Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Ger ber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich über den Antrag der Koalitionsfrakti onen, aber auch über das Ergebnis der Debatte. Hat sie doch gezeigt, dass wir mit der Opposition ein hohes Maß an Über einstimmung haben. Es ist gut, dass es hier einen Grundkon sens gibt, denn er schafft die Voraussetzungen, um das Thema Digitalisierung der Wirtschaft möglichst breit zu verankern. Ich teile nachdrücklich die im Antrag zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, dass es sich bei der Wirtschaft 4.0 um eine He rausforderung handelt, die die gesamte Gesellschaft angeht, in erster Linie Unternehmen und Beschäftigte, natürlich auch die Gewerkschaften und Verbände als Sozialpartner sowie schließ lich Wissenschaft und Politik als Impulsgeber und Rahmenset zer.

Die Landesregierung und ich persönlich legen großen Wert darauf, dass bei diesen Strukturveränderungen die Gewerk schaften und die Arbeitgeberverbände eng eingebunden wer den. Die Herausforderung in Bezug auf die Digitalisierung wird sich auch in den Bereichen Bildung und Gesundheitswe sen, bei der Gestaltung der Arbeitswelt, im Sozialstaat und bei der inneren Sicherheit, bei Planungsprozessen sowie in den Bereichen Kultur und Forschung immer stärker zeigen. Sie bestimmt diese Bereiche in zunehmendem Maße. Wir - die Politik - wollen und müssen uns um die Rahmenbedingungen kümmern.

Heute reden wir über den Ausschnitt der Wirtschaft. Wenn wir wollen, dass die Wirtschaft im Land Brandenburg zukunftsfä hig bleibt, müssen wir der Digitalisierung der Wirtschaft eine hohe Priorität zumessen. Denn die Wachstumspotenziale durch die Nutzung digitaler Technologien und Verfahren in der deut schen Industrie werden in verschiedenen Studien auf 200 bis 400 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 beziffert. Aber auch im Handwerk ergibt sich zunehmend die Anforderung, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen. Begünstigt durch ständige Kostensenkungen und die fortlaufende Verklei nerung von IT-Komponenten wird das Internet immer breitere Anwendungsmöglichkeiten finden. Die Zulieferer- und Ab satzverflechtungen sowie die Wertschöpfungsketten in Gänze werden sich dadurch deutlich verändern.

Ziel der Wirtschaftspolitik muss es also sein, die Vorausset zungen dafür zu schaffen, dass auch und gerade brandenbur gische Unternehmen digitale Produktionsprozesse und Dienst leistungen einführen. Das bedeutet: Unsere Unternehmen müs sen sich der digitalen Zukunft öffnen, um die technischen und organisatorischen Anforderungen zu erfüllen, die große Produ zenten und Dienstleister neuerdings verlangen. Höhere digitale Qualitätsstandards im Zuliefererbereich verlagern sich zuneh mend auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das bedeutet für unsere Wirtschaft eine große Chance und zugleich eine große Herausforderung.

Wir unterstützen gemeinsam mit Berlin diese Prozesse mit un serer Innovationsstrategie. Unsere Clusterstrategie ist auf Inno vation ausgelegt, auf die Vernetzung von Forschung und Ent wicklung, von Unternehmen und Hochschulen. Darüber hinaus haben wir das Innovationszentrum Moderne Industrie Bran denburg; darauf ist hingewiesen worden. Mit unseren Innovati onsgutscheinen und den Innovations-CheckUps können wir gerade kleinen und mittleren Unternehmen zunächst einmal ei nen kostenlosen Zugang zu den Möglichkeiten der Digitalisie rung bieten.

Meine Damen und Herren! Auch die Wirtschaftsförderungsge sellschaft und die Investitionsbank des Landes Brandenburg sind aktiv, um unsere Unternehmen zu informieren, zum Bei spiel auch über die relativ neue ProFIT-Richtlinie.

Was die Kommunikation angeht, so werden wir uns darum be mühen, noch mehr als bisher die Sprache der Unternehmen zu sprechen, um ihnen den Zugang zu unseren Förderangeboten zu erleichtern.

Zum Thema Fachkräfte möchte ich an dieser Stelle nichts sa gen. Der Antrag „Brandenburger Bündnis für Gute Arbeit“, der morgen auf der Tagesordnung steht, wird das Thema Digitali sierung nochmals adressieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Wirt schaft 4.0 ist eine Herausforderung für die brandenburgische Wirtschaft. Es ist aber mehr als das, nämlich eine große Chan ce. Wir unterstützen Unternehmen und Beschäftigte darin, die se Chance zu nutzen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und der Abgeordneten Wich mann und Dr. Redmann [CDU])

Vielen Dank. - Herr Abgeordneter Kurth, haben Sie noch Re debedarf?

