Dass bei der Anhebung der Leitungsfreistellung endlich etwas passiert, begrüßen wir. Wir haben oft darüber diskutiert und viele Anträge dazu gestellt. Nichtsdestoweniger muss man konstatieren: Hätten wir einen richtig guten Betreuungsschlüs sel, wäre die Ausstattung wirklich gut, dann wäre auch die Lei tungsfreistellung nicht so wichtig, weil es ein geringeres Prob lem wäre, wenn die Person, die die Kitaleitung hat, sich eine Zeitlang der Leitungstätigkeit widmete.
Hätten wir jetzt die Beitragsfreiheit, dann - so meinen bzw. fürchten wir - würden weitere Verbesserungen bei der Qualität unmöglich - da nicht finanzierbar. Wir sehen ja ähnliche Dis kussionen in unserem Nachbarland Berlin. Es darf nicht sein, dass wir uns die Beitragsfreiheit damit erkaufen, dass wir Ab striche bei der Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen machen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen, sehr ge ehrte Kollegen, weil wir die Prioritäten nicht teilen. Das Glei che gilt für den Antrag der AfD.
Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Christoph Schulze, auch ich bin des Lesens mächtig, auch ich kann mich noch an unsere Sitzung im Juni des vergangenen Jahres erinnern. Es war um die Mittagszeit, es war sonnig drau ßen, und der Antrag bezog sich auf die Streiks, darauf, dass die Kolleginnen und Kollegen jetzt nach S 8 bezahlt werden woll ten. Sie wollten dazu von mir einen Bericht haben, was das kosten würde. Ich habe Ihnen darauf gesagt: Dazu brauche ich Ihnen keinen Bericht zu geben; ich kann Ihnen sagen, dass das 40 Millionen Euro kosten würde.
Dann hatten Sie noch gefordert, dass wir einen Bericht dazu abgeben, was die Umsetzung der Ergebnisse der Studie der Bertelsmann Stiftung kosten würde. Da habe ich Ihnen auch gesagt: Dazu brauche ich Ihnen keinen Bericht zu geben, das kann ich Ihnen so sagen. - Und das habe ich Ihnen auch gesagt. Ich habe Ihnen gesagt - das steht hier wörtlich -:
„Wenn wir die Bertelsmann-Quote nehmen - 1:3 und 1:7,5 -, hieße allein das bei unserer hohen Betreuungs quote eine Aufstockung um […] 360 Millionen Euro jährlich […] Das heißt, in drei Jahren haben wir das aus gegeben,“
„was wir für den Flughafen insgesamt im Worst Case ausgeben. In zehn Jahren sind wir bei 3,6 oder 4 Milliar den Euro. […] Wenn die Beitragsfreiheit dazukommt, sind es nicht 360 Millionen Euro, sondern 480 Millionen Euro.“
Die Zahlen habe ich Ihnen damals genannt - ohne Wenn und Aber und ohne dass Sie dazu einen Bericht haben mussten. Die
- das wurde schon sehr deutlich gesagt -, weil alle hier im Saal wollen - Gordon Hoffmann hat das ja noch mal deutlich herü bergebracht -, dass wir den Betreuungsschlüssel verbessern. Alle in diesem Saal wollen, dass wir es irgendwie hinkriegen, dass die Elternbeiträge abgesenkt werden oder es sogar die kostenfreie Kita gibt. Populistisch also, weil es sowieso alle wollen.
Der Antrag ist weltfremd - auch das wurde hier schon mehr fach gesagt -, weil das in der Zeit, in der Sie es fordern, über haupt nicht umsetzbar ist. Er ist aber auch - ich werde darauf gleich im Einzelnen eingehen - unsozial und unausgewogen.
Aber ich halte ihn - da bin ich auf einer anderen Spur als meine Fraktionskollegin - nicht für überflüssig, sondern ich finde es sogar gut, dass ich so wieder einmal die Gelegenheit habe, hier deutlich zu machen, dass sich Brandenburg mit seinen Ausga ben für die frühkindliche Bildung nicht verstecken muss, mei ne sehr verehrten Damen und Herren.
