Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist Zufall, dass ich nach Herrn Jungclaus rede, aber es trifft sich gut. Herr Jungclaus, in einer Frage werden wir uns nicht einig: Sie meinen, erneuerbare Energien könnten wir nur voranbringen, wenn wir konventionelle Energieträger wie zum Beispiel die Lausitzer Braunkohle bekämpfen. Das ist Ihr Grundansatz, der leider auch im Interview Ihrer neuen Parteivorsitzenden wieder hervortrat. Ich will das Interview nicht überbewerten, aber es kennzeichnet Ihre Partei seit Jahren, dass sie in Gegnerschaft zu konventionellen Energieträgern steht, obwohl Sie genau wissen, dass wir diese brauchen. Ob wir nun heute über 25 %, 35 % oder 50 % erneuerbarer Energie im deutschen Netz reden - der andere Teil sind konventionelle Energieträger. Das bleibt auf absehbare Zeit auch so.

(Beifall der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Wir alle wissen, dass die Energiewende eine der größten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen für das Industrieland Deutschland ist. Man muss - Herr Bretz ist darauf eingegangen - an den Ausgangspunkt der Energiewende erinnern, nämlich die nach einem gewissen Zickzackkurs getroffene Entscheidung: Deutschland will aus der Atomenergie für immer und ewig aussteigen.

(Beifall SPD)

Wenn das bis 2022 passieren soll, muss man bedenken: Wir haben heute im deutschen Netz 25 % erneuerbare Energie, aber auch 20 % Atomenergie.

Diese 20 % Atomenergie müssen ersetzt werden. Schon aus diesem Grund wird es notwendig sein, auch weiterhin auf konventionelle Energie zu setzen, außer: Es gibt eine andere Möglichkeit, indem wir sagen: Es ist uns egal. Wir können relativ billig produzierten Atomstrom zum Beispiel aus Frankreich oder in Zukunft vielleicht - auch die Debatte kennen Sie - aus Polen importieren. Das sollte uns aber nicht egal sein. Die deutsche Energieversorgung ist und muss ein System sein, das sich im Wesentlichen selbst versorgen kann. Deswegen ist es notwendig, hier die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Herr Beyer hat vorhin eine schauspielerisch anspruchsvolle Rede gehalten. Das muss man sagen.

(Heiterkeit der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Da er die Kollegen hier im Hohen Haus bewertet hat, ist es meiner Ansicht nach angebracht, ihn dafür zu loben und ihm eine Note 1 für die schauspielerische Leistung zu geben.

(Heiterkeit SPD und DIE LINKE)

Leider haben die inhaltlichen Aussagen, die von Ihnen gekommen sind, nicht ganz an Ihre schauspielerische Leistung an

knüpfen können. Zu einem Punkt möchte ich Ihnen etwas sagen: Wenn Sie mangelnde Führung durch eine rot-rote Landesregierung gerade im Bereich der erneuerbaren Energien kritisieren, gleichzeitig aber sagen, die Energiestrategie finde ich gut - ist das schon ein Widerspruch in sich -,

(Büttner [FDP]: Nein, ist es nicht!)

und sich darüber freuen, der rot-roten Landesregierung richtig was mitgegeben zu haben, darf ich Sie daran erinnern: Einer der wesentlich Verantwortlichen für den Stillstand im Bereich der Energiewende in Deutschland und für die turbulent und dynamisch gestiegenen Strompreise war ein gewisser Herr Rösler. Ich weiß nicht, ob er noch in der FDP ist. Vorsitzender ist er mittlerweile nicht mehr.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Büttner, Sie können es nicht mehr hören. Wenn aber jemand führen muss in einer deutschen Energiewende, ist es die deutsche Bundesregierung. Da sind in den letzten Jahren einige Defizite aufgetreten. Das wissen Sie sehr genau.

