Nein, ich würde jetzt erst einmal ausführen wollen und nachher gern antworten, wenn er dann immer noch eine Frage stellen will.
In der Begründung Ihres Antrages, liebe Kollegen von der FDP, heißt es, eine landesgesetzliche Regelung sei insbesondere geboten, weil das Versammlungsgesetz des Bundes „aus dem letzten Jahrhundert stammt“ und aus diesem Grund - weil es aus dem letzten Jahrhundert stammt - nicht mehr zeitgemäß sei. Es stammt sogar nicht nur aus dem letzten Jahrhundert, sondern es stammt, wenn man es genauer nimmt, aus dem letzten Jahrtausend!
- Genau, selbst ich, Sie sagen es. Und? Nur weil etwas 15 Jahre alt ist und vermeintlich ein gewisses Alter auf dem Buckel hat, ist das noch kein Argument, dass es novellierungsbedürftig ist. Die Botschaft ist: Nicht jedes Gesetz, das älter als 15 Jahre ist, ist deshalb schlecht. Das war genau auch die Argumentation beim Akteneinsichtsrecht gestern. Da haben Sie auch verkündet: Modern, modern, modern! - Aber Sie haben dann auf die Detailregelungen verzichtet, was denn modern für Sie bedeuten sollte.
Sie fordern uns in Ihrem Antrag weiter auf, den „grundgesetzlichen Schutz von Versammlungen sicherzustellen“. Schauen Sie in Artikel 8 Grundgesetz, darin ist der grundgesetzliche Anspruch nämlich schon definiert:
„Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Zweiter Vorschlag: Sie fordern die „moderne Ausgestaltung“ modern! - „der Anzeigepflicht bei Veranstaltungen“. Vielleicht ist es Ihnen ja entgangen, dass man heute bereits über die Internetwachen, also auf elektronischem Wege, Versammlungen anmelden kann. Das finde ich modern genug.
Drittens: Sie möchten weiterhin, dass die Versammlungsleitungen - also die der Demonstranten - nicht mehr wie bisher auf einen friedlichen Verlauf hinwirken müssen. Das müssen sie bisher machen; wenn sie es nicht tun, können sie mit Bußgeldern belegt werden. Wenn wir Ihrem Vorschlag folgten, würden wir sozusagen nicht mehr die friedlichen Demonstranten schützen, sondern die Gegenseite.
Also: Ihr Vorschlag ist zu kurz gesprungen, schlecht vorbereitet, und zum jetzigen Zeitpunkt, denke ich, ist es nicht angesagt, ein eigenes Landesgesetz zu machen.
Abschließend: Von den vier Gesetzen, die in anderen Bundesländern auf den Weg gebracht wurden, sind mittlerweile zwei Gesetze, in Bayern und Sachsen, verfassungsmäßig angegriffen und für ungültig erklärt worden - zwei von vieren, das ist die Hälfte. Das zeigt also, welche Rechtsmaterie wir hier bearbeiten. Deshalb sage ich: Gemach, gemach, vorsichtig! Wir sind mit dem alten bundesdeutschen Versammlungsrecht bisher gut gefahren, und all diejenigen, die es vor Ort mit Leben erfüllen müssen, die Polizisten und die Behörden, können es gut praktizieren. Wir sehen da überhaupt keinen Handlungsbedarf und müssen Ihren Antrag aus diesem Grund leider ablehnen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stark. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Lakenmacher, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion fordert heute mit ihrem Antrag ein „modernes Versammlungsgesetz“ - so nennt sie es jedenfalls. Klar, wir haben als Landesgesetzgeber hier die Zuständigkeit und Gestaltungskompetenz, aber auch ich möchte zunächst folgende Feststellung treffen, die mir wichtig ist: Das Versammlungsgesetz des Bundes hat uns bislang wirklich gute Dienste geleistet.
