Protokoll der Sitzung vom 15.07.2016

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Kollege Schröder, die AfD warnt vor einem deutschen Sonderweg. Das ist ja auch mal etwas Besonderes.

(Beifall SPD, CDU und B90/GRÜNE)

Aber ein Sonderweg ist das zum Glück nicht, schon längst nicht mehr, denn in vielen wichtigen, großen Nationen wie China und den USA gibt es inzwischen eine sehr deutliche Tendenz, die Erneuerbaren auszubauen. Man beobachtet uns dabei.

(Galau [AfD]: Nein, man lacht über uns!)

Deswegen ist der Erfolg der Energiewende - das betonen wir immer - so wichtig.

Wichtig ist auch - da gebe ich Ihnen sogar Recht -, dass man sich mit den Kosten der Energiewende auseinandersetzt. Transparenz fordern - ja, das ist ein wichtiger Aspekt. Aber man muss immer im Hinterkopf haben, wozu sie dienen soll. In der Begründung des AfD-Antrags geht es darum, dass die Anlagen die Landschaft verunstalten, die dadurch ihren Erho lungswert und ihren identitätsstiftenden Charakter für die märkische Heimat verliert, dass Natur- und Kulturlandschaf ten zu Industrielandschaften und dass Wälder abgeholzt wer den. - Warum muss ich in dem Zusammenhang jetzt an Braun kohle denken?

Aber Sie meinen tatsächlich die Windkraft, vielleicht auch die Solaranlagen, und sagen, das Ganze sei eine besondere Belas tung, die Kosten seien nicht zu rechtfertigen, und wir müssten analysieren, was das tatsächlich für Brandenburg bedeutet. Was Sie da nicht alles von der Landesregierung analysiert ha ben wollen! Sie wollen feststellen lassen, was die konventio nellen Kraftwerke, was Windenergieanlagen, Solaranlagen, Biomasseanlagen und andere Anlagen kosten. Ich nehme an, es geht um die Herstellungskosten; genauer steht es in Ihrem An trag nicht. Sie wollen die Stromerzeugungskosten, reale Markt bedingungen sowie die Kosten der Umlagen und der Netzein griffe analysiert haben. Natürlich nehmen Sie auch die Kosten für Forschung sowie für die Entwicklung und Herstellung der zukünftigen Speichersysteme nicht aus. Heute weiß niemand genau, wie sie aussehen werden, aber wir lassen schon einmal im Voraus berechnen, was sie denn kosten werden. Was es kos tet, das alles zu entsorgen, soll ebenfalls berechnet werden. Das ist ein abenteuerlicher Auftrag an die Landesregierung, die tat sächlich anderes zu tun hat, als Gutachten in einem Umfang, wie es auch wissenschaftliche Institutionen in Deutschland kaum erbringen könnten, zu erstellen.

Wir brauchen solche Gutachten nicht, denn es gibt eine Studie. Was die Energiewende kostet, hat das Freiburger FraunhoferInstitut in einer Studie vom Ende letzten Jahres zu ermitteln versucht.

(Petke [CDU]: Und, wie viel?)

Man hat - bis zum Jahr 2050 - analysiert, was der Ausbau er neuerbarer Energien auf der Grundlage verschiedener CO2Minderungsziele gegenüber dem Wert von 1990 im Vergleich zur Fortführung konventioneller Kraftwerke auf der Grundlage des Status quo kosten würde. Eine CO2-Reduktion um 85 % war da ein Beispiel. Man kommt in der Tat zu sehr hohen Kos ten, wenn man einfach nur die Erneuerbaren analysiert: eine abenteuerliche Zahl von 1,1 Billionen Euro Mehrkosten beim Ausbau erneuerbarer Energien bis 2050 - keine Sorge, ich bin noch nicht fertig, nicht zu früh freuen - gegenüber der Weiter führung konventioneller Energieformen, wie wir sie jetzt ha ben. Also haben Sie scheinbar doch Recht?

