Wir haben aus den vielen Erfahrungen und neuen Erkenntnissen heraus einen aktualisierten Planvorschlag unterbreitet, und der wird sicherlich zur Umsetzung kommen, nachdem er mit einer öffentlichen Beteiligung beraten worden ist. Sie wissen genau, wie kompliziert die Planungs- und Abstimmungsprozesse mit den Bürgerinnen und Bürgern sind, und ich glaube, da ist jede Zufallsfrage, die Sie hier stellen, fehl am Platz.
Ich kann Ihnen nur empfehlen: Laden Sie uns ein! Wir beraten noch einmal vor Ort oder geben detailliert Auskunft bei uns im Ausschuss - immer gern.
Vielen Dank. - Wir kommen zu den regulären Fragen - die Dringlichen Anfragen sind erschöpft - und beginnen mit der Frage 1331 (Millionenklage gegen das Land Brandenburg ab- gewiesen), gestellt vom Abgeordneten Görke.
Im Rechtsstreit der DEUBA Glas Großräschen GmbH i. L. gegen das Land Brandenburg hat das Brandenburgische Oberlandesgericht am 28. Mai 2013 ein Urteil verkündet und die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts Cottbus vom 09.04.2008 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat im Jahre 2005 Klage erhoben und vom Land Brandenburg Schadensersatz mit der Begründung verlangt, die Finanzbehörden hätten ihr in der Aufbauphase zu Unrecht die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft aberkannt. Die Schadensersatzforderung zu Beginn des Prozesses wurde zunächst auf rund 34 Millionen Euro festgesetzt; zuletzt waren es 66 Millionen Euro. Zuzüglich Zinsen seit 1996 macht das einen Betrag in Höhe von rund 100 Millionen Euro aus. Dies war damit der bislang größte Staatshaftungsprozess, der vor einem brandenburgischen Gericht verhandelt wurde. Das Urteil des Oberlandesgerichts wurde in den Medien breit beleuchtet.
Ich frage deshalb die Landesregierung: Spiegelt das Echo in den Medien nach Ihrer Auffassung die Begründung, die zur Entscheidung des Oberlandesgerichts geführt hat, zutreffend wider?
In den Medien wurde es sehr unterschiedlich widergespiegelt, und es gab Medien, die dem Kläger unmittelbar vor Gerichtsentscheid seitenweise Platz zur Verfügung gestellt haben, die der Kläger dazu genutzt hat, Verwaltungen, Beamte und das Gericht selbst derart pauschal zu verunglimpfen - was letztendlich darin gipfelte, dass Brandenburg kein Rechtsstaat sei, so ungefähr -, dass ich schon ziemlich erstaunt war.
Zweite Vorbemerkung: Das Thema war über viele Jahre heiß umstritten, und ich kann mich sehr wohl erinnern - ich kann natürlich entsprechende Dokumente raussuchen -, dass auch Abgeordnete aus diesem Landtag mir als Finanzminister wörtlich empfohlen haben, auf einen Vergleich einzugehen, der nie ein Vergleichsangebot war. Wir sollten 20 Millionen Euro Vorauszahlung tätigen und alle Gerichtskosten der Klägerseite übernehmen, um in dem weiterführenden Prozess festzustellen, welches zusätzliche Geld dann noch zahlen gewesen wäre.
Dann hat der Kläger großzügig angeboten, dem Land möglicherweise die Hälfte der Vorauskasse zu spenden. Ich könnte die Namen der Abgeordneten nennen - die sind auch nachlesbar -, die gesagt haben: Machen Sie das, dann kommt kein Schaden auf das Land zu etc.!
