Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

„Der Landtag dankt vor allem den Lehrkräften... für ihr Engagement. Er ermuntert die Schulen und Lehrkräfte ausdrücklich, mutig und beherzt die Inklusion als eine positive Herausforderung zu verstehen... “

Dass Sie sich trauen, so etwas aufzuschreiben! Das muss in den Ohren der Betroffenen doch wie Hohn und Spott klingen.

(Beifall CDU)

Diejenigen, die das Chaos, das Sie zu verantworten haben, schon seit einigen Jahren ausbaden müssen, sollen ermuntert werden, das mutig und beherzt als positive Herausforderung zu verstehen. Ganz ehrlich: Das hätte ich so nicht geschrieben.

„Der Landtag bekennt sich zur Umsetzung der UN-Be hindertenrechtskonvention... “

Meine Damen und Herren , die UN-Behindertenrechtskonven tion wurde im Jahr 2008 durch die Bundesrepublik Deutsch land ratifiziert und ist damit geltendes Recht. Dazu brauchen wir uns nicht zu bekennen, das ist eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten von Halem [B90/ GRÜNE] und Galau [AfD])

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, bis zum Ende des 2. Quartals 2016 ein Konzept zur Inklusion in Schule vorzulegen... “

Darin sollen Aussagen zu möglichen unterrichtsunterstützenden Maßnahmen sowie Angaben zu personellen, baulichen und finanziellen Rahmenbedingungen getroffen werden. Ich sage Ihnen einmal ehrlich: Wir diskutieren seit dem Jahr 2010 darü ber. Im Jahr 2010 hatte die Koalition das Ende der Förderschu len für das Jahr 2019 angekündigt - total euphorisch. Seitdem kritisieren wir und die Leute aus der Praxis, dass Sie ohne Konzept arbeiten. Jetzt fordern Sie - das ist das große Neue an diesem Antrag - bis zum 2. Quartal 2016 das Konzept, das an den Schulen in Brandenburg seit 6 Jahren fehlt. Und das wol len Sie hier auch noch als große Leistung abfeiern. Das hätte ich nicht gemacht.

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Wer feiert denn hier?)

Sie sagten, Frau Dannenberg, dass einiges auf Eis gelegt wur de. Ich finde, das, was Sie hier fordern, hätten Sie längst liefern müssen.

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Ich?)

Mein Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Landesregierung, was die Umsetzung der Inklusion angeht, ist genauso nachhal tig erschüttert wie das Vertrauen aller Betroffenen. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. - Danke schön.

(Beifall CDU - Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Ja, das war klar!)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Koß. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kol legen! Liebe Gäste! Bundesweit haben rund eine halbe Million Kinder und Jugendliche Förderbedarf; das sind ca. 6,4 % der Schülerinnen und Schüler. In Brandenburg ist die Förderquote höher: Hier sind es 8,4 % aller Schülerinnen und Schüler. Brandenburg gehört im Ländervergleich bei der Inklusion zu den Vorreitern. Etwa 40 % aller Kinder mit sonderpädago gischem Förderbedarf lernen schon jetzt an Regelschulen. Bundesweit sind es übrigens nur rund 25 % der Schülerinnen und Schüler.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hinter diesen Zah len verstecken sich tägliche Höchstleistungen unserer Lehre rinnen und Lehrer. Dafür sei ihnen an dieser Stelle herzlich gedankt.

(Beifall SPD)

Mit dem Ihnen vorliegenden Antrag der Koalition tragen wir diesen großen Leistungen Rechnung und beauftragen die Lan desregierung, ihre Aktivitäten auf dem Weg zu einem inklusi ven Bildungswesen weiter zu verstärken. Vieles, was die Grü nen in ihrem Entschließungsantrag gefordert haben, findet sich auch in unserem Antrag wieder, zum Beispiel die Erstellung einer Konzeption, die sich auf den Evaluationsbericht und die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirates bezieht. Wir erwarten in dieser Konzeption wichtige Aussagen zum Ausbau der Inklusion an Grund- und Oberschulen, inklusive der Aussa gen zu personellen, baulichen und finanziellen Rahmenbedin gungen. Diese uns zum Ende des 2. Quartals vorzulegende Konzeption ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn diese vorliegt, sollten und müssen wir darüber diskutie ren, inwieweit Gesetze, Regelungen und Verordnungen benötigt werden und wie ein langes gemeinsames Lernen für alle Kinder umgesetzt werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns diese Konzeption gemeinsam auf den Weg bringen. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir aus den eingangs genannten Gründen nicht zustimmen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und der Abgeordneten Dannenberg [DIE LINKE])

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Königer.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Lieber Gast! Inklusion wurde als Pilotprojekt vorangetrieben. Brandenburg zeichnet sich in der Bildungspolitik dadurch aus, dass oft und viel verändert wird. Ständig werden neue Rege lungen erlassen. Selbst vor den Institutionen wie den Schu

lämtern machen die Eingriffe nicht Halt. Im Gegensatz zu an deren Ländern ist der Schulfrieden nicht gewahrt. Die flächen deckende Einführung der Inklusion wurde zurückgestellt. Der Landtag soll feststellen … Der Landtag soll sich bedanken … Der Landtag soll sich bekennen … Der Landtag soll fordern … Wir sehen einen Antrag, der keinerlei Substanz hat. Das Ein zige, was ich ihm entnehme, ist, dass die Inklusion durchge setzt werden soll, obwohl ihre flächendeckende Einführung entgegen der Planung erst einmal gestoppt wurde. Ich ent nehme dem Antrag des Weiteren, dass auch bei dieser Reform wieder einmal eine Evaluation notwendig ist.

