Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lipsdorf. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete von Halem hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Angehörige der sorbischen/wendischen Minderheit und sehr geehrte Mitglieder des Sorben- und Wendenrates! Leider kann ich Sie nicht auf Sorbisch begrüßen. Auch meine Kinder haben in den Brandenburger Schulen wenig von Sorben und Wenden erfahren. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es bei meinen Enkeln vielleicht anders wird.
Unser demokratisches System fußt auf dem Grundprinzip gleichen Stimmrechts für alle und der Entscheidungsfindung durch Mehrheit. Mit diesem System das Recht des Stärkeren, das Faustrecht, abgelöst zu haben gilt uns als zivilisatorischer Erfolg.
An die Grenzen dieses Rechts der Mehrheit gestoßen zu werden, das irritiert uns immer wieder. Aber zum Mehrheitsprinzip gehört in der Demokratie eben auch der Minderheitenschutz. Wie bestimmen wir den Minderheitenschutz? Definieren wir eine Mindestgröße für eine Minderheit, ab der sie bestimmte Rechte hat? Oder verlagern wir die Entscheidungen über Minderheitenschutz von den direkt Betroffenen auf eine höhere politische Ebene?
Ja, wir Bündnisgrünen sind explizit für eine klare gesetzliche Regelung aller wesentlichen Fragen des Minderheitenschutzes durch das Landesparlament.
Was sind unsere wichtigsten Punkte gegenüber den Koalitionsfraktionen? Erstens geht es um die Festlegung des sorbischen/ wendischen Siedlungsgebietes. Aus der Sicht europäischen Rechts ist laut Prof. Oeter, dem Vorsitzenden des unabhängigen Expertenkomitees für die Europäische Charta der Regionalund Minderheitensprachen des Europarates, dringend davon
abzuraten, die Entscheidung über die Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet auf die Gemeindeebene zu verlagern, weil - ich zitiere - „die Entscheidung über die Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet letztlich dem Belieben lokaler Mehrheiten überantwortet [wird], was aus Sicht der Europa-Verträge zutiefst problematisch ist.“
Wir Bündnisgrünen halten deshalb an der Festlegung durch Landesgesetz fest - so, wie es in Sachsen erfolgreich praktiziert wurde. Alles andere missachtet europäische Standards.
Zweitens: Wir wollen den Sorben/Wenden-Beauftragten bzw. die Sorben/Wenden-Beauftragte im Benehmen mit dem Sorbenrat einsetzen, bei der Staatskanzlei ansiedeln und nicht nur wie die Koalition - mit der interministeriellen Kooperation beauftragen, sondern ausdrücklich mit der Beratung der Ministerien, der Abstimmung mit dem Sorbenrat und der Unterstützung der kommunalen Beauftragten.
Drittens wollen wir den Wunsch nach Revitalisierung ausdrücklich in das Gesetz aufnehmen. Nach zwei Jahrhunderten der Vernachlässigung und teilweise auch Unterdrückung sorbischer/wendischer Sprache und Kultur halten wir alles andere für fahrlässig. Natürlich wirkt ein Gesetz in diesem Sinne nur symbolisch; aber auf diese Symbolkraft zu verzichten, wie es in dem neuen Entwurf vorgesehen ist, halten wir schon für sehr armselig.
Zu weiteren Kritikpunkten, zum Beispiel der Ausgestaltung des Verbandsklagerechts und der Unterstützung bei Kita und Schule, kann ich hier nur auf die Stellungnahme des Sorbenrates vom 7. Januar dieses Jahres verweisen. Den vorgelegten Entschließungsantrag, in den einige dieser Kritikpunkte wieder aufgenommen werden, aber nur in Form von windelweichen Prüfaufträgen und Absichtserklärungen, halte ich für ziemlich mutlos und peinlich.
An dem Änderungsantrag von SPD und Linken, der wohl heute beschlossen wird, kritisieren wir nicht nur die nicht europarechtskonforme Festlegung des sorbischen/wendischen Siedlungsgebietes, wie ich das vorhin angesprochen habe, sondern wir halten auch die Übergangsbestimmung des § 13c für ganz besonders lückenhaft und rechtlich bedenklich. Hier wird zwar ein Antragsrecht auf Veränderung des sorbischen/wendischen Siedlungsgebietes vorgesehen, aber nur auf zwei Jahre befristet. Was ist denn mit einer späteren Veränderung, zum Beispiel durch Revitalisierung oder Umsiedlung?
Außerdem ist das Verfahren formaljuristisch nicht zu Ende dekliniert. Es ist eine Kann-Bestimmung, mit der der Gesetzgeber die Entscheidung auf die Exekutive verlagert und außerdem vergisst festzulegen, wie nach einer positiven Antragsprüfung der Ort in das Gesetz aufgenommen wird. Dieses Verfahren ist nicht festgelegt.
