Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Stark, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Wir beschäftigen uns jetzt zum zehnten Mal mit einer Änderung des Polizeigesetzes. Warum ist die Änderung notwendig? Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2012 über eine Verfassungsbeschwerde entschieden und uns entsprechende Auflagen erteilt. Die Verfassungsbeschwerde galt den §§ 111, 112 und 113 des Telekommunikationsgesetzes.
Was regeln diese Paragrafen? § 111 verpflichtet die Anbieter von Telefon, Mobilfunk und Internet dazu, die Rufnummern sowie die dazugehörigen persönlichen Daten zu speichern. Das
Die §§ 112 und 113 schaffen die Grundlagen für zwei verschiedene Verfahren der Anwendung, regeln also, unter welchen Voraussetzungen diese Daten herausgegeben werden dürfen. Zum Ersten geht es um den automatisierten Datenzugriff, zum Zweiten um das manuelle Verfahren.
Auch wenn das Thema insgesamt sperrig und streng wirkt, ist es wichtig, dass wir es besprechen, weil es den sensiblen Umgang mit persönlichen Daten betrifft. Wir sind gehalten, schnell zu reagieren und das Gesetz zu ändern.
§ 112 des Telekommunikationsgesetzes regelt das automatisierte Verfahren. Was heißt das konkret? Die Bundesnetzagentur darf die gesammelten Daten ohne Kenntnis der Anbieter von Telefon, Mobilfunk oder Internet automatisch abrufen. Die Verfassungsbeschwerde bezog sich auf §§ 111 und 112 und wurde zu diesen Paragrafen abgewiesen.
Wir sehen allerdings Regelungsbedarf in § 113 TKG, insbesondere im Hinblick auf das manuelle Verfahren der Herausgabe gespeicherter Daten. Absatz 1 verpflichtet nicht nur die Telekommunikationsunternehmen zur Auskunftserteilung, sondern zum Beispiel auch Krankenhäuser, Hotels etc. Wir alle wissen, dass auch in diesen Einrichtungen Telefone vorhanden sind, die im Ernstfall abgehört werden können. Es müssen Voraussetzungen für die Herausgabe der Daten im Einzelfall geschaffen werden, damit - zur Gefahrenabwehr - spezielle Straftaten verfolgt werden können. An dieser Stelle bedarf es einer landesgesetzlichen Grundlage. Es muss klar geregelt sein, gegenüber welchen Behörden konkret die Datenübermittlung stattfindet und inwiefern eine Verpflichtung besteht. Dem Änderungsbedarf werden wir mit der vorliegenden Änderung des Polizeigesetzes gerecht.
§ 113 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes ist mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. So sieht es das Bundesverfassungsgericht. Ich zitiere gern aus der Pressemitteilung zu der Entscheidung:
„Die Regelung betrifft die Zugangssicherungscodes, die den Zugang zu Endgeräten sichern und damit die Betreffenden vor einem Zugriff auf die entsprechenden Daten bzw. Telekommunikationsvorgänge schützen. Der Zugriff auf diese Daten ist jedoch … für die effektive Aufgabenwahrnehmung dieser Behörden nicht erforderlich.“
In der Pressemitteilung heißt es weiter, dass die Sicherheitsbehörden nur dann Auskünfte über die Zugangssicherungscodes PINs und PUKs - verlangen dürfen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind. Diese schaffen wir mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf.
Bisher ist im Land Brandenburg das manuelle Auskunftsverlangen über die Generalklausel in § 10 unseres Polizeigesetzes geregelt, natürlich in Verbindung mit den Regelungen, die zur Datenerhebung notwendig sind. Diese Norm reicht aber vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht aus. Da wir das Polizeigesetz aus diesem Grund ohnehin ändern müssen, regeln wir auch noch die Datenerhebung durch die Telemedienanbieter, also die Anbieter von Chatrooms und Internetforen. Das erledigen wir mit diesem Gesetz
entwurf gleich mit; denn diese Anbieter fallen grundsätzlich nicht unter das Telekommunikationsgesetz, sondern unter das Telemediengesetz.
Es ist nicht selten der Fall, dass in Chatrooms Selbstmorde oder Straftaten angekündigt werden. Die Polizei kann in diesen Fällen nur dann aktiv werden, wenn der Zugriff möglich ist, die Polizei also an die Daten der handelnden Personen herankommt.
Aus den genannten Gründen ist es notwendig, dass wir das Polizeigesetz - mittlerweile zum zehnten Mal - ändern. Ich bitte Sie um Zustimmung.
Der Gesetzentwurf ist auch so ausführlich und enthält so gute Regelungen, dass die vorgelegten Änderungsanträge, insbesondere der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aus unserer Sicht nicht nötig und daher abzulehnen sind. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stark. - Wir kommen nunmehr zum Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Lakenmacher hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Stark hat es bereits erwähnt: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das Polizeigesetz des Landes Brandenburg an die im Urteil formulierten Erfordernisse anzupassen. Dem tun wir mit diesem Gesetzentwurf Genüge. Die im Innenausschuss durchgeführte Anhörung hat deutlich gezeigt, dass der Gesetzentwurf notwendig und sinnvoll ist; dieser Meinung bin auch ich, Frau Kollegin.