Wenn ein brandenburgisches Versammlungsgesetz eingeführt werden soll, muss auch in diesem Gesetz ein angemessener Ausgleich zwischen der Versammlungsfreiheit der Bürger sowie dem Interesse des Staates an der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geschaffen werden. Denn die Versammlungsfreiheit ist einerseits ein unentbehrliches Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens - das ist klar -, sie muss aber, wie das bei allen Freiheitsrechten sowieso der Fall ist, in bestimmten Situationen auch eine Einschränkung finden können.
Dem tragen Artikel 8 Grundgesetz und Artikel 23 Brandenburgische Landesverfassung Rechnung. Sie garantieren das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes Sie wissen, was das bedeutet - beschränkt werden. Gemäß der Brandenburgischen Landesverfassung können Versammlungen und Demonstrationen unter freiem Himmel anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt, aufgelöst oder verboten werden. Diesen Vorgaben muss meines Erachtens zwingend und selbstverständlich eben auch ein Brandenburgisches Versammlungsgesetz gerecht werden, und den Vorschlägen des FDP-Antrages kann ich und kann die CDU-Fraktion so nicht uneingeschränkt folgen.
Folgende Gesichtspunkte müssten unseres Erachtens in einem Brandenburgischen Versammlungsgesetz unabdingbar berücksichtigt werden - ich zähle sie kurz auf -: Durch ein neues Versammlungsrecht muss einerseits die Versammlungsfreiheit geschützt, andererseits eben auch Radikalen und Chaoten klare Grenzen aufgezeigt und dem Missbrauch dieses Freiheitsrechts
die rote Karte gezeigt werden. Deshalb sehe ich erheblichen Veränderungs- und Verbesserungsbedarf bei den Handlungsmöglichkeiten gegen extremistische Versammlungen. Das Recht auf Versammlungsfreiheit muss für diejenigen ausgeschlossen werden, die das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Artikel 18 Grundgesetz verwirkt haben, die mit Durchführung oder Teilnahme an einer Versammlung die Ziele einer nach Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz für verfassungswidrig erklärten Partei fördern wollen, für eine Partei, die nach Artikel 21 Grundgesetz für verfassungswidrig erklärt worden ist, oder eine Vereinigung, die nach Artikel 9 Grundgesetz oder nach dem Vereinsgesetz verboten worden ist.
Eine Bestimmung für den Versammlungsbegriff und den Begriff der Öffentlichkeit einer Versammlung einzuführen ist durchaus ein wünschenswertes Ansinnen, Herr Goetz. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Pflichten der Versammlungsleitung nicht eng begrenzt werden sollen - zumindest nicht so, wie in Ihrem Antrag hier gefordert. Diese Pflichten sollten meines Erachtens auch weiterhin durch Straf- und Bußgeldvorschriften flankiert werden. Insbesondere muss die Veranstaltungsleitung der Pflicht unterliegen, auf einen friedlichen Verlauf der Versammlung hinzuwirken, und die Polizeibeamten müssen ihrerseits das Recht auf Zugang und auf einen angemessenen Platz in der Versammlung erhalten, um ihre Maßnahmen durchführen und die ihnen obliegenden Aufgaben erfüllen zu können.
Zudem bin ich für die Aufnahme eines Störungsverbots in das Gesetz, nach dem Störungen verboten sind, welche bezwecken, die ordnungsgemäße Durchführung öffentlicher oder nicht öffentlicher Versammlungen zu verhindern, insbesondere dann, wenn rechtmäßige Versammlungen verhindert werden sollen.
Auch Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen stellen ein Standardinstrument der Polizei dar - Herr Goetz, Sie wissen das; bei Demonstrationen sowieso -, um von der Begehung von Straftaten abzuschrecken, um Straftaten und Gefahren abzuwehren bzw. aufzudecken. Übersichtsaufnahmen und verdachtsunabhängige Videoüberwachungen sind zur Einsatzlenkung bei Polizeieinsätzen und zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit notwendig.
