Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

Eigentlich hat sie damit vollkommen Recht. Das Problem ist allerdings, dass es für etliche Schülerinnen und Schüler dieses Mal nicht so leicht war, Bilanz zu ziehen - nicht weil die Noten in einigen Fächern zu gut oder zu schlecht ausgefallen sind, sondern weil einfach die Noten ausgefallen sind, und zwar, weil der Fachunterricht vorher ausgefallen ist. Es gab monatelang keinen Unterricht. Wenn man jetzt daraus Bilanz ziehen will, dann die, dass die Landesregierung es seit Jahren nicht vermocht hat, dem Kampf gegen den Unterrichtsausfall Priorität einzuräumen. Wenn man sich diese Zeugnisse ansieht, auf denen in einigen Fächern keine Noten auftauchen, ist das im Prinzip das dokumentierte Versagen. Dann ist das eigentlich eine Bankrotterklärung.

Meine Damen und Herren! Im Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg gibt es nicht nur einen Paragrafen, sondern gleich den ganzen Teil 4, in dem sich acht Paragrafen finden, in denen es um die Schulpflicht geht. In Brandenburg besteht Schulpflicht, und in diesem Teil ist sogar geregelt, dass jemand, der gegen diese Schulpflicht verstößt, sie nicht einhält, also dem Unterricht unentschuldigt fernbleibt, mit einer Geldbuße von bis zu 2 500 Euro belegt werden kann. Das finde ich soweit in Ordnung. Was ich aber nicht in Ordnung finde, ist, dass Sie diese Schulpflicht so einseitig auslegen, dass nur die Schüler die Pflicht haben, hinzugehen, dass Sie sich aber nicht in der Pflicht sehen, zu gewährleisten, dass der Unterricht tatsächlich stattfindet.

(Beifall CDU und FDP)

Jetzt sage ich einmal: Die Schüler müssen zahlen, wenn sie unentschuldigt fehlen, aber was macht die Ministerin, wenn unentschuldigt Unterricht ausfällt? Sie macht gar nichts, sie sagt, es sei alles wunderbar.

(Zuruf des Abgeordneten Müller [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, setzen wir uns als CDU-Fraktion schon seit Langem dafür ein, den Kampf gegen den Unterrichtsausfall zu verstärken und den Unterrichtsausfall wirksam zu bekämpfen. Natürlich wissen auch wir, dass es nicht möglich sein wird, eine Schule so zu organisieren, dass dort überhaupt kein Unterricht ausfällt. Aber es muss uns gelingen, Zustände zu verhindern, wie sie an bestimmten Schulen vorgeherrscht haben, wo einfach über Monate hinweg kein Unterricht erteilt werden konnte. Die fehlenden Noten sind das eine, aber das andere ist die versäumte Chance, Wissen zu erwerben. Die kommt nämlich nicht wieder.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Deshalb brauchen wir an der Stelle eine Art Frühwarnsystem, das es uns ermöglicht, rechtzeitig zu erkennen, wenn Lehrkräfte dauerhaft auszufallen drohen, damit man frühzeitig Maßnahmen ergreifen kann und nicht nach einem halben Jahr in die Röhre guckt und sagt, das sei alles eine sehr unschöne Situation. Dann ist das Kind in den Brunnen gefallen, dann ist es zu spät.

Ich würde mir auch wünschen, dass die Schülerinnen und Schüler, die von solch einem massiven Ausfall betroffen sind, die Möglichkeit haben, eine entsprechende Kompensation zu erhalten. Wir haben das bereits im Ausschuss diskutiert, wir haben das gestern hier in der Fragestunde gehabt, und die Ministerin sagt dann, dass man diesen Ausfall im Rahmen der Kontingentstundentafel kompensieren könne. Dazu sage ich Ihnen ganz klar: Das ist eine Milchmädchenrechnung. Wenn man jetzt zum Beispiel Englisch statt Biologie unterrichten will, um versäumten Englischunterricht nachzuholen, hätte im 1. Halbjahr dementsprechend mehr Biologie unterrichtet werden müssen. Das ist aber nicht passiert, dieser Unterricht hat nicht stattgefunden. Das ist auch gar kein Wunder, denn die Biologielehrer haben ja im 1. Halbjahr nicht herumgesessen und Däumchen gedreht; die waren sowieso für den Unterricht eingeplant. Von daher ist das keine Kompensation im Sinne der Schüler, das ist eine Beruhigungspille im Sinne der Ministerin. Ich sehe uns hier allerdings eher dem berechtigten Ansinnen der Schülerinnen und Schüler und weniger dem der Ministerin verpflichtet, und deswegen möchten wir mit unserem Antrag die Grundlage dafür schaffen, solche untragbaren Situationen zu vermeiden.

