Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Laut Antwort der Landesregierung auf meine Anfrage vom 20. Mai 2015 gibt es keine Bewerber für das Fach Sorbisch im Studienseminar Cottbus. Für eine effektive Förderung der sorbischen Sprache in Brandenburg wäre es sicherlich auch hilfreich, wenn die Attraktivität des Faches im Studienseminar Cottbus so gestärkt würde, dass es wieder Bewerber gibt. Schon, um eine ausreichende Anzahl qualifizierter SorbischLehrer zu garantieren, sollte die Landesregierung dringend entsprechende Schritte unternehmen.

Wir haben einen direkt gewählten Sorben/Wenden-Rat, in dem es gute Ansprechpartner und geballtes Wissen gibt. Meine Fraktion unterstützt diesen Antrag ausdrücklich. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Kircheis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das erste Sorben/Wenden-Gesetz des Landes Brandenburg trat am 7. Juli 1994 in Kraft. Auch dank dieses Gesetzes konnten bereits vergessen geglaubte kulturelle Traditionen der Sorben/Wenden revitalisiert werden.

Im Januar 2014 haben wir das Gesetz über die Rechte der Sorben/Wenden geändert. Damit haben wir in Brandenburg ein modernes Minderheitenrecht geschaffen. Mit dem Gesetz wurde die Domowina als Dachverband anerkannt. Sie hat jetzt zudem das Verbandsklagerecht. Der Rat für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden beim Landtag wird nun direkt gewählt; es war ein guter Wahlgang und ein guter Erfolg. Mit dem Beauftragten für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden bei der Landesregierung gibt es jetzt einen direkten Ansprechpartner und ein Bindeglied für die Brandenburger Sorben und Wenden. Sehr wichtig ist auch, dass ihre angestammten Siedlungsgebiete neu definiert werden. Dieser Prozess wird Mitte kommenden Jahres abgeschlossen sein.

Die Kultur und Sprache der Sorben/Wenden, die in der Vergangenheit in Brandenburg und später in Preußen immer wieder erbittert bekämpft, aus der Öffentlichkeit verdrängt und in den dunkelsten Jahren deutscher Geschichte sogar verboten worden ist, ist heute präsenter als noch vor 20 Jahren - und das ist gut so.

Geschichtlich gewachsene Minderheiten und ihre Sprachen zu schützen und zu fördern trägt dazu bei, den kulturellen Reichtum in Deutschland einerseits zu erhalten und andererseits zu entwickeln. Dieser kulturelle Reichtum fördert wiederum Toleranz und Akzeptanz, zwei Dinge, die unabdingbar sind, um eine pluralistische Demokratie zu leben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der fortschreitenden Globalisierung, Mobilisierung und Digitalisierung unserer modernen Gesellschaft scheint es, als entfremdeten wir uns unaufhaltsam von sprachlicher und kultureller Identität. Aus diesem Grund ist das Bewusstsein dafür, wie wichtig eine Sprache für den Erhalt einer Kultur und Identität sein kann, in den vergangenen Jahren in vielen europäischen Ländern gewachsen. Aus diesem Grund gab es in der vergangenen Legislaturperiode unseren Entschließungsantrag zum Gesetz zur Änderung von Rechtsvorschriften über die Rechte der Sorben und Wenden.

Wir bekennen uns mit dem Ihnen vorliegenden Mehrsprachigkeitsantrag erneut zu einem sehr wichtigen Anliegen. Das neue Sorben/Wenden-Gesetz ist im Juni 2014 in Kraft getreten. Wir sollten jetzt einen konkreten Maßnahmenplan entwickeln. Das ist ein wichtiger Schritt, um das Gesetz mit Leben zu erfüllen. Damit bekennen wir uns noch einmal zur Verantwortung für das Volk der Sorben und Wenden. Außerdem wollen wir gemeinsam mit den Verbänden und Vereinen der anderen Minderheitensprachen in Brandenburg - Niederdeutsch und Romanes - konzeptionelle Eckpunkte entwickeln, um auch diese Sprachen pflegen und entwickeln zu können.

