Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

Sie halten nicht, was Sie zugesagt haben! Das ist der Zustand der Regierung in Brandenburg 2016, meine Damen und Her ren.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Dann gibt es ja noch unsere Briefkästen hier im Landtag. Darin findet sich seit gestern Abend eine spannende Post - übrigens auch ein Zustandsbericht der Regierung.

(Zurufe der Abgeordneten Kosanke und Frau Lehmann [SPD])

Sie schauen schon interessiert, Frau Lehmann; vielleicht haben Sie die Post ja auch bekommen.

(Frau Lieske [SPD]: Wir sind mal gespannt!)

Darin steht: Der Innenminister braucht für die Erstaufnahme einrichtung in Eisenhüttenstadt nicht wie geplant 67 Millionen Euro, nein, er braucht 88 Millionen Euro, 21 Millionen Euro mehr! Das schreit schon fast nach einem Nachtragshaushalt. Der Finanzminister wiederum verweigert die Zustimmung, weil er sagt, das hätte der Innenminister vorher wissen müssen. - Eigentlich liegt das ja im Interesse des Innenministers; viel leicht ist es ja auch eine Retourkutsche für Dinge, die vor ein paar Monaten geschehen sind. Das sind die Chaostage der Regierung. Sie weiß nicht, was bei der Haushaltsplanung ge genseitig notwendig ist, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Meine lieben Kollegen, kommen wir zurück zum Thema Weit blick, das ich vorhin schon angerissen habe, bevor ich über den Zustand der Regierung sprach. Eben haben wir die Trauer geschichte der sinkenden Bundeszuweisungen an Brandenburg gehört. Nun können Sie doch nicht Folgendes machen: Sie können doch nicht hingehen und sagen, Brandenburg habe sich stark entwickelt, sei der „Motor“ unter den Bundesländern, und gleichzeitig auch noch fordern, dass die Zuweisungen an Bran denburg - an den Motor der Bundesrepublik Deutschland - stei gen. Das passt doch nicht zusammen, meine Damen und Her ren! Entwicklung nach oben heißt auch, auf eigenen Beinen stehen und laufen zu können. Das ist die Ansage, die dahinter steht, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD - Zuruf der Abgeord neten Lieske [SPD])

Noch einmal: Ich gehöre nicht zu denen, die gern Zahlen her unterbeten. Das ist eher Sache derer, die mit der Mathematik vertrauter sind als ich. Trotzdem habe ich mich zu Hause hin gesetzt und das alles noch einmal fein säuberlich nachgerech net. - Das kann ich dann auch noch, Frau Mächtig.

(Frau Lieske [SPD]: Sie sollten stehen und nicht so oft sitzen!)

Dabei ist herausgekommen, dass dem Land Brandenburg 2017, also bereits im nächsten Jahr, im Vergleich zu 2009 2,37 Milli arden Euro an Steuereinnahmen mehr zur Verfügung stehen - 2,37 Milliarden Euro! Ich habe also nicht ganz Unrecht.

Wenn ich jetzt einmal die 850 Millionen Euro Solidarpakt mittel, die dann weniger da sind, abziehe, bleiben 2017 unterm Strich - auch da hoffe ich auf ein Nicken - Mehreinnahmen von ungefähr 1,45 Milliarden Euro im Vergleich zu 2009. Weil Sie ja vorhin fast schon geklagt und das Taschentuch herausgeholt haben, um die Tränen abzuwischen, kommt noch eine Zahl obendrauf:

(Frau Lieske [SPD]: Wer? Wir?)

Meine Damen und Herren, nach derzeitiger Steuerschätzung - die nächste kommt, glaube ich, am 4. November - wird die Regierung von 2010 bis Ende 2018 12,5 Milliarden Euro Steu ermehreinnahmen verbuchen - mehr als ein Landeshaushalt! Das ist die Kraft Brandenburgs. Sie ist aber nicht erst durch Sie entstanden, sondern durch eine gute Bundespolitik seit 1990 und durch starke Brandenburger. Das ist die Lage in diesem Land!

(Beifall CDU - Oh! bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Na klar!)

- Ja, ja! - Und jetzt zu der Aussage, die dahintersteht: Wenn man einmal die niedrigen Zinsausgaben vernachlässigt und auch, dass Sie eine maßvolle Entnahme aus der Rücklage vor haben, dann würde in dieser Situation doch jede Brandenbur ger Familie sagen, dass das die beste Zeit sei, um endlich ein mal die Schulden zu begleichen. Und was machen Sie? Keinen einzigen Cent zahlen Sie zurück!

