Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Wir haben unseren Entschließungsantrag eingebracht, um die wirklich notwendigen Maßnahmen aufzuzeigen. Wir wollen die Bürger stärker und direkt in die Planung neuer Windparks einbeziehen, mehr Transparenz schaffen und das Mitsprache recht stärken, falls neue Windparks überhaupt notwendig und sinnvoll sein sollten.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident und sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, Sie wissen ja sehr gut bzw. am allerbesten, dass das EEG und seine Folgen nichts mit einer vernünftigen Energiewende zu tun haben und es hier einen Widerspruch in sich gibt.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht, danke. Das muss ich ablehnen.

Sie, Herr Gerber, haben doch kürzlich im Innenausschuss selbst ein Kurzreferat über die Windenergie gehalten und festge stellt - ich übersetze einmal -, dass es sich eigentlich um ein Potemkinsches Dorf handelt. Heute haben Sie das auch wieder klargemacht.

(Minister Gerber: Das stimmt nicht!)

Bei 1 bis 2 % der benötigten Strommenge bzw. Gesamtenergie menge - so haben Sie diagnostiziert - sei die Energiemenge, die effektiv durch die Windräder zur Verfügung steht, ja geradezu lächerlich - von der fehlenden Wärmeproduktion einmal abge sehen.

Sehr geehrter Herr Woidke, ich habe kürzlich hier gestanden und verdeutlicht und begründet, wie unsozial das EEG ist. Kurz darauf haben Sie das öffentlich tatsächlich auch so be kundet, bestätigt - wofür ich Ihnen sehr danke - und als Ihre Meinung verkauft.

Was sind denn nun die Konsequenzen dieser Erkenntnisse, meine Herren? Wir, die Alternative für Deutschland, die Fraktion der AfD und vor allem die Bürger unseres Landes erwarten nun entschlossenes Handeln von Ihnen. Das wären die Konsequenzen: Beerdigung des unsozialen, unwirtschaft lichen und unökologischen EEG sowie sofortiger Stopp des weiteren Ausbaus der Windenergie in Brandenburg, solange weder das Netz noch wirtschaftliche Speicherkapazitäten vor handen und die gesundheitlichen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Mensch und Tier nicht sicher erforscht sind.

(Beifall AfD)

Eine Forderung sehr vieler Brandenburger - es gibt ein entspre chendes Volksbegehren - lautet: Keine Windenergieanlagen in unseren brandenburgischen Wäldern! -Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Der Ministerpräsident erhält das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst beim Präsidenten und beim Hohen Haus für meinen etwas lautstarken Temperamentsaus bruch in der lautstarken Diskussion mit Herrn Gauland vor we nigen Minuten entschuldigen. Das steht mir nicht zu, und ich werde weiterhin an meiner Disziplin arbeiten.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Grund für meinen Temperamtsausbruch ist, glaube ich, nachvollziehbar: Herr Gauland hat mir gegenüber deutlich gemacht, dass er sich erst dann bei der Brandenburger Polizei für seine unsäglichen Äu ßerungen entschuldigen werde, wenn sich die Kanzlerin dazu entschließt, ihre Politik zu ändern. Liebe Kolleginnen und Kol legen, ich glaube, dass diese Äußerungen dazu angetan sind, diesem Hohen Haus, dem Brandenburger Parlament insgesamt Schaden zuzufügen, und ich bitte Herrn Gauland als Landtags abgeordneten dieses Hohen Hauses und als jemanden, der be sonders im Fokus steht und an den besondere Maßstäbe ange legt werden, darüber nachzudenken, ob er diese Äußerung so stehen lassen will oder sich nicht doch zu einer Entschuldigung gegenüber der Brandenburger Polizei bzw. jeder einzelnen Po lizistin und jedem einzelnen Polizisten durchringen sollte. Ich kann ihn nur dringend darum bitten.