Das manuelle Auskunftsverfahren zu Telekommunikationsdaten sowie der Zugriff auf Zugangssicherungscodes und Daten bei Chatroomanbietern gehören zu wichtigen Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr, die eine Verankerung als polizeiliche Eingriffsgrundlage in unserem Polizeigesetz, also in Landesrecht, erforderlich machen. Ohne gesetzliche Änderung würden diese - meines Erachtens unverzichtbaren - Instrumente der Landespolizei nicht mehr zur Verfügung stehen. Das dürfen wir nicht zulassen. Nach dem Wegfall der Generalklausel ist es mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelungen, eine Eingriffsgrundlage zu schaffen, welche den Datenzugriff mit hinreichender Bestimmtheit regelt, das heißt, dem Bestimmtheitsgebot wird Rechnung getragen. Es wird normiert, welche Daten unter welchen Voraussetzungen weitergesteuert werden dürfen.
Auch bezüglich der datenschutzrechtlichen Aspekte sehe ich keine Bedenken und kann mich Ihren Ausführungen anschließen, Frau Kollegin Stark.
Nachdem der Gesetzentwurf durchaus gelungen ist, könnte man davon ausgehen, dass die Polizisten in Brandenburg in einer heilen Regelungswelt tätig werden könnten. Dem ist leider nicht so. Darauf möchte ich jetzt eingehen. Wir haben vor einigen Wochen die Manipulationsvorwürfe hinsichtlich der Interventionszeiten diskutieren müssen und stehen noch vor der
Diskussion über den Verdacht der Manipulation bei der Erstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik, Herr Innenminister. Ich möchte es noch einmal klar sagen: Dieser Verdacht ist nicht ausgeräumt.
Dafür, dass unsere Polizistinnen und Polizisten, die hart und engagiert arbeiten, sich einem Verlust an Vertrauen in die Institution Polizei gegenübersehen und diesen erleiden müssen, tragen Sie, Herr Innenminister, und die gesamte Landesregierung die Verantwortung.
Sie erkennen hier, bezogen auf die einzelnen Direktionen, die Entwicklung von Januar 2013 zu Januar 2014 in verschiedenen Deliktsbereichen. Die gelbe Färbung weist auf eine geringe Kriminalitätsbelastung hin. Sie sehen, dass eine Direktion immer gelb ist, und zwar sowohl hinsichtlich der Gesamtzahl der Gesamtstraftaten als auch bei ausgewählten Straftaten: die Polizeidirektion West, deren Handlungsanweisung in der Diskussion ist. Ich wiederhole: Der Verdacht der Verzerrung der Polizeilichen Kriminalstatistik ist immer noch nicht ausgeräumt.
Zu den niedrigen Zahlen dort erklärte Ihr Polizeipräsident, der sehr flink eine Pressekonferenz anberaumte, das hänge mit einem Postdiebstahl in der Direktion West zusammen.
Herr Minister, ganz ehrlich: Wenn Sie sich nur ein Stück weit in der Tiefe damit beschäftigen, merken auch Sie, dass diese Begründung aberwitzig ist. Schauen Sie genau hin: Die Direktion West registrierte im Januar 2014 in sämtlichen Deliktsfeldern - nicht nur beim Diebstahl allgemein, sondern auch bei der Kriminalität rund um das Kfz und bei der Straßenkriminalität - erheblich weniger Fälle als die anderen Polizeidirektionen. Immer gelb! Das ist auffällig. Herr Minister, die Ursache dafür kann kein Postdiebstahl sein. Während die Polizeidirektion Süd in den Vergleichsmonaten bei Kriminalität rund um das Kfz zum Beispiel im Januar 2014 184 Fälle mehr hat, verzeichnet die Polizeidirektion West einen Rückgang um 479 Fälle - sehr seltsam. Das gleiche Bild gibt es bei der Straßenkriminalität - übrigens auch, wenn man nicht nur Februar 2014 mit Februar 2013, sondern wenn man Januar 2014 mit Januar 2013 vergleicht. So einfach ist es, den Dingen einmal auf den Grund zu gehen, Herr Minister.
Dafür kann der Postdiebstahl keine Erklärung sein, und ich frage Sie: Soll es hier wirklich keinen Zusammenhang mit der Dienstanweisung zur PKS-Erfassung in der Direktion West geben? Ich kann Ihnen nur raten: Seien Sie sehr sorgsam und kritisch bei allem, was Ihnen in Ihrem Hause und im Polizeipräsidium an Erklärungen gegeben und an Zahlen präsentiert wird, denn das ist der einzig gangbare Weg, um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen, und das ist dringend nötig. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lakenmacher. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg hat dazu die Gelegenheit.
