Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Ja, die DDR war ein Unrechts staat. Sie hat ihre Bürgerinnen und Bürger nicht reisen lassen. Sie hat sie bevormundet, bespitzelt und belogen. In der DDR gab es Zensur, systematische politische Verfolgung, Wahlfäl schung. Es gab Folter in der Haft und unmenschliche Zustände in der Armee. Dies alles hat viel Leid verursacht und Menschen in die Verzweiflung getrieben.
Und trotz alldem war die DDR doch auch meine Heimat. Wenn ich 26 Jahre und weiter zurückdenke, so habe ich auch viele schöne Erinnerungen. Ich hatte Glück. Mir hat die DDR nur ein paar Beulen beschert und keine tiefen Wunden geschlagen. Aber sie hatte es vor und sie hätte es auch getan. Meine Mutter stand für den Fall innenpolitischer Spannungen auf einer Inter nierungslager-Liste. Für mich war ein Platz im Kinderheim vorgesehen. Die DDR war so gesehen nicht kinderfreundlich. Dass ich 1987 von einem Freund aus dem Westen Briefsendun gen mit Zeitungsartikeln über Aktivitäten der Grünen und der Startbahn West erhielt, blieb bis auf den Umstand, dass ich fortan Zielperson der Operativen Post-Aufklärung war und im Alter von 14 Jahren bei der Stasi eine eigene Nummer hatte, zum Glück folgenlos.
Ja, die DDR war ein Unrechtsstaat und die Berliner Mauer das wohl sichtbarste Zeichen der Unterdrückung und Teilung. Da bei waren der Verlauf der Berliner Mauer und der Staatsgrenze zu Westdeutschland nicht nur Linien einer staatlichen Teilung. Es waren vor allem auch Linien der Trennung, Linien eines willkürlichen Auseinanderreißens von Familien und Freun den - perfide und mörderisch umgesetzt durch den Schießbe fehl und die sogenannten automatisierten Grenzsicherungsan lagen.
Das alles nahm baulich am 13. August 1961 seinen Anfang, wie bereits ausgeführt wurde. Entlang der ehemaligen Grenzli nie wird jährlich mit zahlreichen Veranstaltungen dieses un zweifelhaft schicksalhaften Tages gedacht. Beantragt wird jetzt, diesen Tag zu einem staatlich anerkannten Gedenktag zu erklären. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Frage ist, ob wir den Tag der Errichtung der Mauer zum Gedenktag ma chen wollen. Sollten wir nicht lieber den Tag der Überwindung der Mauer zu einem Gedenktag machen -
den Tag, an dem es Tausenden Bürgerinnen und Bürgern der DDR gelungen ist, die Teilung friedlich zu überwinden? Dies wäre der heutige Tag, der 9. November. Diesen Vorschlag gab es. Anfang 1990 wurde überlegt, ob man den 9. November zum Tag der Deutschen Einheit erklärt. Aber weil - wie wir auch
heute früh in den Gedenkworten der Präsidentin gehört haben - der 9. November auch einer der dunkelsten Tage unserer Ge schichte ist, verbot es sich, diesen Vorschlag weiterzuverfol gen. Der Einigungsvertrag erklärt stattdessen nunmehr seit 1990 den 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit. Es ist der Tag, den wir gemeinsam verbringen - in Erinnerung an das Leid der Teilung, aber auch an das Glück der Wiedervereini gung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere nationalen Gedenk- und Feiertage sind auf unterschiedlichste Weise mit dem Begriff der Befreiung verbunden. Es ist dies der 27. Janu ar 1945 als Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausch witz. Es ist dies der 17. Juni 1953 als Gedenktag für den Frei heitswillen der Menschen in der DDR. Es ist dies der 20. Juli 1944 als Gedenktag für den Widerstand, nicht nur den militäri schen Widerstand, gegen die nationalsozialistische Gewalt herrschaft, und es ist dies der 3. Oktober als der Tag, an dem wir die deutsche Einheit und Freiheit vollenden konnten. Da neben begehen wir in Brandenburg den 8. Mai als Tag der Be freiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkriegs.
Lassen Sie uns weiterhin am 13. August den Opfern von Mau er, Stacheldraht und Minenfeldern gedenken - auch im Geden ken an Walter Kittel. Aber wir sollten nicht den Tag des Baus der Mauer würdigen. Lassen Sie uns weiterhin ihre Überwin dung feiern. Dazu lädt uns der 3. Oktober ein. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Jung fort. Er spricht für die AfD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her ren! Liebe Gäste! Im Land Brandenburg soll der 13. August künftig als Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur began gen werden. Um dieses Tages und der Opfer angemessen zu gedenken, muss der gesetzliche Rahmen dieses Tages ange messen gewürdigt werden - er soll ein Gedenktag werden.
Der 13. August war der Tag, an dem die SED-Diktatur ihr Volk einmauerte. Er war der Tag, an dem die Menschen hautnah miterlebten, wie menschenverachtend diese Diktatur mit ihnen umgeht. Er war der Tag, der in Europa ein Zeichen der Teilung setzte. Er war der Tag, der in ganz Deutschland massiv in pri vates und berufliches Glück eingriff und dieses zerstörte. Er war der Tag, an dem ein totalitäres Unrechtsregime begann, Menschen umzubringen - insgesamt 138 bzw. mindestens 140 Opfer gab es in Berlin und auch in Brandenburg. Er war der Tag, der zu einer Befriedung innerhalb der DDR führte. Er war der Tag, der einen nachhaltigen Eindruck hinterließ - wir erinnern uns an Kennedy und de Gaulle.
Ich möchte neben den Opfern noch einen anderen Aspekt an sprechen: Der 13. August war der Tag, der sehr viele Menschen
in Europa dazu brachte, zu versuchen, den Menschen zu hel fen, die in Berlin eingemauert waren. Ich erinnere an die italie nischen Studenten, die an der TU studierten und Menschen halfen, die flüchten wollten. Es gab Menschen, die Tunnel ge baut haben. Es waren nicht nur Deutsche, die ihren Landsleu ten helfen wollten, sondern auch Italiener, Franzosen, Ameri kaner, Österreicher und Schweizer.
Ich habe in den 70er-Jahren während meiner Schulzeit einen Zeitzeugen erlebt, einen Franzosen, der uns berichtet hat, wie er in Berlin geholfen hat. Das war sehr interessant, weil er er zählte, wie er im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft hatte. Er war damals Sozialist bei der POUM und erzählte von dem Krieg. Als die Mauer gebaut worden ist, war es für ihn eine Motivation, zu sagen: Ich versuche, den Leuten dort zu hel fen. - Man muss bedenken: Er war Franzose, und das war da mals noch eine völlig andere Zeit. Das war keine Zeit des Aus tausches und der Nähe, wie wir sie heute haben, sondern das war wenige Jahre nach dem Krieg. - Das hat mich beeindruckt.
In diesem Sinne hoffe ich, dass dieser Tag ein Gedenktag wird. Ich kann nur an die rot-rote Regierung appellieren: Geben Sie sich einen Ruck und sehen Sie zu, dass wir da an einem Strang ziehen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Die vollständige Abriegelung der Grenze der DDR und der folgen de Mauerbau vor etwas mehr als 55 Jahren hat die Teilung Deutschlands in zwei Staaten über Jahrzehnte zementiert. Er diente dem Erhalt des politischen Systems der DDR und war das Eingeständnis der DDR-Führung, im Wettbewerb der Sys teme vor allem wegen des Verlustes hochqualifizierter Arbeits kräfte bei offenen Grenzen nicht bestehen zu können.