Ich glaube, dass die Entscheidung, die ich damals gefällt habe die mir nicht leicht gefallen ist, weil es tatsächlich eine schwierige Kiste ist -, mich nicht darauf einzulassen, sondern den Prozess und das Ergebnis abzuwarten, absolut richtig war. Insofern bin ich Ihnen für die Frage dankbar. Ich möchte genauer ausführen, aber da ich kein Jurist bin, muss ich dazu auf meinen Zettel gucken. Die wichtigsten Entscheidungen, die in der Urteilsbegründung - die ausschlaggebende; viele haben sich zum Urteil geäußert, ohne die Urteilsbegründung gelesen zu haben - zu finden sind, würde ich hier gern vorlesen wollen:
Der zuständige II. Zivilsenat führte in seinem Urteil vom 28.05.2013 aus, dass ein Staatshaftungsanspruch, der auf einem Verstoß gegen Europäisches Recht beruht, nicht besteht. Das OLG beleuchtete verschiedene Zeitpunkte in dem langjährigen Steuerverfahren, unter anderem auch das Datum 30.06.1994 - daran sieht man, welchen Zeitraum das umfasst. An diesem Tag hatte die DEUBA Glas Großräschen GmbH i. L. sämtliche Rechte und Pflichten aus bereits abgeschlossenen, die Glaswerkerrichtung betreffenden Verträgen mit einem - wie vom OLG ausführlich dargelegt - wirksamen Vertrag auf die DEUBA Glas GmbH - später KeraGlas GmbH - übertragen. Aufgrund des im Wege der umfangreichen Beweiserhebung festgestellten Sachverhalts konnte das OLG vor diesem 30.06.1994 keinen Verstoß des beklagten Landes gegen Rechte, die der DEUBA Glas Großräschen GmbH i. L. aus europarechtlichen Vorschriften zustünden, erkennen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Finanzamt - ich sage jetzt immer DGG, damit ich nicht jedes Mal den umfangreichen Firmennahmen benutzen muss - der DGG den Vorsteuerabzug nicht versagt, sondern im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung ab März 1994 nur die Berechtigung zum Vorsteuerabzug geprüft. Das OLG wies klarstellend darauf hin, dass der unionsrechtliche Anspruch auf Vorsteuerabzug und der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer nicht die sofortige ungeprüfte Auszahlung des Guthabens gebiete. Vielmehr regelt § 168 Satz 2 AO, dass der Anspruch auf Auszahlung eines Vorsteuerguthabens erst mit Zustimmung des Finanzamtes entsteht.
Jetzt kommt der Zusammenhang: Nach der wirksamen Übertragung sämtlicher Rechte und Pflichten zur Glaswerkherstellung von der DGG auf die Schwestergesellschaft KeraGlas GmbH am 30.06.1994 konnte laut den Ausführungen des OLG dagegen offenbleiben, ob das Land Brandenburg womöglich zulasten der DEUBA Glas Großräschen GmbH i. L. qualifiziert gegen Unionsrecht verstoßen hat. Selbst bei Vorliegen eines solchen Verstoßes wäre dieser nicht mehr kausal für den Verlust des Unternehmenswertes der DGG verantwortlich gewesen. Zwar sei der Generalübertragungsvertrag erst am 30.06.1994 geschlossen worden, jedoch hatten die Gesellschafter des Unternehmens bereits im Januar - das ist ganz wichtig 1994 beschlossen, dass nicht die DGG, sondern die KeraGlas GmbH das geplante Glaswerk errichten sollte, woraufhin die KeraGlas GmbH unverzüglich entsprechende Förderanträge bei der ILB stellte - das ergab sich auch aus einem klägerseitig eingereichten Vermerk.
Die Entscheidung zur Übertragung war damit schon vor dem Bekanntwerden von Zweifeln des Finanzamtes an der Vorsteuerabzugsberechtigung getroffen worden. Einen gegenteiligen Beweis konnte die DGG nicht erbringen.
Auch die tatsächliche Vermutung, dass die Nichtanerkennung der Unternehmereigenschaft ursächlich für die Insolvenz der DGG gewesen sei, bestand laut Urteilsbegründung nicht. Die DGG hat ihre mangelnde Liquidität in der Bilanz zum 31.12.1996 nicht mit den drohenden Steuernachzahlungen begründet, sondern unter anderem mit der Verurteilung zur Zahlung von 1,6 Millionen DM an die Treuhandanstalt. Ich wiederhole: Die DGG war verurteilt worden, 1,6 Millionen DM an die Treuhandanstalt zu zahlen, und das war in der Bilanz die Begründung, warum sie in Schwierigkeiten geraten ist.
