Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

(Beifall CDU)

Ich wollte meine Rede eigentlich anders beginnen, aber jetzt beginne ich mit dem Fusionsgedanken. Es gibt viele Abgeordnete, die im Jahr 1995, als die Länderfusion zur Abstimmung stand, gern eine Fusion beider Länder gehabt hätten. Ich war damals in der Kabinettssitzung, als Ministerpräsident a. D. Platzeck - er ist bei dieser Debatte leider nicht anwesend - für alle Beteiligten ganz überraschend feststellte: Eine Fusion im zweiten Anlauf wird nichts. - Er begründete es damit, dass es in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig sei. Man hat aber gesagt, dass man gern zusammenarbeiten möchte. Wenn man die Behörden zusammenlege und alle kräftig zusammenarbeiteten, werde es irgendwann automatisch zu einer Fusion kommen. Dann sprach man letztendlich bloß noch von einer Zusammenarbeit, ohne den Fusionsgedanken jemals auszusprechen, und jetzt bin ich erstaunt, zu hören, dass der Staatssekretär sagt: Wir wollen dort zusammenarbeiten, wo es den Menschen nützt, aber auch nur dort. - Ich gehe davon aus bzw. erwarte fast, dass wir bei der Vorlage des nächsten Berichts anfangen darüber zu reden, wo wir wieder entflechten werden.

(Beifall B90/GRÜNE und des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Meine Damen und Herren! Wir werden leider nicht als BerlinBrandenburg wahrgenommen. Ich glaube, wenn Sie jemanden im Süden Deutschlands oder anderswo auf der Welt fragen, wo ein Flughafen gebaut wird, wird die Antwort lauten: in Berlin oder auch nicht -, aber definitiv wird die Antwort nicht lauten: in Brandenburg. Bei solchen Negativschlagzeilen muss man aber auch nicht unbedingt ganz vorne dabei sein.

Im Gegensatz zu Teilen meiner Partei bin ich durchaus für eine Fusion, aber so, wie Sie es angehen - auch langfristig -, wird es nichts werden. Da bin ich wiederum einer Meinung mit dem Rest meiner Partei. In einem immer stärker zusammenrückenden Europa wird die Kluft zwischen Berlin und Brandenburg leider immer größer. Dabei haben wir große Aufgaben, die wir gemeinsam lösen sollten. Es ist nicht nur der Flughafen. Schauen wir nur einmal, wie wenig Kooperation es mittlerweile noch im Bereich der Justiz gibt. Wir brauchen eine verbesserte Kooperation bei der Medizinerausbildung. Auch die Infrastruktur ist ein länderübergreifender Bereich. Wenn ein Zug aus dem Nordwesten Brandenburgs in den Südosten Brandenburgs durch Berlin fährt, dann muss sich Berlin bitte schön beteiligen und kann nicht sagen: Damit haben wir nichts zu tun.

Aktuell haben wir die Diskussion, dass wir noch immer darum ringen, wer den Vorsitz im Medienrat übernimmt. Ich hoffe, dass die momentan zwischen Berlin und Brandenburg herrschenden atmosphärischen Störungen bald vorübergehen.

In diesem Punkt nutzt mir ein Bericht, der sich auf die Jahre 2012/13 bezieht, leider herzlich wenig, zumal auch darin kein Ausblick enthalten ist. Ich wünsche mir, dass Sie da wieder an den Grünen Tisch kommen. Die letzte Kabinettsitzung war, glaube ich, im Jahre 2012. Es wird sich in diesem Jahr wahrscheinlich nicht mehr verwirklichen lassen, dass man noch einmal zusammenkommt, aber ich hoffe doch, dass wir in Zukunft enger und besser zusammenarbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Wir setzen mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Domres spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht der Landesregierung zählt vielfältige Ergebnisse einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg auf: von der gemeinsamen Innovationsstrategie über die Regelungen des Schulbesuchs im jeweils anderen Land bis hin zur Organisation des öffentlichen Personenverkehrs.