(Kurth [SPD]: Wer, ich? - Nein!)

Nein, Herr Barthel war ja der Redner für die SPD, Entschuldi gung!

Wenn Sie mich fragen … Ich habe keinen Bedarf mehr.

(Heiterkeit)

Danke. - Ich schließe die Aussprache und rufe zur Abstimmung auf. Es geht um den Antrag der Fraktionen der SPD und DIE LINKE - Digitalisierung der Wirtschaft - Chancen und Poten ziale Brandenburgs nutzen - in der Drucksache 6/3104. Wer möchte dem Antrag zustimmen?

(Domres [DIE LINKE]: Na, geht doch!)

Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Antrag angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungs punkt 12 auf:

Entlassung mutmaßlicher Straftäter aus der Untersu chungshaft verhindern

Antrag

der Fraktion der CDU

Drucksache 6/3303

Die Aussprache wird mit dem Beitrag des Abgeordneten Ei chelbaum von der CDU-Fraktion eröffnet. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ende letzten Jahres mussten in Brandenburg zwei mutmaßliche Sexualstraftäter aus der Untersuchungshaft ent lassen werden, weil am Landgericht Cottbus die Hauptver handlungen nicht innerhalb von sechs Monaten nach Haftan tritt eröffnet werden konnten. Dadurch ist die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet worden. Die politische Verantwortung für diesen Justizskandal trägt der Justizminister des Landes Brandenburg. Es ist Ihre Aufgabe, Herr Minister Dr. Markov, die Bevölkerung vor Sexual- und Gewaltstraftätern zu schüt zen

(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)

und die Einhaltung von Recht und Gesetz zu überwachen.

(Beifall CDU und AfD)

- Zu Ihnen, Herr Kollege Schöneburg, komme ich nachher noch.

Es ist Ihre Aufgabe, Herr Minister, die Gerichte und Staatsan waltschaften personell und organisatorisch so auszustatten, dass sie die Gerichtsverfahren in Brandenburg zügig durchfüh ren können. Die Entlassung der beiden einschlägig vorbestraf ten Sexualstraftäter war und ist für die Opfer eine fürchterliche Nachricht.

(Beifall CDU und AfD)

Wie müssen sich die Eltern der zehn Mädchen und zwei Jun gen, die von den beiden Angeklagten sexuell missbraucht wor den sein sollen, gefühlt haben, als sie erfuhren, dass die mut maßlichen Täter aus der Untersuchungshaft entlassen worden sind? Wie frustriert müssen die Polizeibeamten sein, die in vor bildlicher Weise dafür gesorgt haben, dass die beiden mutmaß lichen Straftäter endlich dingfest gemacht wurden? In dieser Situation hätten wir von Ihnen, Herr Minister, zumindest ein Wort des Bedauerns oder eine Entschuldigung erwartet. Statt dessen verharmlosen Sie die Situation, verstecken sich hinter Zahlen und schieben die Schuld an diesem ungeheuren Vor gang den Richterinnen und Richtern in die Schuhe. Ihre offen sichtliche Gleichgültigkeit ist erschreckend.

(Beifall CDU und AfD)

Die Berufsverbände und die Oppositionsfraktionen haben seit langem immer wieder darauf hingewiesen, dass Ihre Personal politik für die Justiz in Brandenburg negative Folgen haben wird. Schon jetzt fehlen in Brandenburg Richter, Staatsanwälte und Justizbeschäftigte, um alle anstehenden Gerichtsverfahren so bearbeiten zu können, wie es die Bürger zu Recht erwarten, nämlich schnell und gründlich. Schon jetzt arbeiten die Justiz beschäftigten an der Grenze ihrer Belastbarkeit, es gibt keiner lei Ressourcen, um Spitzenbelastungen bei umfangreichen Ver fahren abzufangen.

Seit einiger Zeit können Sie die Kritik an der Politik des Bran denburger Justizministeriums auch schon in Urteilen von Bran denburger Gerichten nachlesen - ein sehr ungewöhnlicher Vor gang in der Rechtsprechung -, so beispielsweise in einem Ur teil der 7. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam: Dort beklagte das Gericht bereits vor zwei Jahren die hohe Be lastung und die daraus resultierenden weiten Terminstände und den hohen Bestand an Verfahren als deutliche Folge von Perso naleinsparung. Da hatten Sie noch Verantwortung, Herr Kolle ge Dr. Schöneburg.

(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: Ja, stimmt! - Domres [DIE LINKE]: Die hat er übernommen!)

