Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

- 8 Minuten 30, um korrekt zu sein: Zehn Jahre hemmungslos getäuscht, getrickst, gelogen, vertuscht durch die Regierung, Panik, Panik, Panik, hektische Aktivitäten, Täuschungsmanöver, Ausreden, Täuschungen! - Das sind nur ein paar Punkte aus der Welt des Christoph Schulze. Seine Welt scheint so zu sein, als würde es eine ganz große Verschwörung zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund geben und im Kern alles nur in dunklen Zimmern stattfinden. Kollege Schulze, ich darf aus einem Papier zitieren, das Ihnen und allen anderen Abgeordneten zugänglich ist, aus dem Koalitionsvertrag der rot-roten Regierungskoalition:

„Mehr Nachtruhe zu erreichen bleibt eine Daueraufgabe. Die Koalition unterstützt nach wie vor dieses Anliegen und wird bei den Forderungen an die Miteigentümer des Flughafens nicht nachlassen. Die Erhebung hoher Nutzungsentgelte für Starts und Landungen in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr stellt eine Möglichkeit dar, Starts und Landungen in diesem Zeitraum wirtschaftlich unattraktiv zu machen. Die Koalition wirkt darauf hin, dass das Umfeld des Flughafens BER zur Modellregion beim Thema Gesamtlärmbetrachtung wird.“

Wir haben im Jahr 2013 die Volksinitiative sehr wohl in dem Wissen angenommen, dass es schwer sein wird, sie bei den Gesellschaftern Bund und Berlin 1:1 umzusetzen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Ich möchte bitte erst meinen Redebeitrag zu Ende bringen; vielen Dank. - Wir haben die Volksinitiative dennoch angenommen und die Formulierung im Koalitionsvertrag eingefügt, weil wir davon überzeugt sind, dass die Bewohnerinnen und Bewohner in der Nähe des Umfeldes den bestmöglichen Lärmschutz verdient haben. Wo dies möglich ist, meine Damen und Herren, wird es auch gemacht. Die Voraussetzungen, die finanziellen Mittel, die hierfür zur Verfügung stehen, zählen - das ist ein Dauerthema im Sonderausschuss BER - zu den höchsten, die man in Europa in dieser Richtung überhaupt bis jetzt festgelegt hat.

Wir haben mehrere Punkte vor uns. Ich sage noch einmal zu Christoph Schulze: Wer jetzt „Volksbegehren gegen Nachtflug umsetzen“ beantragt - es sind ja zwei Anträge -, der suggeriert, dass die Kündigung des Landesplanungsstaatsvertrages eine Umsetzung des Volksbegehrens sein könnte. Dem ist aber mitnichten so. Lieber Kollege Schulze, ich bin sicher, Sie wissen das auch. Worum es Ihnen geht, konnte man im Internet sehen: Da haben Sie gesagt, dass Sie genau diesen Punkt beabsichtigen. Darum geht es. Wir lassen uns nicht alles gefallen und kündigen aus Trotz den Vertrag. - Das ist - mit Verlaub, Kollege Schulze - Sandkastenniveau.

Was machen wir, wenn der Bund unserem Wunsch nicht folgt? Demonstrieren wir dann vor dem Bundeskanzleramt und ma

chen da eine Sitzblockade, um zu zeigen, dass mit uns, Brandenburg, nicht alles zu machen ist?

(Vida [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Sie bestimmt nicht!)

Fakt ist, meine Damen und Herren: Das Volksbegehren gegen den Nachtflug kann nur durch einen besseren Nachtschutz erreicht werden, indem wir nicht eine Kündigung des Landesplanungsvertrages aussprechen, sondern auf gleicher Augenhöhe in Verhandlungen eintreten und unsere ganz konkreten Forderungen Stück für Stück umsetzen.

Das Nachtflugverbot, das wir vielleicht in unsere eigene Brandenburger Landesplanung schreiben könnten, hätte allerdings keinerlei Wirkung gegenüber dem höchstrichterlich bestätigten Planfeststellungsbeschluss. Eine Lösung kann jetzt und in Zukunft nur über den Flughafenbetreiber ermöglicht werden. Das wiederum - auch das ist mein Vorwurf an Sie, Kollege Schulze: Sie wissen das auch, ganz sicher - kann nur auf diesem Weg erreicht werden. Das wäre genau unsere Strategie, daran halten wir fest. Deswegen haben wir sie so im Koalitionsvertrag festgehalten.

