Meine Damen und Herren! Der Entwurf zum Bundesteilhabe gesetz wurde und wird kontrovers diskutiert. Die Interessen verbände der Menschen mit Behinderung haben den Entwurf kritisiert, weil er aus ihrer Sicht im Fürsorgerecht verharrt und einem modernen Teilhaberecht nicht entspricht.
Diese Kritik haben wir als Landesregierung von Anfang an sehr ernst genommen. So hat das Land Brandenburg schon in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf gemeinsam mit den anderen Bundesländern zwar die Vorlage eines Entwurfs zu einem Bundesteilhabegesetz begrüßt, aber wir haben in ei ner Reihe von Punkten mit zentraler Bedeutung erheblichen Änderungsbedarf zum Ausdruck gebracht. Insbesondere beim leistungsberechtigten Personenkreis, bei der Ausgestaltung der Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege, aber auch bei der Trennung von existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen. Da muss es innerhalb des Ge setzgebungsverfahrens zu Verbesserungen im Sinne der Betrof fenen kommen.
Das Bundeskabinett hat am 28. Juni 2016 den Entwurf für ein Bundesteilhabegesetz beschlossen und damit das förmliche Verfahren im Gesetzgebungsprozess eingeleitet - Frau Alter hat auf die nächsten Meilensteine und Daten hingewiesen. Erfreu lich ist, dass der breite Protest der Länder sowie selbstver ständlich der Sozial- und Betroffenenverbände, aber auch der Gewerkschaften und der kommunalen Spitzen Wirkung ge zeigt hat, denn zumindest in einigen Teilbereichen wurden be reits erste Kritikpunkte in den nun vorliegenden Gesetzentwurf aufgenommen.
Aber das reicht nicht. Es bleiben viele Punkte, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren diskutiert und vor allem auch geän dert werden müssen. Konkret heißt das: Es darf keine Leis tungseinschränkungen für Betroffene geben, und auch Leis tungslücken müssen vermieden werden. Noch immer sind eini ge Zuständigkeiten für die Betroffenen unklar. Im Gesetzent wurf fehlt es beispielweise an der Schnittstelle Eingliederungs hilfe/Hilfe zur Pflege immer noch an Eindeutigkeit. Wenn
Menschen von einer Behinderung betroffen und gleichzeitig auf Pflege angewiesen sind, führt das zu erheblichen Belastun gen. Das muss eindeutig geklärt werden.
Ernst nehme ich auch die Sorgen der kommunalen Seite. Dort gibt es insbesondere die Befürchtung, dass eine Vielzahl unkla rer und komplexer Regelungen des Gesetzes zu erheblichen Mehrkosten führt. An dieser Stelle bin ich ganz bei den kom munalen Spitzen, denn es kann nichts anderes gelten, als dass der Bund die Risiken seiner eigenen Gesetzgebung trägt.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mehrfach betont, dass das Bundesteilhabegesetz nicht zu Mehrkosten führt. Wenn dem so ist, sollte dem Bund eine Risikoübernahme doch eigentlich nicht schwerfallen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Bundesteilhabegesetz soll versuchen, die Eingliederungshilfe aus dem System der Sozialhilfe herauszulösen, mehr individuelle Selbstbestimmung zu ermöglichen und ein modernes Recht auf Teilhabe mit den dafür notwendigen Unterstützungen zu schaffen. Umso bedau erlicher ist es, dass einige im Vorfeld dafür als notwendig er achtete Instrumente eines modernen Teilhaberechts nicht auf genommen worden sind. Ich werde diese Themen im weiteren Verfahren aufgreifen und mich dafür einsetzen, dass ein zu ver abschiedendes Bundesteilhabegesetz auch Instrumente wie ein Bundesteilhabegeld als vorgelagerten Nachteilsausgleich, der allen Betroffenen zugutekommt, umfasst. Auch bei diesem Ins trument muss die Abschaffung der Anrechnung von Einkom men und Vermögen in einem Stufenplan - natürlich mit einer entsprechend steigenden Kostenbeteiligung des Bundes - zur Diskussion gestellt werden. Und es geht auch um das Instru ment der Öffnung der Werkstätten für Menschen mit Behinde rungen. Das heißt, dass es zukünftig keine Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen, die bisher die Aufnahmekriteri en für eine Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen nicht erfüllten, mehr geben darf. Jeder kann dort einen Beitrag leisten.
