… sodass wir eine gute Zukunftsstrategie Stadtentwicklung und Wohnen haben, um einen Interessensausgleich verbunden
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Nach dem Einstieg in die Haushaltsdebatte folgt ein Strategie thema für die Zukunft Brandenburgs,
Vorweg, liebe Landesregierung: Es ist bezeichnend, wenn ein Mitglied der aktuellen Enquetekommission als Vertreter des Städte- und Gemeindebundes nahelegt, das Thema doch zu rückzustellen. Die Befürchtung, die im Entstehen befindliche Mobilitätsstrategie, der neue Landesentwicklungsplan, die Strategie Stadtentwicklung und Wohnen könnten durch diesen Antrag unter einen schädlichen Erfolgsdruck gesetzt werden, teilen wir von der AfD-Fraktion.
Die im Antrag geforderte Abstimmung zwischen den Strategi en, um die Realisierung von Synergieeffekten zu erreichen, ist anzustreben - ja, durchaus. Als problematisch sehen wir jedoch den Umgang mit dem ländlichen Raum. Es werden zwar zu Recht die großen Ströme durch die transeuropäischen Korrido re aufgeführt, die verkehrspolitischen Verknüpfungen zu den nächsten Metropolräumen als verstärkungswürdig bezeichnet und die Verbesserung der Erreichbarkeit der zentralen Orte in Brandenburg - Stichwort „zweite Reihe“, Herr Genilke ist dar auf eingegangen - angesprochen.
Doch wo bleibt bei diesen Punkten der ländliche Raum, das Dorf in der Mark, die Kleinstadt in der Region? Sie werden nicht erwähnt - zumindest nicht in dem Maße, wie es uns er strebenswert erscheint. Für die Strategie Stadtentwicklung und Wohnen begrüßt die AfD-Fraktion die Überprüfung der bishe rigen Instrumente der Wohnraumförderung hinsichtlich Ziel setzung und Wirksamkeit - Frau Tack ist bereits darauf einge gangen. Schließlich wurde Ende 2015 - Ende 2015! - kritisiert, dass die Wohnungsbauförderung besonders in den Kommunen hakt, mit der Sorge, dass Bauvorhaben im Dickicht der ver schiedenen Behörden erstickt werden. Um 3 % sank der Be stand an Sozialwohnungen zwischen 2012 und 2015 - auf 14 200. Um fast ein Drittel verringerte sich der Bestand an Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung - auf 54 100.
Es muss mehr über die Wirksamkeit der Maßnahmen gespro chen werden, und das darf nicht nur für die Infrastruktur gel ten. Deshalb schreiben Sie auch zu Recht:
„Es soll geprüft werden, ob und wie die Verlängerung der Belegungsbindungen in kommunalen Wohnungsunter nehmen möglich ist.“
Dazu muss aber vorher Transparenz bezüglich der Handlungs optionen und der damit verbundenen Auswirkungen der ver schiedenen Möglichkeiten hergestellt werden - und da komme ich wieder beim ländlichen Raum an. Die Grundsatzfrage lau tet doch im übertragenen Sinne: Wie kriegen wir den ländli chen Raum näher an Berlin heran? Städte wie Eberswalde, Fürstenwalde/Spree und Brandenburg an der Havel werden im Antrag genannt, weil man von dort in weniger als 60 Minuten in Berlin sein kann. Aus Bevölkerungssicht wird die Güte von Verkehrsinfrastrukturen in erster Linie nach der Reisezeit beur teilt. Außerhalb des Verflechtungsraums sieht es dagegen mau aus.
Dieses Grundsatzproblem kann auch leider nicht von einer Mobilitätsstrategie 2030 vollständig gelöst werden, denn im Rahmen der Anhörung kam klar heraus, dass der motorisierte Individualverkehr - auf Klardeutsch: das Auto - im ländlichen Raum absehbar der unangefochtene Verkehrsträger Nummer eins ist.
Die anhaltende Ausdünnung des ÖPNV-Netzes ist nicht ge stoppt, denn die Wirtschaftlichkeit ist dort immer noch das Tot schlagargument in Zeiten knapper Kassen - wobei wir ja gehört haben, dass die Kassen gar nicht so knapp sind. Aber vielleicht ist das ja der Grund, warum zu Beginn des Antrags noch von der „Daseinsvorsorge in allen Teilräumen des Landes“ gespro chen wird, sich aber dann der Fokus auf die Ober- und Mittel zentren verlagert und man still und heimlich den ländlichen Raum aus dem Blick verliert.