(Lüttmann [SPD]: Mehr Lehrer, mehr Polizei! - Frau Lieske [SPD]: Mehr Kitas!)

Keinen einzigen Cent zahlen Sie für die Begleichung der Schulden in dieser Zeit zurück!

(Beifall CDU, B90/GRÜNE sowie vereinzelt AfD)

Sie handeln nicht anders als nach dem Motto: Es gibt kein Morgen. - Das mag auf die Koalition vielleicht sogar zutreffen, auf Brandenburg aber nicht! Deswegen wäre eine Rückzahlung der Schulden zeitgemäß und auch wichtig, meine Damen und Herren.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Für uns ist das jeden Tag wichtig!)

Hinzu kommt etwas anderes - auch das haben wir uns ange schaut- : Wenn Sie Ihre Planungen bis 2019 so umsetzen, wer den Linke und SPD in der Zeit seit 2010 wiederum die Schul denlast Brandenburgs um ungefähr 400 Millionen Euro erhöht haben. Im gleichen Zeitraum seit 2010 haben die Kommunen in Brandenburg ihren Schuldenstand um 400 Millionen Euro verringert. Jetzt stelle ich einmal die Frage in den Raum: Wer hat wirklich Reformbedarf? Die Kommunen, die mit Geld um gehen können, oder Sie, die es nicht können? - Das ist die Fra ge, die sich daraus für mich ergibt.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD - Zuruf des Abgeord neten Bischoff [SPD])

- Ich habe mir auch sehr geduldig die rosigen Aussichten ange hört, lieber Mike Bischoff. Deswegen kannst du auch die ande ren Aussagen in Ruhe und geduldig über dich ergehen lassen.

Meine Damen und Herren, Sie könnten jetzt all die Kritik, die ich gerade geäußert habe, ins Leere laufen lassen, wenn Sie an einer anderen Stelle im Haushalt Weitblick beweisen würden: Sie könnten kräftig investieren. Ich sage es noch einmal: 11,4 Milliarden Euro beträgt der Rekordhaushalt 2017 und 2018. Da müsste doch der heiße Asphalt nur so über die zu sanieren den Straßen in Brandenburg fließen. Wenn man aber in den Haushalt schaut, wird man feststellen: Die Asphaltmischanla gen in Brandenburg bleiben kalt, weil Sie bei steigendem Haushaltsvolumen die Investitionsmittel noch einmal senken. Das ist der Zustand in Brandenburg. Sie hinterlassen an allen Stellen in diesem Land einen Investitionsstau, der von anderen später abgebaut werden muss. Sie hinterlassen diesen Stau durch Ihre jetzige Politik in Brandenburg, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Sie sorgen eben nicht dafür, dass alle Brandenburger überall schnell online gehen können. Ich sage voraus: Die Daseinsvor sorge eines Bundeslandes wird zukünftig nicht nur aus guten Schulen, guten Straßen, Bus und Bahn und Sicherheit beste hen, sie wird zukünftig auch darin bestehen, jedem Branden burger einen schnellen Internetzugang zu ermöglichen. Das ist unsere Aufgabe für 2016 und die kommenden Jahre, weil nur so der Fortschritt in jedem Haushalt in Brandenburg ankom men kann und wird, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE sowie vereinzelt AfD)

Ich habe ganz überrascht vernommen, Herr Finanzminister, dass Sie ganz Brandenburg schnell online gehen lassen wollen - mit 22 Millionen Euro. Ich glaube, parallel geben die Kolle

gen im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern über 200 Milli onen Euro dafür aus.

(Zuruf von Minister Görke)

Jetzt weiß ich nicht, ob Mecklenburg so viel größer ist als Brandenburg oder vielleicht mehr Einwohner hat, aber 22 Mil lionen Euro reichen gerade einmal für vier oder fünf Landkrei se. Noch haben wir in Brandenburg vierzehn Landkreise und vier kreisfreie Städte, und alle brauchen genügend Geld für schnelles Internet.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Was ich mir unbedingt im Manuskript Ihrer Rede, das ich dann anfordern werde, rot unterstreichen will: Sie haben heute hier gesagt, der Polizeiabbau bei der Polizei sei vorbei. Ja, meine Damen und Herren, wer hat denn damit angefangen? Sie haben doch damit angefangen! 700 Stellen weniger seit 2009!