Ich begrüße es daher, dass auf der Grundlage des Antrags der Grünen-Fraktion diese Diskussion nicht nur heute hier im Ple num, sondern auch im Fachausschuss ermöglicht wird. Ich hof fe, dass der weitere Austausch im Fachausschuss auch dazu beiträgt, dass Brandenburg im Bundesrat für ein Gesetz kämp fen kann, das die Bedürfnisse und Interessen der Betroffenen widerspiegelt. Frau Alter hatte darauf hingewiesen: Es ist ein zustimmungspflichtiges Gesetz. Ich hoffe an dieser Stelle auch auf die weitere Solidarität der Bundesländer untereinander; denn wir wissen, dass die Finanzierungsmodalitäten sehr un terschiedlich sind. Ich hoffe, dass in erster Linie die Bedürfnis se der Betroffenen und nicht die Eigeninteressen einiger weni ger Bundesländer im Mittelpunkt stehen. - Danke schön.
Ich schließe die Aussprache, und wir kommen zur Abstim mung. Die CDU-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragen die Überweisung des Antrages auf
Drucksache 6/4539 - „Alle inklusive in Brandenburg“ - das Bundesteilhabegesetz verbessern - an den Ausschuss für Ar beit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Wer möchte dem Überweisungsantrag zustimmen? - Gibt es Gegenstim men? - Gibt es Enthaltungen? - Dem Überweisungsantrag ist somit einstimmig stattgegeben worden.
Des Weiteren gibt es einen Entschließungsantrag der Fraktio nen von SPD und DIE LINKE auf Drucksache 6/4624.
Die Aussprache wird mit dem Beitrag der BVB/FREIE WÄH LER Gruppe eröffnet. Es spricht der Abgeordnete Schulze.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesen Re debeitrag wollte eigentlich die Abgeordnete Schülzke liefern; sie als Lausitzerin ist bei uns in der Gruppe dafür zuständig. Leider ist sie aufgrund einer akuten schweren Erkrankung ver hindert, sodass ich diese Aufgabe gern für sie übernehmen möchte.
Der Antrag und der Entschließungsantrag liegen Ihnen vor. Ich denke, allen ist klar, dass sich der Antrag und die Behandlung des Themas nicht für Polemik eignen. Wir haben es mit einem ernsten Problem zu tun. Bereits in der 5. Wahlperiode, im Juni 2013, wurde die Frage hier erörtert. Damals gab es einen An trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einen Antrag der CDU-Fraktion und auch einen Entschließungsantrag der rot-roten Koalition. Der Antrag der CDU-Fraktion auf Errich tung einer Schiedsstelle und der Antrag der Fraktion BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN auf Änderung des Bundesbergrechts wurden abgelehnt bzw. der Entschließungsantrag angenom men: Man wolle sich bemühen.
Nun, meine Damen und Herren, sind 36 Monate vergangen, und wir müssen feststellen: Es wurde leider nicht realisiert. Über die Umstände kann man reden. Fakt ist - wir haben ges tern über die Lausitz und die Braunkohle diskutiert -, dass die Schäden nur dort zu verzeichnen sind, wo Bergbau stattfindet.
In der Prignitz, in Teltow-Fläming und in der Uckermark sind mir derartige Bergbauschäden nicht bekannt. Warum? Weil es da weitestgehend keinen Bergbau gegeben hat.
Sicher, an einigen anderen Stellen hat es auch Bergbau gege ben, zum Beispiel rund um Königs Wusterhausen, nur weiß das heute keiner mehr. Hier und da stößt man zufälligerweise ein mal darauf.
