Protokoll der Sitzung vom 15.07.2016

Wir müssen - das ist mein Argument - das Teileinkünfteverfah ren in der einen oder anderen Form wieder wirksam werden lassen, um zu erreichen, dass Unternehmen und Vermögende - egal, in welcher Höhe Vermögen vorhanden ist - nicht unter schiedlich behandelt werden. Vermutlich treffen wir uns da, vielleicht war es auch nicht ganz korrekt ausgeführt und Sie hatten zu diesem Zeitpunkt etwas anderes im Kopf.

(Heiterkeit)

Für uns ist es wichtig, dass verschiedene Regeln, die früher galten, nicht unbedingt wiedereingeführt werden. Es gab zum Beispiel früher eine einjährige Spekulationsfrist für Einkünfte aus Veräußerungen von Wertpapieren und Aktien. Die ist ge strichen worden und darf unseres Erachtens auch nicht wieder eingeführt werden. Wir müssten auch prüfen, ob wir nicht die Abgeltungssteuer als Abschlagssteuer weiter behalten, um zu ermöglichen, dass jetzt kein Einbruch bei den Steuereinnah men erfolgt, sondern ein sinnvolles Verfahren beibehalten wird. Ich denke auch: Es geht im Prinzip am Ende nicht mehr um die Abschaffung der Abgeltungssteuer als solche, sondern darum, wie wir das regeln.

Der Antrag der Koalition ist da bedauerlicherweise sehr ein fach gehalten und nicht ausreichend differenziert.

(Bretz [CDU]: Ja!)

Von daher würde ich bitten, dem Antrag der CDU Folge zu leisten und ihn an den Finanzausschuss zu überweisen, damit wir uns intensiver mit dem Thema beschäftigen können. Wenn Sie die Überweisung ablehnen, würden wir gleichwohl Ihrem Antrag zustimmen, weil wir das Signal der Abschaffung der Abgeltungssteuer unterstützen. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun Minister Görke für die Lan desregierung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ein führung der Abgeltungssteuer war und ist eine ungerechte Pri vilegierung im deutschen Steuerrecht. Das wird mit den Versu chen auch der CDU nicht besser. Aber ich komme noch auf diese wirklich interessante Darstellung des Kollegen Bretz zu rück. Ich finde es gut, dass dieser gesamte Fach-/Sachverstand jetzt auch im Protokoll steht. Vielleicht erinnert er sich bei der Abzeichnung des Protokolls, was sich daraus alles ergeben wird.

Meine Damen und Herren, die Abgeltungssteuer gehört abge schafft. Deshalb begrüße ich den Antrag der Koalitionsfraktio nen. Ja, meine Damen und Herren, das war schon ein flotter Spruch von Peer Steinbrück, der damals in allen Zeitungen stand, im Fernsehen zu hören war: 25 % von X sind besser als 45 % von nix.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Die Botschaft dieses Hauptarguments war, der Staat müsse sich mit geringeren Steuersätzen zufriedengeben, weil sonst in einer globalisierten Welt massive Steuer- und Kapitalflucht drohe.

Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Begründung hat nie wirklich getragen. Weder wurde die Steuerehrlichkeit bei Einkünften aus Zinsen und Dividenden verbessert noch die Verlagerung von Finanzvermögen ins Ausland unterbunden. Stattdessen haben wir gesehen: Ein Steuerskandal jagte den nächsten. Erinnert sei hier nur an die letzte Verschleierungsak tion bei den Panama Papers.

Fazit: Der geringe Steuersatz von 25 % hat deutsche Bezieher von Kapitaleinkünften nicht davon abgehalten, ihr Geld in Steuerverkürzungsmodelle ins Ausland zu schaffen. Diese Feststellung kann man wohl nicht entkräften.

In Kauf genommen wurde, wie ich am Anfang meiner Rede schon sagte, eine Privilegierung von Kapitaleinkünften, aber - Herr Bretz - nicht der von Otto Normalverbraucher, nicht der des normalen Arbeiters oder abhängig Beschäftigten in der Verwaltung. Sondern privilegiert ist - da gebe ich Ihnen Recht und bitte um eine Differenzierung - zum Beispiel ein Alleinste hender mit einem Einkommen von 50 000 Euro Netto; abgezo gen werden Werbungskosten, steuerlich berücksichtigte Vor sorgeaufwendungen und auch der Kinderfreibetrag, wenn er ihm zusteht. Erst dann wird er an diesem für ihn dann privile gierten Steuermodell partizipieren.