(Beifall CDU und des Abgeordneten Jung [AfD] - La chen und Widerspruch bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Herr Kollege Finanzminister, Herr Ministerpräsident, Sie können natürlich gern noch einmal auf 1990, 1980 und auf 2000 eingehen - das ist mir vollkommen egal; das können Sie ja machen. Ich beurteile hier und heute die Regierung, die Sie seit 2009 stellen, und danach gibt es in Brandenburg weniger Polizei als vorher. - Das ist die Realität und keine andere zählt, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU - Zurufe der Abgeordneten Dr. Bernig [DIE LINKE] und Frau Lieske [SPD])

Natürlich weiß ich, dass wir in Brandenburg in den letzten Jahrzehnten vor teilweise fundamentalen Schwierigkeiten, wirtschaftlichen Problemen standen. Ich weiß auch, dass Bran denburg seit 1990 eine gute Entwicklung genommen hat. Kei ner sollte so überheblich sein, das nur auf seine eigenen Schul tern zu legen. Jeder hat einen größeren oder kleineren Beitrag geleistet. So wie der Aufschwung in Brandenburg seit 1990 eine gute Entwicklung genommen hat, ist auch Deutschland in einer starken Verfassung und hat sich gut durch Krisen ent wickelt. Das ist ein gutes Beispiel für Politik, aber nicht allein. Politik ist ein Begleiter. Auch die Gesellschaft insgesamt muss sich auf diesen Weg machen.

Ich bin ein Stück weit beim Finanzminister, der vorhin sagte, dass er sich gewisse Gedanken um den Zustand unserer Gesell schaft mache. Auch ich stelle fest, dass es an vielen Stellen Verzagtheit, Sorgen und Zukunftsängste gibt. Wir können das nicht ignorieren, sind aber auch nicht dazu da, es noch zu ver stärken, schon gar nicht an Stellen, wo es gar nicht notwendig ist.

Deswegen wünschte ich mir generell, Mike Bischoff und alle anderen, dass wir mehr Mut beweisen und dadurch auch weni ger Wut in der Gesellschaft erreichen können, dass wir mehr dafür tun, die Menschen zuallererst auch mit unseren Entschei dungen im Vertrauen einzubeziehen.

Dieser Haushalt wäre eine wunderbare Chance gewesen,

(Frau Lehmann [SPD]: Er ist eine wunderbare Chance!)

in der Entwicklung auch der digitalen Gesellschaft voranzuge hen. Industrie 4.0 - es gibt ein neues Zeitalter in den Betrieben und für die Betriebe. Nichts davon finden wir wirklich sach dienlich in Ihrem Haushalt. Smart City, für Brandenburg viel leicht besser Smart Village - nichts davon finden Sie im Bran denburger Haushalt als echte Zukunftsoption. Die Strategie für digitale Verwaltung stammt aus dem Jahr 2003. Sie ist 13 Jahre alt. Das ist der Zustand! Autonomes Fahren, Internetzugang - nichts davon wird in diesem Haushalt wirklich transparent, mit Weitblick, Mut und Entschlossenheit angegangen, nichts davon!

(Beifall CDU)

Ich wünschte mir auch deshalb mehr Weitblick, Mut und Ent schlossenheit, weil ich Sorge habe, dass der Brandenburger, der 100, 150 oder 180 Kilometer von Potsdam entfernt wohnt, diese Entfernung zukünftig noch stärker zu spüren bekommt, sich abgehängt und nicht mehr ernst genommen fühlt. Das ist auch ein Zustand, den wir haben. Die letzten Wahlen haben ge zeigt, werte Genossen von der SPD: Die neuen blauen Flecken auf der politischen Landkarte sind auch blaue Flecken für uns Volksparteien. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wir müssen uns fragen, was wir für die Gesellschaft in Brandenburg und Deutschland insgesamt besser und anders machen können.

(Beifall CDU)

Natürlich weiß ich, dass es diejenigen leichter haben, die mit einfachen und radikalen Positionen auftreten. Aber sie haben es noch leichter, wenn wir die Distanz zwischen Gesellschaft und Staat noch größer werden lassen, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie uns im Grunde genommen egal sind.

Wir lehnen Ihre zentralen Landkreiszwangsfusionen und die Zwangsfusionen von kreisfreien Städten deutlich ab - auch hier und heute im Landtag. Wir sind gegen Zentralismus, gegen Zwangsfusionen von Landkreisen und kreisfreien Städten.