Meine Damen und Herren! Fakt ist: Es gibt diese Bergbauschä den, und Menschen sind davon auf das Ärgste betroffen. Ich muss die Diskussion nicht wiederholen, man kann sie im Plen arprotokoll über die damalige Sitzung vom Juni 2013 nachle sen. Die Kollegin Schulz-Höpfner von der CDU-Fraktion hat es damals engagiert vorgetragen. Wir müssen uns darum küm mern. Auch im Jahr 2013 war es keine Novelle. Damals war es schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten bekannt.
In der gestrigen Diskussion zur Braunkohle wurde von der SPD und der Linkspartei auf die Bedeutung der Arbeitsplätze im Bereich Braunkohle und der Industrie, die sich darum grup piert, für die Lausitz hingewiesen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. 6 000, 10 000, 12 000 Arbeitsplätze - wie viel es immer sein mögen - sind ein wichtiger Faktor, der nicht igno riert werden darf, aber, meine Damen und Herren, die Frage, wie viele Opfer es gibt, ist offen. Die Frage, wie viele Men schen unter den entsprechenden industriellen Bedingungen ge litten haben, ist offen, nicht beantwortet. Es reicht von der Ab baggerung der Dörfer bis zur braunen Spree, die man darunter einordnen könnte, wenngleich dies kein Bergbauschaden im eigentlichen Sinne ist. Keiner kennt die Zahl derer, die nicht Nutznießer, sondern Betroffene sind. Und wie es in dieser Welt immer ist: Um die Opfer wird sich leider zu wenig gekümmert.
Ich könnte die Rede, die Frau Nonnemacher zur Teilhabe Be hinderter gehalten hat, auch in dieser Frage aufrufen. Viele Formulierungen wären auch hier angebracht. Wir wissen, dass 1 000 oder 10 000 Menschen, die sich in der IG BCE organi sieren, schlagkräftiger sind als 10 000 Menschen, die sich nicht organisieren können, weil ihre Schicksale Einzelbetroffenhei ten sind.
Meine Damen und Herren! Eigentlich müssten wir uns dafür schämen, dass wir diese Menschen in Schenkendöbern, in Wel zow, in Lauchhammer und wo immer sie wohnen, bisher im Stich lassen. Eines muss man ehrlicherweise auch sagen - der Minister ist gerade nicht da -: In der Frage der Grubenteich siedlung hat man sich bemüht. Ich weiß nicht, ob die Betroffe nen der Grubenteichsiedlung - ein ganz klassischer Bergbau schaden - zufrieden sind, aber Fakt ist: Ihnen wurde geholfen. Leider stellen sie damit bisher einen Einzelfall dar; die Anzahl derjenigen, denen nicht geholfen wurde, ist viel größer, deren Schicksal ist namenlos und leider seit langem existent.
Meine Damen und Herren! Es geht in dieser Frage um Gerech tigkeit. Man kann es nicht oft genug betonen: Hier wurde Men schen, die nichts dafür können, Schaden zugefügt. Sie begeh ren einfach nur, dass ihnen geholfen wird und die erlittenen Schäden wiedergutgemacht werden.
Es gibt nun einen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktio nen. Ich finde es ein bisschen schade, dass Sie es sich so ein fach gemacht haben: Das Einzige, womit Sie kommen, ist, den Minister noch einmal zu bitten, tätig zu werden. Dafür war 36 Monate lang Zeit, es war sogar 360 Monate lang Zeit. Pas siert ist leider wenig.
Ich weiß nicht, welcher Zacken Ihnen aus der Krone gebrochen wäre, wenn man das gemacht hätte. In anderen Bundesländern, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, geht es ja auch. Wenn es in Nordrhein-Westfalen geht, wer sagt dann, dass es hier nicht gehen würde? Das ist einfach eine Frage von Wollen und nicht von Können.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie ganz herzlich bitten, noch einmal in sich zu gehen. Gerne können Sie dem Antrag beitreten, und wir machen einen gemeinsamen Antrag daraus. Es geht nicht darum, wer hier die Initiative ergreift. Es geht schlicht und einfach darum - über 4 000 Fälle sind anhängig -, den vielen Betroffenen zu helfen.
