Das ist Ihre politische Brückentechnologie: Handeln - lieber gar nicht. Um das zu kaschieren, setzt man einen dünnen Pfeiler in die Landschaft, um nach außen kommunizieren zu können, man habe sich des Themas angenommen, und meint, damit eine erneute jahrelange Tatenlosigkeit überbrücken zu können.
Noch tut die Landesregierung viel zu wenig, um die ChartaSprachen von der Intensivstation zu holen. Dieser Antrag ist so windig, dass es uns schwer gefallen ist, uns zur Zustimmung durchzuringen. Wir stimmen trotzdem zu.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als der Deutsche Bundestag im November 2012 den heute schon erwähnten Beschluss „20 Jahre Zeichnung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ gefasst hat, wurde mehr als die Hälfte der Reden auf Plattdeutsch gehalten. Die einzige Sorbin unter den Rednern aber sprach bis auf Grußund Schlussformel Hochdeutsch, leicht sächsisch eingefärbt. Das war fair gegenüber den Stenografen, sicherlich auch gegenüber den Abgeordneten, zeigt aber auch die Notwendigkeit von Debatten wie der heutigen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Minderheitensprachen eines Landes von der Mehrheitssprache - möglicherweise bildlich gesprochen - permanent an die Wand gedrückt werden. Dieses Problem haben übrigens auch 1,4 Millionen Deutsche, die in der ganzen Welt verstreut als regionale kulturelle Minderheit leben.
Deshalb ist es Aufgabe der Politik, diesem Effekt entgegenzuwirken und einen Raum zu schaffen, in dem Regional- und Minderheitensprachen gepflegt und weiterentwickelt werden können. Der Sprache von Minderheiten eine Zukunft zu geben und zu ihrem Gebrauch zu ermuntern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und eben nicht allein eine der jeweiligen Minderheit oder der regionalen Kulturgruppen. Es reicht nicht „Wir hindern euch nicht“ zu sagen, sondern man muss wie wir in Brandenburg „Wir unterstützen euch gern“ sagen. Neben Deutsch und seinen märkischen Dialekten sind in Brandenburg
die Regionalsprache Niederdeutsch und die Minderheitensprache Niedersorbisch wie auch nach bundesweiter Regelung das Romanes zu Hause. Diese sprachliche Vielfalt zu erhalten und die Mehrsprachigkeit zur Stärkung auszubauen ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Deshalb hat sich Brandenburg auch auf internationaler Ebene im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, auf die der Antrag der Koalitionsfraktionen richtigerweise Bezug nimmt, dazu bekannt, diese Sprachen zu schützen und zu fördern.
Um konkret zu werden: Im Bereich des Niedersorbischen haben wir 2014 unsere gesetzlichen Grundlagen modernisiert und damit bundesweit Neuland beschritten. Es ist toll, dass hier gleich der Vorsitzende des direkt gewählten Sorbenrates reden wird.
Frau von Halem, die Umsetzungsphase des Gesetzes steht jetzt an. Dazu gehört zum Beispiel die Regelung des angestammten Siedlungsgebietes - bis Mai nächsten Jahres besteht die Möglichkeit der Antragstellung -, und es gehört dazu, dass innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre die Landesregierung einen Sorben/Wenden-Bericht vorlegt. Insofern kann von Untätigkeit bzw. Tatenlosigkeit keine Rede sein.
Wir befinden uns auch nicht auf der Intensivstation. Das Niedersorbische ist an den brandenburgischen Schulen gut vertreten und gut nachgefragt. An 26 Schulen aller Schulstufen lernen derzeit ca. 1 500 Schülerinnen und Schüler Niedersorbisch; an sieben davon gibt es auch bilingualen Unterricht. Für Sorbisch/Wendisch- und WITAJ-Unterricht setzt das Land etwa 70 ausgebildete Lehrkräfte ein. In zehn Kitas werden etwa 360 Kinder auf Niedersorbisch betreut.
So wenig glücklich wir über die Entscheidung in Bezug auf das Niedersorbische Gymnasium sind, können wir doch froh und glücklich sein, dass das Niedersorbische Gymnasium Cottbus inzwischen über eine stabile Dreizügigkeit verfügt - das war vor Jahren anders. Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen Sorbisch auf Lehramt studieren wollen, und sie dabei unterstützen. Ich war kürzlich mit meinem Amtskollegen in Sachsen am Sorabistik-Institut in Leipzig. In der Tat gibt es derzeit keinen einzigen, der im ersten oder zweiten Semester das Lehramt Niedersorbisch bekleiden will. Wir müssen dafür werben und unterstützen, dass insbesondere Abgänger des Niedersorbischen Gymnasiums Cottbus Sorbisch auf Lehramt studieren wollen.