Wir sind deshalb der Auffassung, dass wir die Minderheitenrechte und deren Umsetzung selbst als Gesetzgeber abschließend regeln müssen, und zwar durch ein klares Verfahren, das
dann nicht wieder - auch aus Angst vor finanziellen Folgen, so wie jetzt - peinlich, zäh und langwierig wird.
Was hier vorliegt, ist nicht nur kein großer Wurf, sondern ein kleinmütiger, kleinster Nenner. Ob meine Enkel einmal mehr über die sorbische/wendische Minderheit erfahren werden, das liegt dann wohl in erster Linie in den Händen der großartig, aber ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder des Sorbenrates. Ihnen vielen Dank für die Unterstützung und viel Erfolg für die Zukunft!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des fraktionslosen Abgeordneten, Herrn Dr. Hoffmann, fort.
Ich weise darauf hin, dass das Lämpchen am Pult sich rot und grün und gelb verfärbt. Das sind die gleichen Farben, wie wir sie aus dem alten Landtag kennen.
Danke für die pädagogischen Hinweise. - Dobry ´z˘e´n! Witaj´so k nam! Ja, gemessen an den Widerständen gegen ein wirklich neues Gesetz zur Förderung und Weiterentwicklung des Sorbischen/Wendischen im Land Brandenburg und den teilweise peinlichen Äußerungen in Ausschüssen des Landtages und in manchen Medien ist der Gesetzentwurf der Koalition wohl als Erfolg zu werten. Ich verstehe auch, dass DIE LINKE ein bisschen stolz darauf ist, was sie ihrem Koalitionspartner - sicherlich mit Unterstützung des Kollegen Schippel - doch noch abtrotzen konnte.
Der Entschließungsantrag ist gut. Aber, liebe Leute: Das, was dort drinsteht, gehört in das Gesetz selbst!
Gemessen an den Aufgaben und Herausforderungen eines modernen Minderheitenschutzes bleibt das Gesetz nach meiner Auffassung und nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - auch nach Auffassung vieler Mitglieder meiner Partei DIE LINKE - weit hinter den Anforderungen zurück. Wenn Sie dem gemeinsamen Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und mir zustimmten, wäre das gut für das Gesetz und gut für das Land.
Bedauerlich ist, dass der Entwurf der Koalition unter Aushebelung getroffener Abmachungen zustande kam. Abgemacht war nämlich, dass Lausitzer Abgeordnete weitgehend unabhängig von Fraktionen und Parteien das Gesetz einreichen und die Diskussion im parlamentarischen Verfahren federführend begleiten.
Verstehen kann ich den Unmut der Abgeordneten, die von einem faktisch neuen Entwurf der Koalition überrascht wurden und daraufhin ihre Unterschrift als Einreicher zurückgezogen haben.
Dass aber die Begründung für den Rückzug der CDU-Abgeordneten eine andere ist, das genau zeigt das eigentliche Problem im Umgang mit den Sorben/Wenden. Abgeordnete wollen nun einmal gewählt werden und sind deshalb auf Mehrheiten angewiesen. Der Einsatz für eine kleine Minderheit will dazu nicht recht passen. Wenn sich dann noch die einflussreiche Mehrheit in Gestalt der kommunalen Spitzenverbände gegen die wesentlichen Änderungen im Gesetz ausspricht, dann beginnt schon mal das große Trudeln.
Erstes Beispiel: Der Gegensatz zwischen kommunaler Selbstverwaltung und Sorben/Wenden-Politik ist nur konstruiert. Überall in der Welt, wo eine aktive Förderung von Minderheitenkulturen betrieben wird, gewinnen die Kommunen - allein schon deshalb, weil so interkulturelle Kompetenz als wichtiges Gut in einer globalisierten Welt vor Ort erfahren wird und gelebt werden kann. Gleichzeitig wird das Regionale gestärkt.
Zweitens: Der Umgang mit europäischen Vereinbarungen wie der Sprachencharta und dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie mit der UNESCO-Konvention zur Förderung der kulturellen Vielfalt darf nicht beliebig sein. Deutschland hat diese Abkommen ratifiziert. Wir haben erlebt, dass diese einfache Regel in den Kommunen oft nicht bekannt war.
Drittens: Bei unserer Liste - gemeint ist die Liste zum Änderungsantrag - der Kommunen im sorbischen/wendischen Siedlungsgebiet geht es nicht um eine Ausweitung, sondern um die Anerkennung des Faktes, dass diese Kommunen zum sorbischen/wendischen Siedlungsgebiet gehören.