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Hallooo! Die ist schon da! - Frau Koß [SPD]: Die liegt schon vor!)

Die beste Reform wäre eindeutig: Mal keine Reform! Ich be grüße die Integration behinderter Kinder in eine Gemeinschaft. Gerade sie bedürfen der Teilhabe und Unterstützung. Schauen wir aber hinter die Kulissen unserer Schulen, sehen wir, dass dies oftmals nicht geleistet werden kann, denn das Bildungssy stem liegt in Trümmern.

Eine Bestandsaufnahme: Die Klassenstärke geht oft über die Obergrenze hinaus. Ein Drittel der Inklusionsklassen hatte im Jahr 2014 mehr als die festgelegte Anzahl von 23 Kindern. Die Lehrer sind überfordert und die Schulen personell unterbesetzt. Eine Förderschulklasse hat demgegenüber weniger Schüler und kann auf die Bedürfnisse der Schüler besser eingehen. Sie sind je nach Art der Behinderung sehr unterschiedlich. Wie soll ein dafür nicht ausgebildeter Lehrer darauf eingehen?

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Mit Liebe!)

Wenn einzelne Kinder individuellen Förderbedarf haben, dann kann der kaum in einer Regelschule gedeckt werden. Eine Lehrkraft ist schlicht überfordert, wenn sie ihren Unterricht gleichzeitig nach dem Begabtesten und dem Unbegabtesten ausrichten soll.

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Was ist denn ein Unbe gabter?)

Das ist schon an Förderschulen schwierig, an normalen Schu len ist das völlig unmöglich. Das Niveau sinkt, die Begabten sind unterfordert.

(Domres [DIE LINKE]: Unsinn!)

Das Niveau des Lernens in Inklusionsklassen droht hinter dem in Förderschulen zurückzubleiben.

(Frau Große [DIE LINKE]: Gucken Sie mal nach Italien oder in die USA!)

Gerade in unserem Bundesland ist ein Mitziehen lernschwä cherer Schüler oftmals nicht möglich. Im Gegenteil, sie werden als Sonderlinge ausgegrenzt und gemobbt.

(Domres [DIE LINKE]: Ein Blödsinn ist das!)

- Sie sagen „Blödsinn“, Herr Domres. Ich habe dies im engsten Familienkreis selbst erfahren.

Schauen wir uns das Bildungssystem weiter an: Der Vertre tungsanteil an den Schulstunden erreichte 2014 einen traurigen

Rekord. 9,3 % aller Schulstunden mussten vertreten werden oder fielen aus.

(Frau Große [DIE LINKE]: Vertretener Unterricht ist er teilter Unterricht!)

Der vertretene Teil bleibt zwangsläufig unter der Qualität des ordnungsgemäßen Unterrichts. Zum Halbjahr 2014/15 blieben Fächer ohne Noten. Auch der Krankenstand der Lehrer nimmt seit Jahren zu - eines der Ergebnisse der verheerenden rot-roten Bildungspolitik.

(Lachen der Abgeordneten Dannenberg [DIE LINKE])

Brandenburg bildet mit Berlin das bildungspolitische Schluss licht aller Länder. Das haben Sie fein hinbekommen! Im Bil dungsmonitor 2015 liegt es auf Platz 15. Die Landesregierung nimmt seit Jahren in Kauf, dass unsere Schüler nicht die Bil dungsqualität erhalten, die sie verdienen. Sie nimmt in Kauf, dass es Schüler schwerer haben, ihren Bildungsweg selbst zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund wird nun die Inklusion vorangetrieben. Da aber jetzt schon die Grundlagen für ein gutes Bildungssystem fehlen, sind die Voraussetzungen für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben nicht gegeben. Wirkliche Inklusion erfordert behut sames Vorgehen und Zeit. Sie erfordert die Einbeziehung der Kinder und der Eltern. Wenn es dem Kindeswohl dient, muss der Besuch einer Förderschule möglich sein. Deshalb dürfen Förder schulen nicht abgeschafft werden. Das Elternwahlrecht muss er halten bleiben. Das sehen auch die Wissenschaftler vom Deut schen Institut für Internationale Pädagogische Forschung so. In ihren Bildungsberichten warnen sie eindrücklich vor einer Ab schaffung der Förderschulen. Das ist auch vor dem Hintergrund, dass es noch eine Vielzahl ungeklärter Fragen und Probleme gibt, auf die die Inklusion eine Antwort finden muss, notwendig. Die AfD wird sich dann einer behutsamen Inklusion jenseits von Ideologie und in angemessener Qualität nicht verschließen. Aber der Beschluss zur Schließung der Förderschulen ist nicht vom Tisch. Deshalb tragen wir das Konzept einer weiteren Ausdeh nung der Inklusion nicht mit. Trotzdem, meine Damen und Herren, weil es meine letzte Rede ist,

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ihnen allen ein besinnliches Weihnachtsfest mit inkludierter Bescherung. - Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Ab geordnete von Halem. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen, insbesondere liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen! Da ich grundsätzlich zu den Optimisten gehöre, erst einmal die gute Nachricht: Es gibt endlich einen Antrag zu diesem Thema. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich hoffe, dass sich bei diesem Thema endlich etwas bewegt.