Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Ansprechen möchte ich auch die nachhaltig gestärkte Praxistauglichkeit des Gesetzes. Das Vergabegesetz ist entsprechend den Forderungen aus dem Evaluationsbericht, den wir in der letzten Legislaturperiode diskutiert haben, angepasst worden. Durch eine übersichtlichere Gliederung und einfachere sprach liche Gestaltung ist das Gesetz nun verständlicher und damit besser handhabbar.

Einer Anpassung bedurfte das Vergabegesetz auch mit Blick auf die Kostenerstattung an die Kommunen. Nunmehr ist eine pauschalierte Kostenerstattung vorgesehen, die keines Antra ges mehr bedarf. 1 Million Euro weist die entsprechende Haus haltsstelle auf. Die Verteilung erfolgt nach einem Schlüssel, der sich zu drei Vierteln auf die Einwohnerzahl und zu einem Viertel auf die Fläche der Kommune bezieht. Die Zahlungen werden die Kommunen künftig direkt erreichen. So ist sicher gestellt, dass eine Mehrbelastung ausgeglichen wird und die betroffenen Kommunen das Geld auch wirklich in Empfang nehmen.

Ein weiterer wichtiger Punkt im Gesetzentwurf: Auch die ver gaberechtlichen Regelungen haben wir den neuen Rahmenbe dingungen, die das Bundesrecht vorgibt, angepasst. Die um fangreiche Novellierung des Vergaberechts auf Bundesebene im Oberschwellenbereich machte dies erforderlich und mög lich. Vereinfachungen und Konkretisierungen im neuen Verga berecht sollen in Brandenburg auch unterhalb des Schwellen wertes gelten.

Meine Damen und Herren! Mit Beschlussfassung und Einbrin gung des Gesetzentwurfs ist die Meinungsbildung der Landes regierung abgeschlossen. Herr Abgeordneter Homeyer, das ist ein Punkt, der im Zusammenhang mit Ihrem Akteneinsichtsbe gehren wichtig ist. Sie wissen, dass dies eine der Voraussetzun gen ist.

Mit dem novellierten Gesetz schlagen wir den richtigen Weg ein. Das Gesetz ist einfacher anzuwenden, es ist aber vor allem ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, denn wir stärken die Einkommen derjenigen, die unsere Unterstützung am aller meisten brauchen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir kommen zum nächsten Redner. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Barthel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Werte Gäste! Der Minister hat bereits vieles zum Gesetz entwurf gesagt: zur Rechtskonformität, zur Erhöhung der Pra xistauglichkeit und zu den veränderten Kostenerstattungen an die Kommunen. Zentraler Punkt des Gesetzes ist natürlich der Mindestlohn. Ich möchte hierzu noch einige Aspekte ergänzen. Wir sollten nicht vergessen: Das Land Brandenburg gehört beim allgemeinen Mindestlohn in Deutschland zu den Vorrei

tern. Das kann man nicht oft genug betonen. Damit haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen wichtigen Schritt getan, um gute Arbeit angemessen zu entlohnen.

Was wir jetzt tun, ist, das Gesetz den Lebensrealitäten anzupas sen - auch wenn die CDU es anders sieht. Wir werden die Ver fahren einfacher, rechtskonform bzw. rechtssicher gestalten. Zudem werden auch Anforderungen an die Beschaffungspraxis umgesetzt. Zur Lebensrealität gehört auch, dass sich die Löhne und Gehälter in den zurückliegenden Jahren seit Einführung des landesspezifischen Mindestlohns positiv verändert haben. So zeigen die Daten des Amtes für Statistik Berlin-Branden burg beispielweise für das vergangene Jahr deutliche Lohnzu wächse. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst lag im dritten Quartal 2015 um 1,1 % höher als im Vorjahresquartal, und im ersten und zweiten Quartal fielen die Lohnzuwächse mit + 3,7 % bzw. + 3,3 % noch stärker aus.