Im Bereich des Niederdeutschen kommt uns entgegen, dass wir mit dem Dachverband für Niederdeutsch im Land Brandenburg nun einen festen Ansprechpartner haben, der durch das Land zunächst auf dem Wege der Projektförderung mit 50 000 Euro unterstützt wird. Brandenburg war kürzlich auch Gastgeber des Bund-Länder-Referententreffens Niederdeutsch - ein Beleg dafür, dass unser verstärktes Engagement Früchte trägt.
Ich kann also für die Landesregierung den vorliegenden Antrag und die heutige Debatte nur begrüßen. Dabei freue ich mich als Beauftragter der Landesregierung für Angelegenheiten der Sorben/Wenden besonders darauf, gemeinsam mit den Verantwortlichen ein für Brandenburger Verhältnisse passgenaues Instrumentarium zu erarbeiten, das die Gewähr dafür bietet, unseren rechtlichen Rahmen mit Leben zu füllen und der wendischen Sprache eine sichere Zukunftsperspektive zu geben.
Regierungshandeln kann nur gute Rahmenbedingungen für Regional- und Minderheitensprachen setzen. Daher möchte ich abschließend allen Engagierten und allen Sprecherinnen und Sprechern vor allem von Wendisch und Platt herzlich für ihr Engagement danken. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Auf der Besuchertribüne begrüßen wir jetzt Mitglieder des Seniorenbeirates der Stadt Bad Liebenwerda. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!
Als nächster Redner erhält der Vorsitzende des Rates für Angelegenheiten der Sorben und Wenden Mak das Wort. Bitte schön.
Ces´cony kneˇz prezident! Ces´cone wótpóslaúce! Dobry zˇe´n! Am 22. Januar 2014 verabschiedete der Landtag das neue Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte des sorbischen/wendischen Volkes; seit 13 Monaten ist es in Kraft. Nach jahrelangen Mühen gelang es, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches dem modernen Minderheitenrecht entspricht. Auch wenn damals nicht alle zustimmen konnten, fanden doch alle in ihm positive Elemente - es stimmte auch niemand dagegen. Trotz der kritisierten Punkte ist dieses Gesetz ein großer Fortschritt.
Ein Gesetz kann die Grundlagen regeln; für die Detailarbeit, die solch ein Gesetz dann auch mit Leben füllt, sind weitere Schritte notwendig. Der im vorliegenden Antrag angesprochene Maßnahmenplan zur Stärkung der niedersorbischen/wendischen Sprache wäre ein solcher Schritt. Die aus unserer Sicht als Sorben/Wendenrat vordringlichen Aufgaben liegen in der notwendigen, aber vor allen Dingen realisierbaren Revitalisierung der sorbischen/wendischen Sprache. Dafür ist es wichtig, dass ein Konzept entsteht, das die zweisprachige Erziehung von Kindern und Jugendlichen von der vorschulischen Bildung bis hin zu den Schulabschlüssen einbezieht. Damit sind alle Schulabschlüsse gemeint: auch die berufsbildenden, nicht nur die gymnasialen. Die bilinguale Bildung muss, wenn sie auf Dauer gewollt ist, den Status der besonderen Organisationsform verlassen und als Bildungsangebot verstetigt werden. Dafür ist eine langfristige Konzeption notwendig.
Auf der anderen Seite ist es notwendig, parallel das erfolgreiche, als Fremdsprache organisierte Bildungsangebot fortzuführen und dabei auch immer die Durchlässigkeit zum bilingualen Bildungsweg sicherzustellen. Konzeptionell ist das eine große Herausforderung. Ohne einen Maßnahmenplan ist das deutlich schwerer realisierbar.
Um diesen Bereich personell sicherzustellen, ist eine große Zahl kompetenter Pädagogen in allen Stufen der vorschulischen und schulischen Bildung notwendig. Perspektivisch betrifft es nicht nur den sorbischen/wendischen Bereich. Es lässt sich in die gesamte Werbung junger Menschen für pädagogische Berufe einbinden. Besonders in der Lehramtsausbildung ist die länderübergreifende Kooperation wichtig. Es geht nicht nur um Sorbisch/Wendisch-Lehrer. Es geht auch um Sor
bisch/Wendisch sprechende Fachlehrer. Kandidaten für den Vorbereitungsdienst, die dies mitbringen, werden leider immer noch abgelehnt. Das ist traurig.
Beim pädagogischen Personal sollte dringend auch auf die Bereiche der Sozial- und Freizeitpädagogik geachtet werden. Sie müssen die traditionelle Arbeit mit Kindern und Jugendlichen immer begleiten. Da geht es den Sorben/Wenden nicht anders als der Mehrheitsbevölkerung.