Respektvoll mit einem wertvollen Kulturgut umzugehen hat große Signalwirkung und vor allem entscheidenden Symbolwert. Das gilt nicht nur für die Minderheiten wie Sorben, Niederdeutsche sowie Sinti und Roma, sondern setzt auch Zeichen in der Mehrheitsgesellschaft. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Sprache unserer Minderheiten in Brandenburg zu pflegen. Dazu zählt auch, sie als vollwertige Sprache zu akzeptieren. So wird nicht nur ihre Verkehrsfähigkeit gefördert, sondern die Angehörigen der Minderheiten nehmen damit an einer modernen Sprachenentwicklung teil.

Die Sprache und Kultur sind präsent, werden beachtet, haben Wert und Prestige: sowohl in der Einschätzung der Sprechenden als auch in der Wahrnehmung der Mehrheitsgesellschaft. Gelebte Mehrsprachigkeit ist ein Mehrwert für die Gemeinschaft, und deshalb sollten wir alle diesem Antrag zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Kalbitz.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Theodor Fontane hat einmal gesagt:

„Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache.“

- Ein Zitat, das, wie ich finde, vollkommen zutrifft. Wir in Brandenburg können uns glücklich schätzen, dass wir neben dem Standarddeutschen zum Beispiel das Niederdeutsche als Regionalsprache und als Minderheitensprache das Sorbische haben. Sie sind wertvoller Teil unserer Geschichte und unseres Kulturraums.

Die Angehörigen nationaler Minderheiten in Deutschland pflegen wie auch wir jahrhundertealte Sitten und Gebräuche. Ihre Sprache ist für sie - wie für uns alle - kulturelle Identität, die sie an ihre Kinder und Enkel weitergeben wollen. Gleiches gilt für die Sprecher anderer Regional- und Minderheitensprachen.

Schutz und Förderung der geschichtlich gewachsenen Minderheiten wie der Sorben/Wenden bei uns in Brandenburg, ihrer Sprache sowie der Regionalsprachen tragen zur Erhaltung und Entwicklung des kulturellen Reichtums in Deutschland bei. Das ist, wie die Sprachenkonferenz „Charta-Sprachen in Deutschland“ richtig feststellt, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Ich konnte es kaum glauben, als ich feststellte, dass hier Parallelen zu unserer Agenda zu erahnen sind. Dort steht nämlich, dass wir Projekte und Initiativen fördern wollen, die die lokale und regionale Tradition sichtbar machen und pflegen sowie die Lokal- oder Heimatgeschichte dokumentieren und in Erinnerung rufen. Allerdings enthält der Antrag von Rot-Rot eher unverbindliche Absichtserklärungen. Man will sich mit der Ausarbeitung bis in die zweite Hälfte der Legislaturperiode Zeit lassen.

Man ist es in Brandenburg gewöhnt, dass es länger dauert, wenn es um konkrete Maßnahmen geht. Auch die Sorben/Wenden können hiervon ein Lied singen. Gerade in Zeiten von Fernsehen, Internet, zunehmender räumlicher Mobilität und einer immer geringer werdenden Zahl von Muttersprachlern halte ich es für zwingend erforderlich, zeitnah zu handeln. Wir sollten verhindern, dass es hier so weit kommt wie zum Beispiel in Großbritannien, wo man mittlerweile mühsam versucht, keltische Sprachen wie das Cornische wiederzubeleben.

Der Erhalt von Regional- und Minderheitensprachen ist mit dem Aufstellen von zweisprachigen Ortsschildern oder der Erstellung zweisprachiger Formulare nicht getan, wenngleich dies wichtige Schritte in die richtige Richtung sind. Es bedarf einer ganzheitlichen und politisch interdisziplinären Antwort, die eben im direkten Zusammenhang mit Fragen der Mobilität und - hier in Brandenburg - auch der Infrastruktur steht. Was nutzt das zweisprachige Ortsschild, wenn die Lausitz oder die Uckermark schleichend entvölkert werden?

