Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014

(Vogel [B90/Grüne]: Für die Braunkohle!)

Die Energieregion Lausitz-Spreewald GmbH hat bereits frühzeitig einen Vorschlag der IHK Cottbus aufgegriffen und einen umsatzorientierten Zukunftsdialog in der Region Lausitz gestartet. Ziel ist es, die Region trotz sich verändernder Rahmenbedingungen zu einem zukunftsorientierten Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion zu entwickeln, bei gleichzeitiger Stärkung des Industrie- und vor allem Energieerzeugungsstandorts. Insbesondere Letzteres scheinen die Grünen nicht zu teilen. Diesen Prozess kann man gut finden oder auch nicht, aber man sollte ihn zumindest zur Kenntnis nehmen.

Im Mai 2012 wurde die Prognos AG beauftragt, eine Kompetenzfeldanalyse für den Zukunftsdialog der Energieregion Lausitz zu erstellen. Die regionalen Akteure wurden bereits in der Einarbeitungsphase eingebunden. In drei Regionalkonferenzen im August 2013 wurden die Ergebnisse der Kompetenzfeldanalyse den Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Verbänden, Politik und Sozialverbänden vorgestellt.

Auch wenn man als Grüner die Gutachten und die Arbeiten der Prognos AG für braunkohlefreundlich hält, bleibt festzuhalten, dass sich die Energieregion Lausitz in Sachen Zukunftsplan Lausitz in einem transparenten gesellschaftlichen Diskurs auf den Weg gemacht hat.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Den in der Lausitz begonnenen Zukunftsdialog gilt es auch vonseiten der Landesregierung und des Parlaments zu unterstützen. Das haben wir mit unserem Beschluss vom Februar 2013 bereits getan. Der Erfolg ist aber im Wesentlichen abhängig von den Ideen, der Akzeptanz und der Beteiligung der regionalen Akteure vor Ort.

Wenig zielführend ist ein solcher Prozess, wenn er, wie die Grünen per Antrag fordern, der Region von der Landesregierung übergestülpt wird. Ein solches Vorgehen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Nun komme ich zu dem von Ihnen geforderten Ausstiegsszenario 2030. In der Begründung kritisieren Sie, dass alle Abschätzungen und Vermutungen zur Bedeutung der Braunkohle für die Region auf einem Gutachten basieren. Diese Behauptung

ist - wider besseres Wissen - einfach falsch. Die Grundlage für die energiepolitischen Einschätzungen und Entscheidungen der Landesregierung bilden insgesamt elf Studien und Gutachten, darunter auch die bekannten Erdmann- und Hirschhausen-Gutachten. Warum erwähne ich dies? - Selbst das HirschhausenGutachten geht von einer Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2040 aus, wie meine Partei im Übrigen auch.

Das einzige Gutachten, welches das Jahr 2030 als Zeitpunkt der Beendigung der Lausitzer Braunkohleverstromung nennt, ist das Positionspapier der grünen Landtagsfraktionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg aus dem Jahr 2012. Es ist von der energiepolitischen Entwicklung längst überholt worden.

Grundlage dieses Positionspapiers ist die These, die gesamte Stromerzeugung aus Braunkohle in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg könne spätestens 2030 durch den Umstieg auf erneuerbare Energien in Kombination mit modernen Gaskraftwerken als Brücke ersetzt werden. Das ist zwar wünschenswert, aber entspricht zwei Jahre später nicht mehr der Realität.

Wir alle kennen die Diskussion auch in Brandenburg, wo wir von einer Kapazitätsleistung von Gaskraftwerken von 3 364 Megawatt ausgegangen sind. Das ist das Vierfache dessen, was im Jahr 2011 am Netz gewesen ist. Wir alle kennen die Projekte, die nicht realisiert wurden: Eisenhüttenstadt, Premnitz, Wustermark. Anlagen mit einer Leistung von 2 500 Megawatt wurden dort geplant. Bekanntlich sind diese Pläne nie umgesetzt worden. Das ist kein brandenburgspezifisches Problem. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, bundesweit werden Gaskraftwerke vom Netz genommen, weil diese nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Selbst das weltweit modernste Gaskraftwerk im bayerischen Irsching schreibt rote Zahlen und ist nur durch die Intervention der Bundesnetzagentur noch am Netz, leider auf Kosten des Stromkunden.

Zusammengefasst bleibt die Ablehnung Ihres Antrags aus zwei Gründen: Erstens. Ein Zukunftskonzept Lausitz, welches den Braunkohleausstieg im Jahr 2030 festschreibt, muss im Konsens mit der Region erarbeitet werden. Zweitens. Energiepolitisch ist das Jahr 2030 heute überhaupt nicht zu begründen. Ich verweise ausdrücklich auf die Evaluierung der Energiestrategie 2030. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Als nächster Redner spricht der Abgeordnete Beyer für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin spätestens seit gestern nicht mehr verdächtig, auf irgendwelche Redezeiten wegen Fußball zu verzichten. Ich kann es mir deshalb erlauben, es hier ganz kurz zu machen. In der Tat, lieber Herr Kollege Vogel, wenn man keine befriedigenden Antworten auf eine Große Anfrage bekommt, dann hängt das vielleicht damit zusammen, dass man nicht genügend Fragen gestellt hat. Ich weiß es nicht. Zumindest könnte der Verdacht aufkommen,

wenn man es mit der nächsten Großen Anfrage vergleicht, die wir auch noch zu behandeln haben. Sie haben es erwähnt.

Ansonsten will ich nur kurz darlegen: Wir könnten mit den ersten vier Punkten des Entschließungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitgehen. Die würde ich sogar persönlich jederzeit unterschreiben; denn egal wie lange man die Brücke fasst, über die wir immer so schön reden, haben wir jetzt auf alle Fälle die große Chance, ein Konzept zu entwickeln, wie es mit der Lausitz weitergehen soll. Diese Chance sollten wir uns in der Tat nicht vertun.

Was den Punkt 5 des Entschließungsantrages angeht, will ich sagen, dass wir damit nicht mitgehen können, weil wir der Meinung sind, dass über diese Frage die Brandenburgerinnen und Brandenburger befinden sollen. Darüber werden wir morgen in allen Details beraten. Daher kann ich es jetzt in der Tat ganz kurz machen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. - Damit geht das Wort an den Abgeordneten Dr. Hoffmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Thomas Domres, es ist interessant, dass du dich auf das Hirschhausen-Gutachten beziehst. Ich will nur daran erinnern: Im Braunkohleausschuss wurde gleich am Anfang festgestellt, dass wir es nicht zur weiteren Behandlung des Problems brauchten, weil das andere Gutachten, das im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt werde, besser sei, um die Aufgaben umzusetzen, die sich der Braunkohleausschuss in der Mehrheit vorgestellt hat.

Natürlich ist es mit dem Seenland eine ingenieurtechnische Leistung, selbst wenn einiges nicht klappt.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Und teuer ist!)

Wenn es wirklich klappt, dann ist es einmalig in der Welt, was dort geleistet wird. Ich warne aber davor, den lieben Gott spielen zu wollen, und ich bitte auch aufzupassen, dass wir Mitverantwortung tragen, wenn der beschlossene politische Erfolg ingenieurtechnisches Wissen in einigen Punkten vielleicht außer Kraft setzt. Das könnte gefährlich sein; denn selbst das, von dem wir glaubten, es wäre alles in Ordnung, ist nicht in Ordnung. Die Aufgabe ist schwieriger als gedacht.

Es geht darum, dass wir eben nicht eine Stimmung im Land unterstützen, wo immer wieder Wimpel aufgehängt werden, die identitätsstiftend sein sollen, aber nur Konfrontation befördern. Es geht darum, dass wir uns auf ein gemeinsames Problem fixieren und darüber streiten zum Zwecke des gemeinsamen Handelns, um diese große Aufgabe lösen zu können.

Deshalb: Nach Beantwortung dieser Großen Anfrage ist es richtig, glaube ich, dass wir einen Entschließungsantrag einbringen, der eben nicht will, dass wir sofort auf Braunkohle verzichten. Das sind seltsame Unterstellungen. Es ist wirklich

großer Unsinn, uns zu unterstellen, wir würden nicht mit den Leuten in der Lausitz reden. Manchmal reden die Leute vielmehr mit uns, mit den Abtrünnigen - aus der Sicht von so manch wichtigem Menschen hier. Wir haben mehr zu tun, als wir schaffen können, weil einige eben nicht mehr mit den Betroffenen, jedenfalls nicht mit allen Betroffenen reden.

