Von oben verordnete Schulfusionen wird es auf keinen Fall ge ben. Das ist schon im Koalitionsvertrag vereinbart worden, und dabei bleibt es.
Meine Damen und Herren, jetzt, wo dies klargestellt ist, kön nen Sie im Interesse einer guten Bildung für alle Kinder un seres Landes diesem Antrag zustimmen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Sehr geehrte Kollegin Dannenberg, eine Re volution ist das sicher nicht, denn Revolution meint einen grundlegenden strukturellen Wandel. Was Rot-Rot hier be treibt, ist eher ein Bildungsexodus, also eine Entleerung.
Ihr Antrag beinhaltet nämlich eigentlich Selbstverständliches. Er betont, dass die Herkunft nicht die Bildungschancen beein flussen sollte. Er erklärt, dass es genügend Durchlässigkeit zwischen den Schulformen geben muss. Dem ist zuzustimmen. Doch sollten diese berechtigten Forderungen schon längst um gesetzt sein. Die Regierungsparteien sind nicht erst seit kurzem, sondern bei genauem Hinsehen schon seit sechs Jah ren in der Regierungsverantwortung.
Der Antrag fordert gemeinsames Lernen von der 1. Klasse bis zum Schulabschluss. Das klingt nach Einheitsschule, die wir ablehnen. Wir fordern eine differenzierte Förderung der Schü ler. Wenn das Leistungsniveau zu weit auseinanderklafft, sinkt das Leistungsniveau. Wir unterstützen deshalb die Forderung nach früherer und intensiver individueller Förderung, die mit den differenzierten Schulformen ermöglicht wird.
Schulzentren vor dem Hintergrund sinkender Schülerzahlen sind Ausdruck gesunkener Finanzierungsfähigkeit des Landes. An anderer Stelle scheint das keine Rolle zu spielen; wir ken nen das. Grundsätzlich ist gegen die Zusammenfassung ver schiedener Schulformen unter einem Dach nichts einzuwen den, wenn sich Schulen und Eltern einig sind. Wenn aber Schulschließungen zu unverhältnismäßig langen Schulwegen führen, habe ich Bedenken. Bedenken hätte ich auch, wenn wieder von oben herab entschieden wird und die Betroffenen - wie bei Ihnen üblich - kein Mitspracherecht haben. Das ange regte Konzept zur Schaffung von Schulzentren muss den As pekt der Mitbestimmung berücksichtigen und sich klar vom politischen Ziel der Einheitsschule distanzieren. Die Zusam menfassung aller Schüler in einem Klassenverband bis zum Schulabschluss negiert das Problem, dass es unterschiedliche Lernniveaus gibt. Es muss möglich sein, begabte Schüler zu fördern und weniger begabte Schüler zu unterstützen. Die not wendige differenzierte Lehrmethodik fordert auch den entspre chenden formalen Rahmen.
Die Einschätzung, dass die Zusammenfassung ohne leistungs bezogene Trennung auch in den oberen Klassenstufen zu besse ren Ergebnissen führt, teilen wir nicht. Das ist durch die Brille einer bestimmten Ideologie gesehen. Damit kennen Sie sich ja aus. Wenn die Brille abgenommen wird, können wir der Reali tät wieder ins Auge blicken, und da zeigt sich, dass Erfolg mit individueller Förderung erzielt wird. Diese individuelle Förde rung besteht im ersten Schritt unter anderem in einer leistungs bezogenen Trennung der Schüler. Unterschiedliche Schulklas sen verhindern, dass sich die Schere des unterschiedlichen Leistungsniveaus weiter öffnet. Aber vielleicht ist das ja Ihr Ziel.
Die Diskussion verdeckt eine andere, die dringender zu führen wäre: Wie bringen wir endlich Schulfrieden in unser Land? Wie bekommen wir die Ausfallstunden in den Griff? Wie schaffen wir es, uns auf die umfassende Stoffvermittlung zu konzentrieren, ohne dass Schulfächer eingespart werden?
