Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Diese Anständigen und Tüchtigen haben Brandenburg aufge baut. Auch sie üben hier und da Kritik, und das ist auch wich tig. Und doch haben sie einen klaren moralischen Kompass. Sie haben Selbstvertrauen, weil sie gelernt haben, Herausfor derungen zu meistern, und ich glaube, Sie werden mir in einem zustimmen: Wir lassen uns das, was wir hier aufgebaut haben, nicht kaputtmachen - wir lassen es uns nicht kaputtmachen von rechten Einfaltspinseln, wir lassen es uns nicht kaputtmachen von den Feinden dieser Gesellschaft und nicht von Rechtster roristen.

Noch einmal: Es liegt eine große Herausforderung vor uns, aber wir packen es - auch jetzt.

(Beifall SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE)

Wir packen es, weil in den Kommunen trotz aller Probleme Großes geleistet wird. Wir packen es, weil Wirtschaft und Ge sellschaft längst erkannt haben, welche Chance eine gelungene Integration für unser Land bedeutet. Und wir packen es, weil wir eine starke Zivilgesellschaft haben. Das passende Motto zum Jubiläum: 25 Jahre Brandenburg und das Herz am rechten Fleck.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, die Sozialdemokratie steht seit 1990 in Verantwortung für unser Land. Sie hat die positive Entwicklung intensiv vorangetrieben und Rahmenbe dingungen gestaltet. Fünf Parteien haben seit 1990 in diesem Land regiert. Und wer von uns weiß, welche Koalitionen sich in den nächsten 25 Jahren noch ergeben können? Deshalb ist es mir wichtig, eines klarzustellen: Es stimmt - um Willy Brandt zu zitieren -, dass jede Zeit ihre eigenen Fragen stellt und ihre eigenen Antworten braucht. Aber wir als Demokraten sollten durchgehend die Spielregeln des kritischen wie auch des kon struktiven Umgangs miteinander beachten. Denn die Fragen, vor denen wir morgen stehen, können nur von uns allen ge meinsam beantwortet werden.

Brandenburg ist das Land der Vielfalt, und Brandenburg ist das Land der Demokraten - draußen im Land und hier drinnen im Landtag. Deshalb danke ich den Partnern von gestern und de nen von heute. Eines schließlich eint uns in aller Vielfalt: Wir alle suchen nach dem besten Weg für die Zukunft unseres Lan des.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über 25 Jahre Brandenburg sprechen, dann möchte ich kurz an die frühen An fänge erinnern. Bis heute prägt unser Land ein Geist von Frei

heit und Selbstbestimmung. Dieser Geist hat seinen Ursprung in der Friedlichen Revolution von 1989/90.

(Einzelbeifall bei der AfD)

In dieser Umbruchphase entstand auch der politische Gestal tungswille, der fortan für unser Land prägend war. Er entstand vor allem durch die Erfahrungen der Runden Tische. Dieser basisdemokratische Anspruch prägte besonders die Arbeit an unserer Landesverfassung. Diese Verfassung trat am 21. Au gust 1992 in Kraft, und sie war nicht das Werk einer politi schen Elite, sondern ein Werk, an dem viele Personen des öf fentlichen Lebens beteiligt waren. 94 % der Brandenburge rinnen und Brandenburger haben im Juni 1992 per Volksent scheid zugestimmt. Kurzum: Unsere Verfassung gehört nicht nur zu den progressivsten in Deutschland, sie kommt auch mitten aus unserer Brandenburger Gesellschaft.

Wir Brandenburgerinnen und Brandenburger haben entschie den: Brandenburg soll ein besonders soziales, ein besonders offenes und ein besonders tolerantes Land sein. Übrigens hat ten alle diese Erfahrungen eine wichtige Folge - und das war Anfang der 90er-Jahre so nicht vorhersehbar -: Es entstand re lativ schnell eine gemeinsame Brandenburger Identität. Es ent stand das Bewusstsein: Wir packen gemeinsam an für unsere Zukunft.

Es gab weitere bedeutsame und historische Momente. Einer davon war der 31. Juli des Jahres 2006: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg, erstmals seit der Shoah wurden auf deut schem Boden Rabbiner ordiniert - ein wichtiger Schritt zur Normalität und ein Verdienst insbesondere von Rabbiner Wal ter Homolka und dem Abraham Geiger Kolleg in Potsdam.