(Beifall der Abgeordneten Lüttmann und Frau Fischer [SPD])

Auch für 2016 werden steigende Reallöhne erwartet. Nebenbei bemerkt: Deutschlandweit hat sich seit der Einführung des bun deseinheitlichen Mindestlohns die Lohnentwicklung deutlich positiver gestaltet. Laut Statistischem Bundesamt ist der Real lohnindex in Deutschland im Jahr 2015 im Vergleich zum Vor jahr um 2,4 % gestiegen. Mit unserem Vergabegesetz galt bereits seit dem 1. Januar 2012 für alle Aufträge, die nicht im Anwen dungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes oder im Leis tungsbereich des öffentlichen Personennahverkehrs liegen, ein Mindestarbeitsentgelt von 8 Euro, seit dem 11. Februar 2014 von 8,50 Euro pro Arbeitsstunde. Das derzeit geltende Gesetz regelt, dass dieses Mindestarbeitsentgelt - soweit erforderlich - regelmäßig alle zwei Jahre an wirtschaftliche und soziale Verän derungen anzupassen ist. Die Lohnentwicklung zeigt: Wir haben hier eine Veränderung. Die Überprüfung seiner Höhe erfolgt, wie wir eben gehört haben, durch die unabhängige Brandenbur ger Mindestlohnkommission. Sie hat sich in einer Empfehlung für eine Erhöhung des Mindestarbeitsentgeltes auf 9 Euro ausge sprochen. Dieser Empfehlung hat sich die Landesregierung in ihrem Gesetzentwurf angeschlossen. Wir als Parlament haben jetzt die Möglichkeit, diese 9 Euro auf den Weg zu bringen.

Was bedeutet das konkret für Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer? Der Minister hat schon deutlich gemacht: 20 Euro pro Woche mehr sind wahrlich kein großer Brocken. Ein 30-Jähri ger erhält in Zukunft bei einer 40-Stunden-Arbeitswoche etwa 1 125 Euro netto. Das ist kein großer Betrag. Damit zu haus halten - zumal wenn es im Haushalt Kinder gibt - ist äußerst schwierig.

Man kann sich mit der Frage des Rechts auf Einsicht in die Un terlagen der Mindestlohnkommission beschäftigen, das ist legi tim. Aber die zentrale Frage ist eine ganz andere: Werden wir mit der Novellierung des Vergabegesetzes unserer Verantwor tung als Korrektiv gegen Lohndumping und für eine gerechte Bezahlung gerecht? Wir haben eben mit den Gewerkschaftern des Holzwerkes in Baruth gesprochen, wo es keinen Flächenta rifvertrag gibt. Das ist übrigens eins der wesentlichen Übel hier in Brandenburg, dass in ganz vielen Unternehmen eben nicht der Flächentarifvertrag gilt; dort erfolgt dann Lohndumping.

Wir sind also für einen fairen Wettbewerb. Machen wir dabei keine handwerklichen Fehler, wie sie die Bundesregierung be gangen hat - was das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat -,

die Arbeitgeber ausnutzen können, um den Mindestlohn zu un terlaufen! Das ist der zentrale Punkt.

Ich freue mich auf eine sachliche Diskussion im Wirtschafts ausschuss - auch mit den Kollegen der CDU. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Homeyer für die CDU-Fraktion fort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das brandenburgische Vergabegesetz stammt aus einer Zeit, zu der es in Deutschland noch keinen bundeseinheitlichen Min destlohn gab. Wenn ich den Wirtschaftsminister des Landes Brandenburg, Herrn Gerber, und den Kollegen Helmut Barthel sprechen höre, habe ich den Eindruck, es geht um eine Sache noch vor dem bundeseinheitlichen Mindestlohn, der von einer schwarz-roten Bundesregierung beschlossen und durchgesetzt wurde. Dieser bundeseinheitliche Mindestlohn gilt - und zwar im gesamten Bundesgebiet: in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Thüringen, in ganz Deutschland, Herr Kollege Barthel.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass sich die Sonderlösung des Landesmindestlohns in Brandenburg mit der Einführung des bundeseinheitlichen Mindestlohns erübrigt hat.