Wie gestalten wir den Unterricht endlich einmal ideologiefrei? Welche Schlussfolgerung erfordert die Migrantenproblematik?
Hierauf sollten die Regierungsparteien eine Antwort geben. Wir warten seit langem darauf, und ich fürchte: Wenn wir nicht gestorben sind, dann warten wir auch in fünf Jahren noch da rauf. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Gäste! Vorneweg: Wir werden dem Antrag zustim men, obwohl wir - zugespitzt formuliert - gar nicht recht wis sen, wovon Sie eigentlich reden.
Wir stimmen zu, obwohl es hier um ein Thema geht - ähnlich dem Thema Inklusion, das heute Abend aufgerufen wird -, von dem Sie immer reden, von dessen Umsetzung wir aber bisher kaum etwas bemerkt haben - weder in dieser Legislaturperiode noch zuvor. Denn was ist eigentlich ein Schulzentrum? Dürfen sich zwei Schulen, zum Beispiel eine Grundschule und eine drei Straßen entfernt liegende Oberschule, die sich insofern zu sammenschließen, als sie beim Übergang von einer Schule zur anderen besser kooperieren als früher, Schulzentrum nennen? Wenn sich zwei Schulen auf dem gleichen Gelände befinden, aber überhaupt nicht bzw. nicht mehr als mit anderen Schulen kooperieren - sind sie dann ein Schulzentrum? Was ist ein Schulzentrum? Geht es um die räumliche oder die inhaltliche Kooperation? Was bedeutet in diesem Zusammenhang eigent lich „gemeinsam“? Gemeinsam in einem Gebäude, gemeinsam in einer Klasse? Dies lässt der Antrag offen. Welche Art der Kooperation ist gemeint? In welchem Umfang soll sie stattfin den?
Den unbestimmten Begriff „Schulzentren“ verbinden Sie mit der Forderung nach längerem gemeinsamem Lernen. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, geht aus diesem Antrag nicht wirk lich hervor. Sowohl die Presseverlautbarungen als auch die heu tigen Redebeiträge lassen eher darauf schließen, dass bei Ihnen die eine Ebene nicht so recht weiß, was die andere meint.
Bei diesem Durcheinander ist verständlich, dass es der CDU weiterhin immer durchgeht - auch in der Presse -, von der Ein
heitsschule zu reden. Ich muss ehrlich sagen: Die Erkenntnis, dass individueller kompetenzorientierter Unterricht - dass er gemeint ist, geht aus dem Antrag zumindest hervor - bedeutet, Kinder auf verschiedenen Niveaustufen innerhalb einer Klasse zu unterrichten, aber eben gerade nicht einheitlich, hat sehr lange gebraucht, um sich durchzusetzen. Ich denke, es ist in zwischen sogar in den Rahmenlehrplänen festgeschrieben. Nun müsste doch auch die CDU endlich begriffen haben, dass „Einheitsschule“ das nicht ist.
Wir stimmen dem Antrag zu, so unbestimmt er ist. Wenn Schu len in welcher Form auch immer dabei unterstützt werden, bes ser zu kooperieren, die Übergänge nahtlos und das System ins gesamt durchlässiger zu gestalten, ist es ein positives Vorha ben, egal wie wir das Produkt nennen; das spielt keine Rolle.
