Protokoll der Sitzung vom 02.04.2014

Ich denke, wir stehen da, wo wir schon einmal standen, Kollege Eichelbaum, nämlich bei der Frage Strenge und Strafe ver

sus sozialpädagogische Erziehung. Wir streiten also darüber: Was hat eine langfristige Wirkung bei Tätern - denn über die reden wir -, wenn es darum geht, dauerhaft zu verhindern, dass sie wieder straffällig werden? Da gibt es die, die sagen: Ja, die ganze Schärfe des Gesetzes muss sie treffen! Dann werden sie schon begreifen, was sie endlich begreifen müssen, wie sie sich zu verhalten haben. - Ich nenne das: Brechen des eigenen Charakters. - Oder aber: sozialpädagogische Einflussnahme und Betreuung - das nenne ich: den Erkenntnisprozess des Einzelnen voranbringen und damit tatsächliche Nachhaltigkeit der Veränderung des Verhaltens des Einzelnen sicherstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Unser Menschenbild sollte das zumindest gemein haben.

Ich möchte aber zumindest auf Folgendes aufmerksam machen. Ich teile Ihre Auffassung, dass dieser Arrest nur dann etwas nützt, wenn er der Tat zeitnah folgt. Da sind wir uns unstrittig einig.

Ich weiß nicht, woher Sie die Annahme holen, dass wir eine gemeinsame Jugendarrestanstalt mit Berlin errichten werden. Wir haben das Ziel - ob es gelingt, wird nicht unwesentlich von Ihrem Justizsenator abhängen. Ein gemeinsamer Vollzug - also auch ein Jugendarrestgesetz - setzt natürlich gemeinsame rechtliche Grundlagen voraus. Insofern wird nicht der eine ohne ein solches und der andere mit einem solchen unter dem gleichen Dach arbeiten können. Daran werden wir in den Diskussionen in den kommenden Wochen sicherlich gemeinsam arbeiten.

(Zuruf von der CDU: Wir werden das so behandeln wie beim BER! - Weiterer Zuruf von der CDU)

- Das macht er gerne. - Ich glaube aber, dass es mit der vorliegenden Grundlage des Jugendarrestgesetzes durchaus möglich ist, mit Berlin hier eine Einigung zu finden.

Gestatten Sie mir bei aller Diskussion den Hinweis: Wenn es uns nicht gelingt, Jugendliche dazu zu bewegen, zur Selbsterkenntnis, zu einer Einsicht - und das ist das Ziel dieses Gesetzes - ihrer Untat zu kommen und dann auch dieses Rechtsbewusstsein für sich selbst zu entwickeln, haben wir dauerhaft keinen Opferschutz. Deshalb bitte ich Sie auseinanderzuhalten, was wir einerseits mit den Tätern und andererseits mit den Opfern machen müssen.

Im Jugendarrestgesetz geht es also um die Schulung von Erkenntnis und Anerkennung von Schuld, es geht um das Anerkenntnis begangenen Unrechts und die Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Unrecht zu übernehmen. Es geht also um eine offensive Auseinandersetzung und nicht um Strafverbüßung schlechthin. Ein schwarzer Raum wird nicht dazu beitragen, dass man sehend wird.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir uns darüber verständigen sollten, wie es uns gelingen könnte, Jugendliche, insbesondere jene, die Suchtprobleme haben, nach vier Wochen das ist die Maximalstrafe, über die wir hier reden - möglicherweise in eine solche Form zu bringen, um sie dann vom Arrest in eine weitere therapeutische Betreuung zu überführen. Es gibt Ideen - die kommen zum Beispiel auch aus Ihrer Richtung -, den Arrest zu verlängern. Ich glaube, dass das die falsche Me

thode ist. Wir sollten Arrest wirklich zu dem machen, was es ist: Eine kurzzeitige Herausnahme aus dem sozialen Milieu.

Dort muss aber zugleich die Fähigkeit geschaffen werden, mit dem Jugendlichen gemeinsam darüber nachzudenken, wie er dauerhaft einen anderen, einen normalen und möglicherweise auch gesunden Weg gehen kann. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Kuhnert [SPD])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete von Halem erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Wie die Verbände begrüßen auch wir den Ansatz dieses Gesetzes. Aus unserer Sicht soll eine Arrestanstalt vor allem ein Ort pädagogischer Kurzintervention sein. Arrest - auch wenn es nur ein Freizeit- oder ein Kurzzeitarrest ist - begreifen wir als Besinnungs- und Orientierungspause für junge straffällig gewordene Menschen. Es gilt, Jugendliche dazu zu befähigen, künftig eigenverantwortlich und ohne weitere Straftaten zu leben. Deshalb soll ihnen in erzieherisch geeigneter Weise vermittelt werden, dass sie Verantwortung für ihr sozialwidriges Verhalten übernehmen und die notwendigen Konsequenzen für ihr künftiges Leben daraus ziehen müssen.