(Allgemeiner Beifall)

Während diese erste Rabbinerordination etwas Historisches hatte, ist christliches Leben in unseren Städten und Gemeinden etwas völlig Normales. Die evangelische und die katholische Kirche gehören nicht nur zu Brandenburg, sie sind aus diesem Land schlichtweg nicht wegzudenken.

(Allgemeiner Beifall)

Die Leistungen auf karitativem Gebiet von Diakonie und Cari tas gehen in meinen Augen manchmal ein wenig unter, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, da geschieht unge mein Wichtiges - gerade dieser Tage, gerade im Sinne der Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung sind. Was da passiert, ist der erste Schritt zur Integration: dass Men schen nicht nur untergebracht und versorgt werden, sondern mit Wärme empfangen werden und sich endlich zu Hause füh len können. Ich sage: Gott sei Dank, dass die Kirchen ein starker und wichtiger Teil unseres Landes sind.

(Beifall SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie verein zelt CDU)

25 Jahre Land Brandenburg heißt sichtbare Veränderungen. 25 Jahre Land Brandenburg heißt: Wir Brandenburgerinnen und Brandenburger haben dieses Land gemeinsam geprägt. Denken Sie daran, wie unsere Städte vor 25 Jahren ausgesehen haben und wie sie heute aussehen. Denken Sie daran, wie unse

re Dörfer vor 25 Jahren ausgesehen haben und wie sie heute aussehen. Denken Sie an den 26. Januar des letzten Jahres, an die Eröffnung dieses wunderschönen neuen Landtages. Damals hieß es, Potsdam hat seine Mitte zurück, und Ähnliches pas sierte in den vergangenen 25 Jahren in vielen brandenbur gischen Städten: Die umfangreiche Sanierung und Wiederbele bung unserer Innenstädte, auch das ist Brandenburger Ge schichte, und davon profitieren wir heute, ganz klar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entwicklung un seres Landes trägt die Handschrift der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Denken Sie beispielsweise an die Konver sion in der Kyritz-Ruppiner Heide, denken Sie an die Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land, an die Umgestal tung der Bergbaufolgelandschaften - ein weltweit ungekanntes Ausmaß an Rekultivierung und Sanierung. Oder machen Sie bei Ihrer geistigen Tour über die Lausitzer Seen einen kleinen Ausflug in den Spreewald und treten Sie in Kontakt mit Men schen, die sorbische Tradition nicht nur als Tradition empfin den, sondern sorbisches Leben verkörpern und dieses Leben pflegen. Sie wird auch in Zukunft weit mehr sein als Folklore, sie ist gelebte Vielfalt hier in Brandenburg.

(Beifall SPD, DIE LINKE, CDU sowie AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben vor 17 Jahren die Finanzierung der sorbischen Einrichtungen in einem Staatsvertrag geregelt. Ich glaube, es ist ein sehr guter Vertrag für die Stiftung für das sorbische Volk. Hier sind die Stichworte ganz klar Eigenständigkeit, Eigenverantwortlich keit und Unabhängigkeit. Das sind die Dinge, um die es geht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ob Babelsberg 03 ir gendwann gegen Hertha BSC im ausverkauften Olympiastadi um ein Spiel in der 1. Bundesliga gewinnt, weiß ich nicht.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Sicher bin ich mir hingegen, dass diejenigen, die Woche für Woche ehrenamtlich aktiv sind in unseren Vereinen, die Kin der- und Jugendsport organisieren, die sich beim Roten Kreuz als Helfer, beim THW oder bei der Feuerwehr engagieren, auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten unsere Hel den des Alltags sein werden. Umso wichtiger ist unsere Aufga be, die Vereine so gut zu fördern, wie wir können. Ohne Ehren amt wäre dieses Land ganz, ganz arm dran.