„Für mehr Chancengleichheit müssen deshalb die Rah menbedingungen für eine frühe und intensive individu elle Förderung … verbessert werden.“
So steht es da. Wie das geht, wissen wir schon lange ziemlich genau. Einmal abgesehen von den Rahmenbedingungen für ei ne bessere frühkindliche Bildung, die wir nicht außer Acht las sen dürfen, meine ich Verbesserungen, die wir im Rahmen von Inklusion diskutiert haben: Multiprofessionelle Teams und nicht die Fortsetzung der Situation, dass Sonderpädagogen im mer wieder für den Vertretungsfall herhalten müssen; Fortbil dungen für Lehrkräfte, selbstständige Gestaltungsmöglich keiten für Schulen inklusive eigener Fortbildungsbudgets, an gemessene Unterstützung für Hochbegabte genauso wie für Kinder mit Förderbedarfen usw. - das sind die Rahmenbedin gungen für eine gute Schule. Dabei, Schule zu verbessern, bringen uns die Strukturdiskussionen erst einmal nicht weiter. Diese müssen wir nur wegen des demografischen Wandels füh ren.
Das liegt an der mangelnden Konkretheit des Antrages und drei weiteren Schwachstellen: Erstens taucht der Begriff Inklusion in diesem Antrag überhaupt nicht auf - als könnten wir uns eine bessere individuelle Förderung völlig losgelöst von dem in der UN-Konvention festgelegten Anspruch auf Inklusion denken, dem wir uns theoretisch auch verpflichtet haben. Dieser Be griff taucht in dem Antrag nicht auf.
Zweitens: Wir hatten eine Demografie-Kommission, zumin dest zur Zukunft der Grundschulen - unseren Antrag bezüglich einer Kommission zur Zukunft der weiterführenden Schulen haben Sie abgelehnt. Was die Demografie-Kommission für Grundschulen aufgeschrieben hat, waren sehr vernünftige Schritte; aber darauf nehmen Sie in Ihrem Antrag keinerlei Be zug. Das kann man sehr wohl kritisieren.
Drittens: Sie machen mit diesem Antrag das Gleiche wie mit dem Inklusionsantrag, der heute Abend auf der Tagesordnung steht. Sie rühren ein bisschen in der lauen Suppe, fördern ein paar halbgare Brocken zutage - nur um dann wieder ein halbes
Jahr vergehen zu lassen und die laue Suppe auf halber Flamme warm zu halten, anstatt irgendwann einmal richtig Dampf zu machen.
Manchmal hat man hier den Eindruck: Wenn die Opposition etwas beantragt, was die Regierung zum Teil gut findet, windet diese sich und erklärt die ganze Zeit, warum das eigentlich gut ist, sie aber nicht zustimmen kann. - Jetzt hast du erklärt, dass das alles halbgar sei, dass sie die Brocken ewig kochen lassen wollten und eigentlich richtig Dampf machen müssten,
dass man nicht wisse, wovon sie eigentlich reden. Und trotz dem wollt ihr zustimmen - das finde ich schon bemerkenswert.
Ich habe es eigentlich so verstanden, dass in Plenardebatten die Fraktionen - auch die Koalition - ihre Positionen erklären. Im Vorfeld gab es nun etwas Wirrwarr und Chaos darum, welche die Position der Koalition ist. Ich hatte mir erhofft, dass wir nach den heutigen Reden Klarheit darüber haben - das Gegen teil ist der Fall: Das Wirrwarr und das Chaos werden immer größer.
Kathrin Dannenberg spricht von einem Türöffner für das län gere gemeinsame Lernen von Klasse 1 bis 13. Frau Koß sagt, nichts ändere sich, alles bleibe wie es ist, es sei nichts Neues - um im nächsten Satz zu sagen, sie wollten aber die Grundlagen schaffen.
Ich kann Ihnen nur empfehlen: Wenn Sie keine gemeinsame Position haben - was bei zwei Parteien ja nicht schlimm ist -, machen Sie doch keinen gemeinsamen Antrag, in dem der ein zige gemeinsame Nenner ist, dass es am Ende ein größeres Chaos gibt als vorher.
Setzen Sie sich zusammen, beratschlagen Sie so lange, bis Sie eine gemeinsame Position haben, und vertreten Sie diese hier. Ansonsten bin ich darauf gespannt, wie der Bildungsminister das wieder zusammenzubinden versucht.