Es sind nicht nur die immer wieder gern zitierten Dutzenden von Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen, die eine intensive Zusammenarbeit belegen. Auch unterhalb dessen gibt es eine umfangreiche Zusammenarbeit von Verwaltungen, Landeseinrichtungen, Hochschulen und auch in anderen Organisationsformen wie beim „Verkehrsverbund Berlin Brandenburg“. Dies gilt es zunächst einmal aus gutem Grund hervorzuheben. Auf der anderen Seite gibt es auch nicht unerhebliche Probleme, und zwar nicht nur in der Frage von mehr Nachtruhe am BER; dazu komme ich nachher noch.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 1996 hat unser langjähriger Fraktionsvorsitzender Lothar Bisky gefordert: Die Fusion von Berlin und Brandenburg muss von unten wachsen. Damit meinte er Folgendes: Die Politik in Berlin und Brandenburg darf sich nicht nur darauf beschränken, der Bevölkerung einen fertigen Vertrag von oben zur Abstimmung vorzusetzen. Die Politik steht vielfach vor der Aufgabe, die Menschen mittels überzeugender Lösungen für Alltagsprobleme für eine Fusion zu gewinnen.

Wenn wir den gegenwärtigen Stand der Zusammenarbeit an diesem Maßstab messen, stellen wir fest, dass noch Etliches zu tun bleibt, vor allem für die Politik. Es greift deshalb zu kurz, wenn in der Einleitung zum Fortschrittsbericht zu lesen ist:

„Das... in beiden Ländern zu konstatierende nachlassende Interesse an der Berlin-Brandenburg-Thematik ist nicht zu verkennen. Das Fehlen einer auch in der Bevölkerung mehrheitsfähigen weitergehenden Perspektive erschwert es, die spezifischen Interessen der Hauptstadtregion wirksam in die Entscheidungsprozesse einzubringen, und bremst die Dynamik der Kooperation beider Länder.“

Ich frage mich, woran das wohl liegt und wie wir das gemeinsam verändern können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Politik in beiden Ländern muss gemeinsame wie auch unterschiedliche Interessen endlich klar und öffentlich definieren und dann - das ist das Entscheidende gemeinsam nach einem Interessenausgleich und dementsprechende Lösungen für real existierende Probleme suchen.

Das Beharren auf die einzig richtige, weil eigene Meinung bringt uns gar nichts. Und dann sind wir beim BER, beim Nachtflugverbot und bei den Fragen, wie Brandenburger Interessen durch Berlin bewertet und schlussendlich berücksichtigt werden. Solange die Bürgerinnen und Bürger genau diesen

Umgang mit ihren Problemen genauso wahrnehmen und erleben, werden wir in der Fusionsfrage kein Stück weiterkommen.

DIE LINKE steht dafür, in die Beziehungen zwischen Berlin und Brandenburg eine neue Dynamik und Offenheit zu bringen. Es gibt vor allem zwei Fragenkomplexe, die ernsthaft miteinander erörtert werden müssen: Wie werden die Belange einer über ihre Grenzen hinauswachsenden Stadt strukturell, institutionell, organisatorisch etc. abgebildet? Reichen dafür die bestehenden gemeinsamen Einrichtungen bis hin zur gemeinsamen Landesplanung auf Dauer aus? Braucht es neue, stärker demokratisch fundierte Formen der Zusammenarbeit? Oder etwa: Wie wird der kulturelle und soziale Zusammenhang im Ballungsraum Berlin gewahrt bzw. hergestellt? - Und das gerade unter den Bedingungen zunehmender Differenzierung und auch Separierung in den innerstädtischen, klassisch zur Stadt gehörenden Teilen, vor allem aber angesichts der Tatsache, dass das Wachstum Berlins nach Brandenburg hinein vor allem durch den Zuzug von Brandenburgerinnen und Brandenburger im engeren Verflechtungsraum erfolgt.

Aus unserer Sicht wäre ein gemeinsames neues Entwicklungskonzept für die Region, das das bestehende Leitbild von 2006 ersetzt, ein wichtiger Schritt. Es soll gemeinsame Vorhaben, arbeitsteilige Entwicklungsschwerpunkte, eine abgestimmte Raumplanung und vereinbarte öffentliche Investitionen festlegen. Und nicht zuletzt sollen in diesem Konzept auch Verpflichtungen und Entwicklungsziele für die berlinfernen Räume enthalten sein.