Nein, haben Sie nicht, denn schon durch eine simple Verände rung von Variablen, und zwar eine sehr logische Veränderung, kommt das Fraunhofer-Institut zu einem ganz anderen Ergeb nis: Man setzt nämlich bei der ersten Zahl voraus, dass die Kosten für den Einkauf konventioneller Energieträger wie Öl, Erdgas und Steinkohle bis zum Jahr 2050 nicht steigen. Das ist natürlich nicht realistisch. Setzt man eine jährliche Kostenstei gerung von 2 % für die nächsten Jahre und eine zusätzliche plausible Kostensteigerung für den CO2-Emissionsrechtehan del voraus, dann kommt das Institut - in derselben Studie mit dem gleichen Ergebnis - beim Ausbau erneuerbarer Energien zu einer Kosteneinsparung von 600 Milliarden Euro gegenüber der Fortschreibung des Status quo. Da werden Sie natürlich sa gen: Das ist eine nicht realistische Zahl. - Damit führen Sie Ih ren Antrag ad absurdum, denn genau das - und nur das - könnte auch die Landesregierung einem extrem teuren, aufwändigen Prozess ermitteln. Variablen können und müssen natürlich im mer in Zweifel gezogen werden, weil sie in die Zukunft gerich tet sind. Niemand kann heute realistisch sagen, was die Strom erzeugung im Jahr 2030, 2040, 2050 wirklich kostet.

Wenn wir also einmal realistisch an das Thema herangehen, dann stellen wir fest: Ja, es kostet Geld. Aber es kostet Geld, weil es ein sinnvolles und gutes Ziel ist. Ich sage damit nicht, dass alle Elemente der Energiewende plausibel und vernünftig seien. Aber das große Ziel der Energiewende - auch unter In kaufnahme von vorübergehenden Mehrkosten - halten wir für das volkswirtschaftlich allemal kleinere Übel gegenüber den extremen Mehrkosten, die ein durchgreifender Klimawandel global, aber auch im Land Brandenburg verursachen würde,

(Beifall SPD und B90/GRÜNE - Vogel [B90/GRÜNE]: Hört, hört!)

die allerdings - das räume ich ein - niemand seriös beziffern kann. Unter den Umständen: Glauben Sie nicht, dass wir Ihrem Antrag zustimmen können! Selbstverständlich lehnen wir ihn ab. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lie be Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion fordert, dass die Landesregierung bis April 2017 eine Prognose der Kosten der Energiewende für die Stromverbraucher in Brandenburg vorlegt. Die AfD-Fraktion führt auch auf, welche Rahmenbe dingungen diese Prognose haben soll: Unter anderem soll sie den Zeitrahmen sowie die Kosten für Forschung und Entwick lung der Speichersysteme, die Herstellungskosten der zukünf tigen Speichersysteme und Übertragungsnetze angeben und, und, und.

Herr Schröder, ich traue der Landesregierung in manchen Din gen aus oppositioneller Sicht auch nicht, aber eines kann ich ihr nicht vorwerfen: dass sie keine Glaskugel hat, in die sie gu cken kann.

(Beifall CDU, SPD und der Abgeordneten Domres [DIE LINKE] und Vogel [B90/GRÜNE])

Bei allem Verständnis dafür, meine Damen und Herren von der AfD, dass Sie es ganz genau wissen wollen: Aber zu verlangen, dass eine Landesregierung - oder wer auch immer - heute schon weiß, wie sich die Forschung für Speichersysteme und Übertragungsnetze künftig entwickeln wird und was am Ende einer langwierigen Forschung - wahrscheinlich auch an Fehl entwicklungen oder auch ganz unerwarteten innovativen An sätzen - herauskommt, oder zu verlangen, dass eine Landesre gierung das jetzt kostenmäßig beziffert, in eine Prognose ein fließen lässt und den Brandenburgern heute als Realität ver kauft, ist, wenn Sie es wirklich vernünftig betrachten, eine Nummer zu groß gedreht. Auch dass die Landesregierung heu te schon die Herstellungskosten zukünftiger Speichersysteme auflisten soll - die es überhaupt noch nicht gibt; es ist noch nicht klar, welche Speichersysteme das überhaupt sein könn ten, die in der Lage wären, zu vernünftigen Preisen so viel Energie aufzunehmen -, ist unmöglich.

(Beifall CDU)

Ich habe auch eine richtige Rede.

(Königer [AfD]: Echt?)

- Ja, habe ich alles vorbereitet. Ich dachte, ich kann mich jetzt ganz seriös mit Ihren Dingen beschäftigen, habe dann aber Ihre Ausführungen gehört und verstanden: In Wirklichkeit wollen Sie hier eine Grundsatzdebatte über die Energiewende in Deutschland.

(Königer [AfD]: Richtig!)

Das passt auch ganz klar zu Ihrer Programmatik, in der steht: Sie lehnen das EEG und die gesamte Energiewende ab.

(Beifall des Abgeordneten Königer [AfD] sowie Zuruf: Ja!)

So einfach ist das. Ich weiß, meine Damen und Herren von der AfD, dass Sie gern einfache Antworten auf komplexe Sachver halte haben möchten.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Ich dachte mir, ich gebe mir mal ein bisschen Mühe und helfe Ihnen, eine einfache Antwort auf Ihre Frage zu finden: Was kostet die Energiewende jeden Brandenburger? Darum geht es Ihnen ja. Der Kollege Holzschuher hat auch schon einiges zur Energiewende in Deutschland, zur Situation mit unseren Nach barn ausgeführt - ich will all das nicht wiederholen - und eine Studie des Fraunhofer-Instituts von Ende 2015 erwähnt. Sie ist nicht mehr ganz aktuell; ich habe etwas Aktuelleres für Sie, nämlich Berechnungen und eine Studie des Instituts der deut schen Wirtschaft - ein honoriges Institut -, das für 2016 insge samt 31 Milliarden Euro an Kosten für die Energiewende an gibt.

(Königer [AfD]: In Brandenburg?)

- Nein, in ganz Deutschland. Wenn man das einmal herunter bricht bzw. 31 Milliarden Euro durch ca. 81 Millionen Deut sche dividiert - ich habe die Migranten mit dabei; die verbrau chen auch Strom -,

(Lachen der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

kommt man auf 382 Euro pro Deutschen. Hochgerechnet auf 2,4 Millionen Brandenburger sind es für Brandenburg also Kosten in Höhe von ca. 935 Millionen Euro - pro Nase, pro Einwohner Brandenburgs also 382 Euro. Wenn Sie jetzt noch hinzurechnen, dass der Strom in Brandenburg ja teurer ist, wie wir wissen, höhere Netzkosten und andere Faktoren eine Rolle spielen, kommen wir auf etwa 400 Euro pro Brandenburger - und damit ist Ihre Frage beantwortet. Ich hoffe, dass die Lan desregierung, dass Sie, Herr Ministerpräsident und Herr Minis ter Gerber, anerkennen, dass wir Ihnen da viel Arbeit abge nommen haben.

(Große Heiterkeit sowie Beifall bei CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Nichts gegen Ihre Ministerialverwaltung! Ich vermute, Herr Minister Gerber, sie hätte es sich nicht so leicht gemacht, son dern es noch einmal von allen Seiten geprüft. Insofern hoffe ich, dass ich dazu beigetragen habe, dass alle ein Stückchen mehr wissen, wie es mit der Energiewende weitergeht.

