Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 97. und vermutlich letzte Sitzung in dieser Legislaturperiode. Seien Sie herzlich willkommen! Ich möchte vor Eintritt in die Tagesordnung herzliche Glückwünsche aussprechen. Bettina Fortunato hat heute Geburtstag. Alles Gute!
Ich hoffe, es wird ein umfassend glücklicher Tag, wenngleich man sich sicherlich vorstellen könnte, seinen Geburtstag andernorts zu verbringen.
Gibt es Bemerkungen zur Arbeitsfassung der Tagesordnung? Das sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer mit der vorliegenden Tagesordnung einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Beides ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.
Ich habe folgende Abwesenheiten zu verkünden: Es fehlen ganztägig Frau Ministerin Tack, die durch Minister Dr. Markov vertreten wird, sowie die Abgeordneten Kosanke und Folgart.
- Oh! Herr Folgart ist da. Man sollte wirklich in die Runde blicken und nicht nur auf’s Papier. Und Herr Kosanke, ist er auch da? - Nein, ihn sehe ich nicht. Es fehlt also nur Herr Kosanke ganztägig.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüße ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Sportbetonten Gesamtschule Potsdam. Seid herzlich willkommen! Ihr erlebt eine spannende letzte Landtagssitzung.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einbringenden Fraktion. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Schönen guten Morgen! Der Kollege Ness hat in seiner gestrigen Rede zur Aktuellen Stunde gleich zu Beginn die Frage in den Raum gestellt, die ich Ihnen sehr gern beantworte
- nein, warten Sie ab; Sie kennen die Antwort noch nicht -, warum wir quasi zwei Aktuelle Stunden zum selben Thema beantragt hätten. Kollege Ness, dem ist nicht so! Denn während Sie sich gestern zusammen mit der Kollegin Mächtig im gegenseitigen Schulterklopfen und Danksagen geübt haben, denke ich, dass der Anspruch der Brandenburgerinnen und Brandenburger nicht nur darin besteht, darauf zu schauen, was in den vergangenen fünf Jahren in diesem Parlament an politischer Arbeit umgesetzt wurde, sondern auch darin, zu erfahren, vor welchen Herausforderungen dieses Land steht. Deshalb, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich in dieser Aktuellen Stunde einige Punkte anspreche, deren Umsetzung wir Liberale in der nächsten Legislaturperiode für notwendig halten.
Wir wissen: Diese Legislaturperiode ist Geschichte. Nun geht es darum, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu sagen, wie ihre persönliche Zukunft aussehen soll und welche Dinge wir in der Verantwortung für unser Land umzusetzen haben.
Gestatten Sie mir, weil meine Fraktion es nach wie vor für wichtig hält, dass wir uns um die Grundlagen kümmern, einige wenige Sätze zum Thema Bildung zu sagen. Gestern gab es eine Demonstration von mehreren hundert Kindern sowie Erziehern und Eltern, die sich um die frühkindliche Bildung in diesem Land Sorgen machen; einige Kollegen waren dort. Diese Sorgen muss man ernst nehmen, denn es geht darum, wie wir unseren Kindern - unserer Zukunft - eine gute Elementarbildung angedeihen lassen können. Es ist der Auftrag für die nächste Legislaturperiode, endlich eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels in der frühkindlichen Bildung hinzubekommen.
Es ist notwendig, meine Damen und Herren, dass wir in der Zukunft besser darauf achten, dass die Erzieher in der Elementarbildung Portfolios nicht - unentgeltlich - in ihrer Freizeit schreiben müssen - spät abends, um am nächsten Morgen die Kinder wieder zu betreuen. So etwas muss im Betreuungsschlüssel berücksichtigt werden.
Ich glaube, dass wir in der Bildung insgesamt ein Systemproblem haben. Wir sind doch alle der Auffassung, dass Elementarbildung die wichtigste Bildung ist, die wir unseren Kindern mitgeben können. Deswegen verstehe ich nicht - das ist eine Aufgabe, der wir uns alle zu stellen haben -, warum diejenigen, die in der Elementarbildung tätig sind, die Erzieherinnen und Erzieher, in unserem Bildungssystemen am allerwenigsten verdienen. Das erschließt sich mir nicht, und das ist eine Aufgabe, die dieses Parlament zu lösen hat.
Ebenso, meine Damen und Herren, Frau Ministerin - ich will gar nicht über den Unterrichtsausfall und Ähnliches reden -, glaube ich, dass es ein Fehler in dieser Legislatur war, Kürzungen bei den Schulen in freier Trägerschaft vorzunehmen.
Auch ein Bildungssystem lebt vom Wettbewerb zwischen den Schulen - wir erleben es an vielen Stellen -, und ich bin der
Überzeugung, dass wir uns gerade vor dem Hintergrund von 400 Schulschließungen in den Jahren von 1999 bis 2009 dazu entschließen sollten, den Versorgungsauftrag auch an die Schulen in freier Trägerschaft zu geben.
Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung unseres Landes sind gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wir müssen unser Land für die Zukunft fit machen, nicht nur, weil es ein Selbstzweck ist, sondern weil der Wettbewerb stärker wird, weil auch wir in Brandenburg globaler geworden sind und die Globalisierung vor unserem Land richtigerweise keinen Halt macht. Es geht um den brandenburgischen Mittelstand, der das Rückgrat unserer Gesellschaft ist. Die Wirtschaft braucht, wie gesagt, gute Rahmenbedingungen. Sie braucht ein gut ausgebautes Straßennetz, welches nicht auf Verschleiß gefahren wird. Wir wissen, wir müssen mehr in die Landesstraßen investieren, und deswegen wird in der nächsten Legislaturperiode der Auftrag lauten, uns deutlich intensiver um den Zustand unserer Landesstraßen zu kümmern und den Haushalt des Infrastrukturministeriums entsprechend auszustatten.
Ebenso geht es um den Breitbandausbau in unserem Land. Herr Ministerpräsident a. D. Platzeck, Sie hatten 2008 versprochen, bis 2009 alle weißen Flecken zu beseitigen. Dieses Versprechen ist von der Landesregierung nicht eingehalten worden. Wir haben im Land heute noch enorm viele weiße Flecken. Das behindert natürlich unsere Entwicklung, und die demografische Entwicklung wird dadurch noch verschärft. Viele Menschen mit Berufen, die es ermöglichen, von zuhause aus zu arbeiten, würden gern in ländliche Regionen ziehen. Aber Voraussetzung dafür ist eine schnelle Internetverbindung. Schnell ist eine Übertragung nicht mit 1 oder 2 Megabit, sondern mit 50 Megabit pro Sekunde. Dieser Aufgabe werden wir uns zukünftig zu stellen haben.
Die politische Entscheidung zur Ausweitung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen war ebenso falsch wie das Vergabegesetz, welches zu neuen Hürden und vergabefremden Regelungen geführt hat. Aus unserer Sicht sind diese Regelungen rückgängig zu machen, und der Wirtschaft ist die Möglichkeit zu geben, an öffentlichen Aufträgen vernünftig teilzuhaben. Es sind die richtigen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes zu setzen, sie darf nicht in ein staatliches Regelungskorsett gesteckt werden.
Die großen Herausforderungen liegen auch im Bereich Gesundheit und Pflege. Ich habe nicht verstanden, warum Ministerin Tack bis heute nicht erkannt hat, dass wir einen dramatischen Ärztemangel in unserem Land haben. Ich erinnere an eine ihrer letzten Reden, in der sie den Ärztemangel „so nicht festgestellt“ hat. Wir wissen aber um die Situation, dass Fachärzte keine Patienten mehr annehmen. Das können wir uns nicht leisten. Es kann doch in einem Land wie Deutschland bzw. Brandenburg nicht wahr sein, dass Fachärzte und selbst Allgemeinmediziner keine Patienten mehr annehmen, weil sie überlastet sind. Genauso betroffen ist der Pflegebereich, um den wir uns in diesem Hause intensiv gekümmert haben.
Eine weitere Herausforderung wird sein, die Sicherheit unserer Bevölkerung zu garantieren. Es gab in den vergangenen Jahren
einen massiven Stellenabbau bei der Polizei - immer mit falschen Vergleichen und unter falschen Voraussetzungen. Wir haben uns gern mit dem Land Schleswig-Holstein verglichen. Das Land Schleswig-Holstein hat ganz andere Voraussetzungen. Wir sind ein Transitland - auch ein Transitland für Kriminalität. Die Sorgen der Menschen in der Grenzregion müssen ernst genommen werden. Es wird nicht ausreichen, vier Hundertschaften an die Grenze zu schicken - wenn auch langfristig -, wenn wir wissen, dass sie auch an anderen Stellen in unserem Land benötigt werden. Es wird nur gehen, indem wir mehr Anwärter als vorgesehen in den Polizeidienst aufnehmen, die an der Fachhochschule der Polizei ausgebildet werden. Eine freie Gesellschaft braucht, um sich entfalten zu können, ein vernünftiges Maß an Sicherheit.