(Beifall SPD, DIE LINKE, CDU, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, mit dem wir uns heute befassen, ist für dieses Hohe Haus nicht neu. Man kann auch sagen: Es ist unser ständiger Begleiter. Es ist unser ständi ger Begleiter, weil es kein Randthema bzw. kein Thema ist, mit dem man sich schnell, nebenbei und am Rande beschäftigen kann. Es geht um ein Thema - ich bin den Rednerinnen und Rednern, die dies zuvor deutlich gemacht haben, sehr dank bar -, das die Zukunft unseres Landes sowie Gesamtdeutsch lands in einem Rahmen prägen wird, wie wir es uns heute viel leicht noch nicht vorstellen können. Energie ist die Basis unse res Wohlstandes.

(Beifall SPD)

Eine stabile und sichere Energieversorgung ist deshalb auch die Basis der deutschen Industrie, des deutschen Mittelstandes, des deutschen Handwerks und der deutschen Landwirtschaft. Diesen Wohlstand - alles, was wir heute haben - haben wir auch der deutschen Wirtschaft und ihrer guten Entwicklung in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu verdanken.

Dabei ist auch auffällig, dass sich die erneuerbaren Energien gut entwickelt haben. Herr Vogel, Sie haben vollkommen Recht: Ökologisch ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein Erfolg. Ich glaube nicht, dass wir ohne die Rahmenbedingungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz den heutigen Stand bei den er neuerbaren Energien in unserem Land und deutschlandweit er reicht hätten. Es reicht aber nicht, es nur ökologisch zu bewer ten, wir müssen auch die Ökonomie im Blick haben: Was pas siert mit der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen in der Energie wirtschaft - ob nun die Kolleginnen und Kollegen bei Vestas in Lauchhammer, die Windenergieanlagen herstellen, oder die Kumpel in den Lausitzer Tagebauen und Kraftwerken, die Strom produzieren?

Es geht weit darüber hinaus. Die Energiediskussion betrifft je den einzelnen Wirtschaftsbetrieb in Brandenburg, und wir ha ben die Chance, die Energiewende auch zu einem ökonomi schen Erfolg in unserem Land zu machen, wenn wir die Rah menbedingungen richtig setzen. Im Zuge der Novelle des EEG sind wichtige Schritte eingeleitet worden. Dafür bin ich erst einmal dankbar. Weitere müssen aber folgen.

(Beifall SPD)

Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der Erfolg der Energiewende unter anderem davon abhängen wird, ob wir es schaffen, die erneuerbaren Energien von derzeit zum Großteil noch unzuverlässigen zu zuverlässigen Energien zu machen. An dieser Stelle bin ich mit dem Erneuerbaren-Energien-Ge setz momentan noch nicht zufrieden, das sage ich hier ganz of fen. Speicherlösungen, die wir dringend brauchen, sind nach wie vor nicht vorgesehen.

(Vereinzelt Beifall SPD sowie des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Ein dritter Punkt, der auch von einigen Vorrednern angespro chen wurde und der mir Sorge bereitet, ist die soziale Kompo nente der Energiewende. Auch das muss uns interessieren. Wenn der Strompreis bei der EWP in Potsdam heute bei ca. 30 Cent pro Kilowattstunde liegt, ist das für viele Menschen eine große Belastung.

(Schröder [AfD]: Genau!)

Wir müssen dafür sorgen, dass diese Belastung nicht weiter steigt. Ich finde es nach wie vor ungerecht, dass für die Ener giewende in Deutschland jeder, egal ob arm oder reich, egal ob Rentner, Mindestrentner oder Einkommensmillionär, den glei chen Beitrag zahlt. Auch darüber müssen wir nachdenken. Wir können die Energiewende nicht auf schwachen Schultern abla den und breite Schultern davon profitieren lassen.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE sowie des Abge ordneten Jung [AfD])

