sie zu, sonst wissen Sie es wieder nicht!

(Oh! bei der CDU)

Keine andere Finanzierung leistet das Land, denn das ist Bundesangelegenheit, und es geht schon darum, dass die Gesundheitsberufe und das Personal gut ausfinanziert werden. Bei den Krankenhäusern wollen wir darauf setzen, dass die Kooperation gestärkt sowie die ambulante und stationäre Versorgung verbessert werden. Es geht auch darum, die Vernetzung von Vor- und Nachsorge sowie von stationärer und ambulanter Versorgung besser zu gestalten - das hatte ich gesagt -, einschließlich der pflegerischen Versorgung von Rehabilitation und häuslicher Versorgung - wir möchten also eine geschlossene Versorgungskette für die Patientinnen und Patienten.

Außerdem haben wir uns entschlossen - die 1. Lesung hat stattgefunden -, der Empfehlung des Gesetzgebers zu folgen, ein gemeinsames Landesgremium mit allen Akteuren des Gesundheitswesens zu schaffen, um lokal und regional zugeschnittene, bessere Versorgungslösungen zu erarbeiten. Dies wird uns auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelung möglich werden.

Wir haben also eine Fülle von Maßnahmen angefasst, und ich möchte noch einmal auf die Clusterentwicklung, zum Beispiel zum Thema Fachkräfte, eingehen. Dieses Thema werden wir mit Nachdruck angehen, denn Sie wissen: Nicht nur wir werden älter, sondern auch Ärztinnen und Ärzte sowie Fachkräfte im Gesundheitsbereich. Sie müssen genauso einen Ersatz an Fachkräften finden wie andere Berufsgruppen. Damit komme ich zum ersten Stichwort. Es geht hier nur um Stichworte, da es ich nehme Bezug auf den Antrag - eine sehr komplexe Aufgabenstellung ist zu beschreiben, was wir in der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg tun.

Neue, nichtärztliche Berufe nah am Bürger - diese brauchen wir, auch in der Ausbildung. Darauf komme ich später nochmals zurück. Dafür bildet unser Modell AGnES II eine gute Voraussetzung.

Ein zweites Stichwort ist die qualifizierte Ausbildung. Darüber haben Sie bereits gesprochen, und wir kommen in der Fragestunde nochmals darauf zurück, wenn es um die Charité gehen wird. Wir wollen hier neue Studiengänge für die Pflegekräfte, die wir gemeinsam verabredet haben und die künftig in der Lausitz angeboten werden sollen. Wir sind der festen Überzeugung, dass es gute Berufschancen für Frauen und Männer gibt, und würden uns wünschen, dass dieser Beruf für Männer attraktiver wird, damit wir künftig über ausreichend Fachkräfte verfügen.

Die Zusammenarbeit mit der Charité ist kein einfaches Thema, Sie haben es beschrieben. Ich komme in der Fragestunde dar

auf zurück. Wir setzen - das macht die aktuelle Verabredung mit der Charité aus - auf die künftige strategische Partnerschaft von Charité, Land Brandenburg und unseren elf Lehrkrankenhäusern im Land. Wir haben gegenwärtig über 100 Studierende an den Lehrkrankenhäusern in Brandenburg. Das ist ein sehr, sehr gutes Potenzial, um diese Studenten zu umwerben und Ärztinnen und Ärzte für Brandenburgs Zukunft zu gewinnen.

Wir wollen einen vierten Schwerpunkt im Cluster ganz besonders weiterverfolgen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hierbei geht es darum, bessere Leistungsmodelle anzubieten. Ich habe vor einer Woche gemeinsam mit unserer Krankenhausgesellschaft, mit unseren Brandenburger Krankenhäusern eine Tagung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchgeführt, zu Arbeitszeitmodellen sowie zur Kinderbetreuung an den Krankenhäusern und dazu, einander viele gute Lösungen zu vermitteln, damit alle Krankenhäuser dies als ihre Aufgabe erkennen und reagieren. Dazu gehört natürlich auch das Gesundheitsmanagement für die Beschäftigten - eine große Aufgabe -, damit wir nicht nur Fachkräfte rekrutieren, über die wir dann verfügen, sondern sie auch halten und diese sehr lange über ihr Arbeitsvermögen verfügen können.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig, genau!)

Die Clusterentwicklung in der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg hat 2008 einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt erhalten. Das am weitesten entwickelte Cluster bildet mittlerweile die gesamte Wertschöpfungskette ab - von der Innovation in der Medizintechnik und der Biotechnologie über die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft bis zur Versorgung, zur Prävention und zum Gesundheitstourismus. Das ist schon eine beachtliche und komplexe Tatsache.

Ärztinnen und Ärzte in Brandenburger Krankenhäusern sowie Reha-Einrichtungen arbeiten zunehmend enger mit Unternehmerinnen und Unternehmern sowie wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. Dabei gibt es gute Ergebnisse zu verzeichnen. Es war deshalb zum Beispiel ein logischer Schritt, eine Professur für Rehabilitationswissenschaften an der Uni Potsdam einzurichten, denn genau hier wollen wir uns, gegründet auf wissenschaftliche Arbeit, gemeinsam schlauer machen.

Die Versorgungsforschung wird immer mehr an Bedeutung gewinnen, aber auch der gesamte Bereich der Prävention - dies möchte ich besonders unterstreichen - ist gegenwärtig noch in den Kinderschuhen. Hier muss viel mehr getan werden, denn hier liegt ein weites Feld für neue Produkte und Dienstleistungen vor.