(Beifall B90/GRÜNE)

In dem Entschließungsantrag wird ein Problem genannt und überhaupt nicht verniedlicht. Wir behaupten überhaupt nicht, dass das alles leicht zu machen sei. Ich denke, es gibt viel zu tun.

Die eigentliche Herausforderung - das ist der Kernpunkt - ist die Energiewende, und nicht die Suche nach Begründungen, warum noch immer an der Braunkohle festzuhalten ist. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt.

(Beifall B90/GRÜNE)

Hierbei geht es um Rahmenbedingungen. Diese müssen erarbeitet werden. Es geht um Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, Heimat zu bewahren. Es geht um Rahmenbedingungen, die es Unternehmen ermöglichen, auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien Gewinne zu erzielen zum Nutzen der Region und der betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner, und es geht um Rahmenbedingungen, die neue Arbeitsplätze durch die Energiewende schaffen, und nicht andersherum.

Dann gibt es noch einige Punkte mehr. Dafür reicht die Zeit aber nicht.

Ein gutes Beispiel, wie das lokal geht, ist das Dorf Proschim. Hier gibt es regionale wirtschaftliche Kreisläufe. Das Dorf versorgt sich komplett CO2-frei mit erneuerbarer Energie und kann auch die Nachbarn mit versorgen, und zwar völlig unabhängig vom Wetter. Völlig unabhängig vom Wetter sind sie in der Lage, sich und einige andere mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen.

Also: Wenn Proschim abgerissen wird und Lieske auf der Kippe stehen sollte, dann gewinnt eine veraltete Technologie gegen ein Beispiel lokal vollzogener Energiewende. Das sollten wir nicht zulassen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich werbe für den Entschließungsantrag und stelle mir kurz vor, dieser Text wäre Gegenstand einer Parteiveranstaltung der Linken. Ich glaube, wir hätten große Chancen, den Beschluss durchzubringen, allerdings, glaube ich, mit einer Änderung. Es wäre wahrscheinlich eine Zahl, eine Jahreszahl, zu ändern. Dann wäre das Ding durch. Es wäre richtig gut gewesen, hier einen entsprechenden Änderungsantrag zu stellen. Dann wäre es, glaube ich, der richtige Weg.

(Beifall B90/GRÜNE)

Minister Christoffers spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Ich finde es politisch und sozial vollkommen nachvollziehbar, dass eine intensive Debatte über den Bergbau und die Konsequenzen für die Betroffenen und die Region geführt wird. Es ist völlig klar, dass es eine Thematik ist, deren Umsetzung in Lebenswirklichkeiten eingreift, und zwar in einer Art und Weise, wie es wenige andere Wirtschaftszweige bzw. -entwicklungen tun. Das will ich vorab feststellen. Deshalb habe ich hohe Achtung vor jeder Position, auch wenn ich sie nicht teile. Insofern gibt es zumindest bei den Linken auch keine Abtrünnigen und kann ich mit unterschiedlichen Positionen sehr gut umgehen.

Ich will an dieser Stelle auch deutlich sagen, Heimat ist durch nichts zu ersetzen, sondern Heimat, wenn sie verlorengeht bzw. wenn man umgesiedelt wird, kann man nicht ersetzen, sondern das kann man nur abmildern. Das wissen wir alle. Gerade deswegen ist es politisch ein ausgesprochen ernstes Thema.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch eine weitere Bemerkung. Niemand setzt sich irgendwo in ein dunkles Zimmer und denkt sich aus, wie kann ich den nächsten Beschluss fassen, der negative Konsequenzen für die Betroffenen, beispielsweise durch Umsiedlung, hat. Insofern, Herr Vogel, war ich über Ihre Bewertung der Antworten überrascht.