Zu der konkreten Ausgestaltung des Gesetzentwurfes möchte ich einige Stichpunkte nennen: Die Jugendlichen müssen an eine geregelte Tagesstruktur herangeführt werden, und es müssen Bildungsmaßnahmen stattfinden. Zudem bedarf es einer individuellen Planung des Arrestvollzuges. Des Weiteren muss das Personal für die pädagogische Gestaltung des Arrestes geeignet und auch qualifiziert sein.

Zum Gesetzentwurf sind mir einige Punkte positiv aufgefallen, nämlich die Möglichkeit der nachgehenden Betreuung - also der Nachsorge -, die Berichtspflicht an den Rechtsausschuss des Landtages, dass bei unmittelbarem Zwang - anders als im Jugendstrafvollzug - keine Waffen oder Hilfsmittel verwendet werden dürfen, und die klare Regelung zu besonderen Sicherungsmaßnahmen.

Der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen sowie die Trennung von anderen Arrestierten für bis zu 24 Stunden dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen und in einer bestimmten Art und Weise erfolgen. Diesbezüglich bin ich froh; denn die Landesregierung hat offensichtlich doch einiges aus der unkontrollierten Haasenburg gelernt.

Last, but not least sei hier noch erwähnt, dass es endlich einen Beirat geben soll. Leider wird in dem Gesetz nicht geregelt, wer Mitglied im Beirat werden kann, wie groß dieser Beirat überhaupt sein soll und welche Aufgaben und Befugnisse er haben wird. Dies bleibt alles einer allgemeinen Verfügung vorbehalten, was schade ist.

Noch kurz ein Satz zu den Kosten: Mehrkosten - also Personal

und Sachkosten - sind laut Begründung unumgänglich. Das kommt mir ein wenig aus dem Justizvollzugsgesetz bekannt vor. Laut Begründung ist mit diesem Gesetz jedoch kein zusätzlicher Personalbedarf verbunden. Das erscheint mir widersprüchlich. Ob sich das aus dem Haushalt bestreiten lässt, wie Minister Markov vorhin angedeutet hat, ist wohl noch im Rechtsausschuss zu klären.

Wirklich gespannt bin ich aber auf die immer noch im Raum stehende mögliche Zusammenarbeit mit Berlin. Der Neubau in Königs Wusterhausen wurde jedenfalls zunächst einmal gestoppt. Der Deutsche Richterbund hatte bereits Bedenken angemeldet, ob bei einem gemeinsamen Vollzug mit Berlin nicht die Qualität leide. Diese Bedenken sind zu teilen.

Zwar befürworten wir Bündnisgrüne eine Länderfusion und unterstützen daher eine enge Zusammenarbeit an allen dafür geeigneten Stellen, aber es stellt sich die Frage: Warum sollte Brandenburg für mehrere Millionen eine neue Arrestanstalt bauen, wenn es eine ebenso gute bereits in Berlin gibt? - Dabei liegt die Betonung natürlich auf „ebenso gute“; denn wichtig ist, dass der Berliner Arrest den oben dargelegten Vorstellungen entspricht - inhaltlich, personell und auch räumlich.

Interessanterweise ist in den Gesetzentwurf noch ein ganz anderes Thema hineingerutscht, nämlich die Zwangsmaßnahmen bei der Gesundheitsfürsorge nach dem Justizvollzugsgesetz, dem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz und dem Psychisch-Kranken-Gesetz, da dadurch ebenfalls in Grundrechte eingegriffen wird.

Die bereits bestehenden Voraussetzungen für die medizinische Zwangsbehandlung Gefangener und Untergebrachter werden präzisiert. Dies klingt erst einmal sinnvoll. Auch hierzu werden wir in der bereits beschlossenen Anhörung Sachverstand einholen. - Der Überweisung in den Rechtsausschuss stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Teuteberg erhält das Wort.

Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das nun zu beratende Gesetz über den Vollzug des Jugendarrestes im Land Brandenburg stellt die letzte Ergänzung der in dieser Legislaturperiode in diesem Hause beratenen Rechtsgrundlagen im Bereich des Strafvollzuges dar.

Für die Anwendung und den Vollzug des Jugendarrestes gelten ähnliche Anforderungen wie beim Jugendstrafvollzug. Aus diesem Grund ist es richtig, den Gesetzentwurf an den Regelungen zum Jugendstrafvollzug in Brandenburg zu orientieren.

Lassen Sie es mich für uns Liberale einmal gleich zu Beginn deutlich machen: Wir teilen den Vorwurf des Kuschelarrestes ganz und gar nicht.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Jenseits ideologischer Schützengräben gilt es, einfach einmal die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Frage der Resozialisierung zur Kenntnis zu nehmen. Meine Damen und Herren, im Fachausschuss werden wir sicherlich eine umfassende Anhörung zu dem Thema durchführen. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber schon heute unsere Schwerpunkte beim Thema Jugendarrestvollzug in Brandenburg verdeutlichen.