(Beifall SPD, DIE LINKE, CDU sowie AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahlen sinken weiter; unsere Gesell schaft steht zusammen; Fremde werden herzlich begrüßt und aufgenommen; soziale Sicherheit ist klar definiert: Wer Hilfe braucht, dem wird geholfen. Die Zusammenarbeit mit Berlin gedeiht in den unterschiedlichsten Bereichen trotz unterschied licher Auffassung zu einigen Punkten; unsere Polizei leistet hervorragende Arbeit; und Verbundenheit und Austausch mit unseren polnischen Nachbarn wachsten stetig; Stettin, Posen, das Lebuser Land und Niederschlesien sind sehr, sehr wichtige Partner für uns. Wir haben den Haushalt des Landes auf null Neuverschuldung gestellt und gezeigt, dass wir mit Geld gut umgehen können. Unsere Universitäten glänzen mit dem, was in Lehre und Forschung geleistet wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Brandenburge rinnen und Brandenburger haben in den vergangenen 25 Jahren viel geleistet. Auf diese Leistung können sie zu Recht stolz sein. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall SPD, DIE LINKE, CDU, B90/GRÜ NE sowie BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun der Abgeordnete Senftleben für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Brandenburg wird 25. Das ist ein schöner, ich finde, sogar ein sehr schöner Grund, dass wir feiern, dass wir gemeinsam fei ern, weil auch die Brandenburger in diesen 25 Jahren bewiesen haben, was sie leisten können. Ich glaube, egal, welche Leis tungen am Ende herausgekommen sind, sie können mit Fug und Recht stolz auf das sein, was sie in diesem Land geleistet haben, was wir gemeinsam geleistet haben.

(Beifall CDU sowie vereinzelt SPD)

Sehr gern würde ich hier und heute natürlich auch auf diese zweieinhalb Jahrzehnte zurückblicken. Ich würde gern unserer Elterngeneration danken. Ich würde gern den alten Bundeslän dern für Ihre Solidarität danken. Ich würde gern all denen dan ken, die dazu beigetragen haben. Ich würde dazu auch gern ei ne besondere Anekdote einstreuen. Doch, meine Damen und Herren, ich glaube, der Landtag von Brandenburg ist heute Morgen dafür nicht der richtige Ort. Wir haben heute andere große Herausforderungen. Denn wir stehen vor einer der größ ten Herausforderungen in der jüngsten Geschichte unseres Landes, nämlich der Frage: Wie gestalten wir gemeinsam Inte gration, wie gestalten wir gemeinsam ein Willkommen, wie können wir die Dinge auch gemeinsam annehmen? Denn wö chentlich erreichen uns mehrere Hundert Flüchtlinge, zumeist aus Syrien und anderen Kriegsgebieten unserer Welt. Es ist schon gesagt worden: Eine Million Menschen werden in die sem Jahr nach Deutschland kommen, nach Brandenburg ca. 30 000. Sie werden hier Asyl beantragen, und für alle, für die der Vergleich wichtig ist: Es ist ungefähr die Einwohnerzahl von Neuruppin. Das zeigt schon, welche Herausforderung hier gemeinsam anzupacken ist.

Deshalb, meine Damen und Herren, und aus keinen anderen Gründen reichen heute unsere Aufnahmekapazitäten nicht mehr, und deshalb suchen unsere Kommunen händeringend nach neu en Unterkünften. Deshalb - das sage ich auch ganz klar - müssen wir dringend bessere Unterkünfte zur Verfügung stellen, weil Zelte in Zeiten des heraufkommenden Winters in dieser Form nicht die Unterbringung gewährleisten sollen und dürfen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe)

Ich habe damit nur die dringendsten Probleme angesprochen. Ich könnte jetzt noch die Integration ansprechen: die Aufnah me in Schulen und Kindertagesstätten, die Integration in den Arbeitsmarkt und vieles darüber hinaus.

Meine Damen und Herren, heute Morgen erwarten die Bran denburgerinnen und Brandenburger von uns, dass der Sekt im Kühlschrank bleibt. Sie erwarten von uns, dass wir heute die Dinge ansprechen und auch Antworten auf ihre vielen Fragen geben.