Ich als Finanzminister bin jemand, der den Spitzensteuersatz von 42 % zahlt. Bei Zinsen und Dividenden wird nicht mein persönlicher Steuersatz von 42 %, sondern werden nur 25 % zugrunde gelegt, das heißt also im Verhältnis zu einem Ange stellten in meinem Haus 17 % weniger. Das ist der Ertrag, der aus dieser Ungerechtigkeit resultiert. Ich bitte das einfach zu berücksichtigen.

Ich möchte gar nicht von demjenigen reden, der die Reichen steuer zahlt. Der wird noch bessergestellt. Wer als Alleinste hender eine Viertelmillion Euro erhält, zahlt am Ende 20 % weniger. Das ist eine Privilegierung, die es aus meiner Sicht

abzuändern gilt. Ich bin froh, dass der Bundesfinanzminister und das Bundesfinanzministerium im Finanzausschuss auch vor dem Hintergrund des OECD-Abkommens zum Finanzdatenausgleich mittlerweile eingesehen haben, dass die Ab schaffung erforderlich ist.

Insofern werden wir jetzt, wenn Sie heute den Weg frei ma chen, im Bundesrat aktiv und warten nicht erst bis zur Bundes tagswahl 2017, um einen Antrag auf Abschaffung der Abgel tungssteuer einzubringen.

In diesem Zusammenhang werden wir nicht nur diesen Sach verhalt thematisieren, sondern uns auch im Bundesrat über die Wiedereinführung einer Spekulationsfrist für Veräußerungsge winne unterhalten müssen. Das ist eine Aufgabe, die flankie rend geregelt werden muss.

Es ist schon gesagt worden - vielen Dank, Herr Kollege Vo gel -: Die Veränderung der Doppelbesteuerung bei Dividenden muss auf die Agenda. Sie wird, wie auch die Veränderung des Verlustausgleichs mit Erträgen anderer Einkommensarten, in unserer Bundesratsinitiative aufgerufen. Das wird das gesamte Konzept sein. Deshalb bitte ich um Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Herr Bretz, Sie haben die Gelegenheit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Görke, ich bedauere sehr, dass Sie zu den inhaltlichen Ausfüh rungen keine Antworten gegeben und auch erstaunlicherweise nicht gut zugehört haben.

In meinem Redebeitrag habe ich mit keinem Wort gesagt, dass wir uns einer ernsthaften und glaubhaften Diskussion über das Thema Abgeltungssteuer generell entgegenstellen wollen. Ganz im Gegenteil, wir können über Sinn und Zweck der Abgel tungssteuer diskutieren. Ich wollte den Koalitionsfraktionen aber darstellen - ich merke an Ihrer Leidenschaft, dass Sie da kräftig mitgearbeitet haben -, dass viele Fragen zu klären sein werden, wenn man diese Steuer abschafft, insbesondere die Frage, wie wir die Finanzämter in Brandenburg mit Personal ausstatten, damit die Dinge entsprechend bearbeitet werden können.

Der zweite Punkt: Ich hatte versucht, mit der Drucksachen nummer BR 220/07 deutlich zu machen, dass die reine Ab schaffung der Abgeltungssteuer unzählige Folgefragen auslöst. Sie haben das Thema der Spekulationseinkünfte hier schon er wähnt. Das schlagende Argument, das Sie nach außen verkau fen, wonach die reine Abschaffung der Abgeltungssteuer sozu sagen zu einem Automatismus der Zunahme von Gerechtigkeit führt, ist leider nicht die Konsequenz.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen. Sie sind ein richtiger Schattenboxer. Sie stellen sich hier mit Ihrer Koa lition ans Rednerpult und halten Plädoyers für ein gerechtes

Steuersystem. Aber Sie haben gar nicht die Verantwortung und die Möglichkeit, dieses gerechte, aus Ihrer Sicht ambitionierte Vorhaben umzusetzen, weil das Aufgabe der Bundesregierung ist. Es ist Aufgabe des Deutschen Bundestages. Ihre Politik ist immer nach dem Motto: Wir schreien ganz laut für Gerechtig keit, aber nur dort, wo wir für die Umsetzung des Problems keine Verantwortung tragen. Das gehört auch zur Wahrheit. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Herr Minister, möchten Sie darauf reagieren?