Zugegebenermaßen sind es hohe Kosten, gar keine Frage; das wissen wir. Wir wissen auch um die Wechselwirkungen. Und wir wissen selbstverständlich auch, dass wir in Brandenburg alles tun müssen, damit die Kosten nicht auf diesem hohen Stand bleiben, sondern wir uns dafür einsetzen müssen, dass die Energiekosten in Brandenburg für die Brandenburgerinnen und Brandenburger auf ein erträgliches Maß gesenkt werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Das Wort erhält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Jungclaus, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Zunächst dem Kollegen Holzschuher einen recht herzlichen Dank für Teile seiner Rede und für die Analyse der Antragsbe

gründung - so bleibt mir das erspart -, aber auch für das Thema „Landschaftsverschandelung durch Braunkohle“. Ich würde es noch nicht als Grünen-Kuschelkurs bezeichnen, aber das wa ren zum Teil ganz ungewohnte Töne von der SPD.

Laut einer Emnid-Umfrage vom August letzten Jahres sind 93 % der Deutschen von der Notwendigkeit des weiteren Aus baus erneuerbarer Energien überzeugt. Diese Zustimmung ist selbstverständlich nicht unabhängig davon, welche Kosten die Energiewende verursacht. Aber klar ist, dass diese Zustim mung trotz der Kosten für erneuerbare Energien erfolgt. Dem wird auch Rechnung getragen, denn keine andere Energieform muss die Kosten so transparent darstellen wie die Erneuerba ren. Aber der AfD ist das egal, soll dieser Antrag ja vermutlich ohnehin nicht der Aufklärung dienen. Sein eigentliches Ziel ist, von den Kosten der fossilen und der nuklearen Energien abzu lenken.

Wir haben nun schon diverse skurrile Anträge von Ihnen hier im Landtag behandelt: von der Deutschlandkarte im „Heute Journal“ über die Beflaggungspflicht an Schulen bis zur Som merzeitabschaffung als deutschlandweiter Alleingang oder dem Steuerzahlergedenktag. Eines ist ihnen allen gemeinsam: Sie sind neben der inhaltlichen Fragwürdigkeit auch hand werklich völlig untauglich. Aber was soll’s! Herr Königer hat uns ja im letzten Plenum darüber aufgeklärt, dass Sie über haupt nicht den Anspruch der Umsetzbarkeit Ihrer Vorschläge haben, Sie seien schließlich Opposition und Ihre Anträge daher eher als Symbol zu verstehen. Und Frau Schade ergänzte eini ge Tagesordnungspunkte später sinngemäß, sie rede hier ja oh nehin nicht, um Abgeordnete zu überzeugen, sondern wende sich mit ihren Reden direkt an die Bürger.

(Beifall AfD sowie Zuruf)

Genau dieser Logik „Meckern, ohne Lösungen aufzuzeigen“ folgt auch der vorliegende Antrag. Was sind denn Ihre Alterna tiven? Von denen haben wir jetzt nichts gehört. Ist es „ganz Brandenburg umbuddeln“? Ist es die Atomkraft? Ist es der schnelle Brüter? Die kalte Fusion? Ist es das Perpetuum mobi le?

(Lachen bei der CDU und bei B90/GRÜNE)

Ihnen ist es völlig egal, dass keine Energieerzeugungsart so transparent ist wie die Erneuerbaren. Jeder von Ihnen kann on line einsehen, wie viel Euro jede einzelne Anlage in der Nach barschaft an Einspeisung erwirtschaftet hat. Der Ertrag jedes Windparks wird online bis auf den letzten Cent angezeigt.

(Königer [AfD]: Zahlen!)

- Sie haben endlos Zahlen in Ihrer Rede genannt, also sagen Sie doch nicht, Sie hätten keine Zahlen.

Ihnen ist auch völlig egal, dass die Bilanz der EEG-Umlage je des Jahr vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft aufgeschlüsselt wird. Die Kostenentwicklung wird vom Bundes wirtschaftsministerium auf Jahre hinaus berechnet, und auch die Netzkosten wurden von der Bundesnetzagentur regelmäßig ver öffentlicht und für die kommenden Jahre prognostiziert.

Diese Transparenz ist wichtig und sie ist richtig. Sie dient der Steuerung der Energiewende und hat das Erneuerbare-Energi