Brandenburg liegt mit seinen Ausgaben für die frühkindliche Bildung - das sehen wir, wenn wir uns den Anteil im Haushalt anschauen - an zweiter Stelle hinter Sachsen.
In absoluten Zahlen ausgedrückt, sind wir das drittbeste Land in dieser Bundesrepublik - hinter Sachsen und hinter Hamburg - bezüglich der Ausgaben für die Kinder unter 10 Jahren. Und da muss man sich nicht verstecken, wenn der Haushaltsplan das so ausweist.
Und das bezieht sich alles auf den Zeitpunkt, bevor wir auf 1:5 zurückgegangen sind - das haben wir jetzt im Krippenbereich gemacht - und bevor das eingerechnet wird, was wir jetzt noch im Kindergartenbereich machen werden, wo wir von 1:13 auf 1:11 gehen werden.
Ihre Forderung - deswegen sage ich hier noch einmal, das ist weltfremd - hieße, dass wir zum 1. Januar des nächsten Jahres 3 900 Erzieherinnen und Erzieher - allein 1 700 davon im Kin dergartenbereich - einstellen. Das ist eine Zahl, bei der jeder, der sich halbwegs damit auskennt, sagt: Das geht überhaupt nicht; die findest du nie. - Die finden wir auch im nächsten Jahr nicht, muss man ganz ehrlich sagen. Denn parallel dazu wird ja die Ü3-Ausweitung im Kindergartenbereich erfolgen, die auch schon haushalterisch und inhaltlich untersetzt ist. Es ist also völlig weltfremd, an dieser Stelle so zu argumentieren.
Wir haben in den letzten Jahren - auch das will ich noch einmal sagen - beständig den Betreuungsschlüssel verbessert. Es ist nicht ohne Grund so, dass wir in diesem Land noch vor unge fähr elf Jahren 8 700 Erzieherinnen und Erzieher hatten, jetzt aber bei etwa 19 000 Erzieherinnen und Erziehern sind. - Das nach etwa zehn Jahren. Das ist also mehr als eine Verdopplung der Zahl der Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land.
Über die anderen Dinge wie die Leitungsfreistellung und die Schwerpunkt-Kitas muss ich jetzt nicht reden, weil das die Fraktionsvorsitzenden heute Vormittag und die Kolleginnen und Kollegen eben auch schon getan haben.
Zu den Stichworten „unsozial“ und „unausgewogen“: pauscha le Elternbeiträge. Sie sagen, für die Kinder der Altersgruppe U3 sollte ein Elternbeitrag in Höhe von 50 Euro gelten, für die der Altersgruppe Ü3 in Höhe von 35 Euro. Das ist ja totaler Quatsch. Es wurde gerade schon gesagt: Die Kinder der Grup pe Ü3 sind alle in der Kita. - Warum sollte man denn für die in so einer Situation dann auch noch weniger bezahlen als für die unter 3 Jahren? Wenn wir einen Anreiz schaffen wollen, gerade die Quote der unter 3-Jährigen, von denen 64 oder 60 % - das weiß ich jetzt nicht genau - in der Kita sind, zu erhöhen, dann sollten wir doch für diese Altersgruppe weniger bezahlen las sen als gerade für die älteren Kinder. Andersherum ist das doch hanebüchen. Und das bezeichne ich als unausgewogen.
Jetzt sage ich Ihnen noch, warum der Antrag unsozial ist. Ich mache das einmal an meinem persönlichen Beispiel fest. Ich habe nämlich gerade noch einmal in die Tabelle geschaut, was der „WIR e. V.“ bei uns in Potsdam-Mittelmark an Beiträgen nimmt. Es ist nicht überall so wie in Potsdam-Mittelmark, aber das finde ich ziemlich signifikant für das, was eigentlich im Kita-Gesetz steht und was gemacht werden sollte.
Also, Baaske bezahlt für seine Tochter, die vier Jahre alt ist und für die er einen Vertrag über acht Stunden hat, im Monat 381 Euro. Ein Geringverdiener bezahlt in meinem Beritt, wenn er bis zu 1 600 Euro netto hat, 18 Euro. Erstens müsste die- oder derjenige in Zukunft also mehr bezahlen, wenn man Ihrem Vorschlag folgte, und zweitens wäre das ganze Konstrukt eine totale Verteilung des Geldes von unten nach oben.