Sehr gern möchte ich darauf reagieren. - Herr Kollege Bretz, ich dachte, Sie haben mir bei meinem Redebeitrag zugehört, denn ich habe den gesamten Komplex umrissen, den wir auch im Bundesrat einbringen werden.

Es geht nicht nur um die Abgeltungssteuer, sondern um ver schiedene Elemente, die zur Ausjustierung einer gerechten Steuererhebung dazugehören.

Ja, Sie können mich hier gern auch als Schattenboxer bezeich nen. Manche, die Ihren Beitrag im Fernsehen gesehen haben, würden sagen: War das wieder ein Dampfplauderer. - Aber die ser Meinung würde ich mich als Minister nicht anschließen wollen.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Heiterkeit der Abgeord neten Nonnemacher (B90/GRÜNE] - Bretz [CDU]: Dan ke!)

Vielen Dank. - Wir sind jetzt noch einmal bei Herrn Abgeord neten Wilke. Er spricht heute ein letztes Mal für die Fraktion DIE LINKE.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zu diesem letzten Beitrag von Herrn Bretz hätte ich jetzt gesagt: Das war eher eine ganz sachliche Diskussion. Ich fand auch korrekt, dass Sie auf die Fragestellungen, die sich damit verbinden, hingewiesen haben. Aber jetzt haben Sie hier einen Pappkameraden aufge baut, wo ich sage: Da fehlt mir wirklich ganz viel Verständnis.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wie oft fordern Sie völlig zu Recht hier im Plenum Bundesra tsinitiativen, weil wir über den Bundesrat Einfluss nehmen können? Das machen Sie ständig, und zwar zu Recht, genau wie an dieser Stelle hier.

Sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen, es sei nichts weiter als Schattenboxen, da wir Verantwortung hätten, also, Herr Bretz, damit machen Sie sich hier ein Stückchen lächerlich.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich verstehe auch nicht, warum Sie hier den Eindruck erwe cken wollten, ginge es uns nur um die Abschaffung der Abgel tungssteuer. Wir haben in diesem Antrag - da kann ich wieder um nachvollziehen, dass Sie das nicht so prickelnd finden - sehr klar formuliert, dass wir für die Abschaffung der Abgel tungssteuer sind, aber gleichzeitig wollen, dass Kapitalerträge dem persönlichen Einkommensteuersatz unterworfen werden. Damit ist ganz klar definiert, dass es bei der Abschaffung der Abgeltungssteuer allein nicht bleiben kann. Die Folgefragen stellen sich natürlich. Im Unterschied zu Ihnen haben wir ein gewisses Grundvertrauen in unsere Landesregierung, dass wir einen gemeinsamen Weg finden und uns auf Bundesratsebene einsetzen werden, dass da vernünftige Lösungen gefunden werden. Aber das unterscheidet uns an der Stelle.

Ich möchte zu Ihren Vorwürfen, was das Personal angeht, sa gen: Allein mit den 5,8 Milliarden Euro - so viel haben wir seit 2009 an Einnahmen verloren - können wir auch ein paar Fi nanzbeamte bezahlen; allein mit diesen 5,8 Milliarden Euro, die wir einnehmen würden.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Abgeordneter Bretz [CDU] steht am Saalmikrofon.)

Nein, Sie können sich wieder setzen, Herr Bretz. Sie haben wirklich lange genug geredet, ja, viel zu lange.

(Abgeordneter Bretz [CDU] setzt sich wieder.)

Das heißt: keine Zwischenfrage, Herr Bretz? Ist das richtig übersetzt? - Richtig!

(Heiterkeit)

Das haben Sie richtig interpretiert, Frau Präsidentin!

(Vida [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Macht DIE LINKE jetzt die Geschäftsordnung oder was?)

Sie haben hier den Eindruck erweckt, als wenn die Finanzbe amten diese Reform nicht wollten. Ich sage Ihnen: Die Steuer gewerkschaft fordert diese Reform. Sie fordert die Abschaf fung der Abgeltungssteuer und die Reform der Besteuerung von Kapitalerträgen. Dazu sage ich: Das kann dann wohl ir gendwie nicht ganz zusammenpassen.

Herr Bretz, Sie haben hier wieder einmal ein paar Luftblasen aufgepumpt. Da muss man nur ein bisschen reinpiksen, dann zerplatzen sie gleich. Mehr war das hier nicht.