Sie sehen, es gibt hier noch viel Diskussionsbedarf. Der Überweisung des Antrags an den Ausschuss stimmen wir zu. Ich freue mich auf die Diskussion und eine fruchtbare Debatte dort. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lakenmacher. - Die Aussprache wird fortgesetzt mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Scharfenberg, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Goetz, das Land Brandenburg hat die Möglichkeiten, die sich mit dieser Kompetenz zum Versammlungsrecht ergeben haben, sehr schnell und, wie man jetzt sagen kann, sehr wirksam genutzt.
Es ist gar nicht so lange her, dass der Waldfriedhof Halbe von den Ewiggestrigen zu einem Wallfahrtsort für Neonazis entwi
ckelt werden sollte, an dem die unsäglichen Gewalttaten des deutschen Faschismus glorifiziert werden sollten. Mit dem Gesetz über Versammlungen und Aufzüge an und auf Gräberstätten wurde § 16 Versammlungsgesetz in besonderer Weise ausgefüllt, um die Auseinandersetzung mit den Neonazis auch mit rechtlichen Mitteln wirksam führen zu können. Damals hat ein ganz intensiver Prozess fraktions- und parteiübergreifend unter der Federführung des damaligen Innenministers Schönbohm stattgefunden. Sie können also nicht sagen, dass wir nur kritisieren. Damit haben wir gezeigt, dass wir in der Lage sind, uns bei Wahrung der demokratischen Grundrechte wirksam mit rechtsextremistischen Kräften auseinanderzusetzen. Wir haben damit auch vielen Menschen eine Orientierung gegeben und sie mobilisiert.
Sicherlich ist der gegebene juristische Rahmen, auf den die FDP-Fraktion in ihrem Antrag aufmerksam macht, noch nicht ausgeschöpft. Wir alle aber wissen - das haben meine Vorredner hier aufgezeigt -, dass gerade das hohe Gut der Versammlungsfreiheit eines sensiblen Umgangs bedarf. Diese Diskussion haben wir im Zusammenhang mit der von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Antirassismus-Klausel in der Brandenburgischen Landesverfassung geführt. Wir - also die Koalitionsfraktionen - wollten ein klares Verbot, haben uns aber nicht zuletzt mit Verweis auf das Versammlungsrecht eines Besseren belehren lassen. Deshalb verweise ich auf die Gerichtsentscheidungen zu den in einigen Ländern - so in Bayern und in Niedersachsen - beschlossenen Versammlungsgesetzen.
Das ist eine Entwicklung, die zeigt, wie problematisch das ist. Zudem sind diese neuen Gesetze eher von mehr Eingriffsbefugnissen gekennzeichnet. Sie enthalten eine ganze Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe, die absehbar wieder zum Gegenstand von Gerichtsentscheidungen werden. Deshalb sollten wir genau überlegen und prüfen, bevor wir auf diesem Gebiet aktiv werden. Wir wollen das gar nicht ausschließen. Umso weniger verstehe ich, warum die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag den Eindruck erweckt, man könne auch noch kurzfristig ein neues Versammlungsgesetz erarbeiten und vorlegen. Das geht ganz klar an den Realitäten vorbei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den vergangenen Jahren in Brandenburg auch negative Erfahrungen mit der Anwendung des Versammlungsrechts machen müssen. Ich verweise auf den Polizeieinsatz bei einer Protestaktion gegen einen rechtsextremistischen Aufmarsch in Neuruppin, bei dem das Versammlungsrecht von der Polizei in unangemessener Weise angewendet worden ist. Das hat der damalige Innenminister auch so eingeschätzt.
Deshalb hat das landesweite Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit nach langen Beratungen mit Fachleuten einige Empfehlungen gegeben. Dabei geht es insbesondere darum, dass die Versammlungsfreiheit nicht leichtfertig beschnitten werden darf. Diese Vorschläge sollten wir auch vor dem Hintergrund der Gerichtsentscheidungen gegen die neu erlassenen Versammlungsgesetze im Auge behalten. Es geht dabei um § 21 Versammlungsgesetz und um die Frage der Strafbewehrtheit von Störungen. Wir sollten darüber diskutieren, ob hier Veränderungen möglich sind, die wir in eigener Verantwortung vornehmen können. Dazu bedarf es jedoch nicht des Antrages der FDP-Fraktion, den wir nicht zu
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fort. Das Wort erhält wiederum Frau Abgeordnete Nonnemacher.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Als ich den Antrag der FDP-Fraktion las, habe ich mich erst einmal gefragt, ob wir überhaupt ein eigenes Versammlungsgesetz brauchen. In anderen Bundesländern wird die neue Gesetzgebungskompetenz gern dazu benutzt, Versammlungen eher zu reglementieren und zu bürokratisieren, statt sie einfach nur zu ordnen. Gern werden dann auch ausufernde Befugnisse für die Polizei festgeschrieben. Da ich der Landesregierung in Brandenburg auf diesem Gebiet auch einiges zutraue, ist mir das geltende Versammlungsgesetz des Bundes eigentlich ganz lieb.
Aber die FDP will hier einiges reformieren und modernisieren, was auch ich mir gut vorstellen kann. Gemäß den Worten des ehemaligen Verfassungsrichters Konrad Hesse, die Versammlungsfreiheit sei „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“, liegt uns das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sehr am Herzen.
Insbesondere die gesetzliche Regelung der Kooperationspflicht, die telefonische oder elektronische Anzeigemöglichkeit und die Einschränkung von Bild- und Tonaufnahmen gefallen mir gut. Videoaufnahmen, die von der Polizei angefertigt werden, wirken sich oftmals als Hemmnis für die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit aus. Deshalb sollten diese erstens nur bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, zweitens erkennbar angefertigt und drittens sofort nach der Versammlung vernichtet werden müssen, wenn sie nicht der Strafverfolgung dienen. Darüber hinaus sollte die Polizei Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor unrechtmäßigen Aufnahmen durch Dritte schützen, wenn die Betroffenen dies verlangen.
Nicht nachvollziehen kann ich, warum auf die Pflicht der Versammlungsleitung verzichtet werden soll, auf einen friedlichen Verlauf hinzuwirken. Ich würde der FDP übrigens auch raten, eine klare Frist festzusetzen, bis wann der Gesetzentwurf vorzulegen ist.
Darüber hinaus haben wir Bündnisgrüne noch weitere Vorstellungen, die wir gern in einen solchen Gesetzgebungsprozess einbringen würden. Aus aktuellem Anlass fordern wir, dass bei Versammlungen nur Polizeibeamtinnen und -beamte eingesetzt werden dürfen, die deutlich als Polizeiangehörige erkennbar sind.
Wie wir im Innenausschuss und durch unsere Kleine Anfrage erfahren mussten, wurden fünf Versammlungen von Fluglärm
gegnern jeweils von Beamten in Zivil beobachtet, worüber die Versammlungsleitung nicht einmal informiert worden war. Dabei ist insbesondere für die Kooperation zwischen Versammlungsleitern und Polizei eine gegenseitige Identifikation notwendig.
Außerdem könnten wir uns vorstellen, die Anzeigemodalitäten zu erleichtern. Bei gleichartigen Veranstaltungen desselben Veranstalters könnte eine telefonische Anzeige genügen. Die Anzeigepflicht könnte ganz entfallen, wenn die erwartete Anzahl der Teilnehmer weniger als 20 Personen beträgt.
Wegen dieser vielfältigen Diskussionspunkte stimmen wir der Ausschussüberweisung gern zu. Die Eckpunkte der FDP-Fraktion würde ich noch ergänzen wollen, damit am Ende ein wirkliches Versammlungsfreiheitsgesetz herauskommt. Denn letztlich wollen wir einen Perspektivwechsel. Nach unserer Auffassung sollen alle staatlichen Organe und Institutionen die Versammlungsfreiheit möglichst wenig behindern, sondern schützen, so gut es geht.