(Senftleben [CDU]: Versprochen wurde das nur!)

Das haben Sie auch versprochen: Es steht in Ihrem Koalitions vertrag,

(Beifall CDU)

dass Sie sich für die Harmonisierung einsetzen wollen.

(Frau Muhß [SPD]: Bis zum Ende der Legislaturperio de!)

Ich verstehe auch, Herr Kollege Barthel, dass Sie sich in Koali tionszwängen befinden - keine Frage. Aber jetzt so zu tun, als sei Brandenburg mit seinem landeseinheitlichen Mindestlohn nach wie vor eine Insel der Glückseligen, ist falsch. Ich habe viel mit Praktikern, Mitarbeitern der Verwaltung, Verbänden, Kommunen und auch mit Unternehmern, die mit öffentlichen Aufträgen arbeiten, geredet. Sowohl die Kommunen als auch die Wirtschaft - vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen - sehen sich dadurch selbst bei kleinen Aufträgen einem enormen bürokratischen, personellen und finanziellen Aufwand ausgesetzt. Diese doppelten Regelungen schaffen eben ein Bürokratiemonster.

Es geht aber darum, Bürokratie abzubauen und unsere kleinen und mittleren Unternehmen, unsere Kommunen zu entlasten.

(Beifall CDU und AfD sowie des fraktionslosen Abge ordneten Hein)

Meine Damen und Herren, das vorgelegte Gesetz würde Kräfte binden, aber keinen Nutzen bringen. Sie haben in Ihrem Koali

tionsvertrag angekündigt, das brandenburgische Vergabegesetz mit dem bundeseinheitlichen Mindestlohn zu synchronisieren. Jetzt machen Sie genau das Gegenteil: Während der gesetzli che Mindestlohn im kommenden Jahr - ich denke, das kann man schon jetzt sagen - auf ca. 8,80 Euro steigen wird - also auf einen 20 Cent vom landeseinheitlichen Mindestlohn ent fernten Betrag -, setzen Sie das jetzt noch durch. Das heißt, Herr Kollege Barthel: Für 20 Cent brutto werden all die büro kratischen Unsinnigkeiten dieses Gesetzes - die unzähligen Nachweis-, Kontroll- und Prüfpflichten - weiter durchgezo gen.

Mir bleibt dabei eigentlich nichts anderes als die Erkenntnis, dass es hier vermutlich lediglich darum geht, die Ideologie und den Willen der Linken in Ihrer Koalition mit aller Macht durchzusetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, Kollege Barthel, dass Sie das besonders gut finden.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Sie schreiben sich die Förderung eines fairen Wettbewerbs auf die Fahne, schaffen aber mit diesem Gesetz die Situation, dass sich viele Unternehmen erst gar nicht mehr um öffentliche Aufträge in Brandenburg bewerben, weil ihnen der bürokrati sche Aufwand einfach zu groß ist.

(Beifall CDU und AfD)

Mittlerweile beobachten wir sogar eine Spaltung der Wirt schaft. Die einen sagen: Wir können es uns nicht mehr leisten, öffentliche Aufträge anzunehmen; das machen wir nicht. - Sie sind also nur noch in der Privatwirtschaft tätig. Andere spezia lisieren sich geradezu auf öffentliche Aufträge. Merkwürdig!

Auch die Absenkung der Anwendungsuntergrenze auf 3 000 Euro kann ich nur schwer nachvollziehen. Denn damit erreichen Sie keine Vereinfachung, sondern erhöhen auch für viele Kommunen zusätzlich den bürokratischen Aufwand.

Auf der anderen Seite vermisse ich im vorliegenden Entwurf Regelungen, die das Gesetz tatsächlich hätten verbessern kön nen - zum Beispiel die Nachprüfungspflichten unterhalb der europarechtlichen Schwellenwerte. In Brandenburg haben wir es mit trauriger Regelmäßigkeit mit Skandalen und Mausche leien bei der Auftragsvergabe zu tun. Der Gesetzentwurf hätte - nach dem Vorbild Sachsen-Anhalts oder Thüringens - die Mög lichkeit einer echten Kontrolle in einem schlanken, überschau baren Verfahren einführen können.

