Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

- Okay, dann können Sie es mir ja nachher erklären. - Ich verstehe nicht, wie man - noch dazu als Regierungsfraktion - den

Satz sagen kann: Wir haben Probleme!, und dann hier eine Aktuelle Stunde zu dem Thema abhalten kann, ohne einen Entschließungsantrag einzubringen, in dem benannt wird, wie diese Probleme gelöst werden sollen.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen, das entlarvt das ganze Vorhaben natürlich ein klein wenig mit Blick auf die Zeit, in der wir uns momentan befinden.

(Domres [DIE LINKE]: Schauen Sie sich einmal die Ta- gesordnung an!)

Aber kommen wir zur Sache: Wir haben ja am 5. Mai eine Presseerklärung des Wirtschaftsministers vernommen. Herr Minister, ich finde es immer spannend, solche Presseerklärungen immer erst einmal zu lesen, dann hinzulegen, dann die Details zu lesen etc. Es sind manchmal die ganz unscheinbaren Sätze, die man formuliert und im ersten Moment als selbstverständlich annimmt, die das Problem, wenn man es noch einmal durchdacht hat, wirklich entlarven. Es ist sogar schon der erste Satz in der Pressemitteilung vom 05.05. - man muss sie also gar nicht ganz durchlesen -, wo es heißt:

„Brandenburgs Wirtschaft steht 25 Jahre nach der Wende so gut da wie nie zuvor.“

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, was waren denn Ihre Ziele? Ist das wirklich ein Erfolg, dass wir 25 Jahre nach der Stunde null besser dastehen?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Luthardt [DIE LINKE])

Wenn es nicht so wäre, dass wir 25 Jahre nach der Wende besser dastehen als vor der Wende, dann hätten wir wirklich etwas ganz gewaltig nicht verstanden.

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU - Zuruf des Abgeord- neten Günther [SPD])

Es sind in der Tat diese Allgemeinplätze, die einem die Zornesröte ins Gesicht treiben, diese inhaltslosen Marketingsätze, die das Ganze entlarven.

(Jürgens [DIE LINKE]: Das verstehen Sie auch! - Weite- re Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Natürlich stehen wir - wie übrigens alle neuen Bundesländer, Herr Minister - 25 Jahre nach der Wende besser da als zur Stunde null. Auch in Brandenburg - das betone ich an dieser Stelle gern - war es natürlich ein liberaler Wirtschaftsminister, der die Grundzüge dafür - mit - gelegt hat.

(Aha! bei der Fraktion DIE LINKE)

Das darf man an dieser Stelle, so denke ich, gern erwähnen. Natürlich - das haben die Vorredner auch schon erwähnt - waren es vor allen Dingen die Unternehmerinnen und Unternehmer, ohne die im Land Brandenburg so gut wie gar nichts gelaufen wäre.

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU)

Von daher freue ich mich, dass wir über Mittelstandspolitik, also über ein Rand … nein, ein Einzelgruppenthema, wie wir es nachher vielleicht noch einmal hören werden, diskutieren. Denn es ergibt Sinn, diese Debatte zu führen.

Sehr geehrter Herr Minister, es ergibt auch Sinn, sich die Pressemitteilung noch etwas genauer anzuschauen, denn es ist eine sehr lange Pressemitteilung, in der letzten Endes die großen „Erfolgszahlen“ verkündet werden. Ich kann das jetzt gar nicht alles aufarbeiten, aber einige Dinge habe ich mir herausgesucht:

„Die Hauptstadtregion war 2013 die wachstumsstärkste Region in Deutschland.“

Das ist schön. Das ist gut. Aber die Frage ist: Wie wachstumsstark wäre sie denn mit einem zentralen Großflughafen gewesen? Das ist doch die Frage. Die Frage ist nicht, wo wir stehen, sondern die Frage ist, wo wir stehen könnten, wenn Wirtschaftspolitik im Land Brandenburg richtig gegriffen hätte!

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU - Zurufe der Abgeord- neten Mächtig [DIE LINKE])

Dann gibt es auch solche Sachen wie „Förderung der Regionalen Planungsgemeinschaften bei der Erstellung von Energiekonzepten“. Wer sich mit dem Problem der Regionalen Planungsgemeinschaften beschäftigt, kann das doch beim besten Willen nicht als Erfolgsstory verkaufen.

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU)

Es wäre ein schöner Entschließungsantrag gewesen, wenn Sie gesagt hätten, wie wir in der Energiepolitik weiterkommen.

Dann kommt noch ein Highlight - „Erfolg“ des Ministers -: „regionale Energietouren des Ministers“, so wörtlich. Wow!

(Senftleben [CDU]: Hey, wow!)

Eine Energietour nach Berlin wäre sinnvoll gewesen, um das Problem unserer Preisentwicklung und der Netzentgelte zu klären.

(Domres [DIE LINKE]: Herr Beyer, das macht er doch regelmäßig! Hören Sie doch auf!)

Darüber haben wir auch schon gesprochen. Wo ist denn die Bundesratsinitiative? Aber „regionale Energietouren“! Alles wunderbar, alles gut.

(Glocke des Präsidenten - Zuruf der Abgeordneten Mäch- tig [DIE LINKE])

- Ja, ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Es kommen noch mehr Allgemeinplätze dieser Art. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedaure sehr, dass Sie es nicht schaffen, der Wirtschaft die Freiräume zu geben, die sie bräuchte. Dann würden wir gut dastehen in Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU - Müller [DIE LINKE]: Sagen Sie auch einmal etwas zur Sache? - Jürgens [DIE LINKE]: Das war ein inhaltsleerer Marketingbeitrag!)

Der Abgeordnete Vogel setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist verständlich, dass eine Landesregierung sich kurz vor Wahlen für ihre Erfolge feiern lassen will; das sei auch Rot-Rot gegönnt. Es wäre aber gut, wenn wenigstens ein Quäntchen eigene Leistung hinter den angepriesenen Erfolgen erkennbar würde. Ein solcher Nachweis - das gebe ich zu - ist speziell in der Wirtschaftspolitik kaum zu führen, weil sich die handelnden Akteure selten an Vorgaben aus dem Wirtschaftsministerium halten. Entscheidender sind die konjunkturellen Rahmenbedingungen, die Entwicklung der Finanzmärkte, bundesrechtliche Ausgestaltungen von Steuern und Abschreibungen oder Fördermechanismen wie das EEG. Das Stichwort Frankfurt (Oder) möge hier genügen.

Für Ostdeutschland ist vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle zudem empirisch belegt, dass unterschiedliche Regierungen mit unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Maximen und Förderpolitiken keinerlei signifikante Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung der ostdeutschen Länder hervorgebracht haben. Egal, ob Rot-Rot, Schwarz-Gelb oder SchwarzRot regiert - alle ostdeutschen Länder bewegen sich weitestgehend im Gleichklang.

Aber nicht nur deswegen ist die vorgebrachte Lobpreisung etwas verwegen. Rot-Rot hebt darauf ab, dass das Wirtschaftswachstum - das sagten Sie, Herr Loehr - in Brandenburg 2013 über dem Bundesdurchschnitt lag, genauer gesagt mit 0,7 % um 0,3 % über dem Schnitt aller Länder. Soll ich da jetzt dazu „Bravo!“ sagen?

(Jürgens [DIE LINKE]: Das wäre gut!)

Im Jahr 2011 lag übrigens das brandenburgische Wachstum um ganze 2,9 Prozentpunkte hinter dem Bundesdurchschnitt; da hatte Brandenburg 0,4 %, der Bund 3,3 %. Wenn wir diesen Kurs fortsetzen würden, hätten wir in neun Jahren den Rückstand des Jahres 2011 ausgebügelt.

Es geht noch weiter: Das Pro-Kopf-Einkommen in Brandenburg liegt seit fünf Jahren bei unverändert 71 % des Bundesdurchschnitts. Die Arbeitsproduktivität ist innerhalb von fünf Jahren um einen Prozentpunkt auf 78 % gestiegen. Mit einer Angleichung der Lebensverhältnisse aus eigener Kraft wäre bei Fortsetzung des bisherigen Anpassungskurses wohl frühestens in 100 Jahren zu rechnen. Da erinnern die Lobeshymnen auf die eigene Wirtschaftspolitik doch ein wenig an das intellektuell stark fordernde Konzept „Überholen ohne einzuholen“.

Wir meinen, Selbstbeweihräucherung hilft uns hier wirklich nicht weiter, sondern ist allenfalls geeignet, den Blick auf die Strukturschwäche und die eigentlichen Probleme des Landes zu verstellen. Es ist ja nun deutlich geworden, dass die industrielle Basis dieses Landes immer noch ausgesprochen dünn und fragil ist.

(Ness [SPD]: Sie wollen die doch sowieso kaputtmachen!)

Große Industriebetriebe sind leider Gottes zumeist oder ausschließlich Töchter oder Filialbetriebe multinationaler Konzerne.

(Jürgens [DIE LINKE]: Dafür kann der Minister Chris- toffers doch nichts! Das ist doch Unsinn, was Sie hier re- den!)

- Das sage ich ja auch gar nicht. Ich sage, das sind Strukturprobleme, die Schwächen des Landes darstellen und die man nicht einfach ausblenden kann. Darüber kann man nicht einfach hinweggehen.

Unsere Stärke liegt im Mittelstand; das ist hier angesprochen worden. Ich spare mir aber jetzt weitere Kennzahlen, aus denen man sehr deutlich ersehen würde, dass sich in Brandenburg in dieser Legislaturperiode wirtschaftspolitisch relativ wenig bewegt hat.

Dort, wo die Wirtschaftspolitik Akzente gesetzt hat oder setzen wollte - wie bei dem Konzept „Stärken stärken“ -, da sehen wir, dass man entweder gescheitert ist oder die Entwicklung stoppt.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das ist Unsinn!)

So ist die großspurig eingeführte Innovation der regionalen Wirtschaftsförderung in Form von regionalen Wirtschaftskernen weitestgehend wirkungslos. Eine aktuelle Untersuchung des Progress-Instituts für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigungsentwicklung der 15 RWKs schlechter gewesen ist als der Landesdurchschnitt. Was sagt uns das? Ähnlich liest sich der Tabellenanhang des neuesten RWK-Berichts der Landesregierung, der konzedieren muss, dass die Entwicklung im berlinnahen Raum alle Kennziffern überlagert - und ich füge hinzu: damit auch verfälscht.

Ähnlich sieht es mit der von uns Grünen ausdrücklich unterstützten Clusterstrategie aus. Die Etablierung der Cluster mit ihren jeweiligen Clustermanagementstrukturen sei im Wesentlichen abgeschlossen, heißt es im Mittelstandsbericht. Die weitere Entwicklung der Cluster solle auf Grundlage von Masterplänen erfolgen. Von den neun Clustern haben aber erst drei einen solchen Plan. Die Clusterstrategie wurde schon 2010 initiiert. Hier gibt es viel guten Willen, aber zu wenig Umsetzung. Über die seit Jahren hier verkündete Einführung des schnellen Internets sollte Rot-Rot lieber doch schamvoll schweigen.