Ohne eine funktionierende regionale Gemeinschaft hat eine Regional- oder Minderheitensprache keine Chance. Sind die Menschen erst einmal weggezogen, ist schlicht niemand mehr da, der die Sprache pflegen kann. Das ist ein Punkt, an dem Rot-Rot bisher versagt hat. Sie haben es versäumt, Perspektiven für den ländlichen Raum zu schaffen. Anders ist der dramatische demografische Wandel gerade im ländlichen Raum nicht zu erklären.

Ein aktuelles Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Streichung von Haltepunkten auf der Bahnstrecke Berlin-Cottbus. Für zwei Minuten Fahrzeitgewinn wird eine ganze Region abgekoppelt. Nicht umsonst setzt sich der Rat der Sorben/Wenden - diese Zusammenhänge wohl erkennend - mit Engagement in jeder Sitzung - wie auch in der letzten - für diese Aspekte ein.

Schade, dass mit der von Ihnen angedachten Kreisreform auch nichts besser wird. Mit der Idee von Monsterkreisen, die sämtliche landsmannschaftlichen Bindungen ignorieren,

(Unmut bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Bi- schoff [SPD]: Da sieht man, wes Geistes Kind Sie sind!)

werden Sie auch den Regional- und Minderheitensprachen einen Bärendienst erweisen.

(Beifall des Abgeordneten Galau [AfD])

Auch dies war in der Sitzung der Sorben/Wenden - nicht unsererseits - ein Thema.

(Unruhe bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

- Das können Sie jetzt ignorieren, um die Fakten aber kommen Sie nicht herum.

Eine Politik, die den Geist des demokratischen Zentralismus atmet, widerspricht der Tatsache, dass regionale Identität auch die Basis von Regional- und Minderheitensprachen ist. Für uns besteht die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen, zu der die Landesregierung verpflichtet ist, nicht nur aus dem symbolischen Aufstellen von Schildern. Der Erhalt und die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen bedürfen auch einer wirtschaftlichen und landsmannschaftlichen Basis.

Weil der Antrag in die richtige Richtung geht, findet er im Sinne des berechtigten Anliegens der Unterstützung und Förderung anerkannter Minderheitensprachen als erstem Schritt die volle Unterstützung der AfD-Fraktion, und wir hoffen, dass dieser Ansatz vertieft wird. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete von Halem. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Mak als Vorsitzender des Rates für die Angelegenheiten der Sorben und Wenden! Liebe Gäste!

„Für alle Charta-Sprachen gilt: Sie sind mittelfristig, latent oder akut vom Aussterben bedroht.“ Wir „befinden uns in der Intensivstation; lebensrettende Maßnahmen sind notwendig“

Das sagt Dr. Andrea Willi, Mitglied des Expertenkomitees der Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitensprachen.

Eigentlich ist es schön, dass wir uns anderthalb Jahre nach der Verabschiedung des Sorben/Wenden-Gesetzes einmal wieder einem Antrag zum Thema Regional- und Minderheitensprachen widmen. Aber dieser Antrag, der in der naiven Abstraktheit der formulierten Forderungen ein bisschen den Anschein erweckt, als redeten wir über ein völlig neues Thema, ist doch bemerkenswert und aus meiner Sicht ein Paradebeispiel für die politische Brückentechnologie der Tatenlosigkeit.

Interessant ist der im heutigen Antrag formulierte Anspruch der Revitalisierung, allerdings Bezug nehmend auf den Entschließungsantrag vom Januar 2014, in dem wiederum nur von einer Revitalisierung der niedersorbischen/wendischen Sprache im Zeitraum zwischen 1994 und 2014 die Rede ist, mitnichten also vom Anspruch einer in die Zukunft gerichteten

Revitalisierung. Darf ich Sie daran erinnern, dass wir im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Sorben/WendenGesetzes über genau diesen Begriff diskutiert haben? Darf ich Sie daran erinnern, dass wir Bündnisgrüne es waren, die zusammen mit dem Abgeordneten Hoffmann dafür gestritten haben, dass der Anspruch auf Revitalisierung der sorbischen/wendischen Sprache und Kultur Eingang in das Gesetz findet?