(Beifall der Abgeordneten Große [DIE LINKE] - Zuruf des Abgeordneten Vida [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe])
Leute mit meinem Gehalt könnten sich freuen, weil sie massiv entlastet würden, und andere Leute, die Geringverdiener sind, müssten das alles entweder über Steuern oder über andere So zialabgaben mitfinanzieren. Ich würde mich aber nicht freuen.
Ehrlich gesagt, ganz ohne Quatsch: Ich würde mich schämen, in Grund und Boden schämen, wenn dieses Haus hier beschlie ßen würde, dass ich entlastet würde und Geringverdiener be lastet würden.
Frau Theiss, wir hatten Eltern aus Spremberg im Petitionsaus schuss. Wir haben dort über die Elternbeiträge gesprochen, und die Frage ist, warum Sie das so, wie Sie es hier sagen, nicht auch den Eltern dort erklären. Da wurde gesagt, wir müssen etwas tun, wir müssen dringend etwas tun.
Vielleicht noch zur Klarstellung: Eltern in Putzbrunn bei Mün chen zahlen für einen Kindergartenplatz 120 Euro, in Senften berg müssten sie erheblich mehr zahlen. Man sollte einmal dar über nachdenken, warum das in Bayern so ist.
Herr Hoffmann, Sie sagten: schrittweise umsetzen. - Da sind wir uns einig. Darum haben wir gesagt, der Ausschuss soll sich wieder damit beschäftigen. Das ist dringend notwendig.
Elternbeiträge werden nach dem Kommunalabgabengesetz kalkuliert und berechnet. Jede Gemeinde kann das nachweisen. Das große Problem ist, dass aufgrund der Doppik auch Ab schreibungen und Sonstiges in die Elternbeiträge eingerechnet werden müssen. Da ist der Knackpunkt, ob es sich um eine alte Einrichtung, um eine neuere Einrichtung handelt, wie viel Kos ten da entstanden sind.
Das wissen Sie alle, und da braucht man sich nicht zu wundern, warum manche Einrichtungen teuer und manche billig sind. Das ist einfach so. Die Grundlagen sind die Doppik und das Kommunalabgabengesetz.
Jede Gemeinde kann Ihnen das nachweisen. Wenn die Gemein den einander die Rechnungen für diese Elternbeiträge stellen müssen, muss das nachgewiesen werden. Das ist Tagesge schäft. Ich habe das über 20 Jahre machen und erklären müs sen. Und wir hatten sechs Kindereinrichtungen mit verschiede nen Beiträgen. Das kommt daher, dass die Brandenburger Ge setze so sind, wie Sie sie hier in diesem Haus beschlossen ha ben.
Dabei waren unsere Elternbeiträge relativ gering, Herr Baaske, erheblich geringer als in den meisten anderen Gemeinden, weil wir darauf geachtet haben, dass die Kosten gering sind und wir trotzdem schöne Einrichtungen haben.
Frau Große, die Betreuungszeiten, Zeiten, die länger sind, als wir sie finanzieren: Was ist denn das für ein Satz? Denken Sie doch bitte einmal darüber nach. Das heißt doch mit anderen Worten, dass Erzieherinnen und Erzieher in Zeiten da sein müssen, die gar nicht finanziert werden. Und das ist in den Kommunen das Problem. Oftmals betragen die Betreuungszei ten dort neun, zehn oder elf Stunden, weil die Eltern so lange unterwegs sind.
Herr Baaske hat im vergangenen Jahr, als ich diesen Antrag eingebracht hatte, zu mir gesagt, in den alten Bundesländern seien die Betreuungszeiten nicht so lang. Ich sage: Die sind in Putzbrunn genauso lang, die sind in Ulm genauso lang, und dort sind die Erzieherschlüssel schon weit - weit! - unter unse ren, weit unter dem Bundesdurchschnitt. Das wissen Sie auch alle.