Soweit die Klägerin nach Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof in diesem Rechtszug für die erstmalige Unternehmensbewertung zusätzlich 34 Millionen Euro nebst Zinsen beanspruchte, war die Klageforderung - ohne dass die Begründetheit des Anspruchs nachgewiesen war - verjährt. Also war dieser Anspruch gar nicht rechtens.
Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Natürlich kann die DGG dagegen innerhalb von einem Monat Rechtsmittel einlegen.
Vielen Dank. - Da sich die nächsten beiden Fragen auf den Suizid eines Flüchtlings beziehen, werden wir sie gemeinsam beantworten lassen. Wir beginnen mit Frage 1332 (Suizid eines Flüchtlings aus Tschad in Eisenhüttenstadt), gestellt vom Abgeordneten Lakenmacher. Bitte sehr, Herr Lakenmacher.
Ein junger Mann aus dem Tschad hat sich am Dienstag, dem 28.05.2013, in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylsuchende in Eisenhüttenstadt das Leben genommen. Der Asylsuchende so die Presseberichterstattung - sollte am Mittwoch nach Italien abgeschoben werden.
Ich frage die Landesregierung: Welche Erkenntnisse liegen ihr hinsichtlich des traurigen Vorfalls und zu den Hintergründen des Suizids vor?
Gleich anschließend stellt die Abgeordnete Nonnemacher die Frage 1333 (Suizid in Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt). Bitte sehr.
Ein 20-jähriger Mann aus dem Tschad, der in der „Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber“ in Eisenhüttenstadt untergebracht war, hat sich am 28. Mai 2013 das Leben genommen. Der junge Mann wurde Ende März im Zuge der bundesweiten Verteilung von der Aufnahmeeinrichtung in Karlsruhe nach Eisenhüttenstadt geschickt. Auf dem Weg nach Brandenburg soll er in Dresden Opfer eines rechtsradikalen Übergriffs geworden sein.
Aus der unabhängigen Beratungsstelle in Eisenhüttenstadt wurde berichtet, dass der junge Mann offensichtlich große psychische Probleme hatte und zudem befürchten musste, nach Italien überführt zu werden. Laut EU-Aufnahmerichtlinie müssen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge in Aufnahmeeinrichtungen angemessen behandelt werden. In Eisenhüttenstadt haben jedoch weder das Betreuungs- noch das medizinische Personal Kenntnis von den psychischen Problemen des Mannes gehabt, und eine psychologische Versorgung wurde nicht eingeleitet.
Ich frage die Landesregierung: Warum wurde die besondere Schutzbedürftigkeit des jungen Mannes in der Erstaufnahmestelle nicht erkannt?
Sehr geehrte Frau Nonnemacher! Sehr geehrter Herr Lakenmacher! Bei den vielen „machern“ in diesem Haus kann durchaus einmal etwas durcheinanderkommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem tragischen Freitod eines jungen afrikanischen Flüchtlings in der Erstaufnahmeeinrichtung haben wir alle uns die Frage gestellt ich denke, das ist normal -, ob wir - und wenn ja, wie - dies hätten verhindern können. In der Presse wurde zu dem Fall viel geschrieben - Richtiges, aber auch Falsches.
Falsch ist zum Beispiel die von Herrn Lakenmacher in seiner Anfrage wiederholte Behauptung, die Rückführung des Flüchtlings nach Italien sei für den folgenden Tag geplant gewesen.
Ob eine besondere Schutzbedürftigkeit des jungen Mannes im Sinne der Europäischen Aufnahmerichtlinie vorlag, ist hier nicht bekannt. Sie läge vor, wenn er Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten hätte. Hinweise darauf oder auf eine daraus folgende Traumatisierung sind in der Aufnahmeeinrichtung tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht erkennbar gewesen.