Sie als Abgeordnete der Koalitionsfraktionen haben das damals abgelehnt. Dass Revitalisierung im Zusammenhang mit sorbischer/wendischer Kultur nicht Ihr Anliegen war, wurde auch daraus deutlich, dass Sie die mögliche Ausweitung des angestammten Siedlungsgebietes auf zwei Jahre befristet haben.

So wird die im 1. Absatz erwähnte Revitalisierung nichts anderes als eine Worthülse.

(Beifall B90/GRÜNE)

In Ihrem Antrag bekennen Sie sich zu dem Entschließungsantrag von vor anderthalb Jahren sowie zu einem auf Bundesebene erstellten Grundsatzpapier vom November 2014. Im Entschließungsantrag vom Januar 2014 wird die Landesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass bei Einstellung in den öffentlichen Dienst regelmäßig überprüft wird, ob - so relevant - niedersorbische Sprachkenntnisse erforderlich sind, dass Lehrkräfte an Schulen beim Erwerb von Sprachkenntnissen unterstützt werden, dass die Verwendung der Sprache im angestammten Siedlungsgebiet den Festlegungen entspricht usw. Wie wäre es denn eigentlich, wenn die Landesregierung uns einmal das Ergebnis der damals ausformulierten Anforderungen berichten würde, anstatt dass die Koalitionsfraktionen uns jetzt solch einen windigen Überprüfungsantrag vorlegen?

In der Tat steht es ja mit der Förderung nicht zum Besten. So wurden am Niedersorbischen Gymnasium ein knappes Dutzend Schülerinnen und Schüler abgelehnt und gehen damit der sorbischen Community verloren, denn ihnen nur Sprachunterricht im Humboldt-Gymnasium als Alternative anzubieten ist etwas anderes als bilingualer Unterricht.

(Beifall B90/GRÜNE)

Hier sollte man durchaus einmal darüber nachdenken, ob es nicht möglich ist, zur Minderheitenförderung die starren Regeln zur Klassenbildung zu lockern. Warum verzögert die Landesregierung eigentlich so lange die Evaluierung des WITAJ-Projektes? Nur um zu verhindern, dass hier endlich der Regelstatus festgeschrieben wird? Und warum können wir nicht, wie zum Beispiel in Sachsen, Lehrkräfte oder Erzieherinnen und Erzieher mit Vorverträgen binden, um ihnen eine Perspektive anzubieten, bevor sie die Sprachausbildung oder eben das Studium auf sich nehmen? Das alles hat mit Revitalisierung zu tun und ist genau die Unterstützung, die Sie den Sorben und Wenden nicht bieten.

Kann es sein, dass die Fraktion DIE LINKE hier wieder einmal ein Thema hat setzen wollen, der SPD-Fraktion das Nichtstun aber lieber war und die SPD-Fraktion schließlich dem kleineren Koalitionspartner konzediert hat, dass ein gemeinsamer Antrag gestellt werden darf, der aber außer dem Auftrag an die Landesregierung, ein Konzept zu erstellen, nichts Konkretes enthält? Ich hoffe, Sie haben das alle gelesen. Dort wird gefordert, in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode ein Konzept

zu erstellen. - Dass Ihnen das nicht peinlich ist! Die zweite Hälfte der Legislaturperiode beginnt im Mai 2017, und dann winkt auch gleich das Ende der Legislaturperiode, mit dem gegebenenfalls - wie in der letzten Legislaturperiode - alle Maßnahmen, die man vielleicht beschließen könnte, dann wieder der Diskontinuität anheimfallen, wie wir das schon einmal durchgemacht haben. Ein Hoch auf Ihr zupackendes Regierungshandeln!

(Beifall B90/GRÜNE)