Ein Aspekt, der aus Sicht unserer Fraktion völlig fehlt, ist eine Instandhaltungsstrategie für die bestehende Verkehrsinfra struktur. Wo soll das Land Brandenburg in 15 Jahren stehen? Es ist ja kein Geheimnis, welch Investitionsstau gerade im Be reich der Infrastruktur vorhanden ist. Und schließlich beein flusst die Infrastrukturqualität - Stichwort Substanzverlust im Straßennetz; wir zehren auch beim Straßennetz bzw. in der Inf rastruktur von der Substanz - auch ökonomische und räumliche Entscheidungen der Menschen, Stichwort Routen- und Ver kehrsmittelwahl bzw. Nachfragemuster. Allgemein gesprochen leiden auch die Mobilität und die Wohlfahrt mindestens indi rekt unter diesen Substanzverlusten.
Es muss erstens plausibel aufgezeigt werden, dass der ländli che Raum ausreichend berücksichtigt wird, zweitens, inwie fern eine Instandhaltungsstrategie für die brandenburgische Verkehrsinfrastruktur ernsthaft angedacht und greifbar geplant ist, und drittens, wo der Schwerpunkt auch der Landesregie rung bei den Strategien und der Abstimmung liegt. Dann wäre eine Zustimmung zu diesem Antrag durchaus möglich.
Zum jetzigen Zeitpunkt werden wir uns enthalten. Der Antrag fällt in die Kategorie „Wieder einmal gut gemeint statt gut ge macht“. Aber vielleicht wird es ja noch besser. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Verehrte Gäste! Kollege Genilke hat gefragt: Warum so ein Antrag? - Um diese Frage zu beantworten, muss man ein paar Wochen zurückschauen. Ende August forderte DIE LINKE zur Überraschung ihres Koalitionspartners eine umfangreiche Novelle des Finanzausgleichsgesetzes, nach der berlinferne Regionen auf Kosten des Speckgürtels zusätzliche Mittel in dreistelliger Millionenhöhe erhalten sollten - angesichts der Entwicklung in unserem ländlichen Raum eine durchaus be grüßenswerte Forderung.
Der Aufschrei ließ aber nicht lange auf sich warten. Zwei Tage später lehnte die SPD-Generalsekretärin den sogenannten Speckgürtel-Soli mit dem Verweis ab, das wäre die Gießkanne, bezahlt von den Umlandkommunen, um anschließend wieder das SPD-Prinzip „Stärken stärken“ als alleinigen Heilsbringer für Brandenburg zu loben. Der Koalitionskrach schien vorpro grammiert, und der vorliegende Antrag „Wachstumschancen für das ganze Land Brandenburg nutzen“ ist nun offenbar der Versuch, zwei gegensätzliche Positionen unter einen Hut zu bringen - unserer Ansicht nach aber ein untauglicher.
Ganz abgesehen davon, dass immer mehr Menschen die be rechtigte Frage stellen, ob Wachstum als unwidersprochenes Ziel von Politik nicht inzwischen ausgedient habe - aber das nur am Rande.
Jedenfalls ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum Sie, um einen Koalitionskrach zu vermeiden, jetzt einen Antrag ins Plenum bringen, der beispielsweise bereits Vorgaben zum Lan desentwicklungsplan macht, obwohl das Beteiligungsverfah ren dazu überhaupt noch nicht abgeschlossen ist. Alles also nur eine Show-Veranstaltung? Die Menschen in den Regionen werden Sie so jedenfalls nicht mitnehmen.
Inhaltlich befürworten wir durchaus die Idee des Siedlungs sterns, aber nicht um jeden Preis, nicht um den Preis, dass die Gemeinden außerhalb des Sterns abgehängt werden. Branden burg darf nicht in den Berliner Speckgürtel einerseits und die metropolfernen Regionen andererseits gespalten werden. Aber vielleicht bedarf es ja nur einer verständlichen Sprache bei den teilweise konkurrierenden Spiegelstrichen, um das Ganze auf zuklären. Einerseits soll hier beispielsweise die Bündelung auf Ober- und Mittelzentren unterstützt werden. Eine Zeile tiefer heißt es dann, dass Grundfunktionen in zusätzlichen Schwer punktorten gesichert werden sollen.
Würden Sie es „Wiedereinführung von Grundzentren“ nennen, könnte es ja unsere Unterstützung finden, und alle wüssten auch, was damit gemeint ist. So ist es wie der Rest des vorlie genden Antrages vor allem eines: reichlich schwammig.