Ähnlich äußerten sich im letzten Jahr auch die Richter und Staatsanwälte, die erstmals in der Geschichte des Landes Bran denburg auf die Straße gingen, um gegen Ihre Personalpolitik zu demonstrieren. Das Wasser steht der Justiz des Landes Branden burg nicht nur bis zum Hals, sondern längst einen Meter drüber. Es drohen nicht nur Entlassungen aus der Untersuchungshaft, sondern auch das Platzen von Strafverfahren wegen der nicht möglichen Auswertung sichergestellten Beweismaterials.

Sie sollten sich einmal mit dem Generalstaatsanwalt Prof. Rau tenberg unterhalten. Die Generalstaatsanwälte haben bei ihrem

Treffen im letzten Jahr in Görlitz den Notstand in der Straf rechtspflege beklagt. Die Arbeits- und Handlungsfähigkeit im Bereich der Spurensicherung, Beweisauswertung und Beweis mittelbeschaffung ist bedroht. Die Beamten schaffen es nicht mehr in allen Fällen, sichergestelltes Beweismaterial innerhalb der Frist von neun Monaten auszuwerten.

(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: Sechs Monate!)

Diese dramatische Situation wird sich durch Ihre Politik weiter verschärfen.

In den nächsten Jahren werden 234 Richter und Staatsanwälte aus Altersgründen aus der Justiz ausscheiden. Ab diesem Jahr wird kein ausscheidender Vorsitzender Richter mehr ersetzt. Die unerledigten Fälle werden die verbleibenden Kammern zusätzlich belasten. Sie planen, bis zum Jahr 2018 weitere 211 Stellen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit abzubauen. Das würde bedeuten, dass beim Oberlandesgericht zwei Senate und an den Landgerichten 13 Kammern - also 20 % aller Gerichts kammern in Brandenburg - aufgelöst werden müssten. Die Justiz des Landes Brandenburg ist leider zum Stiefkind der Lan desregierung geworden. Ausbaden müssen das die Bürger und vor allem die Opfer von Straftaten.

Meine Damen und Herren, die Staatsanwaltschaft und die Ge richte können ihren Arbeitsumfang nicht selbst bestimmen, sondern müssen erledigen, was auf den Tisch kommt. Das wird aufgrund der zunehmenden Komplexität von Gesetzen und Vorschriften immer mehr. Da die Gerichte verpflichtet sind, Recht zu gewähren, sind der Gesetzgeber und die Justizverwal tung auch verpflichtet, für die hierzu erforderliche sachliche und personelle Ausstattung zu sorgen. Das gilt nicht nur, aber insbesondere bei Strafsachen.

Das Bundesverfassungsgericht hat erst vor kurzem deutlich ge macht, dass die Überlastung eines Gerichts

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Schöneburg [DIE LINKE])

in den Verantwortungsbereich des Staates fällt und den Be schuldigten nicht zugemutet werden darf, die Aufrechterhal tung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt hat, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte nachzukommen. Ebenso klar und eindeutig sind auch die Rechtsprechungen des Landesverfas sungsgerichts und die des Oberlandesgerichts Brandenburg.

In den Haushaltsberatungen im letzten Jahr hatten wir mehr Stellen für Richter und Staatsanwälte beantragt. Sie haben das mit Ihrer Mehrheit abgelehnt, Sie müssen jetzt auch für die Konsequenzen geradestehen. Wir erwarten jetzt von Ihnen, dass Sie gemeinsam mit dem Präsidenten des OLG, den Land gerichten und dem Generalstaatsanwalt die aktuelle Belastungssituation in den Strafkammern näher untersuchen.

Wir erwarten zweitens von Ihnen, dass Sie gemeinsam mit den Staatsanwaltschaften und Gerichten ein effektives Frühwarn- und Informationssystem entwickeln, um zukünftig Haftentlas sungen aufgrund von Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Das gesamte Informationssystem muss auf eine breitere Basis gestellt werden, um frühzeitig entsprechende Maßnahmen ein zuleiten.

Wir erwarten drittens von Ihnen, dass Sie die bis zum Jahr 2018 vorgesehenen Stellenreduzierungen - vor allem in der or dentlichen Gerichtsbarkeit - endlich zurücknehmen.

Wenn Sie weitere Haftentlassungen vermeiden wollen, wenn Sie die Verfahrenszeiten endlich spürbar reduzieren wollen, wenn Sie die Motivation der Justizbeschäftigten erhöhen wol len und den Bürgern eine leistungsfähige, unabhängige und bürgernahe Justiz in Brandenburg garantieren wollen, dann müssen Sie die Justiz in Brandenburg sachlich und personell gut ausstatten. - Vielen Dank.