Wenn wir so mit der Sache umgehen, wie es jetzt offensichtlich wieder geplant ist, muss man das einfach als eine Missachtung der Lebensumstände der Betroffenen betrachten und bezeich nen. Ich meine, all das Mitleidsgeheuchel sollte man fallen las sen und einfach sagen: Wir wollen nicht. - Seien Sie bitte ehr lich! Ehrlich wäre, diesem Antrag zuzustimmen; denn es steht nichts darin, was man nicht tun könnte.
Insofern möchte ich Sie auch im Namen der Kollegin Schülzke und all der Betroffenen darum bitten, noch einmal in sich zu gehen. Vielleicht ist der Weg zu einer Lösung zu sagen: Man beschließt es heute nicht - weder den Antrag noch den Ent schließungsantrag -, sondern nimmt eine Überweisung vor. Dann kommt es vielleicht im Ausschuss zu einer Kompromiss- oder Konsenslösung, die ohne Gesichtsverlust - darum geht es in der Politik ja auch immer - möglich ist. Was für die Men schen zählt, ist ein Ergebnis. Sie wollen eine Schlichtung.
Bei den Verfahren, die jetzt anstehen, sind sie ja konsequent immer die Schwächeren, ob der Konzern jetzt Vattenfall oder später EPH ist. Der kleine Bürger soll mit seinem Privatgeld große Gutachten erstellen lassen, um nachzuweisen, dass er ei nen Bergbauschaden hat. Das ist wie der Kampf von David ge gen Goliath. Der Sieg von David gegen Goliath hat vor 3 000 Jahren funktioniert, aber er funktioniert heute nicht; das wissen wir auch alle. Jeder, der sich schon einmal mit größeren Kon zernen auseinanderzusetzen hatte - ob es nun Leute sind, die von Versicherungen um ihre berechtigten Ansprüche betrogen werden, oder ob es heute der Kampf gegen große Konzerne ist -, weiß: Das ist ein sehr einseitiges, sehr ungerechtes Ge schäft.
Insofern möchte ich an Ihr Mitgefühl und Ihr Gerechtigkeitsge fühl appellieren, vielleicht doch einen Weg zu finden, um hier zu einer Lösung zu kommen. Wie es zu einer Schlichtungsstel le kommt, ist mir persönlich ganz egal. Hauptsache, es gibt ei ne Schlichtungsstelle, wo Menschen die Chance haben, ihr Schicksal vorzutragen und mit Unterstützung der Behörden des Landes Brandenburg zu einem gewissen Recht, zu Gerechtig keit zu kommen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schulze, ein Gruß auch an die erkrankte Kollegin Schülzke.
Wir sind Ihnen durchaus dankbar, dass Sie dieses Thema aufru fen; denn da geben wir Ihnen uneingeschränkt Recht: Es ist ein sehr wichtiges Thema und eines, das man ernst nehmen muss. Wir haben gestern über die erneuerbaren Energien debattiert. Dabei gab es auch einen kleinen Schlenker zur Braunkohle, wobei ich darauf hingewiesen habe, dass Braunkohleförderung und -verstromung in der Tat mit erheblichen Beeinträchtigun gen der Landschaft und der Menschen in der Region, in der die Förderung stattfindet, verbunden ist. Es ist unstreitig, dass das so ist. Wir sagen nur: Das sind Belastungen, die man in einer Gesellschaft hinnehmen muss, weil es aus unserer Sicht wei terhin unverzichtbar ist, dass wir Braunkohle fördern und ver stromen.
Richtig ist aber auch - deswegen bin ich für den Antrag dank bar -, dass diejenigen, die besondere Belastungen zum Beispiel durch Bergbauschäden erleiden, durch die Allgemeinheit ge schützt werden müssen und dass man alles tun muss, damit in dividuelle Nachteile ausgeglichen werden. In der Tat ist es im Bergrecht nicht ganz einfach, diesen Ausgleich für einen indi viduell Betroffenen zu erlangen, jedenfalls wenn Probleme und Streitigkeiten aufkommen.