Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Touristische Infrastruktur in Brandenburg sichern und weiter qualifizieren

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/6069

Die Aussprache wird von der SPD-Fraktion eröffnet, und zwar von der Abgeordneten Hackenschmidt. Bitte schön.

Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kol legen! Die Grünen haben im Januar gesagt, die Grüne Woche sei für das Thema Tourismus nicht wichtig genug. Das sehe ich anders.

(Frau Schinowsky [B90/GRÜNE]: Wer hat das gesagt?)

- Die Grünen. Ich komme noch dazu.

Wenn wir den Internationalen Frauentag zum Thema einer Ak tuellen Stunde machen, dann gebe ich Ihnen Recht, lobe Sie

(Vogel [B90/GRÜNE]: Falsche Rede!)

- nein, das ist nicht die falsche Rede -, aber dann muss ich auch sagen, dass die Grüne Woche etwas mit Tourismus zu tun hat. Deshalb sind wir auch schon im Januar mit dem Ansatz zum Thema Tourismus im Zusammenhang mit der Grünen Woche

gestartet. Und weil uns das Thema Tourismus so wichtig ist, haben wir den heute zur Diskussion stehenden Antrag in den Landtag eingebracht.

Das Land hat damals mit der Gründung der TMB für den Tou rismus die richtige Entscheidung getroffen und den Grundstein für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Struktur gelegt - ge stärkt durch Kooperationen zwischen Verbänden, Vereinen, Unternehmerinnen und Unternehmern und den Verantwortli chen auf kommunaler Ebene.

Im aktuellen Marketingplan der TMB steht das gut beschrie ben; neben der Markenstrategie - also dem roten Faden der Landestourismuskonzeption - sind die Digitalisierungsstrategie und vor allem auch die Qualitätsstrategie von wachsender Be deutung.

Immer wieder auf Qualität zu setzen bringt, wie die aktuellen Zahlen zeigen, die gestern den Pressespiegel füllten, messbare Erfolge.

Mit dem Projekt „ServiceQualität“ in Brandenburg, also dem „Q“ in seinen drei Stufen, war und ist Brandenburg für andere Bundesländer beispielgebend.

Der Kunde betrachtet bei seiner Entscheidung für einen Urlaub neben dem Preis vor allem das, was er dafür bekommt, und in welcher Qualität er es bekommt. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen das genau, denn auch Sie wollen sich in den schönsten Tagen des Jahres wie geplant entspannen. Diese Wohlfühlgarantie wird nur durch eine entsprechende Qualität und durch unerwartete positive Serviceleistungen gewährleis tet. In der nächsten Woche werden weitere Qualitätscoaches ihre Zertifikate erhalten und damit ihr Engagement für verläss liche Qualität unterstreichen.

Bei allem, was im Tourismus passiert, auf allen Ebenen und mit allen Beteiligten der Wertschöpfungskette - ob bei der Sai sonverlängerung durch „Winterliches Brandenburg“, der jährli chen Kulturland-Kampagne für 2017 in „Kultur erleben - Orte der Reformation in Brandenburg“, bei Produkten für unsere Gäste wie der „Radkarte Brandenburg“ und dem Tourenplaner „Wasser entdecken“ -, muss eines immer oberste Priorität ha ben: Qualität, Qualität, Qualität!

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Seit über 20 Jahren ist ein Thema in Brandenburg Schwerpunkt - und die Zahlen steigen -: der Radtourismus. Inzwischen ist dieser Tourismusbereich eine der beliebtesten Urlaubs- und Freizeitbeschäftigungen. Warum? - Attraktive Flussradwege, schmucke Städte mit historischen Stadtkernen, interessante In dustriedenkmale, gute Küche mit regionalen Produkten, viel flaches Land, das das Radeln ohne große körperliche Anstren gung ermöglicht, vor allem aber viel Natur.

Mit dem Haushalt 2017/2018 haben wir die finanziellen Mittel in Höhe von 330 000 Euro für das Projekt „Digitales Monito ring des Radwegenetzes in Brandenburg“ beschlossen. Die An tragstellung läuft. Das Ziel dieses innovativen Projektes ist, die Qualität der Radwege, das heißt den baulichen Zustand inklu sive der Beschilderungen, und den Verlauf der Strecken syste matisch zu erfassen, Schäden festzustellen und diese Informa tionen auf kurzem Weg der zuständigen Kommune bzw. dem Landkreis digital zu übermitteln.

Mit den so erhobenen Daten soll ein einheitliches System zur Instandhaltung, Modernisierung und zum Ausbau dieser Infra struktur geschaffen sowie sollen Investitionsplanung und Qua litätssicherung besser ermöglicht werden. Hierbei fallen die Zuständigkeiten in verschiedene Ministerien. Wir erwarten deshalb eine abgestimmte Unterstützung dieses Projektes.

Das Radwegenetz ist nicht nur für unsere Gäste wichtig, nein, auch Brandenburgerinnen und Brandenburger profitieren täg lich von diesen Trassen - auf dem Weg in die Schule, zur Arbeit oder einfach bei Freizeitaktivitäten.

Das zweite große Thema im Brandenburger Tourismus ist das Wasser. Hier gibt es unterschiedliche Zuständigkeiten bei Bund, Ländern und Kommunen, was zu Schwierigkeiten führt. Aktuell: der am 1. Februar im Bundeskabinett verabschiedete Beschluss zum Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“. Jetzt sind die Bundesländer dringend gefordert, die daraus re sultierenden Aktivitäten zu analysieren, auftretende Interessen unterschiede zu benennen und den Prozess der Umsetzung zu begleiten.

Schon in dem wassertouristischen Konzept des Bundes werden Wasserstraßen nach ihrer Nutzung eingeteilt. Das heißt: Wich tig für den Gütertransport - das will ich gar nicht abstreiten -, somit also wichtige Wasserstraße. Leider spielt das für uns in Brandenburg so wichtige Wasserstraßennetz für die touristi sche Nutzung dabei eine untergeordnete Rolle.

Das Programmziel „mehr naturnahe Gewässer“ und damit mehr erlebbare Natur unterstützen wir gerade für unseren Tou rismus sehr, aber dabei darf der Wassertourismus nicht seine Attraktivität verlieren, indem das größte bestehende zusam menhängende Wasserstraßennetz Europas durch dieses Bun desprogramm zerstückelt wird. Das könnte nämlich aus Sicht unserer Experten der Fall sein.

Zukünftig könnten Gäste dann nur noch mithilfe muskelbetrie bener Wasserfahrzeuge von Brandenburg über Berlin nach Mecklenburg-Vorpommern fahren. Der motorisierte Wasser tourismus wäre nicht mehr durchgängig möglich. Denn auch die notwendige Infrastruktur - ich nenne beispielsweise Schleusen - würde dann nicht mehr saniert, sondern zum Teil zurückgebaut. Es ist schon klar, dass in Zukunft sehr viel Geld für die Erhaltung dieser Bauwerke eingesetzt werden muss. Hier sieht der Bund ein großes Einsparpotenzial.

Die Landesregierung muss sich deshalb gemeinsam mit den anderen betroffenen Bundesländern und Polen für den Erhalt und für eine Verzahnung von wassertouristischem Konzept des Bundes und „Blauem Band“ sowie für eine Beteiligung und Begleitung durch die Tourismusexperten der Länder einsetzen. Gerade der Tourismuswirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs würde durch eine Unterbrechung dieser zu sammenhängenden Binnenwasserreviere großer Schaden zuge fügt. In erster Linie davon betroffen wären die dünn besiedel ten Regionen, in denen sich Tourismus langsam entwickelt hat und häufig die einzige wirtschaftliche Möglichkeit ist. Die Menschen vor Ort müssten dann diese Einbußen ertragen.

Somit ist unser gemeinsam erklärtes Ziel: Das größte zusam menhängende Binnenwasserrevier Europas muss erhalten blei ben!

(Beifall SPD und des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Denn wir stehen vor allem in diesem Tourismusbereich auch im Wettbewerb mit anderen Wassersportdestinationen.

Innovationen in Verbindung mit verlässlicher Qualität ergeben für Brandenburgerinnen und Brandenburger und ihre Gäste im mer wieder interessante Angebote. Da bin ich schon auf die Preisträger des diesjährigen Tourismuspreises gespannt. Be reits auf der Grünen Woche hat mein Verband „pro agro“ den Landkreis Elbe-Elster für das gelungene Marketingprojekt „Luther Pass“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Dieser Pass verbindet die Stätten der Reformation von Mühlberg/Elbe über Jüterbog bis Wittenberg.

So könnte ich viele hervorragende Beispiele benennen. Doch weiterhin gilt es, mehr Unterstützung für tolle Projekte zu ge währen, um in Brandenburg den Tourismus als wichtigen Wirt schaftszweig zu fördern und das Land als Urlaubsregion attrak tiv zu halten. - Danke.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Bommert.

Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Der Sommer liegt kurz vor uns. Die Urlaubsziele in Deutschland stehen hoch im Kurs, die positive Entwicklung der Tourismusbranche hält weiter an, und wir müssen die gute Lage nutzen und heute die Weichen für die Zukunft stellen.

Dabei geht es nicht darum, meine Damen und Herren von der Koalition, alle paar Monate neue Anträge zu produzieren, in denen Sie eigentlich nur die Selbstverständlichkeiten auflisten, die bereits vom Landtag verabschiedet wurden oder sogar schon ein Stück Lebenswirklichkeit sind.

Für Sie zur Erinnerung: Erst im Dezember letzten Jahres haben wir für das Radwege-Monitoring Mittel im Doppelhaushalt beschlossen; der Ausbau barrierefreier Tourismus- und Frei zeitangebote ist im „Behindertenpolitischen Maßnahmenpa ket 2.0“ des Landes vom 21. Dezember 2016 fest verankert; zur Bedeutung der Handlungsfelder im Bereich des Wassertou rismus wurden Landtagsbeschlüsse gemäß der Anträge auf den Drucksachen 6/1230 und 6/4297 - beides Anträge der Koaliti on - gefasst; die Bedeutung des brandenburgischen Natur- und Kulturerbes wird an mehreren Stellen in der Landestourismus konzeption hervorgehoben; abgestimmte Digitalisierung und Kommunikation auf allen Ebenen ist ebenfalls in der Landes tourismuskonzeption definiert, als Handlungsfeld 3.

Den letzten Punkt, Digitalisierung, haben Sie, verehrter Herr Minister Gerber, in Ihrer Plenarrede zur Landestourismuskon zeption im März 2016 zum großen Thema erklärt. Aber von einem großen Engagement der Landesregierung ist in diesem Bereich noch nicht viel zu bemerken.

8 von 10 Verbrauchern, meine Damen und Herren, buchen heu te ihre Reiseleistungen online. Die Wirklichkeit in Branden burg sieht anders aus. Hier sind viele der Betriebe, Pensionen und Hotels immer noch nur über Telefon oder Fax erreichbar.

Öffentliches WLAN auf öffentlichen Plätzen, in anderen Län dern eine Selbstverständlichkeit - in Brandenburg ist die Situa tion an manchen Stellen eher so wie schon vor 500 Jahren, zu Luthers Zeit.

Dabei machen Touristen ihre Urlaubsfotos überwiegend mit dem Smartphone, und sie wollen diese Bilder auch in sozialen Netzwerken verbreiten, was auch eine gute Werbung für Bran denburg und die eigenen Orte ist. Aber dafür, wie gesagt, ist freies WLAN, ist Verbindung äußerst wichtig.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Reise-Apps wollen genutzt werden, besonders für Stadt- und Museumsführungen, bestes Beispiel: Der Besuch des Palais Barberini - wer da war, weiß es - funktioniert via App am bes ten.

Da ist auch die Politik gefordert. Gerade weil die Tourismus wirtschaft mittelständisch geprägt ist, müssen Unternehmen frühzeitig für dieses Thema sensibilisiert, intensiv beraten und betreut werden, mit innovativen Start-ups vernetzt werden. Sie dürfen im digitalen Wettbewerb nicht allein gelassen werden.

Meine Damen und Herren, gerade in Berlin hat sich eine viel versprechende Gründerszene entwickelt. Das vor allem sollten wir - weil wir so nahe an Berlin sind - nutzen. Brandenburg muss attraktiver für Start-up-Unternehmen werden, denn diese können für Touristikunternehmen der Türöffner zum E-Touris mus werden.

(Beifall CDU)

Die gute Entwicklung in unserem Land ist in erster Linie den Unternehmen geschuldet. Es sind ihre Ideen, ihr Engagement und ihr Fleiß, die den Erfolg der Branche in Brandenburg aus machen. Umso mehr ist jetzt die Politik gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen für die Stärkung des Tourismusstandorts Brandenburg zu schaffen.

Was den Antrag betrifft: Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass kurz vor den Osterferien die Reiselust in der Koalition steigt. Aber ich würde dringend davon abraten, auf den Martin-Schulz-Zug aufzuspringen und leere Floskeln als zukunftsorientierte Politik zu verkaufen.

(Beifall CDU und AfD)

Der Tourismus in Brandenburg ist eine Erfolgsgeschichte, und wir sitzen alle in einem Boot. Wenn man aber im selben Boot sitzt, muss man kräftig mitrudern. Das sollten wir alle - auch die Landesregierung - tun, damit es kräftig weitergeht.