Dass Sie möglicherweise keine regionalwirtschaftliche Bedeutung herauslesen, verwundert mich schon. Sie stellen Fragen, die man so nicht beantworten kann. Sie wissen auch, dass man diese Fragen aufgrund der statistischen Daten so nicht beantworten kann. Wir haben Ihnen dann, um Ihnen den Zugang zu ermöglichen, die Studien genannt, mit denen wir arbeiten, und wir reden nicht nur über eine Studie. Wenn ich alles zugrunde lege, dann reden wir auch nicht über elf, sondern über fast zwei Dutzend Studien, Stellungnahmen und Ähnliches, die eingeflossen sind. Das ist das normale Verfahren.

Nach der Wirtschaftsklassifikation gibt es eben keine Erhebung von Steuerdaten. Deswegen wird in einem solchen Fall eine Gesellschaft beauftragt, über Studien herauszubekommen, wie die regionalwirtschaftliche Bedeutung ist. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Insofern, Herr Vogel, gehe ich davon aus, egal was wir aufgeschrieben hätten, den Antrag hätten Sie trotzdem gestellt, und Sie hätten trotzdem gesagt, die regionalwirtschaftliche Bedeutung sei nicht so hoch wie behauptet.

Nun zum Strukturwandel in der Lausitz. Wissen Sie, einerseits sagen Sie, die Rolle der Braunkohle sei nicht mehr so hoch. Darin gebe ich Ihnen ausdrücklich Recht. Ich erinnere mich noch genau an die Debatte über Hornow. Damals war die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle in der Lausitz eine andere als heute. Dass sie eine andere ist als heute ist auch ein Ausdruck eines Strukturwandels, der in der Lausitz seit Jahren, ich sage einmal, mitgestaltet wird. Insofern beklage ich auch nicht den Zustand, dass die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle zurückgegangen ist. Das ist eine politische Zielstellung zur Entwicklung einer Region, zur Entwicklung des Bundeslandes Brandenburg insgesamt.

Herr Domres hat schon darauf hingewiesen: Der Zukunftsdialog wird seit Jahren geführt. Seit Jahren wird er geführt. Wir hatten in der letzten Woche in Cottbus unsere Industriekonferenz. Wir wissen, wie mit den Aussagen der Landesregierung umgegangen wird. Daher haben wir extra das ifo-Institut beauftragt, uns wissenschaftlich aufzuarbeiten, wie die Industriestruktur in der Lausitz ist. Prof. Ragnitz vom ifo-Institut hat der Industriestruktur in der Lausitz einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt. Sie ist eine der besten im Land Brandenburg.

Was wir in der politischen Debatte nur immer nicht richtig nachvollziehen

(Abgeordneter Bretz [CDU] tippt mit dem Finger auf seine Uhr.)

- ich komme sofort zum Schluss -, ist, wie weit wir eigentlich schon gekommen sind. Die BTU Cottbus ist einer der wichtigsten Ansprechpartner. Wir sind dabei, aus der Lausitz heraus die Zusammenarbeit nicht nur mit Sachsen und Sachsen-Anhalt auf wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Basis auszubauen. Wir haben dafür gesorgt, dass Cottbus in der künftigen GRW-Fördergebietskulisse als grenznahe Region als ein besonderes Gebiet ausgewiesen wird, um sicherzustellen, dass sie einen erhöhten Fördersatz haben können.

Wir haben eine verifizierte Struktur im KMU-Bereich; der Bereich erneuerbare Energien ist mindestens gleichwertig mit der regionalwirtschaftlichen Bedeutung der Braunkohle. Alles das ist seit Jahren als Strukturumbruch im Gange. Diesen Strukturumbruch werden wir auch fortsetzen. Dafür gibt es vier Schwerpunkte. Das ist einmal die Fachkräftesicherung, bei der wir mit Partnern dabei sind, das Konzept zu erstellen. Es geht um die Stärkung der Innovationstätigkeit, also F+E, Forschung und Technologieentwicklung - dazu haben wir hier schon mehrfach etwas gesagt. Es geht um die Weiterentwicklung des RWK-Prozesses, es geht um Infrastrukturprojekte, und es geht um die Zusammenarbeit mit Polen.

Das ist, was uns die Wissenschaft für die Lausitz empfiehlt, das setzen wir um, und das werden wir auch zukünftig zur Strukturentwicklung der Lausitz unterstützen. - Vielen Dank. Hier liegt noch ein Kugelschreiber.