Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Das heißt, in meinen Augen ist in keiner Weise eine vergleichbare Aussage darüber möglich, ob das Schüler-BAföG wirklich ein Anreiz dafür ist, das Abitur oder die Fachhochschulreife abzulegen.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [B90/GRÜNE])

Hier wird es auch immer so dargestellt, als würde es laut diesem Bericht völlig eindeutig sein, dass es diesen Zusammenhang gibt. Deswegen will ich doch einmal zitieren - Seite 51, Sachverhalt; das ist eine Tabelle -:

„Beeinflussung der Bildungsbiografie der Leistungsempfängerinnen und -empfänger - Wirkung und deren Stärke Eindeutiger Zusammenhang zwischen Förderung und Wahl des Bildungsweges aufgrund der Höhe der Förderung nicht feststellbar.“

(Beifall der Abgeordneten von Halem [B90/GRÜNE] so- wie Zuruf: Genau!)

Wie man jetzt daraus konstruiert, dass das Schüler-BAföG, die 100 Euro, dazu geführt habe, dass die Kinder sich bewusst entschieden hätten, das Abitur zu machen, erschließt sich mir aus dem Bericht überhaupt nicht.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [B90/GRÜNE] - Jürgens [DIE LINKE]: Wollen Sie es demnächst wieder wegnehmen oder nicht?)

Natürlich werden die Betroffenen sagen, dass das Schüler-BAföG ein Anreiz für sie gewesen sei. Selbstverständlich, was denken Sie denn sonst!

Im Übrigen ist auch kritisch zu sehen, dass nicht danach gefragt wurde, was mit dem Geld überhaupt geschieht. Eine einfache Aussage, dass das Geld für den Erwerb des Abschlusses eingesetzt wurde, reicht nicht aus, wenn man dies überhaupt nicht nachweisen kann. Es war im Übrigen von Anfang an, schon bei der Einführung, ein Kritikpunkt der Opposition hier in diesem Haus, das wir gesagt haben: Es muss doch auch ein Nachweis erfolgen, wofür das Geld eingesetzt wird!

Insofern bleibt es bei der Einschätzung, die wir bei der Einführung dieses Gesetzes hatten. Es ist reine Symbolpolitik der rotroten Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen. Nach dieser Evaluation fühlen wir uns eigentlich noch gestärkt in unserer Einschätzung, dass es reine Symbolpolitik ist.

Ich glaube, es gibt in allen möglichen Bereichen des Bildungssystems Schwachstellen - das will ich jetzt gar nicht im Einzelnen aufzählen, denn sonst würde in der Tat meine Redezeit nicht ausreichen -, wo wir dieses Geld wirklich dringend gebrauchen könnten. Nur ein Beispiel: Für die Sprachförderung unserer Kinder in den Kitas fehlt das Geld. Dort könnte man es sinnvoller einsetzen.

(Vereinzelt Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Das wäre im Übrigen für die Bildungsbiografie der Kinder in unserem Land deutlich besser als die Placebo-Politik, die Sie hier betreiben. Sie werden nicht erwarten, dass wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Mit einer Überweisung sind wir natürlich einverstanden und reden auch gern im Ausschuss darüber. Ich freue mich auf die Debatte. - Vielen Dank.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Der Abgeordnete Krause spricht für die Linksfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt vieles, was ich an Ihren Aussagen klarstellen oder präzisieren würde. Aber einen Punkt, Herr Büttner, möchte ich kurz herausgreifen; es ist zwar nur ein Detail, aber es ist mir doch wichtig: Der Gesetzentwurf wird von den Koalitionsfraktionen eingebracht und nicht von der Landesregierung. Das ist ein Unterschied. Das mag für manche nicht wichtig sein, für uns ist es jedoch ein wichtiger Punkt.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Wir haben eine Auseinandersetzung über die Sinnhaftigkeit von Schüler-BAföG geführt. Wir wissen, wie Sie dazu stehen; Sie wissen, wie wir dazu stehen. Ich denke, das alles ist bereits in den Debatten damals geklärt worden. Ich glaube nach wie vor, dass es eine sinnvolle Maßnahme ist, und ich streite auch nicht ab, dass es ein Prestigeprojekt ist. Aber wenn man sich einmal anschaut, wie wenig Geld wir im Verhältnis dafür aufwenden und wie vielen Schülerinnen und Schülern damit geholfen wird, dann finde ich, dass es sogar ein sehr günstiges Prestigeprojekt ist.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Es lohnt sich daher, es fortzuführen.