Der junge Mann wurde am 19. März dieses Jahres von der Aufnahmeeinrichtung in Karlsruhe der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt zugewiesen; allerdings hat er sich in Eisenhüttenstadt erst drei Tage später gemeldet.
Nach der Erstuntersuchung durch das Gesundheitsamt des Landkreises Oder-Spree am 25. März wurde der Zentralen Aufnahmestelle vom Amtsarzt kein besonderer gesundheitlicher Betreuungsbedarf mitgeteilt - mit Ausnahme einer Knieverletzung, die vom Medizinischen Dienst der Aufnahmeeinrichtung versorgt worden ist.
In der Zeit vom 4. bis zum 18. April und vom 19. April bis zum 5. Mai hielt er sich nicht in der Aufnahmeeinrichtung auf. Dies kommt häufiger vor und ist für sich allein kein Grund für die Zentrale Aufnahmestelle, tätig zu werden; es handelt sich immerhin um erwachsene Menschen.
Den Termin für die Röntgenuntersuchung hat er ebenso versäumt wie einen ersten Anhörungstermin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Hinweise seiner Mitbewohner auf psychische Auffälligkeiten gab es nicht.
Einen Abschiedsbrief hat der junge Mann nicht hinterlassen. Über die Motive für seine Selbsttötung ist uns daher nichts Näheres bekannt. Der Presse war zu entnehmen, dass die Beratungsstelle der Diakonie in Eisenhüttenstadt über Erkenntnisse verfügt haben soll, wonach der junge Mann deutliche psychische Probleme gehabt und sogar seinen Suizid angekündigt habe. Eine Nachfrage bei der Beratungsstelle hat ergeben, dass der junge Mann etwa eineinhalb Wochen vor seinem Suizid auf Initiative von Mitbewohnern in dieser Beratungsstelle vorgesprochen habe. Eine Information der Erstaufnahmeeinrichtung sei in diesen Fällen nicht vorgesehen - so die Beratungsstelle der Diakonie in Eisenhüttenstadt. Ich will das nicht kommentieren. Wir werden dazu das Gespräch mit der Diakonie suchen.
Ich kann Ihnen aber versichern: Wenn die ZABH eigene Erkenntnisse oder Hinweise von außen auf möglichen Hilfebedarf erhält, wird sie immer tätig. Es besteht seit Langem eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus Eisenhüttenstadt, dort insbesondere mit der Psychiatrischen Abteilung. Das Fehlen entsprechender Hinweise ist sicherlich auch ein Grund, warum dieser Suizid - der erste seit Bestehen der Erstaufnahmeeinrichtung - bedauerlicherweise nicht verhindert werden konnte.
Die ZABH ist derzeit mit einer durchschnittlichen Belegung von ca. 650 Personen und der damit einhergehenden Fluktuation in einer sehr schwierigen Situation. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort arbeiten seit Monaten an der Grenze ihrer Belastbarkeit, teilweise darüber hinaus. Es ist in dieser Situation schlicht nicht möglich, jedem Flüchtling die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die seiner persönlichen Situation entspricht. Konkreten Hinweisen gehen die Mitarbeiter allerdings immer nach.
Wie kann ein solcher Fall zukünftig verhindert werden? Die derzeit geltende EU-Aufnahmerichtlinie aus dem Jahr 2003, die in Bundesrecht umgesetzt worden ist, sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten die spezielle Situation von besonders schutzbedürftigen Personen in ihren Rechtsvorschriften berücksichtigen. Es geht hier also unterhalb von europäischem Recht um Bundesrecht.
Ein geregeltes Verfahren zur frühzeitigen Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit ist erst in der neuen, noch nicht rechtswirksamen Aufnahmerichtlinie vorgesehen, die zudem noch in Bundesrecht umgesetzt werden muss. Wir wissen nicht, ob ein solches Verfahren dem jungen Afrikaner geholfen hätte, weil wir über seinen persönlichen Hintergrund zu wenig wissen.