Nach den Ergebnissen - der Masterplan 2012 wurde evaluiert, Sie haben davon gesprochen - arbeiten in der Gesundheitswirtschaft - das möchte ich besonders unterstreichen - in der Region Berlin-Brandenburg 390 000 Menschen, 138 000 davon in Brandenburg. Dies zeigt die enge Verknüpfung und das Potenzial, welches die Gesundheitswirtschaft hinsichtlich Arbeitsvermögen und Arbeitsmarkt hat. Frau Lehmann hat es beschrieben: 14 %, das ist jeder siebente Arbeitsplatz, hängen mit der Gesundheitswirtschaft zusammen, das heißt mit dem Kern der Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten. Das ist ein hohes Gut, das wir weiterqualifizieren und zukunftsfähig machen wollen.

Die vier neuen Handlungsfelder, die die Arbeit im Rahmen des Clusters Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg bilden werden, spiegeln auch unsere Brandenburger Erkenntnisse und vor allem unsere Erfahrungen wider. Es sind: Biotechnologie und Pharmazie, Medizintechnik, neue Versorgungsformen und Rehabilitation sowie Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitstourismus. Das ist das große Paket, welches wir gemeinsam zur Qualifizierung schnüren wollen.

Innerhalb dieser vier Handlungsfelder gibt es noch einmal fünf Integrationsthemen - eine etwas schwierige Struktur -, die in jedem Handlungsfeld behandelt werden sollen. Das ist zum Ersten die Fachkräfteentwicklung, zum Zweiten die Ansiedlungsund Bestandsentwicklung, zum Dritten die Internationalisierung, zum Vierten E-Health und zum Fünften die alternde Gesellschaft - und mehr Antworten darauf zu geben, als wir bisher in der Lage sind.

Ich möchte zur Prävention zurückkommen, um zu den Kollegen der CDU noch etwas sagen zu können.

(Prof. Dr. Schierack [CDU]: Das ist aber schön!)

Bei uns im Land Brandenburg steht die Prävention für Kinder und Jugendliche sowie Ältere im Mittelpunkt, das wissen Sie. Ich denke, das ist auch gerecht. Wir haben das „Bündnis Gesund Aufwachsen“ sowie das „Bündnis Gesund Älter werden in Brandenburg“ gegründet. Ich möchte auch auf den Präventionsatlas für Berlin-Brandenburg sowie die Internetplattform „Prävention und Gesundheitsförderung“ in Berlin-Brandenburg verweisen. Beide haben wir im vergangenen Jahr öffentlich vorgestellt. Prävention spielt innerhalb betrieblicher Gesundheitsstrategie eine große Rolle und ist damit - ich erwähnte es schon - für die Fachkräftesicherung von großer Bedeutung. Wichtig ist es für uns künftig, die vorhandenen Strukturen und Angebote im Sinne von Präventionsketten auszubauen und gemeinsam mit Berlin länderübergreifende Strategien der Prävention und Gesundheitsförderung zu entwickeln.

Damit komme ich auf Sie zurück. Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Prävention vorgelegt, der wirklich ein Skandal ist, und ich hoffe nur, dass er nicht zur Verabschiedung kommt. Die Mehrheiten bei den SPD- und Grünen-geführten Ländern sprechen sich dagegen aus, weil dieses Gesetz den Namen nicht verdient.

(Frau Lehmann [SPD]: Katastrophe!)

- Es ist eine Katastrophe, genau. - So viel zur Verantwortung des Bundes und des Bundesgesundheitsministers.

Zur Krankenhausfinanzierung, Herr Kollege Prof. Schierack: Ich habe beschrieben, wofür das Land zuständig ist: für die Investitionsförderung. Am 3. Mai 2013 im Bundesrat konnte von SPD- und Grünen-geführten Ländern auf unsere Initiative hin ein Entschließungsantrag beschlossen werden, der die Bundesregierung ausdrücklich auffordert, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, in dem eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhauslandschaft in der Bundesrepublik wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Schierack [CDU])

Das kann die Bundesregierung noch erfüllen. Sie wird es jedoch möglicherweise bis zu den Bundestagswahlen nicht mehr

schaffen und vielleicht auch gar nicht wollen, aber es bleibt als Aufgabe stehen. Diese Aufgabe bleibt zum Beispiel auch für Universitätsmedizin und andere Bereiche bestehen.

Meine Damen und Herren, noch in diesem Jahr wird der neue Masterplan der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg in Kraft gesetzt werden. Expertinnen und Experten der beiden Länder arbeiten gegenwärtig daran - gemeinsam mit dem Clustermanagement, das von der „Technologiestiftung Berlin“, von „BerlinPartner“ und der Zukunftsagentur Brandenburg getragen wird. Auch diese Konstruktion ist bekannt und sehr sinnvoll. Der Masterplan bleibt ein wichtiges Instrument, um die verschiedenen Akteurinnen und Akteure zu unterstützen, zukunftsweisende Themen und Projekte gemeinsam zu bearbeiten.

Das Entscheidende ist aber letztendlich nicht der Plan, sondern es sind die Ergebnisse: Arbeitsplätze, Fachkräfte und eine qualitativ hoch stehende gesundheitliche Versorgung für die Bevölkerung in Brandenburg und Berlin. Das wird der Gradmesser des Erfolges in der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg sein. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)