(Senftleben [CDU]: Ein günstiges Prestigeprojekt, aha!)

Insgesamt 2 301 Schülerinnen und Schüler profitieren aktuell von den Leistungen, die bezogen werden können. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal in der Bundesrepublik. Ich halte das für einen wirklich wichtigen und guten Punkt, den Rot-Rot hier vorweisen kann. Ich verstehe auch nicht, dass der Kollege Hoffmann versucht, das irgendwie in Misskredit zu bringen, indem er unterstellt, dass es ein ganz wichtiges Projekt von Herrn Ness sei. Ja, Herr Ness hat es aufgrund persönlicher Erfahrungen in seiner eigenen Biografie befürwortet, er hat daher zunächst in seiner eigenen Fraktion dafür geworben, die SPD ist dann auf uns zugekommen und wir haben es als unterstützenswert empfunden. Daher hat sich die Koalition darauf verständigt, das durchzuführen.

(Zurufe der Abgeordneten Senftleben, Hoffmann und Bretz [CDU])

Ich finde das durchaus in Ordnung. Ich würde mir wünschen, dass ich ganz persönlich jedem Abgeordneten hier in diesem Haus ein Projekt zuordnen könnte. Das kann ich derzeit nicht vielleicht liegt das an mir; das mag sein.

(Senftleben [CDU]: Ja, genau! - Weitere Zurufe von der CDU)

Aber ich würde mir wünschen, dass jedem Abgeordneten hier in diesem Haus ein ganz markantes Projekt zuzuordnen wäre.

(Widerspruch und Zurufe von der CDU)

Die Untersuchung zeigt ganz deutlich, dass die Antragsteller auch mit dem Prozess der Antragstellung sehr zufrieden sind. Ich finde, das ist ein wichtiger Aspekt. Wir können bestimmt nicht bei jedem Formular, das wir im Land Brandenburg haben und wir haben Hunderte davon -, feststellen, dass die Bearbeitung so reibungslos abläuft. Es ist zwar sicherlich eine Art Side-Effect, aber es ist wirklich interessant zu erfahren, dass so etwas offensichtlich ganz unbürokratisch funktioniert. Ich finde es auch in Ordnung, dass die Leistungsbeziehenden sagen: Ja, aufgrund dieser Förderung können wir uns eine weiterführende Ausbildung vorstellen.

Der Einwand, den Sie vorbringen, ist berechtigt. Man kann jetzt schlecht nachweisen, ob es tatsächlich zum Abitur führt, gerade weil die Betreffenden oftmals schon den Schulweg eingeschlagen hatten, als wir die Leistung eingeführt haben. Darauf haben Sie schon bei der Einführung aufmerksam gemacht. Das ist in Ordnung; das stellen wir auch gar nicht in Abrede. Das ist eben so. Aber die Betreffenden sagen jetzt: Wir können uns aufgrund der Förderung vorstellen, eine weiterführende Ausbildung in Betracht zu ziehen. Das ist genau der Punkt, den wir erreichen wollen. Wir wollen Menschen, die überlegen, ob sie weiterführende Bildung in Anspruch nehmen, finanziell unterstützen, damit ihnen diese Entscheidung erleichtert wird. Wir wollen - und das ist das Ziel -, dass die Konzentration auf die schulische Bildung bzw. Ausbildung gelegt wird und Sorgen um Finanzen geringer werden. Das ist genau der Punkt. Dieses Ziel wird offensichtlich erreicht - das weist die Evaluation nach, und damit ist es ein Erfolg. Ich finde das in Ord

nung. Da kann man hin- und herkritisieren, aber ich finde, dass das Ziel erreicht wird.