Zum Ersten das Thema Personal: Die im Gesetzentwurf genannten hohen Standards, die die Resozialisierung sowie die richtige und wichtige Verknüpfung zwischen Jugendarrest und dem Fortwirken der Maßnahmen nach dem Ende des Arrestes gewährleisten sollen, sind nur umsetzbar, wenn ausreichend motiviertes und geschultes Personal vorhanden ist.

Zum Zweiten: Es bedarf einer Regelung hinsichtlich des Beginns des Arrestes. Ein Hauptproblem besteht derzeit darin, dass zwischen der begangenen Tat und dem Vollzug des Arrestes zu viel Zeit vergeht. Aus diesem Grund ist meiner Ansicht nach auch eine Regelung hinsichtlich des Beginns des Arrestes also eines schnelleren Vollzuges - im Gesetzentwurf notwendig. Die staatliche Reaktion auf Straftaten muss vor allem bei jungen Menschen zeitnah erfolgen.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Ja!)

Zum Dritten: der Vollzug gemeinsam mit Berlin oder in einer Jugendarrestanstalt in Brandenburg. Ein gemeinsamer Vollzug mit Berlin kann durchaus sinnvoll sein. Für uns Liberale steht allerdings die inhaltliche Ausgestaltung des Jugendarrestvollzuges im Vordergrund. Es geht um Qualität im Vollzug für nachhaltige Erziehungserfolge. Wenn Berlin sich nicht auf vergleichbare Regelungen einlässt, kann ein gemeinsamer Vollzug nicht stattfinden. Wir sollten alles dafür tun, zu einem gemeinsamen Vollzug beider Länder auf hohem Niveau zu kommen. Vielen Dank.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Teuteberg. - Herr Minister Markov hat noch einmal die Gelegenheit, die Debatte fortzusetzen.

Ich habe eigentlich gedacht, ich hätte klar und deutlich formuliert, dass das Ausschlaggebende, ob wir gemeinsam mit Berlin eine Jugendarrestvollzugsanstalt haben bzw. nutzen werden, von der Übernahme der Inhalte unseres Gesetzes in Berlin abhängig gemacht wird. Aus diesem Grund führt man die Verhandlungen, die ein wenig andauern.

Im Vordergrund steht nicht primär das „Geldsparen“, weil das Geld bereits im Haushalt dafür vorgesehen ist, es also vorhanden ist. Vielmehr geht es darum, ob man nicht gemeinsam die Erfahrungen auch der Berliner Sozialpädagogen im Hinblick auf die glücklicherweise geringer werdende Anzahl der Jugendlichen, die man in Arrest nimmt, in Gesprächen nutzen kann, um genau das, was wir wollen, umsetzen zu können: Die Jugendlichen sollen nicht wieder straffällig werden. Das ist der beste Opferschutz.

Wenn es uns gelingt, auch nur eine geringe Anzahl von Menschen dazu zu bewegen, nicht wieder straffällig zu werden, haben wir für die Gesellschaft etwas bewegt. Insofern sind die sozialpädagogischen Maßnahmen das A und O. Man muss ihnen beibringen, immer wieder auftretende Streitigkeiten ohne eine Auseinandersetzung unter anderem per Faust oder per Gewalt lösen zu können. Das sind der Ansatz und eine erzieherische Maßnahme, die dazu beitragen sollen, etwaige Rückfälligkeiten zu vermeiden.

Wie ich bereits mehrmals gesagt habe, brauchen wir noch etwas Zeit bei den Verhandlungen mit Berlin. Jedoch bin ich optimistisch und nicht pessimistisch. Wir befinden uns bereits auf dem Weg. Wenn es trotzdem nicht zu einer Einigung kommen sollte, geht die Welt auch nicht unter. Dann werden wir eben einen eigenen Vollzug in Brandenburg durchführen. Dennoch halte ich die gegenwärtige Variante zunächst einmal für anstrebenswert. - Danke.

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Kuhnert [SPD])

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir sind in der Situation, dass Herr Minister Dr. Markov 53 Minuten

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Was? Sekunden! - Büttner [FDP]: Zugetraut hätten wir es ihm!

- Sekunden natürlich; Entschuldigung -, also 53 Sekunden über die Redezeit gesprochen hat. Möchte jemand aus den Fraktionen diese 53 Sekunden nutzen? - Das ist nicht der Fall. Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, „Gesetz über den Vollzug des Jugendarrestes im Land Brandenburg und zur Änderung weiterer Gesetze“, Drucksache 5/8733, an den Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Es gibt keine. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Gesetz zum Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und dem Land Mecklenburg-Vorpommern über die Bildung eines Vollzugsverbundes in der Sicherungsverwahrung

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/8738