Meine Damen und Herren! Ich will auf einen Punkt eingehen, der uns alle in dieser Legislaturperiode beschäftigt hat und der auch in der Zukunft von Bedeutung sein wird: Menschen, die in unser Bundesland kommen, dringend benötigte Fachkräfte, aber eben auch Flüchtlinge. Meine Fraktion hat sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv um die Flüchtlingspolitik in diesem Land gekümmert. Wir haben die Unterbringungskonzeption, wir haben den Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen, die in unser Land kommen, diskutiert. Ich möchte für uns Liberale klar und deutlich festhalten: Alle Menschen, die nach Brandenburg kommen, sind uns willkommen - egal vor welchem Hintergrund. Unser Brandenburg ist ein weltoffenes, tolerantes und liebenswertes Land.
Seit vielen Hundert Jahren ist unsere Region ein Zuwanderungsland, und ich wünsche mir, dass wir dieses Thema, gerade nachdem wir den Sozialreport gelesen haben - Sie alle kennen ihn -, wonach es unter den Brandenburgern eine große Abneigung und Vorbehalte gegenüber Menschen, die aus anderen Ländern hierher kommen, gibt, zu einem Zukunftsthema machen - für gleiche Chancen, für den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, für gleiche Bildungschancen aller Flüchtlinge, die in unser Land kommen. Sie sollen in unserem Land willkommen sein.
Die Aufgaben werden in Zukunft nicht kleiner, sondern größer - auch durch weniger Finanzzuweisungen. Deswegen muss sich das Land auf seine eigentlichen Aufgaben, auf die Kernaufgaben konzentrieren. Ja, wir Liberalen haben andere Ansichten als SPD und Linke; das ist auch gut so. Wir haben in vielen Bereichen auch andere Ansichten als CDU und Grüne, das ist auch gut so.
Aber uns alle eint der Wille, unsere Heimat zu entwickeln und den Menschen echte Zukunftsperspektiven zu geben. Wir, meine Damen und Herren, stehen für gute Bildung von Anfang an, für Sicherheit in Freiheit mit einer starken und gut ausgestatteten Polizei, ohne weitere Eingriffe in die Rechte der Bürger, für ein Land, in dem Leistung sich lohnt, und diejenigen, denen das Schicksal nicht wohlgesonnen war, nicht auf der Strecke bleiben. Dies ist die Herausforderung für die Zukunft unserer Heimat Brandenburg. Dies ist die Herausforderung, der sich
dieses Parlament auch in den kommenden fünf Jahren zu stellen hat. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Geywitz hat das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Büttner, Sie haben mich vor eine sehr schwierige Aufgabe gestellt. Als ich den Titel der Aktuellen Stunde las, dachte ich: Oha, dritter Plenartag morgens, selbiges Thema wie am Vortag. Verweist du da einfach auf die gestrigen Ausführungen und sagst, damit ist alles gesagt? - Das möchte ich nicht tun, denn es ist das gute Recht jeder Fraktion, das Thema für die Aktuelle Stunde festzulegen bzw. zu beantragen. Ich finde, der Respekt der Kollegen untereinander gebietet es, dass man sich mit dem Thema der Aktuellen Stunde entsprechend auseinandersetzt.
Wenn wir gestern eine Stunde lang eine spannende und emotionale Debatte über die Bilanz „Fünf Jahre rot-rote Landesregierung“ geführt haben, so habe ich nachgedacht, was heute mein Beitrag sein könnte. Ich dachte, vielleicht kann man einmal Bilanz über „Fünf Jahre FDP“ ziehen.
Nun weiß ich, dass die FDP sich in einer psychisch schwierigen Situation befindet, deswegen mache ich keine Scherze, sondern meine das ganz ernst. Ich habe gestern Abend das Wahlprogramm der FDP von 2009 in die Hand genommen. Es war nämlich gar nicht so leicht, Bilanz über die Arbeit einer Oppositionsfraktion zu ziehen; denn ziemlich viel von dem, was Sie beantragt haben, haben wir verhindert. Wir standen der freien Entfaltung der liberalen Politik doch manches Mal im Wege. Ich habe gestern Abend ein, zwei Stunden das Wahlprogramm der FDP von 2009 gelesen und mich gefragt: Was haben sie damals, als sie zu uns kamen, gewollt? Was davon haben wir umgesetzt?
(Widerspruch bei FDP und CDU - Senftleben [CDU]: „Als sie zu uns kamen“ - Wo lebt ihr denn? - Büttner [FDP]: Gehört Ihnen das Parlament?)