(Beifall CDU und AfD)

Meine Damen und Herren, jede Generation hat ihre historische Herausforderung. Die Generation unserer Großeltern hatte die Herausforderung, uns zu erklären: Wie haben sie sich eigent lich in Kriegszeiten verhalten? Wie haben sie sich im Nazi deutschland verhalten? Und wie sind sie mit der Schuld nach dem Zweiten Weltkrieg umgegangen? Eine andere Generation hatte die Herausforderung, die Friedliche Revolution zu meistern und eine deutsche Wiedervereinigung zu gestalten. Und ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Kinder uns fragen werden, wie wir die Herausforderung, die heute vor uns steht, in unserer Zeit der Verantwortung wahrgenommen haben. Ich möchte, dass wir darauf gemeinsam eine vernünftige Antwort geben, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU sowie vereinzelt DIE LINKE)

Denn sie werden uns die Frage stellen, ob wir kaltherzig wa ren. Sie werden uns die Frage stellen, ob wir zugesehen haben, wie Tausende Menschen, meist Frauen und Kinder, ertrinken. Sie werden uns die Frage stellen, ob wir es gut gefunden ha ben, dass an Grenzen Stacheldraht und Tränengas gegen Men schen eingesetzt wurden. Und sie werden uns fragen, ob uns diese Bilder, die wir im Fernsehen, auf unseren doch sehr be quemen Couchgarnituren sitzend, gesehen haben, kaltgelassen haben.

Andere werden uns vielleicht fragen, ob wir den Zuzug zu we nig begrenzt und damit Probleme, die vielleicht noch in Jahr zehnten bestehen werden, am Anfang einer Herausforderung ignoriert haben. Oder wird man sagen: „Ihr habt damals, 2015, Herz, Nächstenliebe und Vernunft bewiesen“?

Meine Damen und Herren, ich möchte, dass wir aus diesem Haus heraus das Signal geben, dass letztgenannte Variante die Variante ist, die eintreten wird: dass wir Herz, Nächstenliebe und Vernunft beweisen in den Tagen, die vor uns liegen.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

„Wir schaffen das“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie können natürlich davon ausgehen, dass ich das auch so sehe, dass wir das auch so sehen. Ich kann auch nicht verstehen, dass manche in anderen Gebieten unseres Landes, gerade im Süden, behaupten, sie hätten eine Alternative dazu. Nein, es gibt dazu keine Alternative. Wir können es nur schaffen, sonst werden wir daran scheitern.

Aber es ist auch klar: Wir schaffen es nicht irgendwie, irgend wie allein und irgendwie durch Dinge, die nicht angepackt wer den. Wir schaffen es nur dann, wenn wir mit den Bürgern in diesem Land ehrlich umgehen und wenn wir die Verunsiche rung, die nun einmal da ist, offenen Herzens aufnehmen, verste hen und unsere Entscheidungen mit davon abhängig machen.

In vielen Gesprächen erfahre ich und erfahren wir alle - Sie alle sind unterwegs; dafür herzlichen Dank -, dass große Hilfsbe

reitschaft vorhanden ist und es im Land viel Verständnis dafür gibt, dass wir Flüchtlingen Schutz und Unterkunft bieten. Des halb auch hier von uns der ausdrückliche Dank an alle Helfer in allen Bereichen unseres Landes, egal ob haupt- oder ehren amtlich. Sie leisten große Taten. Insbesondere herzlichen Dank dafür, dass Sie nicht Worte, sondern Taten sprechen lassen in diesen Tagen unserer Herausforderungen.

(Beifall CDU)

Aber auf der anderen Seite erwachsen natürlich auch genau aus diesen hohen Flüchtlingszahlen Bedenken und Unsicherheit. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben in den letz ten 25 Jahren viele Veränderungen erlebt. Manch einer hat die se Veränderungen auch durchlitten. Vieles hat sich in dieser Zeit zum Besseren entwickelt, aber nicht alle haben davon gleichermaßen profitieren können. Natürlich fragen sich die Menschen nach diesen 25 Jahren der Veränderung, wo sie ei gentlich dachten, sie seien angekommen und könnten ihr Le ben jetzt genießen: Wie viel Veränderung verträgt mein Leben an dieser Stelle noch? Was kann ich in den nächsten Jahren noch an Veränderungen mitgestalten? Was wird aus meinem Dorf, meiner Arbeit, der Schule meiner Kinder und meiner En kelkinder?