Völlig klar ist: Eine erfolgreiche Sorben/Wenden-Politik kann nicht gegen die Kommunen durchgesetzt werden.
Was nicht passieren darf: dass die Auseinandersetzung um das eigentliche Thema beendet wird. Auf jeden Fall hatten wir eine Belebung der gesellschaftlichen Debatte um das Sorben/Wenden-Thema. Und wir - die Sorben/Wenden und ihre Sympathisanten - konnten auch eine neue Aufgeschlossenheit im Kulturministerium spüren. Das hat sicherlich mit Personen zu tun. Zu danken ist deshalb dem Staatssekretär Martin Gorholt sowie dem Abteilungsleiter Hajo Cornel.
Egal, welche Fassung des Gesetzes heute beschlossen wird: Lassen Sie uns eine moderne, freundliche Sorben/Wenden-Politik so organisieren, dass sie lebt und auch von der Mehrheit als besonderes, demokratisches Markenzeichen der Lausitz und des gesamten Landes Brandenburg begrüßt und weiterentwickelt wird! - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann. - Die Aussprache wird nunmehr mit dem Beitrag der Landesregierung fortgesetzt. Frau Ministerin Prof. Kunst, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Meine Damen und Herren! Als Brandenburg 1994 ein Sorben/Wenden-Gesetz erließ, war es eines der modernsten Minderheitenschutzgesetze der Welt; es ist auch heute noch auf der Höhe der Zeit. Und auch wenn in anderen Gesetzen heute Einzelheiten zur Rechtsstellung der Sorben und Wenden festgelegt werden, sind wir in ganz besonderer Weise dem Gedanken einer wirkungsvollen Minderheitenpolitik verpflichtet.
Die Novellierung des Sorben/Wenden-Gesetzes und anderer Rechtsvorschriften, die heute in abschließender Lesung behandelt werden, ist innerhalb und außerhalb des Landtages sehr ausführlich beraten worden. Ich möchte den Abgeordneten des brandenburgischen Landtages, die diesen Gesetzentwurf aus ihrer Mitte heraus initiiert haben, an dieser Stelle ganz herzlich danken. Es ging ihnen darum, ein gutes Regelwerk noch besser zu machen, und ich denke, das ist gelungen.
Dabei - auch das ist klar - sind Gesetze nicht alleine ausschlaggebend für die Bedingungen, unter denen eine Minderheit sich entfalten und entwickeln kann. Und wenn man die Diskussionen noch einmal an sich vorbeigleiten lässt, stellt man fest: Vieles von dem, was ausgetauscht worden ist, ist genau damit verbunden; denn es ist entscheidend, den Vollzug dieser Normen auch zu leben, also auszugestalten. Das geht nicht ohne das Wollen vieler. Hierbei wurde in den letzten Jahrzehnten Beachtliches geleistet. Insbesondere die Vermittlung der sorbischen Sprache an die nachwachsende Generation ist sehr weit vorangekommen.
Größte Bedeutung kommt in der Politik der Landesregierung auch der täglichen Praxis sorbischer/wendischer Sprach- und Kulturpflege zu. Das Land Brandenburg hat zusammen mit dem Freistaat Sachsen eine rechtlich selbstständige Stiftung für das sorbische Volk gegründet. Die Stiftung hat ein umfassendes sprachliches und kulturelles Angebot entwickelt. Sachsen und Brandenburg sowie der Bund unterstützen die Arbeit der Stiftung und ihrer Vorgängereinrichtung seit 1991 mit beträchtlichen Geldern. Sie ist jüngst durch eine aktuelle Evaluation des Wissenschaftsrates gegangen, und auch in Zukunft wird sich dort Positives tun.
Seit der Einführung des Landes hat Brandenburg fast 60 Millionen Euro zur Förderung sorbischer Sprache und Kultur eingesetzt; die Ausgaben des Schul- und Bildungswesens sind dabei nicht eingerechnet.
Auch in Zukunft werden wir die Arbeit der Stiftung selbstverständlich aktiv begleiten und finanziell unterstützen. Deswegen möchte ich unterstreichen: Für uns im Land Brandenburg ist die Pflege der sorbischen und wendischen Kultur ein wertvoller Teil, da sie bereichernd für das Land insgesamt ist. Daher ist es angemessen, weiterhin Wege der Verbesserung des Minderheitenschutzes in den Blick zu nehmen, auch wenn nicht alles, was möglicherweise gefordert wird, nun realisiert werden kann. Kol
lidierende Rechtspositionen müssen zum Ausgleich gebracht werden, und auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes und der Kommunen gehört zur Realität.