Auch der Punkt der Nachweisverwendung ist oftmals diskutiert worden. Wir haben uns dafür entschieden, dies nicht zu machen, weil der Aufwand im Verhältnis zu dem, was wir hier ausgeben, viel zu hoch gewesen wäre. Auf der anderen Seite sage ich auch: Natürlich kann man mit dem Geld sehr vielfältig umgehen. Am Ende hilft auch eine warme Mahlzeit pro Tag, gut durch den schulischen Alltag zu kommen. Dann ist es eine Ausgabe, die nach meiner Auffassung im Sinne der Bildungsgerechtigkeit sinnvoll war.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir finden es also richtig. Wir greifen die neunte Empfehlung des Berichts auf und werden einen einheitlichen Fördersatz von 100 Euro monatlich empfehlen und beraten. Zum Schluss möchte ich noch einen Satz von Seite 2 zitieren, weil er gut zusammenfasst, was wirklich wichtig ist:

„Die Förderung der begünstigten Zielgruppen hat sich als zweckmäßig und richtig erwiesen.“

Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da haben wir sie noch einmal - die bildungspolitische Luftnummer! Wir haben sie von Anfang an für unsinnig gehalten, und das wissen Sie natürlich auch.

(Oh! bei SPD und DIE LINKE - Zurufe der Abgeordne- ten Lehmann [SPD])

Natürlich ist es schön, wenn wir Leuten Geld geben können, die dieses Geld sicher gut gebrauchen können. Das möchte ich gar nicht in Abrede stellen; das steht auf jeden Fall oben drüber. Dies aber jetzt als Maßnahme für mehr Bildungsgerechtigkeit zu verkaufen, ist schon eine ziemlich schlichte Behauptung.

Wer will, dass Bildungserfolge nicht mehr so stark vom elterlichen Hintergrund abhängig sind - in diesem Wunsch sind wir uns mit den Antragstellern einig -, muss sehr viel früher ansetzen und nicht erst bei der Sekundarstufe II. Die Weichen für die Bildungswege werden früher gestellt - sie werden in den Kitas gestellt und in den Grundschulen. Dort ist der Bedarf riesig; das wissen wir alle. Wir brauchen bessere Sprachförderung, wir brauchen einen besseren Betreuungsschlüssel, wir brauchen Anrechnungsstunden für die Begleitung des Übergangs in die Grundschulen.

(Bischoff [SPD]: Das machen wir!)

- Das machen Sie nicht!

(Vereinzelt Beifall B90/GRÜNE - Zuruf des Abgeordne- ten Büttner [FDP])

An den Grundschulen bräuchten wir mehr Lehrerinnen und Lehrer und wir bräuchten eine bessere Absicherung des Fachunterrichts. Das machen Sie alles nicht.

(Bischoff [SPD]: Doch!)

Wir brauchen bessere Fortbildungsangebote und keine Benachteiligung bei der Bezahlung von Grundschullehrern - das machen Sie auch nicht -, um den Job attraktiver zu gestalten.

(Bischoff [SPD]: Aber wir haben ausgeglichen!)

Das sind die echten Baustellen im Bildungswesen. Dorthin gehört das Geld. Dort zu investieren haben wir immer wieder beantragt.

(Bischoff [SPD]: Das bringt nichts für die sozial Schwachen!)

Wir haben Ihnen auch vorgerechnet, wie das gehen könnte, weil wir nämlich dort die sozial Schwachen am besten unterstützen. Das haben Sie aber nicht getan. Jetzt, im Vorfeld des Wahlkampfes, stellen Sie sich als bildungspolitische Superpower dar. Aber nein - der Kaiser ist ziemlich nackt. Daran ändert auch diese Landesausbildungsförderung nichts. Dazu haben Ihnen die Werbestrategen geraten: minimaler Einsatz - maximale Verkaufswirksamkeit. Genau wie die Weber einst dem Kaiser weismachten, nur wer klug und des Amtes würdig sei, könne die neuen Kleider sehen, so gaukeln auch Sie uns jetzt vor, die Ausbildungsförderung habe einen Effekt auf die Bildungsgerechtigkeit.