Somit komme ich letztendlich zu der Frage: Wem nützt das Gesetz eigentlich? Es schadet den Kommunen und der einhei mischen Wirtschaft. Es geht um einen verhältnismäßig klei nen Betrag. Nächstes Jahr erhöht sich der bundeseinheitliche Mindestlohn. - Es ist ein Schaufenstergesetz, ein zahnloser Tiger. Es dient eigentlich nur einem einzigen Zweck - damit komme ich zum Ende -, nämlich dem, dass sich die Linke und vielleicht einige Damen und Herren von der SPD gegen seitig auf die Schultern klopfen können, ein gutes Gefühl ha ben und beim Parteitag so richtig einen draufhauen und ge meinsam die Internationale singen können. Darum geht es. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD - Zuruf des Abgeord neten Domres [DIE LINKE])

Vielen Dank. - Zu uns spricht der Abgeordnete Loehr für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Sehr verehrte Kol leginnen und Kollegen! Herr Homeyer, ob Ihnen der Versuch der Umarmung der SPD gelungen ist, kann die SPD selbst be werten. Ich würde sagen: eher nicht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine schriftliche Frage der Linksfraktion im April 2016 beantwortete das Bundesministeri um für Arbeit und Soziales wie folgt: Um nach 45 Arbeitsjahren und einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden eine Rente über dem Niveau der Grundsiche rung - die zurzeit bei 788 Euro liegt - zu erhalten, „wäre im Jahr 2016 […] ein Stundenlohn von rund 11,68 Euro erforderlich.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Stundenlohn von 9 Euro ist ein Schritt in die richtige Richtung, zur Sicherung der persönlichen Existenz ohne zusätzliche Transferleistungen im Hier und Jetzt. Aber auch 9 Euro Stundenlohn bedeuten lei der Altersarmut - das gehört zur Wahrheit. Daher fordern wir seit zehn Jahren die Wiederherstellung der alten Rentenformel; auch Teile der SPD haben dies auf Bundesebene mittlerweile aufgegriffen.

Wir wollen weiterhin eine Vorbildfunktion für das Lohngefüge in Brandenburg insgesamt ausüben; wir wollen keinen Wettbe werb um die niedrigsten Lohnkosten auf dem Rücken der ab hängig Beschäftigten - mit Steuermitteln, wohlgemerkt. Dazu dient das Vergabegesetz.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernig [DIE LINKE])

Wovon reden wir? Wir reden von einem Bruttolohn von 1 560 Euro. Bei der Lohnsteuerklasse 1 sind das 1 134 Euro netto. Dieser Betrag liegt exakt 60 Euro über der Pfändungs freigrenze - für jemanden, der in Vollzeit arbeitet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, das ist nicht zu viel.

Das Vergabegesetz verdrängt kein bestehendes Vergaberecht und kommt auch nicht zur Anwendung, wenn es ein Arbeits entgelt gibt, welches den Stundenlohn von 9 Euro übersteigt.

Herr Homeyer, der Vorwurf „Bürokratiemonster“ ist nicht neu. Sie sagten, Sie fänden im Gesetzentwurf keine Verbesserung. Möglicherweise haben Sie nicht genau gelesen oder Herrn Gerber nicht zugehört. Ich will noch einmal darauf verweisen, dass die Kommunen über das Finanzausgleichsgesetz für den damit möglicherweise verbundenen Mehraufwand jetzt eine pauschale Erstattung erhalten sollen. Das ist ein Fortschritt, Herr Homeyer, den Sie nicht abstreiten können.

(Dr. Redmann [CDU]: Für die Unternehmer ist das aber kein Fortschritt!)

- Die Unternehmer, Kollege Redmann, sind gar nicht betroffen, wenn sie ihren Angestellten einen Stundenlohn von 9 Euro oder mehr zahlen.