Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

(Beifall AfD)

Herr Minister, wollen Sie darauf antworten?

Diskriminierungsfreies Clearing bedeutet überhaupt nicht, dass keine Altersfeststellung stattfindet. Es gibt verschiedene Verfahren in der Jugendhilfe, die zu einem Clearing führen. Es ist ja keine Waschmaschine, sondern ein Verfahren, in dem man mit jungen Menschen spricht, um deutlich zu machen, welche Erfahrungen sie im Leben gesammelt haben, ohne das auf diskriminierende, gesundheitseinschätzende Werte zu reduzieren. Über diesen Punkt reden wir hier.

In der Tat kann es sein, dass es kriminelle Banden gibt. Die gibt es in Deutschland, die gibt es von Deutschen, die gibt es in Deutschland auch mit Flüchtlingen - sicherlich gibt es die, aber eben nicht in dem gleichen Maß, in dem die Deutschen kriminell sind. Das ist inzwischen erwiesen. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es einzelne Flüchtlinge gibt, die sich anders verhalten als die große Gruppe von Flüchtlingen. Sie haben jedoch verallgemeinert und von dieser geringen Zahl von Kriminellen auf die vielen anderen im Land, die sich vollkommen richtig verhalten, geschlossen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Frau von Halem verzichtet auf ihren Redebeitrag, und damit sind wir am Ende der Rednerliste angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der AfD-Fraktion, Drucksache 6/111, zur Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie - federführend - und den Ausschuss für Inneres und Kommunales. - Wer dem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Dr. Gauland [AfD]: Ja, so ist das mit der roten Koalition! - Bischoff [SPD]: Gott sei Dank ist das so!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 6/1119 - Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Brandenburg verbessern! - Wer dem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt eröffne, begrüße ich herzlich zahlreiche Einzelbesucher auf unserer Besuchertribüne, die sich zum nachfolgenden Tagesordnungspunkt bei uns eingefunden haben. Herzlich willkommen im brandenburgischen Landtag!

(Allgemeiner Beifall)

Ich eröffne Tagesordnungspunkt 5:

Ja zum Volksbegehren zum Nachtflugverbot am BER

Antrag der Abgeordneten Christoph Schulze, Iris Schülzke und Péter Vida BVB/FREIE WÄHLER Gruppe

Drucksache 6/1125 (2. Neudruck)

in Verbindung damit:

Volksbegehren gegen Nachtflug umsetzen

Antrag der Abgeordneten Christoph Schulze, Iris Schülzke und Péter Vida BVB/FREIE WÄHLER Gruppe

Drucksache 6/1165 (2. Neudruck)

Zu uns spricht nun der Abgeordnete Schulze für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe bei einigen schon wieder die leicht angenervten Gesichter und freue mich. Lassen Sie mich meinen Redebeitrag mit einem Zitat einleiten. Sie können dann kurz raten, von wem dieses Zitat stammt: Jeder Ministerpräsident des Landes Branden

burg hat den Auftrag des Landtages für Nachtflugverbot und Lärmschutz durchzusetzen.

Kleine Ratepause. - Gut, Sie kommen nicht drauf. Das hat Ministerpräsident Platzeck am 27. Februar 2013 gesagt.

Nun ein zweites Zitat:

„Ein gebrochenes Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen.“

Wer hat das wohl gesagt? Das hat Johannes Rau, eine Ikone der Sozialdemokratie, gesagt. Warum war er eine Ikone? Weil er sich an sein Wort gehalten hat, weil er einen geradlinigen Weg gegangen ist, seiner christlichen Ethik zuliebe.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren! Warum stehen wir hier und reden über diesen Antrag bzw. diese zwei Anträge, die in einem Tagesordnungspunkt - „Ja zum Volksbegehren Nachflugverbot am BER“ - zusammengefasst worden sind? Wir reden darüber, weil in diesem Lande seit zehn Jahren hemmungslos gelogen, getäuscht, getrickst wird, und das hat seinen Höhepunkt 2010 gefunden, als die Flugroutenlüge herauskam. Nun werden Sie sagen: Ach, das weiß ich gar nicht. - Dann werde ich Ihnen kurz auf die Sprünge helfen.

Im Jahre 1998 hat Götz Herberg, damaliger Chef der Flughafengesellschaft - die hieß damals noch anders -, in einem Brief ans Ministerium dieses gebeten, die Frage der abknickenden Flugrouten im Plangenehmigungsverfahren nicht zu thematisieren. Dieser Brief tauchte 2012 beim Oberverwaltungsgerichtsverfahren auf, und bereits im Jahr 2008 - nachweislich der Aktenlage - wusste die Landesregierung Bescheid, dass sich die Flughafengesellschaft im Rahmen des Schallschutzprogrammes weder an die Flugrouten noch an die Vorgaben aus dem Schallschutzgerichtsbeschluss - 0 x 55 dB(A) - zu halten gedenkt. Das alles wurde lange unter der Decke gehalten, aber als im September 2010 die Flugrouten vom Bundesamt plötzlich öffentlich gemacht wurden, war das Entsetzen in der Bevölkerung groß, und dann ging es los. Der Punkt ist: Die Landesregierung wusste Bescheid, aber sie hat es vertuscht.