Unsere Regierung ist nach wie vor aufgefordert, alles im Rahmen ihrer Möglichkeiten, alles im Rahmen des Rechts Machbare in dieser Richtung zu unternehmen, beim Schallschutz die Maßstäbe, die wir im Parlament diskutieren, keinen Millimeter herunterzuhängen, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen und voranzukommen, sodass beim Start des BER ein bestmöglicher Schallschutz für die Betroffenen zur Verfügung steht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Der Abgeordnete Schulze hat eine Kurzintervention angemeldet. Bitte schön. - Zwei Minuten.

Herr Kollege Bischoff, ich duelliere mich gern mit Ihnen, aber ich sehe, Sie sind wehrlos. Deshalb werde ich es nicht machen.

(Beifall des Abgeordneten Vida [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe])

Herr Kollege, wenn Sie sagen, ich wüsste, dass das nicht geht: Es gibt drei namhafte Anwaltskanzleien - die Kanzlei Baumann, die Kanzlei Siebeck und die Kanzlei Grawert und Partner -, die einen deutschlandweiten Ruf haben und nicht nur die Gemeinde Blankenfelde, sondern auch andere beraten. Wenn eine namhafte Anwaltskanzlei seit 40 Jahren im Flughafengeschäft unterwegs ist und sagt, dass es geht, traue ich ihr mehr als Ihrem Wort.

Im Übrigen, Herr Kollege Bischoff, Sie mögen mir das als Obsession anlasten - ich jedenfalls stehe zu meinem Wort. Ich glaube, dass es anders geht - aber der Punkt ist, dass Sie einfach nicht wollen. Das ist das Problem. Ich darf aus Ihrem Entschließungsantrag zitieren, Drucksache 5/6916 zum Beschluss Volksbegehren vom 27. Februar 2013. Da steht unter Punkt „III.d)“:

„Über diese Schritte hinaus müssen erneute und weitergehende Initiativen unternommen werden, um die Fluglärmbelastung vor allem für das unmittelbare Umfeld, aber auch darüber hinaus noch weiter zu reduzieren. Der Landtag spricht sich daher dafür aus, dass jetzt vor allem solche Maßnahmen angegangen werden, die bis zur Eröffnung des Flughafens BER in die Tat umgesetzt werden können.“

Über zwei Jahre sind vergangen. Im Antrag ist noch von einer Bundesratsinitiative die Rede. Es gibt nichts. Es ist nichts davon getan worden. Nichts als leere Versprechungen! Es gibt keine Bundesratsinitiative. Die Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz hat das Land Brandenburg abgelehnt, nicht mitgemacht. Nichts weiter als Täuschung und Wortbruch! Sie könnten etwas tun. Wir können darüber reden, Herr Bischoff. Kommen Sie auf mich zu! Sagen Sie: Okay, lassen Sie uns einen Plan machen! - Dann würde ich sagen, man kann über alles diskutieren, vielleicht finden wir einen Minimalkonsens.

Am Ende geht es darum, wie wir das Los der Bürgerinnen und Bürger, die dort betroffen sind, leichter machen. Es geht nicht darum, ob wir beide uns duellieren, ob irgendjemand von uns Recht hat. Es geht nur darum, was das Los und Schicksal von ca. 100 000 Menschen ist, die dort damit auskommen müssen. Dem sollten wir uns verpflichtet fühlen, aber Sie verweigern sich ihnen. Im Übrigen, Herr Kollege, bin ich seit Langem Mitglied im Sonderausschuss BER: Die Bilanz ist vernichtend. Es haben jetzt zur Eröffnung der Südbahn 10 % …

Herr Kollege Schulze, Sie sind über der Zeit. Ich bin heute nicht gewillt, Ihnen das durchgehen zu lassen, weil ich gestern ausgiebig davon Gebrauch gemacht habe.

(Beifall der Abgeordneten Bischoff und Ness [SPD])

Ich werde bei der nächsten Kurzintervention weitermachen.