Zu den vorrangigen Themen des Konzeptes sollen neben der Innovationsstrategie und ihrer Weiterentwicklung die gemeinsame Entwicklung des BER-Umfeldes, die Erarbeitung einer gemeinsamen Energiestrategie, ein abgestimmtes Wassermanagement sowie eine koordinierte Steuerung der Suburbanisierung rund um Berlin gehören. Es geht uns unter anderem um einen geregelten Leistungs- und Lastenausgleich in Bezug auf Infrastruktur und Daseinsvorsorge, Bildung und Kultur. Anzustreben wäre eine vertiefte Kooperation und Arbeitsteilung zwischen benachbarten Brandenburger Kommunen und Berliner Bezirken, die hierfür die nötigen Kompetenzen kommunaler Selbstverwaltung erhalten müssen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diejenigen, die länger in diesem Parlament sitzen, kennen den langjährigen Vorschlag meiner Partei, diesen Prozess vor allem auch über den Landtag und das Berliner Abgeordnetenhaus hinaus anzustoßen. Hier könnte in aller Öffentlichkeit und gemeinsam mit dem Berliner Abgeordnetenhaus nach Lösungen im Interesse aller Teilregionen von Berlin und Brandenburg gesucht werden. Wenn wir uns diesen Aufgaben nicht stellen, werden in diesem Plenarsaal auch in 30 Jahren nur Brandenburger sitzen. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete Teuteberg setzt die Debatte für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hatte ja eine Bewandtnis, dass auch der damals genauso von Sozialdemokraten dominierte Landtag einen Bericht über den Fortschritt in der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Branden

burg forderte. Jetzt ist das - wie bei so manchem in Brandenburg - ein Etikettenschwindel, denn was uns jetzt präsentiert wird, sind Stillstand und Rückschritt,

(Beifall FDP - Frau von Halem [B90/GRÜNE]: Ja, das ist meine Rede!)

und zwar Rückschritt bei den zentralen Herausforderungen, vor denen unsere Region steht. Dass die politische Debatte der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt, ist da nichts Neues. Aber dass sie diese jetzt zur Entschuldigung politischer Fehler missbraucht, ist ein starkes Stück. Wie soll denn das Interesse an der Zusammenarbeit wachsen und wie sollen Mehrheiten für eine weitergehende Perspektive zu finden sein, wenn man die Debatte um das Wichtigste der gemeinsamen Projekte in der Region jetzt verfolgt? Den Menschen in Berlin und Brandenburg haben Sie mit dem BER nicht nur exemplarisch Ihr Versagen vorgeführt. Sie weigern sich darüber hinaus standhaft, daraus Konsequenzen zu ziehen. Matthias Platzeck ist da zwar ausgestiegen, redet aber immer noch daher, als sei morgen Eröffnung. Und sein Nachfolger hält sich jetzt ansonsten raus aus dem Thema, wird aber plötzlich laut, wenn es darum geht, die von seinem Vorgänger getroffenen Vereinbarungen infrage zu stellen. Von allen, die dabei waren und noch dabei sind, denkt keiner - in Potsdam wie in Berlin - daran, die Konsequenzen zu ziehen.

(Bischoff [SPD]: Welche?)

Die dürren Zeilen im Bericht zu diesem inzwischen weltweit zur Lachnummer verkommenen Projekt sind kabarettreif.

(Bischoff [SPD]: Ja!)

Die vielen Brandenburger, die tagtäglich Arbeit in Berlin finden - übrigens nicht nur die fast 200 000 originären Einpendler, sondern auch die vielen Beschäftigten in Brandenburger Unternehmen, die von Aufträgen aus Berlin leben -, haben ganz andere Interessen. Sie wissen, dass auch ihre persönlichen Perspektiven mit einer gedeihlichen Entwicklung in der Hauptstadt verbunden sind. Schon aus Eigeninteresse sollte deshalb die Landesregierung in Potsdam nicht die Konfrontation, sondern die Kooperation suchen.

(Bischoff [SPD]: Aha! - Unruhe bei der SPD)

Dazu aber ist diese rot-rote Koalition nicht in der Lage. Sie sucht Buhmänner für die Fehler der Vergangenheit und verweist dabei auf Berlin. Sie setzt auf Vorurteile gegenüber der angeblich arroganten Hauptstadt, und da hat der Ministerpräsident in den letzten Tagen auch sein Gesellenstück in Demagogie abgeliefert.

(Domres [DIE LINKE]: Oh, oh!)

Hat er dabei auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, wie das auch bei den Menschen ankommt - und das sind viele -, die jetzt noch auf Jahre hinaus im Nordwesten Berlins und in den umliegenden Regionen in Brandenburg auch unter Krach leiden müssen?

Ich möchte hier auch mit Blick auf die gestrige europapolitische Debatte sagen - Frau Mächtig hat ja ein Zurückfallen in das Denken des Kalten Krieges beklagt -:

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Nein, ich habe das nicht beklagt. Ich habe davor gewarnt, Frau Teuteberg!)

Wer wähnt sich denn hier im Kalten Krieg mit Berlin? Das ist doch der Ministerpräsident dieses Landes. Und was war der Anlass dafür? Dass Berlin auf dem Status quo besteht, nämlich auf einem von allen drei Eigentümern gefassten und höchstrichterlich bestätigten Planfeststellungbeschluss. Man kann Verschlechterungen eines Verhältnisses auch herbeireden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frieden fängt im Kleinen an. Kooperation fängt vor der Haustür an. Die letzte gemeinsame Kabinettssitzung von Brandenburg und Berlin fand vor zwei Jahren statt. Die Regierungen von Deutschland und Frankreich treffen sich häufiger als die von Berlin und Brandenburg. Derart engstirnigen Provinzialismus können wir uns mitten in Europa nicht leisten.

(Beifall FDP, CDU und B90/GRÜNE)

Die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg ist übrigens auch ein Verfassungsauftrag, und da wäre es sinnvoll, wenn Sie sich auch an den ersten Ministerpräsidenten dieses Landes erinnern, der sich sehr persönlich für dieses Anliegen eingesetzt hat. Diese Koalition will aber für eine so eng verflochtene Region gar keine eng verflochtene Politik. Fortschritt sieht wahrlich anders aus. Die Metropolregion Berlin-Brandenburg hat ganz enorme Potenziale im internationalen wie nationalen Wettbewerb. Und es ist Aufgabe politischer Führung, die gemeinsamen Interessen, die Notwendigkeit und auch den Mehrwert eines abgestimmten und gemeinsamen politischen Handelns klar zu erkennen und auch zu vermitteln.

Deshalb: Bei allen Schwierigkeiten möchte ich sagen: Ich verbinde mit diesem neuen Landtagsgebäude schon die Hoffnung, dass das nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag - auch wenn dafür heute wenig Hoffnung vermittelt wurde - das wird, wozu es bestimmt ist, nämlich der Landtag einer gemeinsamen erfolgreichen Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Die Abgeordnete von Halem setzt die Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Linda Teuteberg hat es gesagt: Dieser Fortschrittsbericht ist genau wie alle anderen sogenannten Fortschrittsberichte in Wahrheit ein Rückschrittsbericht, ein Dokument planloser Tippelschritte und kleinmütiger Hasenfüßigkeit. Das Einzige, was daran an Strategie zu erkennen ist, ist der Widerstand gegen Berlin. Diese Landesregierung hat in den letzten fünf Jahren nichts dafür getan, dass Berlin und Brandenburg zusammenwachsen. Ganz im Gegenteil, dem Projekt Länderfusion hat sie aktive Sterbehilfe geleistet.

(Zuruf des Abgeordneten Günther [SPD] - Bischoff [SPD]: Ihr wart doch damals dagegen!)

Weil für wichtige länderübergreifende Aufgaben nicht gemeinsame Lösungen mit Berlin entwickelt wurden, verstärken sich jetzt in vielen Bereichen die Probleme. Nie hat diese Landesregierung für gemeinsames Agieren geworben. Sie hat immer nur

von den Ängsten geredet und davon, dass die Ängste ernst genommen werden müssten. Natürlich baut man Ängste damit nicht ab.

(Bischoff [SPD]: Genau so habt ihr es gemacht!)

Dieses Musterbeispiel an Eskalationsstrategie - die Spezialistin Frau Gregor-Ness kann ja innerhalb der SPD auch noch Beratung leisten, wie man das macht - gipfelt jetzt in Woidkes Kalter-Kriegs-Rethorik.