Zur Revitalisierung gehört auch die Sichtbarkeit der Sprache in der Öffentlichkeit. Wie kann die Sprache im öffentlichen Raum präsenter werden? Einige Verordnungen wurden bereits dem neuen Sorben/Wenden-Gesetz angepasst. Es ist aber in den letzten Wochen spürbar und sichtbar geworden, dass vielen Menschen in Behörden, aber auch in Volksvertretungen das neue Gesetz nicht in allen Punkten bekannt ist. Zu einem Maßnahmenplan gehört auch die Information aller haupt- und ehrenamtlichen Vertretungen auf allen politischen Ebenen und Verwaltungsebenen.
Wie können die Sorben/Wenden ihren Namen in ihrer eigenen Sprache auch in Personaldokumenten wiederfinden, ohne dass wichtige Zeichen fehlen? Wie kann die sorbische/wendische Sprache in Ämtern sichtbarer werden? Indem die Kenntnis der Sprache ein begleitendes Kriterium der Einstellung ist. Es gibt erste Beispiele. Aber wie kann man sie verstetigen?
Die Diskussionen über die neuesten Entwicklungen in der Energiepolitik - unabhängig davon, ob wir Braunkohleverbrennung befürworten oder ablehnen - haben gezeigt, dass die Lausitz eine Region im Umbruch ist. Allen Beteiligten ist klar, dass der Strukturwandel längst begonnen hat. Das heißt: Alle Faktoren, die die Lausitz zu etwas Besonderem machen, sollten gestärkt werden. Die deutsch-niedersorbische Zweisprachigkeit macht die Lausitz zu etwas Einzigartigem. Sorbisch/Wendisch ist für diese Region ein Mehrwert.
Wieso setzen wir nicht verstärkt auf Kultur- und Tourismusmanagement, warum nicht auch als Studiengang mit Spezialisierung auf regionale Minderheitensprachen? Da sind auch die Niederdeutschen im Norden einbezogen. So etwas kann ganz Brandenburg Impulse geben.
Im Gesamtprozess ist die Beteiligung aller politischen Ebenen wirklich wichtig. Daher ist die gesamte Landesregierung gefragt. Ich als Mensch, der Niedersorbisch spricht, will auch eine Lanze für unsere Niederdeutsch sprechenden Freundinnen und Freunde im Norden brechen. Auch diese Regionalsprache ist ein Juwel. Wir geben unsere Erfahrungen im Süden gern in den Norden weiter. Wir geben unsere Erfahrungen auch gern an unsere Freundinnen und Freunde bei den Sinti und Roma weiter.
Es sind diese regionalen und sprachlichen Besonderheiten, die ein relativ großes Flächenland wie Brandenburg einzigartig machen. Wir alle sollten die Chance nutzen, genau dies zu erhalten.
Weil ein solcher Maßnahmenplan so wichtig ist, wäre es uns lieber, wenn der gegebene Zeitrahmen nicht erst ab der 2. Hälfte der Legislaturperiode gelten, sondern deutlich früher realisiert würde, am besten schon morgen.
Trotz dieser Kritik begrüßen wir den Antrag, gerade weil er so notwendig ist. Der Prozess, der mit diesem Auftrag an die Landesregierung beginnt, wird uns viele anregende Gespräche, Diskussionen und Erfahrungen bringen. Der Rat für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden freut sich darauf. Es bleibt spannend. Bitte stimmen Sie zu! Ja se wut´sobrzje wu´zkujom! Na zasejwi´zenje!
Jetzt steht bei mir, dass die Abgeordnete Dannenberg noch einmal spricht. Aber das wären nur 36 Sekunden. Das ist damit dann erledigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beende die Aussprache und rufe den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 6/1902, Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt in Brandenburg ausbauen, zur Abstimmung auf.
Ich darf Sie fragen: Wer möchte diesem Antrag zustimmen? Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen.
Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der AfD erhält der Abgeordnete Dr. van Raemdonck das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Die AfD-Fraktion ist für die Einführung von Musterverfahren in Brandenburg. Musterverfahren entlasten die Gerichte und verbessern relativ kostengünstig die Rechtssicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Sie stärken auch das Vertrauen der Brandenburger in die Justiz und in unseren Staat. Das Ziel der neuen Regelung zu Musterverfahren im brandenburgischen Kommunalabgabengesetz ist, dass bei Gericht weniger Klagen anhängig sind.
Bisher kennt das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg noch nicht die Möglichkeit, bei Widersprüchen in gleichgelagerten Fällen Musterverfahren einzureichen. In der 5. Legislaturperiode hat die CDU-Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht, um Musterverfahren auch in Brandenburg einzuführen. Leider hat der Antrag damals keine ausreichende Zustimmung gefunden.