Herr Kollege Bischoff, wollen Sie reagieren? - Das ist nicht der Fall; danke schön. - Dann rufe ich jetzt für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Genilke auf. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Schulze, es war bloß eine Frage der Zeit, bis dieser Antrag kommt. Ich gebe Ihnen durchaus Recht, dass die Koalitionsfraktionen sich selbst in diese Situation gebracht haben, nämlich mit der Annahme der Volksinitiative und des Volksbegehrens.

Sie wissen, dass wir zur damaligen Zeit eine andere Herangehensweise gesehen haben, der Sie nicht zugestimmt haben, in der wir die Konsequenzen Ihres Handelns aufgezeigt haben. Man kann in der Sache unterschiedliche Meinungen haben, muss dann aber auch die Konsequenzen daraus tragen.

Sie haben den Menschen damals versprochen, dass sie ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr bekommen - nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Was Sie erreicht haben, ist dürftig, um nicht zu sagen: nichts. Sie gingen in die Verhandlung hinein und haben gesagt: Drei Stunden weniger Nachtflug. Dann gingen die Verhandlungen mit dem Bund und Berlin los; wir kennen die ganze Diskussion. Dann hieß es auf einmal: Wir wollen eine halbe Stunde vor 24 Uhr und vielleicht eine halbe Stunde nach 5 Uhr. - Man ist also schon deutlich von dem abgewichen, was man wollte. Das ging auch schief. Jetzt kam man am Schluss auf die Idee, es von 5 bis 6 Uhr zu machen; das könne doch wohl für die Wirtschaftlichkeit des Flughafens nicht bedeutend sein. - Wer aber auf so unterschiedlichen Ebenen unterwegs ist und das als Verhandlungsposition in den Raum stellt, macht sich bei dem Versuch unglaubwürdig, dem Willen der Volksinitiative nachzukommen. Das ist der Grund, warum Sie gescheitert sind, Herr Ministerpräsident.

(Beifall CDU, BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie der Abgeordneten Jung [AfD], Nonnemacher [B90/GRÜNE] und Hein [fraktionslos])

Natürlich - das können Sie in den Debatten, die wir geführt haben, und den Berichterstattungen danach nachlesen - war es von vornherein nie so angelegt, dass Sie tatsächlich Erfolg haben wollten. Es war ein Täuschungsmanöver. Wie gehe ich kurz vor einer Landtagswahl mit dem Problem um, was kann mir tatsächlich passieren?

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Nein! - Bischoff [SPD]: Schmarrn!)

- Sie können es ja nachher widerlegen. Sie haben es tatsächlich für sich in Kauf genommen und gesagt: Okay, wir verlassen uns auf die anderen Gesellschafter, das wird schon in die Hose gehen.

Der größtmögliche Schaden ist damit eingetreten, dass man mit nichts in der Hand vor denjenigen steht, denen man etwas versprochen hat, und es heute zum Schwur kommt, genau dem nachzukommen, was Sie damals beschlossen haben. Ich bin gespannt, wie Sie sich dazu heute verhalten wollen. Arbeiten Sie noch konsequent an diesem Ziel oder haben Sie es aufgegeben? Aber dann sagen Sie es bitte! Dann ist es auch in Ordnung. Aber schieben Sie es bitte nicht wieder auf diejenigen, die heute nicht im Raume sind! Das sind nicht diejenigen, die heute an dieser Stelle in der Kritik stehen.

(Beifall CDU)

Sie sind als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet. Die Trickserei - das haben wir gerade gehört - ging bei den Flugrouten los, beim Nachtflug, beim Schallschutz, bei den ganzen kapazitiven Dingen, die Sie alle ignoriert haben. Ich erinnere an die Gepäckbänder: Bauen wir jetzt schon eins ein? Das wird bei weitem nicht reichen. - Das geht beim Check-in los, bei den Sicherheitskontrollen, den Parkflächen, der Luftseite und den ganzen Themen, die noch auf uns zukommen. Wir sind längst nicht am Ende der Diskussion, sondern, was diesen Flughafen betrifft, immer noch am Anfang. Das werden wir auch im nächsten Tagesordnungspunkt noch zu beraten haben. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE, BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie vereinzelt AfD)

Danke. - Das Wort erhält die Fraktion DIE LINKE. Bitte, Herr Abgeordneter Ludwig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste aus dem Flughafenumfeld! Wir haben zu Beginn der Debatte schon zwei unterschiedliche Ausgangspunkte dargestellt bekommen. Kollege Schulze hat gesagt, dass bis jetzt gar nichts gemacht wurde; Kollege Genilke hat gesagt, es wurde bisher nichts Erfolgreiches gemacht. Möglicherweise werden Sie nicht überrascht sein, wenn ich eine dritte Position einbringe und relativ nahtlos an den Kollegen Bischoff anknüpfen kann, aber ein paar andere Punkte benennen muss.