(Zuruf des Abgeordneten Büttner [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Energiewende ist und bleibt auch für die nächsten Jahre ein anspruchsvolles Projekt. Es ist ein Projekt, das alles in sich hat, was man sich in der Politik normalerweise nicht wünscht: teilweise ideologisch geführte Debatten und die Investition von sehr viel Geld in das alte Energiesystem, aber auch im Bereich der erneuerbaren Energien. Eine Summe hat Herr Ness genannt. Das war die Zahl, die in diesem Jahr auf der Grundlage des ErneuerbareEnergien-Gesetzes umgelegt wird. Die Verpflichtungen, die Deutschland mittlerweile aus dem Erneuerbare-EnergienGesetz für die nächsten 20 Jahre eingegangen ist, gerechnet vom heutigen Tag, belaufen sich auf über 200 Milliarden Euro. Das ist eine riesengroße Summe.

Trotzdem ist dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz, und dazu stehe ich, ein Erfolg - ein Erfolg, der mit allen Diskussionen, die es damals zum Netzzugang, zur Umlage und den Förderhöhen gab, dazu geführt hat, dass wir heute 25 % erneuerbare Energien im Netz haben. Es ist ein Erfolg, der Brandenburg dazu gebracht hat, eine führende Rolle im Bereich der erneuerbaren Energien einzunehmen. Herr Ness hat es bereits ausgeführt: Dreimal hintereinander den Leitstern zu erhalten hat kein anderes Bundesland geschafft.

Trotzdem müssen wir nach den Jahren einfach konstatieren, dass diese Förderung momentan ein massives Akzeptanzproblem hat. Sie hat nicht nur ein Akzeptanzproblem, weil es Leute gibt, die sagen: Ich habe keine Lust, noch mehr Windräder am Horizont zu sehen. - Sie hat auch ein Akzeptanzproblem, das mit Ängsten verbunden ist - mit Ängsten um den Arbeitsplatz und mit der Angst, ob sich Leute in absehbarer Zeit noch ihre Stromrechnung leisten können. Diese Ängste müssen wir ernst nehmen, weil sich an dieser Akzeptanz und der sozialen Frage die Energiewende aus meiner Sicht entscheiden wird. Wenn es nicht gelingt, die Kostendynamik in den nächsten Jahren in den Griff zu bekommen, wird die Energiewende scheitern. Das wissen wir alle. Wenn es irgendwann und das ist nicht mehr lange hin - in diesem Land Arbeitsplätze kosten wird, weil Unternehmen ihre Produktion ins Ausland

verlagern und die Industriearbeitsplätze gleich mitnehmen, wird es hier eine andere Debatte zur Energie geben, die wir nicht gebrauchen können.

Ich sehe ganz klar die wirtschaftlichen Chancen - gerade für Brandenburg -, die uns die Energiewende bietet. Schon aus diesem Grund ist es falsch, gegeneinander zu diskutieren: erneuerbare Energien und konventionelle Energien. Gerade die Beschäftigten mit ihren Erfahrungen in diesem Bereich können gemeinsam die Energiewende stemmen. Ich glaube, das werden sie auch tun.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es bleibt dabei: Im Bereich der Energie gibt es für Brandenburg ein Zielviereck und für Deutschland ein Zieldreieck. Ich belasse es heute beim Zieldreieck, weil wir über eine bundesdeutsche Herausforderung sprechen. Das betrifft erstens die Frage der Umweltverträglichkeit: Saubere Energie für die kommenden Jahre und Jahrzehnte ist eine große Herausforderung und bleibt eine große Herausforderung. Auch angesichts der laufenden Klimakonferenz wissen wir hier alle, wovon wir reden. Da geht es nicht nur um Energieerzeugung, um Strom, um Wärme, um Klima. Es geht auch um die Frage: Wie stellen wir uns in Zukunft effizienter im gesamten Energiebereich auf? Diese Frage wird momentan in den Koalitionsverhandlungen intensivst diskutiert und in den kommenden Jahren noch intensiver diskutiert werden müssen. Meiner Ansicht nach können wir in dem Bereich noch viel besser werden und die Dinge besser in den Griff bekommen.

Ich möchte heute nicht so sehr auf die Energieeffizienz zu sprechen kommen, sondern auf einen zweiten Punkt, der eine ganz herausragende Rolle spielt. Gerade für ein Industrieland wie Deutschland ist die Versorgungssicherheit eine ganz zentrale Frage. Wir können es uns nicht leisten, Industriebetriebe vom Netz zu nehmen, nur weil der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Das wird auch in den kommenden Jahren nicht möglich sein für ein Industrieland in Europa, noch dazu für das führende Industrieland.

(Beifall SPD)

Deswegen ist die Grundfrage, über die wir reden - neben den Fragen, die schon diskutiert worden sind, wie Netzzugang, Netzausbau, Transport von erneuerbarem Strom in Richtung Süden in die deutschen Industriezentren - die Speicherfähigkeit erneuerbarer Energien herzustellen. Erst dann, wenn wir diese Speicherfähigkeit haben, können wir darüber nachdenken, konventionelle Kraftwerke wirklich rund um die Uhr durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Heute laufen zwei Systeme parallel. Das wissen Sie sehr genau: Auf der einen Seite ein konventioneller Kraftwerkspark, auf der anderen Seite erneuerbare Energien. Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, ist alles in Ordnung. Wenn das nicht passiert, müssen die konventionellen einspringen.

Übrigens, egal, ob Braunkohle, Steinkohle oder Erdgas, ich wundere mich - vorhin ist das Wort Fracking gefallen -, dass es immer noch Leute gibt, die Erdgas für eine sehr saubere Energie halten. Das ist meiner Ansicht nach durchaus nicht so. Wenn wir über Braunkohle in Brandenburg diskutieren, sollten

wir auch darüber diskutieren, unter welchen Bedingungen heute Erdgas gefördert wird.

(Beifall DIE LINKE)

In den nächsten Jahren soll billiges Erdgas aus den USA - zumindest ist es das erklärte Ziel amerikanischer Energiemanager - Europa überschwemmen.

Die Speichertechnologien werden in den kommenden Jahrzehnten eine äußerst wichtige Rolle spielen.

Der dritte Punkt betrifft den Preis. Da gibt es verschiedene Ansätze. Auch die Redner haben verschiedene Ansätze genannt. Eines aber ist sicher: Die Kostendynamik im Strompreisbereich muss in Deutschland gedämpft werden. Wir haben in den letzten Jahren innerhalb weniger Jahre Steigerungen der Strompreise um mehr als 100 % gehabt. Das kann so nicht weitergehen. Hier muss man gemeinsam darüber nachdenken, auf welchen Wegen dies passieren kann. Herr Jungclaus hat einige Möglichkeiten genannt, denen ich durchaus zustimmen kann. Unter anderem wird es darum gehen, Förderhöhen zu überprüfen. Denn ich halte es nicht für normal, dass heute für eine Windkraftanlage auf einem Acker eine Pacht von mehreren tausend Euro gezahlt werden kann. Das zeigt mir nach außen, dass es in dem System durchaus Möglichkeiten gibt, effizienter zu werden und das Geld, das am Ende von den Verbrauchern gezahlt werden muss, effizienter einzusetzen.

(Beifall SPD)

Diese Bezahlbarkeit wird in den kommenden Jahren eine wesentliche Rolle spielen und sie wird am Ende auch im Wesentlichen darüber entscheiden, wie sich die Energiewende in Deutschland weiter gestaltet. Ich denke, dass es gut wäre, einen deutschen Energierat zu berufen, um permanent die Möglichkeiten zu prüfen, um permanent die Auswirkungen zu prüfen und um permanent die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das ist aber noch nicht entschieden.

Ich hoffe jedoch sehr, dass es dazu kommt. Denn die Aufgabe ist so groß, dass wir nur gemeinsam, alle zusammen an einem Tisch dieses Problem lösen können.

Ich denke, dass wir bei der Energiewende sehr, sehr viel erreicht haben in Deutschland, aber auch in Brandenburg. Ich denke, dass gerade Brandenburg sich in den letzten Jahren mit den Erfolgen, die wir im Bereich der erneuerbaren Energien erzielt haben, auch und gerade im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht zu verstecken braucht. Ich denke aber auch, dass wir die Richtigen sind, um sich in diese Debatte einzumischen und unsere Erfahrungen aus beiden Bereichen in die bundesweite Debatte einzubringen.