Dann wurde immer behauptet, das Schallschutzprogramm sei richtig, 6 x 55 dB(A) könne man interpretieren. Daraufhin, im April 2012, sind Bürgerinnen und Bürger vor das Oberverwaltungsgericht gezogen und haben einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erwirkt. Daraufhin gab es hier eine Landtagsdebatte - noch nicht in diesem Haus, sondern noch im alten „Kreml“ -, und in dieser Sitzung habe ich Herrn Vogelsänger seinerzeit Verkehrsminister -, der die 6 x 55 dB(A) als rechtmäßig verteidigt hat, gefragt: Herr Minister, was tun Sie, wenn das Oberverwaltungsgericht nicht nur einen Beschluss fasst, sondern zu einem Urteil kommt? Treten Sie dann zurück? Darauf gab es weder eine Antwort noch einen späteren Rücktritt.

Der Punkt ist: Das Oberverwaltungsgericht hat im April 2013 einen Gerichtsbeschluss, ein Gerichtsurteil gefasst und der Landesregierung und der Flughafengesellschaft „systematischen Rechtsbruch“ vorgeworfen. Ich wüsste nicht, was es in diesem Lande Schlimmeres gibt, als einer Regierung systematischen Rechtsbruch vorzuwerfen. Dem hat keiner widersprochen. Dann

wurde noch ein wenig herumgetrickst und geschaut, ob man da noch etwas machen könnte. Herr Mehdorn wollte dann vor dem Oberverwaltungsgericht ein Beschwerdeverfahren - entweder Zulassung oder usw. - anstreben. Die Landesregierung war dann so klug, Herrn Mehdorn Ketten anzulegen und zu sagen: Das lassen wir jetzt, wir treiben es nicht auf die Spitze. Dann hat man sozusagen einzulenken versucht.

Meine Damen und Herren! Aus der Flugroutenlüge entstand die Volkinitiative für ein landesplanerisches Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Diese Volksinitiative legte hier im November 2011 nicht ganz 40 000 Unterschriften vor, und der damalige Landtag, 5. Wahlperiode, meinte, das könne man einfach abbügeln: Ist ja nicht so wichtig, sind ja nur 40 000 Wutbürger, interessiert uns nicht. - Ich war damals noch Mitglied der SPDFraktion, habe versucht, dafür zu werben, dass man auf die Leute zugehen muss, dass es so nicht geht. Aber die SPD-Fraktion wollte nicht. Man hielt das für indiskutabel. Das war der Grund, aus dem ich aus der SPD-Fraktion ausgetreten bin. Man dachte: Schmettern wir diese Volksinitiative ab, dann verläuft sich das im Sande. Die 80 000 Unterschriften schaffen die nie.

Aber es kam, wie es kommen musste: Im Dezember 2012 sickerte durch: Die haben über 100 000 Unterschriften. Dann fing hier im Landtag Brandenburg die hektische Panik an. Was können wir machen? Wie gehen wir damit um? Was ist, wenn es zu einem Volksentscheid kommt? Es gab mittlerweile Ergebnisse einer Umfrage, wonach sich mehr als die Hälfte der Befragten im Land Brandenburg vorstellen konnte, diesem Volksbegehren im Rahmen eines Volksentscheides zuzustimmen. Panik, Panik, Panik!

Was passierte dann im Januar 2013? Hektische Aktivitäten und dann die grandiose Überlegung: Wir nehmen das Volksbegehren an. Und so ist es dann auch passiert. Am 27. Februar 2013 wurde das Volksbegehren angenommen - mit jeder Menge Parallelbeschlüssen, zum Beispiel einem Entschließungsantrag von SPD und Linkspartei, und mit allen möglichen Klauseln, aus denen das Verständnis für die Betroffenen zum Ausdruck kommen sollte: Wir verstehen das, hohe Anerkennung etc. Darauf werde ich später noch zu sprechen kommen.

Im Ergebnis kam jedoch nichts dabei heraus. Wir mussten am Ende der Wahlperiode feststellen: Alle stehen mit leeren Händen da. 106 000 Bürger haben unterschrieben, aber geliefert wurde nichts.