Bevor er ans Pult geht, möchte ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Ehm-Welk-Oberschule Lübbenau begrüßen. Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lakenmacher, ich glaube, Ihnen ist egal, welches Thema hier steht - Sie reden zu dem, was Sie für richtig halten.
Ich meine, man kann so etwas auch eleganter machen, als Sie das getan haben. Ich gehe nicht auf dieses Thema ein.
Ich bin mir sicher: Bei Ihrer fast schon legendären Ausdauer werden wir noch genügend Gelegenheit haben, über diese Frage zu reden. Deswegen beschränke ich mich auf das hier anstehende Thema, nämlich die vorliegende Novelle zum Polizeigesetz, mit der die Landesregierung den Vorgaben folgt, die das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Überwachung der Telekommunikation gemacht hat.
Wir wissen, dass es sich dabei nicht erst seit der NSA-Affäre um ein äußerst sensibles Thema handelt. Technisch ist heutzutage nahezu alles möglich. Also reden wir im Zusammenhang mit solchen Regelungen darüber, wie diese umfassenden Eingriffsmöglichkeiten zuverlässig begrenzt werden können. Genau dazu hat das Bundesverfassungsgericht Maßstäbe festgelegt. Mit der Gesetzesänderung werden also keine neuen Befugnisse für die brandenburgische Polizei geschaffen, sondern bisher bereits geregelte Eingriffsmöglichkeiten unter den notwendigen gesetzgeberischen Vorbehalt gestellt.
In der vom Innenausschuss durchgeführten Anhörung haben die eingeladenen Experten dem vorliegenden Gesetzentwurf durchgängig eine positive Bewertung gegeben. Es wurde eingeschätzt, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Novelle in vorbildlicher Weise umgesetzt werden. Ich gestehe: Das war für mich in dieser Deutlichkeit überraschend. Das Innenministerium hat also eine gute Arbeit geleistet, dafür gebührt ihm Dank.
So werden mit dem Gesetzentwurf alle Maßnahmen zum manuellen Auskunftsverfahren über Telekommunikationsdaten an einen Richtervorbehalt gebunden. Das ist etwas, was das Bundesverfassungsgericht in dieser Form gar nicht vorschreibt. Diese brandenburgische Regelung geht über die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen hinaus. Wenn bei Gefahr im Verzug der Behördenleiter berechtigt wird, eine polizeiliche Abfrage an den Telekommunikationsdienstleister zu richten, so steht auch das unter dem Vorbehalt, dass unverzüglich eine richterliche Bestätigung einzuholen ist.
Gefahr im Verzug wird dann angenommen, wenn es sich um die Suche nach gefährdeten und hilflosen Personen handelt. Aus dem fast zeitgleich vorgelegten Siebenten Bericht des Innenministers über bestimmte Maßnahmen der Datenerhebung aufgrund des Brandenburgischen Polizeigesetzes geht hervor, dass die Verkehrsdatenabfrage zum übergroßen Teil mit der Suche nach vermissten und gefährdeten Personen verbunden ist. Konkret handelte es sich bezogen auf das Jahr 2013 um 71 Fälle zur Beseitigung einer Suizidgefahr, 12 Fälle der Suche nach gefährdeten Vermissten, 16 Fälle der Suche nach minderjährigen Vermissten, 4 Fälle zur Befreiung aus hilfloser Lage und 44 Fälle einer sonstigen Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr, zum Beispiel durch ein bevorstehendes Verbrechen oder die Notwendigkeit medizinischer Versorgung. Daraus kann man entnehmen, dass die brandenburgische Polizei sehr verantwortungsbewusst und nur eingeschränkt mit dieser Eingriffsbefugnis umgeht. Wir werden darauf achten, dass das so bleibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Anhörung des Innenausschusses wurde von mehreren Experten angeregt, die besonderen Zugriffsvoraussetzungen für Endgeräte, einschließlich des Zugriffs auf PIN und PUK, im Gesetz klarer zu regeln. Wir versuchen dem mit einer Ergänzung in § 33c - durch einen konkreten Verweis auf die entsprechende Regelung im TKG nachzukommen.
Unter den genannten Voraussetzungen stimmen wir dieser Novelle des Polizeigesetzes zu. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir setzen mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Goetz hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Das Thema, über das wir reden, betrifft Grundrechte, Grundfreiheiten und gesetzliche Befugnisse zu deren Einschränkungen. Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt also tatsächlich um die Grundlagen unserer Gesellschaft.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2012 zu Bestandsdatenauskünften festgestellt, dass die bisherigen Regelungen, auch die bisherigen Handhabungen, grundrechtswidrig waren, also bundesweit gegen Regelungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verstoßen worden ist und diese Regelungen so nicht fortbestehen können, sondern weitergehender gesetzlicher Anpassung bedürfen.