Auf die kommende Bundesregierung - egal, wie sie sich zusammensetzt, da ist noch nichts entschieden - kommen auf jeden Fall große Aufgaben zu, gerade im Bereich der Energiepolitik. Aber meines Erachtens wird Deutschland in der Lage sein, diese Energiewende zu stemmen. Ganz Europa, die ganze Welt, schaut hier auf Deutschland. Es ist für Deutschland, das muss man sagen, neben den klimapolitischen Zielen und vielen anderen Fragen eine riesengroße wirtschaftliche Chance. Das sollten wir nicht vergessen.

Wir sollten aber auch nicht Industriearbeitsplätze im konventionellen Energiebereich gegen Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien ausspielen. Wir sollten uns gemeinsam an die Lösung dieser großen Aufgabe machen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort geht noch einmal an die SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Hackenschmidt spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Energiewende, was bedeutet das? Wo sind wir gestartet? - Es zielt auf den Ausstieg aus der Kernenergie, wie der Ministerpräsident es gerade gesagt hat, aber auch auf die Reduzierung von CO2-Emissionen sowie auf bezahlbare Strompreise. Energiewende mit Vernunft und Augenmaß bedeutet also, dass zum einen neue Schwerpunkte gesetzt werden müssen, wie zum Beispiel die komplette Überarbeitung des EEG. Zum anderen müssen wir aber auch kontinuierlich weiterarbeiten, um den Akteuren Planungssicherheit zu vermitteln. Mit anderen Worten: Es ist nicht nötig, die Resettaste zu drücken, vielmehr ist der Kurs bei einer neuen Reiseroute zu halten. Leider besteht zum jetzigen Zeitpunkt für Leistung, das heißt für Versorgungssicherheit, kein Preis. Das ist das Problem. Versorgungssicherheit ist aber die Achillesferse der Erneuerbaren, da es keinen wirklichen Energiemarkt gibt. Deshalb muss zukünftig das gesamte wirtschaftliche System auf Versorgungssicherheit, und zwar auf einen Tag mit der höchsten Last, ausgerichtet werden.

Die Arbeitsgruppe Energie hat bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene in relativ kurzer Zeit einen Maßnahmenkatalog vereinbart, der an den richtigen Stellen ansetzt.

Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen, dass in der Energiewende in Deutschland Bund und Länder endlich am selben Ende des Stranges ziehen und nicht wie bisher oft in entgegengesetzter Richtung.

Aus der vorgeschlagenen Menge der Maßnahmen will ich drei Punkte herausgreifen, die für mich in besonderer Weise die Verbindung von Vernunft und Augenmaß bedeuten. Dazu will ich im Vorfeld noch einmal sagen: Den Leitstern, den Brandenburg dreimal bekommen hat, hat Brandenburg nicht für das Konzept, sondern für die Umsetzung der in dem Konzept beschriebenen Dinge bekommen.

(Beifall SPD)

So viel, Herr Beyer, zu Ihren Ausführungen.

Energieeffizienz und Energieeinsparung - der Ministerpräsident hat zu Recht darauf hingewiesen -, es ist vernünftig, an dieses Thema anzuknüpfen, weil jede nicht erzeugte Kilowattstunde auch nicht vergütet, übertragen, gespeichert und reguliert werden muss. Wenn wir das KfW-Gebäudesanierungsprogramm aufstocken oder den KWK-Anteil deutlich erhöhen, dann tun wir mehr für die Energiewende und die Wirtschaft als durch einen schnellen Ausbau an installierter Leistung in teure

Anlagen der erneuerbaren Energien, die möglicherweise stillstehen, weil die Netzkapazität nicht reicht.

Wir fördern das Handwerk, das die damit verbundenen Investitionen durchführt, und wir entlasten die Stromrechnungen der Haushalte.

Für Brandenburg kann das heißen, dass wir vielleicht unsere Effizienz- und Einsparziele anpassen und gegebenenfalls detaillierter aufschlüsseln müssen, etwa indem wir die spezifischen Potenziale im Verkehrs- und Wohnungsbereich noch genauer unter die Lupe nehmen.