Meine Damen und Herren! Es gab einige, die von Anfang an vermutet haben, dass die Annahme des Volksbegehrens nur ein Täuschungsmanöver ist, um über die Landtagswahl zu kommen. Mittlerweile wissen wir, dass es so ist, denn außer leeren Worten wurde nichts geliefert: Ausreden, Tatenlosigkeit allerorten. Ich zitiere noch einmal den Ministerpräsidenten aus einer Landtagsdebatte vom 27. Februar 2013 hier im Landtag Brandenburg: Es ist der Auftrag eines jeden Ministerpräsidenten, den Auftrag des Landtages Brandenburg für Schallschutz und Nachtflugverbot durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, da muss man nichts verkürzen. Das ist so.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie den Antrag gelesen haben, wissen Sie, dass wir nicht mehr und nicht weniger erreichen wollen. Es gibt eine hohe Kontinuität zwischen dem Land

tag der 5. Wahlperiode und dem der 6. Wahlperiode. Es gibt sicher neue Kollegen, aber auch viele, die damals schon dabei waren und die Geschichte kennen. Wir möchten, dass sich der Landtag Brandenburg zu dem Volksbegehren von damals bekennt. Denn wenn das Volksbegehren damals nicht abgewürgt worden wäre und man es zum Volksentscheid hätte weiterlaufen lassen, wäre der Volksentscheid entsprechend dem Gesetz zur Ausführung von Artikel 76 der Verfassung des Landes Brandenburg da gewesen, und dann hätte man das nicht so einfach mit Tatenlosigkeit etc. wegbügeln können. Deswegen möchten wir heute, dass der Landtag Brandenburg, 6. Wahlperiode, sich zu diesem Beschluss bekennt.

Sie alle haben das Gutachten, das die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Diskontinuität in Auftrag gegeben hat, gelesen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass Sie wissen, dass der Beschluss von damals heute nicht mehr gilt, und zwar nicht nur politisch, sondern grundsätzlich ist er das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben stand. Deswegen möchte ich, dass wir heute hier, möglichst im Rahmen einer namentlichen Abstimmung, Klarheit dazu herstellen, wer sich dem Anliegen von 106 000 Bürgerinnen und Bürgern nach wie vor verpflichtet fühlt.

Meine Damen und Herren! Wir haben hier mittlerweile die Volksinitiative zur dritten Start- und Landebahn, und ich erinnere in dem Zusammenhang an den Antrag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25. September 2013, mit dem man versucht hat, dem Volksbegehren in der Frage der Umsetzung einen gewissen Schub zu geben. Wir wissen alle, die Krux bei dem Problem ist die Frage des Landesplanungsstaatsvertrages.

Als wir ihn abgeschlossen haben, wussten, glaube ich, nicht alle - ich auch nicht -, dass, wenn der Landtag einen Staatsvertrag mit einem anderen Land abschließt, nur der Ministerpräsident ihn kündigen kann, der Landtag dann aus dem Verfahren also grundsätzlich heraus ist. Es gab damals den Antrag, den Ministerpräsidenten aufzufordern, den Staatsvertrag zu kündigen, wenn sich Berlin nicht bewegt. Berlin hat sich nicht bewegt; der Antrag wurde abgelehnt. Ich denke, wir müssen in der Frage eine Neuauflage machen. Deswegen fordern wir Sie diesbezüglich dazu auf.

Meine Damen und Herren, in der Politik ist die Währung das Wort. Man verspricht den Leuten etwas. Wenn man sein Wort hält, ist das Wort etwas wert; das nennt sich Glaubwürdigkeit. Wenn man sein Wort nicht hält, wird man unglaubwürdig man wird quasi zahlungsunfähig. Wir werden heute Ihre Zahlungsfähigkeit prüfen, meine Damen und Herren. Ich freue mich auf die Abstimmung und die weitere Diskussion. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie der Abge- ordneten Jung und Vogel [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. Herr Abgeordneter Schulze, ich möchte Sie bitten, bei Ihrem nächsten Redebeitrag nicht so viel Gepäck mitzubringen und hier sichtbar zur Schau zu stellen; ich meine das Buch. - Danke schön.

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion erhält jetzt der Abgeordnete Bischoff das Wort. Bitte schön.

Meine Damen und Herren! Ich habe genau zugehört - zehn Minuten Vortrag des Abgeordneten Christoph Schulze.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: 8 Minuten 30!)

- 8 Minuten 30, um korrekt zu sein: Zehn Jahre hemmungslos getäuscht, getrickst, gelogen, vertuscht durch die Regierung, Panik, Panik, Panik, hektische Aktivitäten, Täuschungsmanöver, Ausreden, Täuschungen! - Das sind nur ein paar Punkte aus der Welt des Christoph Schulze. Seine Welt scheint so zu sein, als würde es eine ganz große Verschwörung zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund geben und im Kern alles nur in dunklen Zimmern stattfinden. Kollege Schulze, ich darf aus einem Papier zitieren, das Ihnen und allen anderen Abgeordneten zugänglich ist, aus dem Koalitionsvertrag der rot-roten Regierungskoalition: