Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

„Das Mindestentgelt muss dem regelmäßig gezahlten Grundentgelt für eine Zeitstunde ohne Sonderzahlungen, Zulagen oder Zuschläge entsprechen.“

Eine solche Regelung fehlt auf Bundesebene leider noch. Bran denburg und Thüringen werden weiterhin auf eine Klarstellung im Mindestlohngesetz des Bundes drängen, auch wenn wir am 23. September im Bundesrat leider nicht erfolgreich waren.

Die Kommunen und die kommunalen Unternehmen - davon gehe ich zumindest aus - verhalten sich gesetzestreu und wen den das Landesvergabegesetz an. Es gilt, der Auftraggeber ist verpflichtet, die Einhaltung der vereinbarten Vertragsbestim mungen zu überprüfen, und zwar durch eine ausreichende An zahl - das betone ich - von Stichproben. Ob hier wirklich über bordende Bürokratie vorliegt, Herr Homeyer?

Zum Abschluss: Es wäre schön, wenn wir im Bund zügig einen Mindestlohn von 10 Euro die Stunde hätten. Dann könnten wir auf das Mindestentgelt im Landesvergabegesetz auch verzich ten.

Und zum Arbeitgeber von Frau Meier, Herr Homeyer: Ab 1. Oktober 2017 muss er 8,84 Euro zahlen. Besser wäre es, wenn er 10 Euro zahlte. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD und B90/ GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht jetzt die Abgeord nete Schade.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Brandenburger Bürger! Wie schon einmal in einer Rede von mir zu diesem rettungslos verunglückten Brandenburger Vergabegesetz erwähnt, sollten wir uns eigentlich darüber einig sein, dass der Mindestlohn, Herr Barthel, notwendig geworden ist - das haben auch wir von der AfD eingesehen- , weil in den

letzten 20, 30, 40 Jahren die sensiblen Mechanismen der sozia len Marktwirtschaft Stück für Stück außer Kraft gesetzt wur den. Was Deutschland wirtschaftlich eigentlich so stark machte - nämlich die soziale Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard-, ist heute nur noch ein Fragment seiner Selbst, denn in einer ge sunden Marktwirtschaft, in einer sozialen Marktwirtschaft ist ein Mindestlohn nicht notwendig.

Damit die Arbeitnehmer aber heute in dieser verkorksten Wirt schaft überhaupt noch von ihrer Hände Arbeit leben können, wurde der Mindestlohn eingeführt. Nur mit dieser Maßnahme kann diese unsoziale Politik der Bundes- und Landesregierung noch sozial verträglich sein. Der Mindestlohn korrigiert nun für die Arbeitnehmer die schlechten wirtschaftlichen Rahmen bedingungen.

Nehmen wir diese Rahmenbedingungen einmal genauer unter die Lupe, stellen wir fest: Die Wirtschaft leidet unter einer schier unerträglichen Bürokratie und viel zu hohen Abgaben. Sie leidet unter Fachkräftemangel, sie leidet unter hohen Ener giepreisen, sie leidet unter unsinnigen Verordnungen und Vor schriften, sie leidet unter untereinander widersprechenden Ge setzen, Richtlinien, Normen, Vorschriften zwischen EU, Bund, Ländern und Gemeinden. Sie leidet unter intransparenten, spontanen politischen Entscheidungen, die eine vernünftige Unternehmensstrategie verhindern. Sie leidet unter fachlich sinnfreien Entscheidungen der Politik trotz vorliegender Ex pertise von gestandenen Fachleuten. Sie leidet unter einer ma roden Infrastruktur. - So könnte ich diese Liste unendlich wei terführen. Ohne diese Hemmschuhe könnten auch die kleinen und mittleren Unternehmen auskömmliche Löhne zahlen.

Schauen wir auf besonders gebeutelte Branchen wie die Trans portbranche oder das Gaststättengewerbe, müssen wir feststel len: Da haben es Selbstständige und kleine Unternehmen mit unter schwer, überhaupt eine Kostendeckung zu erzielen. War um? Nicht, weil sie nicht wirtschaften können, sondern weil die Regulierungen immer stärker um sich greifen, weil das Personal immer mehr Verwaltungstätigkeiten ausführen muss, weil die Sozialkassen geplündert werden, anstatt die Beiträge zu senken, und weil die wertschöpfenden Tätigkeiten immer weiter zurückgedrängt werden, um den ausufernden Verwal tungsvorgängen Platz zu machen.

Deutschland und Brandenburg sind überreguliert, sie sind re guliert bis an die Grenzen der Verträglichkeit. So muss der Mindestlohn dann ausbaden, was man an anderer Stelle ver zapft hat. Ob nun 9 Euro der große Wurf sind, wage ich noch zu bezweifeln. Dabei haben die Koalitionspartner die Synchro nisation mit dem bundesdeutschen Mindestlohn bereits verein bart - dann sollten sie sich auch darum kümmern.

Aber Brandenburg beschreitet nun wieder einmal einen Son derweg. Es wird ein zusätzlicher Bürokratieaufbau geschaffen und es werden nachweislich realitätsferne Regelungen erlas sen, die vor dem Hintergrund einer bundesdeutschen Regelung völlig überflüssig werden. Aus diesem Grunde fordern wir mit unserem Entschließungsantrag die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für einen einheitlichen, sozial verträglichen Mindestlohn einzusetzen. Damit würde sich der Alleingang von Brandenburg auch erübrigen.

Außerdem hat die Landesregierung ihren Gesetzentwurf mit heißer Nadel gestrickt - das wissen Sie auch, Herr Barthel.

Anstatt eine Vereinfachung und damit eine bessere Übersicht lichkeit der vergaberechtlichen Bestimmungen zu erreichen, schafft er Rechtsunsicherheit und zieht einen volkswirtschaft lich schädlichen Bürokratieaufbau ohne Nutzen nach sich.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, das können wir nachher bilateral klären.

In der Begründung dieses Gesetzes lese ich: Die Kommune wird entlastet, die Kosten für die Kommunen werden geringer, die Übersichtlichkeit und die sprachliche Verständlichkeit für die Kommunen werden verbessert. - Meine Damen und Her ren, wo bleiben die Unternehmen? Wo bleiben die Erleichte rungen für die Unternehmen?

Die Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss war dann auch von entsprechend starker Kritik begleitet. So ist in den Stel lungnahmen „verklausulierte Passagen“, „nicht gut gelungen“, „eine solche Regelung auf Landesebene könnte nach aktueller Rechtsprechung europarechtswidrig sein“, „der Bürokratieauf wand ist nicht zu rechtfertigen“ usw. zu lesen.

Unser AfD-Änderungsantrag zum Gesetz der Landesregierung berücksichtigt genau diese Kritik. Er befreit den Gesetzentwurf von einem Gestrüpp aus Regelungen. Wir vereinfachen das Gesetz in seiner Anwendung und entfernen haushaltsrechtliche Bestimmungen, die hier nichts zu suchen haben.

Selbstverständlich haben wir in unserem Antrag auch vernünf tige Änderungsanträge von anderen Fraktionen eingegeben - ja, diese gibt es auch, und wir können das sogar erkennen- , beispielsweise die Rückführung der Kontrollpflichten der Ver gabestellen auf ein handhabbares Maß, denn das Gesetz muss schlussendlich für den Anwender beherrschbar sein, und zwar für Kommunen und Unternehmen.

Als Folge dieser schier unaufhaltsamen Regelungswut sehen wir, dass sich immer weniger Unternehmen um öffentliche Aufträge bewerben - und das, obwohl die Aufträge größere Volumina enthalten und dadurch eigentlich attraktiv sein soll ten. Das muss der Landesregierung ein Alarmsignal sein, end lich mit dem Bürokratieabbau zu beginnen - am besten gleich heute mit dem Gesetz. Vielleicht haben dann die Unternehmen in Brandenburg auch wieder Lust, sich an kommunalen Aufträ gen zu beteiligen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. - Herr Homey er, Sie haben die Gelegenheit.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Schade, es ist ja eine längere Geschichte - das Vergabegesetz in Brandenburg. Frau Kollegin Schade, Sie ha ben - wenn ich das richtig sehe - Ihre Position in Bezug auf das

Brandenburgische Vergabegesetz mittlerweile, glaube ich, drei- bis viermal geändert. Sie waren ganz am Anfang einmal gegen das Brandenburgische Vergabegesetz. Dann war Ihr Kollege Jung einmal für das Vergabegesetz - an eine Rede kann ich mich noch erinnern -, und nun - das verstehe ich nicht, Frau Kollegin Schade - fordern Sie, dass Brandenburg über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative einbringt, dass der Bund ei nen bundesgesetzlichen Mindestlohn einführt. Aber den bun desgesetzlichen Mindestlohn gibt es doch, Frau Schade.

(Beifall CDU)

Wir unterhalten uns doch hier eigentlich darüber, ob es Sinn macht, dass Brandenburg - dafür gibt es anscheinend im Parla ment eine Mehrheit - jetzt noch einen eigenen Vergabemindest lohn für landesspezifische Aufträge, die vergeben werden, ein führt. Insofern ist Ihre Position etwas verwirrend. Vielleicht können Sie uns darüber aufklären, was Ihre endgültige Position ist.

Ein weiterer Punkt, Frau Schade: Ich habe Ihre Änderungsan träge gesehen. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen, denn die Hälfte Ihrer Änderungsanträge ist glattweg von uns abgekup fert. Fragen Sie demnächst bei uns nach, Sie bekommen die digitale Form. Dann können Sie durch Copy-and-paste Zeit und Arbeit sparen und somit die Dinge vereinfachen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU)

Möchten Sie auf diese Kurzintervention reagieren? Dann hät ten Sie jetzt die Gelegenheit dazu.

Noch einmal: Wir sind uns einig, dass in einer gesunden sozia len Marktwirtschaft Mindestlohn nicht notwendig wäre. Darü ber sind wir uns erst einmal einig, ja?

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Aufgrund der Schieflage, in die wir das Flaggschiff der sozia len Marktwirtschaft, das uns groß gemacht hat, mit unserer Po litik in den letzten 30 Jahren gebracht haben, sind die Unter nehmen nicht mehr in der Lage, sozial verträgliche Löhne zu zahlen, wenn sie denn außerhalb der Tarifautonomie sind.

(Bretz [CDU]: Ihre Argumentation hat Schieflage, Frau Kollegin!)

Nun ist es so: Bis wir dieses Flaggschiff „soziale Marktwirt schaft“ wieder auf normalen Kurs gebracht haben, ist ein Min destlohn notwendig. Dass es den auf Bundesebene gibt, wissen wir. Deswegen sollte sich die Landesregierung ja dafür einset zen, dass wir einen einheitlichen Lohn über alle Länder hinweg haben. Dann brauchen wir auch das Vergabegesetz nicht mehr. Aber solange das noch nicht der Fall ist, müssen wir die 9 Euro so hinnehmen. Darum sagte ich auch: Ob 9 Euro zielführend sind, ist noch ein ganz anderes Thema und bedarf einer ganz anderen Situation, Herr Homeyer. Insofern bedanke ich mich für Ihre Kurzintervention.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Jungclaus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordne te! Sehr geehrte Gäste! Auch wenn bei diesem Tagesordnungs punkt immer von einem Vergabegesetz gesprochen wird, reden wir hier doch eigentlich ausschließlich von einem Mindest lohngesetz.