Rund 24 Milliarden Euro pro Jahr - das ist die Summe, die mo mentan über das EEG verteilt wird. Diese Summe darf nicht weiter steigen, und ich bin ganz klar dafür, dass wir über eine Steuer- oder Fondsvariante breite Schultern bei der Energie wende in Deutschland stärker belasten und schmale Schultern entlasten. Das Gleiche gilt auch für die vermiedenen Netzent gelte; einige Vorredner haben dargestellt, worum es dabei geht. Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass gerade die Bürgerinnen und Bürger der Länder, in denen die Gewinnung erneuerbarer Ener gien in den letzten Jahren am meisten vorangetrieben und zum Erfolg geführt worden ist, am stärksten darunter zu leiden ha ben.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Wir werden das nicht hinnehmen. Ich bin Bundeswirtschafts minister Sigmar Gabriel dankbar für seine Ankündigung, dass es hierzu ab 2018 eine Änderung geben soll. Ich habe die große Hoffnung, dass dann die volatilen Energieträger aus den ver miedenen Netzentgelten herauskommen. Das wäre eine deutliche Entlastung für die Brandenburger Stromkunden. Gemein

sam mit den Kollegen der Koalition in Berlin sollten wir aber erst feiern, wenn wir es wirklich geschafft haben. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke dem größten Teil dieses Hauses für die sehr sachliche Debatte, und das sollte auch der Weg sein, wie wir in Zukunft über das Thema Energie in Brandenburg miteinander reden sollten. - Herzlichen Dank!

(Beifall SPD und DIE LINKE sowie des fraktionslosen Abgeordneten Hein)

Vielen Dank. - Ich frage der Ordnung halber, ob die Fraktionen von der zusätzlichen Redezeit Gebrauch machen wollen. - Bit te?

(Vogel [B90/GRÜNE]: Wie viel Minuten?)

- Die zusätzliche Redezeit beträgt vier Minuten. Möchte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN davon Gebrauch ma chen? - Bitte, Herr Vogel.

Recht herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident, dass Sie mir noch einmal die Möglichkeit gegeben haben, zusätzliche Rede zeit in Anspruch zu nehmen, aber auch danke für Ihre Rede. In vielem sind wir uns einig. Bei den Netzentgelten sind wir nicht unterschiedlicher Auffassung; da rennen Sie bei uns offene Türen ein. Selbstverständlich muss es ein bundesweit einheitliches Netzentgelt geben, auch wenn die Analyse, dass es in erster Linie durch die Erneuerbaren verursacht werde, unseres Erachtens falsch ist. Die Ursache dafür bildet im Wesentlichen, dass es insbesondere in Ostdeutschland eine große Struktur schwäche gibt, dass große Entfernungen zwischen den einzel nen Stromabnehmern das Verlegen längerer Leitungen erfor dern, aber auch dass der Verbrauch in Brandenburg niedriger ist als beispielsweise in Hamburg oder Berlin. Im Ergebnis führt das dazu, dass die Stadtstaaten, aber auch NordrheinWestfalen oder die baden-württembergischen Ballungszentren relativ niedrige Netzentgelte haben, sodass die dortigen Lan desregierungen natürlich kein Interesse daran haben, durch bundesweit einheitliche Netzentgelte dazu beizutragen, dass unsere geringer werden. Das ist klar.

Ich möchte noch etwas Grundsätzliches sagen: Niemand plant einen gleichzeitigen Ausstieg aus Atomkraft und Kohle. Im Jahr 2022 wird in Deutschland das letzte Atomkraftwerk abge schaltet. Kein vernünftiger Mensch verlangt in den nächsten sieben Jahren den vollständigen Kohleausstieg, aber das Ab kommen von Paris und der grundlegende Wandel in der Ener giepolitik bedeuten: „Nach dem Atomausstieg ist vor dem Kohleausstieg“. - Das war ein Zitat der Bundesumweltministe rin Hendricks.

(Beifall B90/GRÜNE)

Man sollte nicht ausblenden, dass der Kohleausstieg in der Tat nach dem Atomausstieg kommen muss und wir jetzt gefordert sind, es in die Wege zu leiten.