Herr Genilke, wenn wir bei Lügen anfangen, dann richtig. Zu erinnern ist an einen sogenannten Konsensbeschluss auf Druck der Berliner und der Bundes-CDU, einen verdienten Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg zu zwingen, einen als gänzlich ungeeignet eingeschätzten Standort in Schönefeld für den neuen Flughafen vorzusehen. Damit begann das Elend, damit begannen die Lügen; das muss hier deutlich gesagt werden.

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE] sowie vereinzelt AfD)

Viele von uns kennen den Hergang, andere haben ihn heute sicher mit Interesse zur Kenntnis genommen oder sich in den vergangenen Tagen anlesen können. Wir haben uns in der zurückliegenden Legislatur intensiv damit befasst, auf Initiative einer Volksinitiative und des letztlich erfolgreichen Volksbegehrens, aber auch aufgrund anderer Punkte. Wir als Koalition - die Zeilen des Koalitionsvertrages wurden bereits vorgelesen - stehen zum Primat des Gesundheitsschutzes und deshalb zu einem Nachtflugverbot. Davon lassen wir uns hier auch nicht wegreden.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Liefern Sie!)

- Einen kleinen Augenblick noch, Kollege Schulze. - Tausende Bürgerinnen und Bürger haben sich zu einem konsequenten Nachtflugverbot bekannt. Das haben wir in der vergangenen Legislatur zur Kenntnis genommen. Unabhängig davon, was konkret im Text des Volksbegehrens stand, war das der einende Faden, den wir zur Kenntnis genommen haben; zu ihm stehen wir auch heute noch.

Wir alle sind aufgerufen, das in unseren Kräften Stehende zu tun, um es umzusetzen. Da haben wir übrigens keine unterschiedlichen Auffassungen zum Antragsteller. So weit die Tatsachen. Sie, Kollege Schulze, rennen also erneut offene Türen ein. Sie wissen, dass die Adressaten der Bund und Berlin heißen und nicht Landtag oder Landesregierung in Brandenburg.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE - Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

Diese Konstellation der Gesellschafter der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH ist bekannt.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich möchte im Block vortragen.

Berlin und der Bund haben Brandenburg bisher bei verschiedenen Situationen eine Abfuhr erteilt - Herr Genilke hat eben nur eine davon benannt. Die Landesregierung ist weit umfangreicher als nur bei diesem einem Beispiel, welches Sie hier angeführt haben, aktiv gewesen und hat sich bisher in dieser Frage an Berlin und dem Bund eine blutige Nase geholt.

Wir gehen jetzt davon aus, dass sich mit der neuen politischen Führung in Berlin, aber auch mit einer neuen Geschäftsführung der FBB neue Chancen ergeben und die Brandenburger Landesregierung selbstverständlich im Sinne der damaligen Unterschriftleistenden aktiv bleibt. Das ist der Unterschied, den es festzustellen gilt: Sie bleibt aktiv und sie hat bisher eine Fülle von Aktionen unternommen.

Letztlich bleibt es aber auch dabei, dass für substanzielle Veränderungen in diesen Fragen - beispielsweise der Vorrang des Gesundheitsschutzes vor der Wirtschaftlichkeit eines solchen Vorhabens - Änderungen an Bundesgesetzen notwendig sind. Diesbezüglich ist DIE LINKE im Bundestag sehr vielfältig aktiv geworden. Allein fehlte es an der Unterstützung beispielsweise vonseiten Ihrer Partnerfraktion, Herr Genilke. Das alles wollten Sie dann aber wiederum nicht hören, und da hört es dann auch mit der Solidarität zu Brandenburg auf - das haben wir zur Kenntnis genommen. Unsere Landesregierung bleibt aktiv und sie lässt sich davon nicht entmutigen; das ist für uns gut.