Nach dem Ende des Faschismus mit seinen unerträglichen Ver brechen gab es ein großes Bedürfnis nach Alternativen zum Kapitalismus, und hier gingen Ost und West verschiedene We ge. In der DDR wurde der legitime Versuch unternommen, durch eine Vergesellschaftung der Produktionsgüter, eine um fassende Bodenreform und zahlreiche fortschrittliche sozialpo litische Maßnahmen eine Gesellschaftsordnung zu errichten, die die Verwerfungen des kapitalistischen Systems - Ausbeu tung, Armut, Entfremdung - überwindet.
Der Bau der Mauer war das unfreiwillige Eingeständnis, dass dieser Versuch den Charakter eines autoritären Staatssozialis mus angenommen hatte. Der Bevölkerung wurde der Wille der Partei- und Staatsführung unter Inkaufnahme der Verletzung der Freizügigkeit und Meinungsfreiheit aufgezwungen. Dies steht im klaren Gegensatz zu einem demokratischen und eman zipatorischen Sozialismusverständnis.
Die Berliner Mauer war gleichzeitig aber auch ein Produkt des Kalten Krieges und der nach dem Zweiten Weltkrieg neu ent standenen bipolaren Weltordnung von Ost und West. Die Tei lung Deutschlands und Berlins war besiegelt und wurde auch von den Westmächten akzeptiert und befördert. Erinnert sei an John F. Kennedy, der sagte, die Mauer sei „keine sehr schöne Lösung, aber tausendmal besser als Krieg“.
Meine Damen und Herren, wiederholt hat sich meine Partei zu diesem Jahrestag erklärt. Ich zitiere aus einem Beschluss des Parteivorstandes aus dem Jahr 2001:
„Kein Ideal und kein höherer Zweck kann das mit der Mauer verbundene Unrecht, die systematische Einschrän kung der Freizügigkeit und die Gefahr für Freiheit sowie an Leib und Leben beim Versuch, das Land dennoch ver lassen zu wollen, politisch rechtfertigen.“
Die Todesopfer an der Mauer - 138 an der Zahl, soweit wir heute wissen - sind 138 zu viel. Jedes einzelne Opfer ist zu be dauern und jedes einzelnen Opfers ist zu gedenken. Deshalb ist es gut, dass wir uns hier im Landtag Gedanken darüber machen, in welcher Form dieser Opfer gedacht wird. Der Intenti on, den 13. August als Gedenktag für den Mauerbau und die Opfer der SED-Diktatur einzuführen, folgen wir jedoch nicht. Dies aus drei Gründen: Erstens bezweifeln wir, dass ein Ge denktag das geeignete Mittel ist, der jüngeren Bevölkerung historisches Wissen näherzubringen. Auch wir sehen, dass es bei der Vermittlung von und Auseinandersetzung mit histori schen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit Nachholbe darf gibt. Deshalb sehen wir beispielsweise Bedarf bei der Stärkung historischer Themen in den Schulen. Dies passiert übrigens gerade auch mit den neuen Rahmenlehrplänen. Auch die politische Jugendbildung und die Landeszentrale für politi sche Bildung können hier einen wertvollen Beitrag leisten.
Zweitens möchte ich davor warnen, die Einführung von Ge denktagen als Allheilmittel zu betrachten. Dies sollte ein her ausragendes Mittel sein, um nicht die Symbolik aller bisher geschaffenen Gedenktage zu schmälern.
Drittens glauben wir, dass ein Gedenktag nur dann sinnvoll ist, wenn er an ein Datum geknüpft ist, das eine eindeutige Symbo lik mit sich bringt. Selbst innerhalb der CDU scheint man sich aktuell nicht einig zu sein, welches Datum das richtige ist, um der Opfer des DDR-Regimes zu gedenken. Zumindest habe ich wahrgenommen, dass der 17. Juni als bundesweiter Gedenktag innerhalb der CDU diskutiert wird.
Ich habe eingangs meiner Rede die klare Position meiner Partei und Fraktion zum Mauerbau auch deswegen so ausführlich ge schildert, weil sie deutlich macht, dass wir in der Bewertung der Geschichte der DDR sehr differenziert sind und nicht wollen, dass Geschichte einseitig betrachtet wird.
Schon mit der Enquetekommission zur Aufarbeitung der DDRZeit in der vergangenen Wahlperiode hatten wir unterschiedli
che Ansichten dazu, inwiefern Politik Geschichtswissenschaft betreiben kann und inwiefern ein Parlament der geeignete Ort für das Suchen und Finden einer historischen Wahrheit ist. Die ser Konflikt tritt auch hier wieder zutage, und dennoch - damit komme ich zum Ende - sind wir durchaus der Meinung, dass der Landtag eine geeignete Form des Gedenkens der Opfer und des Bekenntnisses zum Unrecht des Mauerbaus finden muss. In unserem Entschließungsantrag schlagen wir eine solche vor und bitten um Zustimmung zu diesem Antrag. - Ich danke Ih nen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 13. August ist zweifelsohne einer von vielen schrecklichen Ta gen in der deutschen Geschichte, wurde hier doch für weitere 28 Jahre die Teilung Deutschlands und Europas, letztlich der Welt, zementiert. Alles, was mit diesem Tag in Erinnerung steht, wurde heute von verschiedenen Rednerinnen und Red nern angesprochen.
Ich denke, wir reden eigentlich nicht darüber, ob der 13. Au gust ein Gedenktag sein soll. Er ist es. Wir reden darüber, ob er ein gesetzlicher Gedenktag werden soll. Ich meine, es gibt ge nug Möglichkeiten, den 13. August als Tag der Erinnerung und des Gedenkens zu feiern, ohne dass wir ihn dazu extra in unse rem Brandenburger Feiertagsgesetz als staatlichen Gedenktag verordnen müssen.
Herr Kurth hat ein paar Beispiele angesprochen. Ich möchte einige andere Tage aus der deutschen Geschichte ansprechen, an denen wir auch wichtiger Ereignisse gedenken, und darauf eingehen, wie üblicherweise dieser Tage gedacht wird.
18. März 1848, die Märzrevolution, die letztlich den Weg zum Deutschen Bund ebnete, aber auch der 18. März 1990, der Tag der einzigen freien Wahl in der DDR. Das ist auch ein solcher Gedenktag, ohne dass er irgendwo einmal gesetzlich verordnet wurde. In Berlin wurde beispielsweise im Jahr 2000 der Platz vor dem Brandenburger Tor in „Platz des 18. März“ umbe nannt, und dort finden an jedem 18. März Veranstaltungen mit Kranzniederlegungen und Reden statt.
Wir haben beispielsweise den 20. Juli 1944 als Tag des deut schen Widerstandes, der in Berlin mit Kranzniederlegungen am Bendlerblock, im Reichstag, vor dem Reichstag und auch im Rahmen feierlicher Gelöbnisse der Bundeswehr begangen wird. Auch das ist kein gesetzlich verordneter Gedenktag, aber er wird gelebt.
Dann haben wir selbstverständlich den 17. Juni 1953, der bun desweit an manchen Orten - nicht überall - begangen wird.
Wir haben den 9. November 1989 als Tag des Mauerfalls, wir haben aber auch den 9. November als Tag der Reichspogrom nacht und der Ausrufung der Deutschen Republik 1918. Die Landtagspräsidentin hat hier heute eine - wie ich denke - wür dige Rede gehalten, hat die richtigen Worte gefunden. Wir ha
ben auch, ohne dass es ein gesetzlich verordneter Gedenktag ist, dieses Tages hier in angemessener Art und Weise gedacht.
Es geht darum, eine lebendige Erinnerungskultur zu haben, es geht nicht unbedingt darum, gesetzlich verordnete Gedenktage zu haben. Deswegen ist die Frage, wie wir mit diesen Gedenk tagen umgehen.