Meine Damen und Herren! Nach der Diskussion im Ausschuss ahne ich, wie die heutige Debatte verlaufen wird. Sie werden genau das Gleiche sagen und erklären, was Sie uns schon seit vier Jahren sagen. Sie werden sagen: Wir haben eigentlich alles, was wir brauchen; das Problem existiert eigentlich gar nicht. In anderen Ländern ist es viel schlimmer. Viertens, wenn wir das Problem wirklich hätten, könnten wir sowieso nichts machen. Das ist, was Sie zu diesem Thema immer erklärt haben, und ich glaube, das wird hier weitergehen. Ich persönlich glaube, so einfach können Sie sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen.

Die Ministerin hat gestern noch betont, dass der Anteil der Schüler, die das betrifft - die also so viel Ausfall hatten, dass sie nicht einmal Noten auf dem Zeugnis hatten - so gering sei. 0,64 % - eine Zeitung hat das heute ausgerechnet; die Ministerin wollte es dann gestern vielleicht doch nicht mehr ausrechnen. Sie haben gesagt, das sei ein unerfreulicher Einzelfall. Wie man in der Zeitung lesen kann: 1 400 Schülerinnen und Schüler in Brandenburg ohne Noten. Da, sage ich, kann man nicht mehr von einem unerfreulichen Einzelfall reden. Das ist Versagen mit System, und da müssen Sie ran.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Dazu will ich auch gleich noch Folgendes sagen: In dieser Woche habe ich gelesen, Ministerpräsident Dr. Woidke wünsche sich mehr Polnisch-Unterricht in Brandenburgs Schulen - das ist alles gut und schön. Ich sage Ihnen: Die Schüler in diesem Land wären froh, wenn sie überhaupt den Unterricht erhalten würden, der jetzt schon im Plan steht, und ich glaube, darum müssen wir uns zuerst kümmern.

(Frau Muhß [SPD]: Mein Gott!)

Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn Sie diesem Antrag zustimmen, um somit die Situation an den Schulen in Brandenburg tatsächlich zu verbessern. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Der Abgeordnete Günther spricht für die SPD-Fraktion.

Geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hoffmann, Sie haben gesagt, Sie könnten quasi meine Rede halten. Ganz so einfach will ich es Ihnen doch nicht machen. Ich finde, Unterrichtsausfall ist ein ernstes Thema, und ich finde, ein zu ernstes Thema, als dass man das hier zu einer politischen Showveranstaltung machen kann.

(Lachen bei der CDU)

Genau das machen Sie. Sie haben den fast wortgleichen Antrag im Bildungsausschuss eingebracht, Sie haben hier eine mündliche Anfrage gestellt,

(Senftleben [CDU]: Abgelehnt von euch!)

Jetzt liegt dieser Antrag vor, und Sie haben jedes Mal - der Sachverhalt ist, das ist richtig, nicht gut, der ist nicht hinzunehmen - die gleiche Antwort bekommen. Vielleicht haben Sie nicht richtig zugehört, ich rufe es noch einmal in Erinnerung: Es ging darum, dass die Erkrankung einer Lehrerin nicht sofort als Dauererkrankung erkennbar war. Das passiert, wo Menschen arbeiten - wir haben 17 000 Beschäftigte und über 800 Schulen -, das ist nicht schön und nicht erfreulich, aber möglich.

(Senftleben [CDU]: Was machen Sie dagegen?)

Das passiert unabhängig davon, wer im Land regiert.

Wenn das nicht erkannt wird - da will ich niemandem die Schuld zuschieben -,

(Lachen bei der Fraktion B90/GRÜNE)

braucht es eben vom Schulleiter über das Schulamt bis zum Ministerium eine Zeit, bis gesagt wird: Hier gibt es die Situation, dass eine Dauererkrankung vorliegt und man Ersatz schaffen muss. - Dann ist es auch nicht so, dass wir Lehrerinnen und Lehrer als willfährige Gesellen durchs Land schicken und ihnen sagen: Hierhin musst du jetzt ein halbes Jahr, 50 oder 100 km weit weg, obwohl dein Arbeits- und Lebensort bisher ein ganz anderer war. - Ich finde, das kann man nicht machen. Das kann, glaube ich, jeder, der selbst eine Familie hat, nachvollziehen.

Zu allem, was in dem Antrag steht, also dem Meldesystem usw.: Es gibt eine Arbeitsgruppe beim MBJS, die sich diesem Thema widmet; es gibt auch regelmäßig Tagungen mit den Leitern der Schulämter.

(Büttner [FDP]: Ja!)

Es gibt ja demnächst ein Landesschulamt, und ich habe die Hoffnung, dass mit diesem Landesschulamt auch ein wenig die

Egoismen wegfallen. Es gibt dann jemanden, der so etwas landesweit steuern kann, und somit werden die Egoismen der einzelnen Schulamtsbereiche zumindest geringer. Und wir haben etwas, was kaum ein Land hat: Wir haben ein Quasi-Meldesystem nach jedem Schuljahr. Wir erfassen - und zwar ständig den Unterrichtsausfall nach einem klaren System.

(Senftleben [CDU]: Euer System ist ausgefallen!)