Damit sind wir auch schon beim Hauptpunkt unserer Kritik. Man kann durchaus unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob es sinnvoll ist, einen nicht unerheblichen Bürokratieauf wand zu betreiben, um landesspezifische Regelungen zu über wachen, wenn es im Endergebnis nur um 16 Cent geht - der Kollege Homeyer hat das Prozedere sehr bildhaft beschrieben -, zumal auch nicht klar ist, wie die Vergabekommission auf die zufällig runde Summe von 9 Euro gekommen ist - die Kom mission tagt bekanntlich hinter verschlossenen Türen. 16 Cent hin oder her, die Probleme mit dem Mindestlohn liegen doch weniger in der Höhe als vielmehr in der Um- und Durchset zung der Regelung. Da bietet auch die vorgelegte Neufassung des Gesetzes leider wenig Besserung.

Entscheidend ist unserer Ansicht nach ein ganz anderer Punkt, nämlich, dass Sie hier eine Chance verstreichen lassen, ein Vergabegesetz zu verabschieden, das seinem Namen auch ge recht wird. Die Regeln für öffentliche Auftragsvergaben ent scheiden wesentlich darüber, ob sich Unternehmen Wett bewerbsvorteile durch Niedriglöhne, Verletzung elementarer Arbeitsnormen oder unverhältnismäßige Belastung der Um welt verschaffen können.

Mit „Natürlich. Nachhaltig. Wir in Brandenburg“ ist unsere Nachhaltigkeitsstrategie überschrieben. Eine tragfähige Zu kunft für unser Land zu gestalten gehöre zu den ersten Zielen der Landesregierung, schreibt der Ministerpräsident in seinem Vorwort. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie reagiere man „auf globale Herausforderungen wie den Klimawandel, den demo grafischen Prozess, die schwierig werdenden finanziellen Rah menbedingungen sowie die Notwendigkeit, natürliche Res sourcen zu schützen“, so Ministerpräsident Woidke weiter.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist ein Bereich, in dem das Land zeigen könnte, ob es dem gerecht wird. Dazu bräuchten wir aber ein Vergabegesetz, in welchem dieser Anspruch auch umgesetzt wird - ein Gesetz, nach dem Aufträge nur noch an Unternehmen gehen, die im Sinne der Nachhaltigkeit, des Ressourcenschutzes und der sozialen Gerechtigkeit handeln. Das zumindest erwartet man, wenn man das Vorwort unseres Ministerpräsidenten zur Nachhaltigkeitsstrategie liest.

(Beifall B90/GRÜNE)

Darin sagt der Ministerpräsident ganz richtig, das Land müsse mit gutem Beispiel vorangehen, denn die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie sei nicht allein eine politische, son dern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Mit dem guten Beispiel und dem Vorangehen war es dann allerdings wohl doch nicht so gemeint, denn das von der Lan desregierung eingebrachte Vergabegesetz beschränkt sich mehr

oder weniger auf die Anhebung des geltenden Mindestlohns sowie auf eine Pauschalisierung der Kostenerstattung für den Aufwand der Kommunen.

Aus Woidkes „mit gutem Beispiel vorangehen“ in Sachen Nachhaltigkeit folgen keine Konsequenzen. Vorgaben hinsicht lich ökologischer und sozialer Kriterien - Fehlanzeige. Das ist ein Armutszeugnis.

Wenn aber noch nicht einmal die Landesregierung bereit oder in der Lage ist, vorausschauend zu handeln, wer sollte es dann tun? Daher bringen wir hier noch einmal unsere wichtigsten Änderungsanträge zur Gesetzesvorlage ein. Das Mindeste ist, in § 1 den Zweck des Gesetzes um den Begriff „Nachhaltig keit“ zu erweitern, da dies für die entsprechende Auslegung des Gesetzes bedeutsam ist. In § 3 geht es um die Betrachtung der Lebenszykluskosten, was nichts anderes heißt, als dass man sich beispielsweise beim Kauf von IT oder dem Bau einer Schule Gedanken darüber macht, welche Folgekosten beim Betrieb und bei der Entsorgung entstehen können. Leider ist das in vielen Verwaltungen aber immer noch nicht gängige Praxis.