Wenn ich vorhin gesagt habe, es hat sich in Fortsetzung der Anti-Atom-Bewegung eine internationale Klimaschutzbewe

gung aufgebaut, möchte ich aber eines hinzufügen: Die Lausitz ist nicht das neue Wendland. - Ich denke, es muss auch allen Aktivisten und Aktivistinnen, die an „Ende Gelände“ teilge nommen haben, klar sein, dass es hier einen wesentlichen Un terschied gibt: Im Wendland wollte die Atomindustrie mit Un terstützung der Bundesregierung ein Endlager in einer ländli chen Region errichten. Das wurde von außen hineingetragen. In der Lausitz - da gebe ich Ihnen Recht, Herr Nowka -, haben wir eine ganz andere Situation, weil die Menschen seit Jahr zehnten - bald 100 Jahre - von der Braunkohle leben und im mer in dem Glauben gehandelt haben, dass es unverzichtbar ist, dass sie dieses Opfer bringen, um Strom zu erzeugen. Die Zeiten ändern sich, aber die Menschen sind genau in diesem Glauben und diesem Bewusstsein gefangen. Daher wird es viel schwieriger sein, in der Lausitz die Bereitschaft zu einem Wan del herbeizuführen. Deswegen ist es auch richtig, wenn der Mi nisterpräsident und andere hier sagen, dass es einen Lausitz fonds, ein neues Konzept für die Entwicklung der Lausitz ge ben soll - Herr Homeyer hatte es angesprochen. In der nächsten Sitzung werden wir mit dem Antrag der CDU, der, denke ich, sehr gehaltvoll ist, darüber debattieren. Es kann in niemandes Interesse sein, die Menschen in der Lausitz vor den Kopf zu stoßen und gleichzeitig die Energiewende ad infinitum aufzu schieben. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie des fraktionslosen Abgeord neten Hein)

Vielen Dank. - Das Wort hat für 39 Sekunden noch einmal die BVB/FREIE WÄHLER Gruppe.

Sekundenscharf gemessen. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Der Ministerpräsident hat gerade wortreich beklagt, was er durch die Energiestrategie der Lan desregierung bis 2030 selbst geschaffen hat. Wir haben in der heutigen Debatte deutlich vermittelt bekommen: Es gibt keine Abkehr von der Energiestrategie. Der Ausbau der Anlagen soll vorangetrieben werden, eine Verdopplung der Anlagen ist ge plant. Es gibt kein Konzept für vernünftige Speicher. Der Netz ausbau schreitet voran; damit einher geht auch eine Strom preissteigerung. Es gibt kein Konzept für verstärkten Lärm schutz, geschweige denn für Schutz vor Infraschall.

Meine Damen und Herren, alles, was wir gehört haben, ist Ly rik, ideologisch verbrämt oder schlichtweg unvernünftig. Des wegen müssen wir zu der Schlussfolgerung kommen: Eine Ver änderung der Energiestrategie im Land Brandenburg wird nur durch ein erfolgreiches Volksbegehren „Rettet Brandenburg“ möglich sein. Deswegen wünsche ich den Aktivisten bis zum 6. Juli viel Erfolg und fordere möglichst viele Bürger auf zu un terschreiben. Was Sie heute gehört haben, sind Lippenbekennt nisse, aber keine Veränderungen hin zu einer bürgerfreundlichen, ökologischen und sozialverträglichen Energiepolitik.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie des frak- tionslosen Abgeordneten Hein)

Das Wort erhält jetzt noch einmal der Abgeordnete Homeyer für die CDU-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident! Lieber Kollege Axel Vogel, Sie haben gesagt, Sie wollen kein neues Wendland, weil die Voraussetzungen na türlich völlig anders sind als im Falle des Wendlands. Ich muss Ihnen aber sagen: Ich glaube Ihnen, dass Sie das gern möchten, aber ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Ich möchte Sie auffordern, auch mit Ihrem Einfluss dafür Sorge zu tragen, dass genau das nicht passiert. Was zu Pfingsten in der Lausitz - initiiert von „Ende Gelände“ - geschehen ist, ist von langer Hand geplant und angekündigt worden.

(Zurufe der Abgeordneten Jungclaus und Nonnemacher [B90/GRÜNE])