Da lese ich in der Zeitung, dass das gar nicht so selbstverständlich ist. Die grüne Bildungsministerin in NRW musste sich durch den Landesrechnungshof erst dazu zwingen lassen und macht jetzt keine permanente Erfassung, sondern eine Stichtagserfassung.

(Senftleben [CDU]: Bleib doch mal in Brandenburg, Mensch!)

In jedem Land - schauen Sie nach, Sie können googeln - gibt es dieses Spiel, dass die Opposition sagt, Unterrichtsausfall sei der Landesregierung anzulasten. Die Landesregierung sagt fast das Gleiche, was wir hier sagen. Das kann man hin und her treiben, es ist Wahlkampf - alles klar. Wir haben etwas gegen Unterrichtsausfall getan.

(Dombrowski [CDU]: Was denn?)

Wir haben nicht nur die 3 % Vertretungsreserve im Land, und auch das gibt es nicht überall.

Wir haben noch einmal 10 Millionen Euro zusätzlich draufgelegt. Wir haben an den Schulen Vertretungskonzepte, wir kümmern uns präventiv um Lehrergesundheit, wir haben die Unterrichtsverpflichtung für Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und Oberschulen gesenkt.

(Frau Schier [CDU]: Ist ja ganz toll!)

Genau deswegen haben wir zum nächsten Schuljahr einen zusätzlichen Einstellungsbedarf. Vor allem, die wichtigste Maßnahme: Wir stellen jedes Jahr hunderte neue Lehrerinnen und Lehrer ein. Dadurch wird Brandenburg in der Lehrerschaft langsam aber stetig jünger und damit - so hoffe und glaube ich - auch ein wenig gesünder.

Was wir hier gemacht haben, können wir in jedem Wahlkampf sagen, und wir können auch ehrlich hinzufügen: Wir wollen es nicht, aber wir werden es nicht verhindern - Unterrichtsausfall wird vorkommen. - So ehrlich muss man es den Menschen ins Gesicht sagen. Die Frage ist: Was macht man dagegen? Wir haben etwas getan, und damit können wir uns, glaube ich, sehen lassen. Damit können wir ehrlich nach draußen gehen und sagen: Das haben wir in den letzten vier Jahren getan. Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Büttner spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Günther, ich bin schon überrascht, dass Sie von einer politi

schen Showveranstaltung sprechen, wenn 1 400 Schülerinnen und Schüler in diesem Land nicht all ihre Noten bekommen können und wir das in diesem Landtag und im Bildungsausschuss diskutieren.

(Beifall FDP, CDU und B90/GRÜNE)

Das finde ich zumindest sehr eigenartig, aber auch bemerkenswert.

Bei Ihrem Argument, dass andere Bundesländer eine nicht so ausgefeilte Statistik zum Thema Unterrichtsausfall führen, erschließt sich mir nicht, wie das die Probleme, die wir mit Unterrichtsausfall in Brandenburg haben, bekämpft. Heißt das, Sie orientieren sich jetzt an schlechteren Ländern und sagen: Eigentlich müssten wir nur die Statistik ändern und weniger erfassen, dann wird schon alles besser? - Das, was Sie hier vorgebracht haben, ist überhaupt kein Argument.

Es ist doch gut, wenn wir eine sehr detaillierte Unterrichtsausfallstatistik führen. Das finde ich ausgesprochen positiv. Daran können wir nämlich ablesen, dass etwa 10 % des Unterrichts in diesem Land nicht nach Stundentafel erteilt werden. Dabei sind noch nicht einmal die Stunden eingerechnet, die Teilungs- und Förderunterricht betreffen; denn die tauchen in der Unterrichtsausfallstatistik nicht auf.

Aber ich bin schon sehr dankbar; denn nachdem wir von der FDP, aber auch die Opposition insgesamt 3,5 Jahre lang das Thema Unterrichtsausfall hier immer wieder angesprochen haben und wir von der Ministerin noch vor gut einem Jahr hören mussten, das sei überhaupt nicht das drängende Problem in diesem Land, haben Sie zumindest erkannt, dass das vielleicht doch ein Problem sein könnte, und sind in einigen Punkten darauf eingegangen - unter anderem, dass Sie zur Einsicht gekommen sind und die Vertretungsreserve etwas erhöht sowie 10 Millionen Euro zusätzlich investiert haben. Das haben wir durchaus als Schritt in die richtige Richtung verstanden.

Aber mit einer Erhöhung im Haushalt ist das Problem eben nicht gelöst. Es fällt in die politische Verantwortung der Bildungspolitik in unserem Land, dass Unterricht stattfindet. Dass mal Unterricht ausfällt, passiert. Wir werden es nie schaffen, den Unterrichtsausfall komplett bekämpfen zu können. Dass in unserem Land aber so viele Unterrichtsstunden ausfallen, sodass es nicht möglich ist, den Schülern Zeugnisnoten zu erteilen, ist schlicht und ergreifend nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren.