Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

lidierende Rechtspositionen müssen zum Ausgleich gebracht werden, und auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes und der Kommunen gehört zur Realität.

Der vom Hauptausschuss empfohlene Gesetzentwurf enthält zusätzliche Verbesserungen der Rechtsposition des sorbischen Volkes. Es ist schon viel darüber gesagt worden, sodass ich nur zwei Punkte herausgreifen möchte. Der eine Punkt ist: Die Landesregierung wird regelmäßig zur Lage des sorbischen Volkes berichten, ein Landesbeauftragter für Angelegenheiten der Sorben/Wenden wird bestellt werden. Schließlich wird die Möglichkeit geschaffen, zu überprüfen, ob das angestammte Siedlungsgebiet erweitert werden muss.

Meine Damen und Herren, die Frage, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen das angestammte Siedlungsgebiet zu erweitern ist, hat für viele Diskussionen gesorgt. Der Gesetzentwurf weist dem Kulturministerium bei der Festlegung des angestammten Siedlungsgebietes die Aufgabe zu, Anträge auf Erweiterung des Gebietes entsprechend der vom Gesetzgeber zu beschließenden Liste zu prüfen. Diese Aufgabe wird mein Haus annehmen und sich ihr gerne stellen. An der Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet hängen viele Rechte und Pflichten; denn das meiste, dem dann Leben einzuhauchen ist, gilt im Raum von Gemeinden. Daher geht es nicht an, Minderheitenrechte dadurch zu verkürzen, dass eine Gemeinde sachwidrig nicht zum Siedlungsgebiet gezählt wird. Umgekehrt darf aber einer Kommune auch nicht unberechtigt durch Zurechnung zum Siedlungsgebiet ein Pflichtenkanon auferlegt werden. Es geht also um eine gründliche Einzelfallprüfung und eine sachgerechte Interessensabwägung.

Die von Dr. Hoffmann und den Grünen in ihrem Änderungsantrag propagierte gesetzliche Festschreibung des erweiterten Siedlungsgebietes mag auf den ersten Blick als eine konsequentere und auch großzügigere Lösung erscheinen. Sie birgt allerdings die Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ich bin mir ganz sicher, dass der jetzige Gesetzentwurf mit dem gefundenen Verfahren, und dazu rechne ich auch die Ansiedlung des Sorbenbeauftragten im fachlich zuständigen Ministerium, den richtigen Weg geht.

In der Debatte um die Fortentwicklung des angestammten Siedlungsgebietes gab es von zwei unterschiedlichen Seiten aus Missverständnisse. Einerseits wurde die Auffassung vertreten, die Entscheidung über die Zugehörigkeit zum angestammten Siedlungsgebiet unterliege der kommunalen Selbstverwaltung. Dies ist nicht die Meinung der Landesregierung. Minderheitenpolitische Vorgaben der Landesverfassung und des europäischen Rechts gebieten die Einräumung einer besonderen Schutzposition auch und gerade dann, wenn die Mehrheit in einer Gemeinde dem Minderheitenvolk nicht angehört und möglicherweise dem Minderheitenvolk gerade keine besonderen Schutz- und Fördermaßnahmen angedeihen lassen möchte.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Wenn nach bisherigem - nunmehr zu änderndem - Recht den Gemeinden die Zuständigkeit für die Feststellung der Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet übertragen worden war, so lag hierin keine Überantwortung zur Entscheidung nach freiem Belieben. Die Kommunen hatten im Prinzip die Aufgabe, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen. So wird es natürlich auch künftig bei den zu treffenden Entscheidungen ge

halten werden. Dabei ist es für das Land selbstverständlich, dass betroffene Kommunen zuvor angehört werden.

(Frau Schier [CDU]: Hatten wir doch schon!)

Meine Damen und Herren, ich empfehle dem Landtag die Annahme des vom Hauptausschuss vorgelegten Beschlussvorschlages. Den im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen enthaltenen Aufforderungen an die Landesregierung werden wir gerne entsprechen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin Prof. Dr. Kunst. - Das Wort erhält jetzt der Vorsitzende des Rates für sorbische/wendische Angelegenheiten. Herr Konzack, seien Sie herzlich willkommen in diesem Hause!

(Beifall SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie vereinzelt FDP)

Konzack (Vorsitzender des Rates für sorbische/wendische Angelegenheiten):

Ces´cony knˇez prezident, ces´cone wótpósla´ncki a wótpósla´nce, móje lube serbske bratˇsi a sotˇsy z Dolneje Luˇzycy!

Mit der nun vorliegenden Novelle des Sorben/Wenden-Gesetzes wollten wir als sorbisches/wendisches Volk moderne und identitätsfördernde Rahmenbedingungen für die weitere Fortentwicklung des Minderheitenschutzes, vor allem der Revitalisierung der Sprache, entwickeln.

Nach nunmehr 18 Jahren anstrengender Lobbyarbeit, in dieser Legislaturperiode stand das Thema Novellierung allein 27 Mal auf der Tagesordnung des Rates der Sorben/Wenden, liegt das Produkt nun vor.

Für ein ehrenamtliches Gremium war das ein dornenreicher Weg voller Hindernisse und wenig Erfolgserlebnissen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich das vorbildliche Engagement unseres Ratsmitgliedes Mˇeto Nowak würdigen, der die Hauptlast des Novellierungsprozesses seitens des Rates trug.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wir möchten ebenfalls den Abgeordneten und Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern danken, die sich kontinuierlich für unser gemeinsames Anliegen eingesetzt haben.

Nein, verehrte Abgeordnete, ein Vorzeigegesetz erfolgreicher Minderheitenpolitik in Europa ist es leider nicht geworden, obwohl die Chance gegeben war. Die Ursachen sind vielfältig: fehlende Sachkenntnis internationaler Schutzmechanismen, Lücken bei der Beurteilung praktischer Minderheitenpolitik vor Ort und oftmals eine Herangehensweise der Lieblosigkeit und der Halbherzigkeit.

Lange nicht alle Blütenträume sind gereift. So ist für uns Sorben/Wenden heute kein Feiertag, deshalb ist auch unsere Fahne nicht am Landtag gehisst.

Bei Themen wie der Definition des angestammten Siedlungsgebietes oder der Beurteilung von kommunaler Eigenständigkeit im Wechselverhältnis zur Anwendung der Bundesgesetze, zum Beispiel des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und der Charta der Regional- und Minderheitensprachen, lagen unsere Vorstellungen so weit auseinander, dass Kompromisse hermussten.

„Der Zwerg wird nicht größer, auch wenn er sich auf einen Berg stellt.“ Dieses Sprichwort charakterisierte treffend unsere Situation.

Verehrte Abgeordnete, werte Gäste, ein besonderer, historischer Tag ist es für die Sorben/Wenden heute allemal. 18 Jahre Diskussionen über das Sein eines kleinen Volkes im großen deutschen Meer haben unmissverständlich bei vielen zu einem Wissenszuwachs und zu einem sensibleren Umgang mit dieser Thematik beigetragen.

Erstens: Auf der Habenseite der Novelle steht, dass ein Dachverband nach Erfüllung entsprechender Kriterien als Interessenvertretung der Sorben/Wenden fungieren kann.

Zweitens: Gerade im internationalen Kontext ist hervorzuheben, dass die Sorben/Wenden erstmals ein eingeschränktes Verbandsklagerecht und damit auch ein juristisches Instrument des Minderheitenschutzes bekommen.

Drittens: Nach langen Jahren des Streits um das Wahlprocedere des Rates der Sorben/Wenden ist nun endlich eine verbindliche Entscheidung gefallen, um die demokratische Legitimierung zu erhöhen. Alle Sorben/Wenden, die sich ins Wählerverzeichnis eingeschrieben haben, können per Briefwahl an einer demokratischen, freien, gleichen und geheimen Wahl des Rates teilnehmen. Nicht unwichtig ist, dass der anerkannte Dachverband automatisch legitimiert ist, die Wahlen zu organisieren. Das Land Brandenburg übernimmt die Kosten der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen.

Viertens: Die Landesregierung wird künftig einmal in der Legislaturperiode einen Bericht zur Lage des sorbischen/wendischen Volkes geben. Das wird den Sorben/Wenden die Möglichkeit geben, in einen konstruktiven Dialog mit der Landesregierung zu treten. So können die Sorben/Wenden ihre Erfahrungen aus dem täglichen Leben einbringen, die Umsetzung des Verfassungsauftrages erhält eine neue Dimension; das wird in jedem Fall eine Bereicherung der Diskussion im Parlament.

Fünftens: Längst überfällig ist die Benennung eines Beauftragten oder einer Beauftragten für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden bei der Landesregierung. Es wäre natürlich in unserem Sinne, wenn diese Stelle ein Sorbe/Wende bekleiden würde - noch besser eine Sorbin/Wendin wegen der Quote -, der/die natürlich auch die Sprache beherrscht. Damit würden wir die sehr guten Erfahrungen von Schleswig-Holstein zu 100 % nutzen.

(Beifall B90/GRÜNE und des Abgeordneten Dr. Hoff- mann [fraktionslos])

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Es ist für uns Sorben/Wenden heute ein erhebender Augenblick, als Erste hier in diesem neuen Haus des Volkes das novellierte Sorben/ Wenden-Gesetz zu verabschieden. Diese symbolische Wert

schätzung vermittelt uns die Botschaft, dass Förderung unserer Kultur und Sprache kein Akt der Belanglosigkeit des Landes ist, sondern Verfassungsauftrag, der auch künftig mit aller Konsequenz umgesetzt wird - so unsere Hoffnung.

Minderheiten, meine Damen und Herren, sind nicht Belastung oder Ballast, sie sind Ressource; das größte Kapital liegt in der Mehrsprachigkeit. Unseren deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bieten wir diesen Mehrwert direkt vor der Haustür. Nutzen Sie dieses Angebot!

Juro Surowin jo raz gronil: „Gaˇz jaden swóju rˇec a narodnos´c zgubijo, ga ma wón wjeliku ˇskódu na swójom duchu a na swójej duˇsy.“

Aˇz se to njestanjo - za to dej se ta nowa kaz´n wuˇzywa´s! Wutˇsobny ´zˇek! Herzlichen Dank fürs Zuhören!

(Beifall SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE und des Abge- ordneten Dr. Hoffmann [fraktionslos])

Wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt und kommen zur Schlussabstimmung.

Es liegt vor - erstens - der Änderungsantrag in der Drucksache 5/8417, eingebracht durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Herrn Abgeordneten Dr. Hoffmann (fraktions- los). Beantragt wird die Änderung von Artikel 1: Neufassung von Nr. 5 § 3, Angestammtes Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden, Einfügung eines § 4a - Verbände und Vereine der Sorben/Wenden; Änderung von Nr. 8 § 5 Abs. 2, Einfügung eines § 5b - Landesbeauftragte/Landesbeauftragter für sorbische/wendische Angelegenheiten; Änderung von Nr. 12 § 8 Abs. 6; Neufassung von Nr. 20 - Anfügung einer Anlage: „Die Gemeinden des angestammten Siedlungsgebietes der Sorben/Wenden bei Inkrafttreten dieses Gesetzes“, Änderung von Artikel 6: Nr. 4 § 90 Abs. 1 Satz 3 und Nr. 5 § 139 Abs. 1 Nr. 8; Änderung von Artikel 9: Nr. 1 § 6 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 und Nr. 2 § 15 Abs. 2 Satz 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Der Antrag ist mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Hauptausschusses, Drucksache 5/8391, einschließlich Korrekturblatt: Gesetz zur Änderung von Rechtsvorschriften über die Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einer deutlichen Anzahl von Enthaltungen ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich Folge geleistet worden. Das Gesetz ist damit verabschiedet.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir kommen - drittens - zum Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE in der Drucksache 5/8420. Wer dem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Entschließungsantrag mit deutlicher Mehrheit angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/7889

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 5/8392

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Ziel hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Landespersonalvertretungsgesetze erfordern eine gründliche Abstimmung mit allen Seiten. Das haben wir 1993 gemerkt, als wir das erste Landespersonalvertretungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Brainstormings gingen dem Gesetzentwurf voraus. Wir haben die Gewerkschaften einbezogen, natürlich die Arbeitgeberseite und selbstverständlich auch Universitäten.