Das Gleiche gilt bei der Mobilitätsstrategie. In den ländlichen Regionen fährt vielerorts der Bus nur noch zweimal am Tag:
für den Schülertransport. Für Einkäufe oder Arztbesuche im nächstgrößeren Ort reicht das Verkehrsangebot häufig nicht aus, und die Menschen dort sehen immer weniger eine Alterna tive zum eigenen Pkw. Unter welchen Voraussetzungen ist es dort überhaupt noch attraktiv, auf das Auto zu verzichten und Zug und Bahn zu nutzen?
Aber auch in vielen Berliner Umlandgemeinden fehlen ausrei chende Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr. Ohne den von uns geforderten Einsatz von Landesmitteln für den ÖPNV werden wir in beiden Bereichen nicht weiterkommen. Hierzu lässt der vorliegende Antrag leider ebenfalls eine klare Aussage vermissen.
Und wie sieht es bei der Wohnraumförderung aus? Im ersten Halbjahr 2016 wurden lediglich für 28 Mietwohnungen und 5 Eigentumswohnungen Fördermittel beantragt. Nicht eine ein zige Wohnung wurde in diesem Zeitraum fertiggestellt. Das zeigt ganz klar, dass es nicht ausreicht, Gelder zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen brauchen wesentlich mehr fach liche und organisatorische Unterstützung. Auf meine entspre chende Anfrage dazu im Infrastrukturausschuss stellte Ministe rin Schneider hier allerdings keine Korrektur in Aussicht. Ich kann die Forderung im Antrag daher nur unterstützen, die bis herigen Instrumente der Wohnraumförderung zu überprüfen. Die wichtigste Frage dabei ist aber, welche Initiativen es jen seits davon geben sollte, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen.
Zu all diesen Themen hätten wir uns wesentlich klarere, kon kretere Bekenntnisse gewünscht wie etwa: Wir führen die Grundzentren wieder ein. Wir investieren zukünftig auch Lan desmittel in den ÖPNV. Wir unterstützen die Kommunen zu künftig stärker beim preiswerten Bau von Wohnungen. - Diese Chance haben Sie heute leider vertan - schade. Dem vorliegen den Antrag können wir daher nicht zustimmen. Wir werden uns ebenfalls enthalten. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Gäste! Sehr geehrte Kolle gen! Wachstumschancen für das ganze Land nutzen - ein stol zer Einstieg. Landesmittel sollen aber kleinräumig und sektoral fokussiert werden.
Der Landtag soll sich zur Daseinsvorsorge in allen Teilräumen bekennen. Meine Damen und Herren, das ist durch das Grund gesetz vorgegeben. Das ist kein Geschenk oder Almosen, son dern eine Verpflichtung. Vielen scheint das nicht bewusst zu sein.
Bei den Menschen in den Räumen zwischen den sogenannten Wachstumskernen entwickelt sich immer mehr das Gefühl, allein gelassen zu werden. Der scheidende Landrat Zalenga aus dem Landkreis Oder-Spree sagte in einem Interview: Das Ge spür für das flache Land ist verloren gegangen. Es wird ver
Und er hat den Eindruck, in der Landesregierung macht jeder, was er will. Die Ministerien ziehen nicht an einem Strang. Die Folge: Die Prignitz oder Elbe-Elster sind außen vor; Sie haben es schon angedeutet, Frau Lieske.
Sie von Rot-Rot gehen aber in Ihrem Antrag noch weiter: Zen trale Orte in der zweiten Reihe - so Brandenburg an der Havel. Was wird mit Herzberg-Elster oder Spremberg? Dritte Reihe: Dahme, Rheinsberg. Orte vierter Wahl: die ehemaligen Klein zentren wie Schönewalde mit dem aufwachsenden Bundes wehrstandort. - Orte ohne Chancen.
Die Bevölkerungsentwicklung verläuft anders als prognosti ziert. Kommunen wollen keine weitere Fokussierung der Lan desmittel, um Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Dadurch ver schwindet viel zu viel Geld in Verwaltungen, in komplizierten Fördermittelanträgen, in komplizierten Bewilligungs- und Ab rechnungsverfahren. Eine solide Grundfinanzierung ist in den Kommunen erforderlich, um strategisch entwickeln zu können.
Wir wollen, dass sich Brandenburg weiter zu einem starken In dustrie- und Dienstleistungsstandort entwickelt. Brandenburg hat durch Berlin in seiner Mitte hervorragende Standortqualitä ten. Die dadurch gegebenen Entwicklungschancen müssen ge nutzt werden.