Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Der Deckmantel der Kinderfreundlichkeit ist hierfür zu kurz. Ich denke, die meisten von uns fühlen sich da anderen Positio nen verpflichtet. Familie ist da, wo Kinder sind. Oder auch der Spruch, wir wollen kein Kind zurücklassen - das ist Kinder freundlichkeit und das ist Familienfreundlichkeit, die wir hier in diesem Landtag meinen.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Stellvertretend für Ihre vielen juristischen Fehler will ich Ihre Forderung, die Identität des deutschen Staatsvolkes müsse durch eine Erweiterung von Artikel 6 Grundgesetz gesichert werden, nennen. Es steht aber schon in Artikel 3 Grundgesetz:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Ab stammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung be nachteiligt werden.“

Soll Artikel 3 Grundgesetz dann weg oder soll er gekürzt wer den um Abstammung, Sprache, Heimat und Herkunft? Und schon wieder ein logischer Fehler: Genau welche Identität des deutschen Staatsvolkes meinen Sie eigentlich?

Ein weiterer Fehler ist Ihr Satz:

„Die Gender-Ideologie... ist wissenschaftlich nicht be wiesen und darf nicht länger mit Steuermitteln gefördert werden.“

Sie können an dieser Stelle beruhigt aufatmen. Ideologien sind per se niemals wissenschaftlich bewiesen. Vermutlich haben Sie aber nur den Begriff Ideologie absichtlich falsch verwen det, was Ihnen mit Sicherheit den Anschluss im rechten Lager sichert, aber eine ernsthafte Auseinandersetzung behindert. Be stimmt meinen Sie eigentlich das Gender-Mainstreaming.

Auch hier begehen Sie dann schon wieder einen logischen Kurzschluss. Gender-Mainstreaming ist nicht eine Umsetzung von Gendertheorien. Gender-Mainstreaming analysiert die Auswirkungen von politischem und Verwaltungshandeln auf Frauen und Männer. Je nach politischem Willen kann man die se Auswirkungen dann ändern. Aber so tief wollen Sie da be stimmt gar nicht einsteigen. Dafür müssten Sie präzise recher chieren und argumentieren.

Für uns Grüne bleibt zu diesem schillernden Antrag mit diskri minierenden, völkisch-nationalen, fundamental-christlichen und radikal-konservativen Aspekten eigentlich nur eines zu sagen: Wir halten es mit der Allgemeinen Erklärung der Menschen rechte:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rech ten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begeg nen.“

Diesen Antrag kann man wirklich nur ablehnen, und überwei sen können wir den natürlich auch nicht.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Bevor wir die Aussprache fortsetzen, begrüße ich sehr herzlich auf der Besuchertribüne unter der Leitung von Maher Assam Besucher aus Neuruppin, die Initiative Transpa rente Zivilgesellschaft. Herzlich willkommen hier bei uns im Brandenburger Landtag! Schön, dass Sie da sind.

(Allgemeiner Beifall)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht Frau Ministerin Golze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Mitglieder des Landtags! Welches Gesellschafts-, Frauen- und Familienbild in der AfD herrscht, wird in ihrem Antrag mit dem irreführenden Titel „Brandenburg braucht eine zukunftsorientierte Familien förderung“ deutlich.

Von Zukunft kann hier keine Rede sein. Es geht der AfD um eine Rückkehr zum Leitbild der traditionellen sogenannten normalen Familie. Die Forderungen der AfD zeigen, dass es am besten zurück in die 50iger Jahre des vorigen Jahrtausends gehen soll. Teilweise bedient sich die AfD aber auch einer Rhe torik, die noch einige Jahre länger zurückliegt.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Diese Geisteshaltung und das damit verbundene Gesellschafts- und Familienbild lehne ich aus tiefster Überzeugung ab.

Die AfD stellt das Kinderkriegen und Kinderhaben in das Zen trum ihrer frauen- und familienpolitischen Ideologien und rich tet danach ihre Forderungen aus. Die Familiengründung bei deutschen Familien soll gefördert werden, zum Beispiel durch ein Familiendarlehen. Einmal abgesehen davon, dass es das auch in der DDR gab und dass es eingestellt wurde, weil es überhaupt keinen Sinn hatte, weil die Geburtenzahlen danach wieder zurückgingen, geht es der AfD hier aber vorrangig um deutschen Nachwuchs, damit die Identität des deutschen Staatsvolks erhalten bleibt.

Dabei lässt die AfD völlig außer Acht, dass schon der Gleich behandlungsgrundsatz in unserem Grundgesetz - aber auch in anderen deutschen und europäischen Gesetzen - dafür sorgt,

dass alle in Deutschland lebenden Familien gleichbehandelt werden müssen.

Die Vorschläge der AfD widersprechen nicht nur dem moder nen Verständnis von Familie und Familienförderung sowie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern auch der Ent wicklung eines zeitgemäßen, modernen Sozialversicherungs- und Steuersystems, das alle Familienmodelle berücksichtigen muss. Da sind wir leider noch nicht angekommen. Da haben wir noch viel zu tun.

Die Sicherstellung der Versorgung mit Hebammen in Branden burg liegt mir sehr am Herzen. Die freie Wahl des Geburtsortes ist übrigens jetzt schon gesetzlich verankert. Um die Situation der Hebammen und Entbindungspfleger, die es übrigens auch gibt, in Brandenburg zu verbessern und die Versorgung sicher zustellen, brauchen wir eine angemessene Vergütung und die Lösung der steigenden Haftpflichtkosten für die außerklinische Geburtshilfe. Das allerdings sind Probleme, die nur auf Bun desebene gelöst werden können. Im Antrag haben Sie hier al lerdings vergessen, dass Sie die Geburtshilfe doch sicherlich nur für deutsche Kinder haben wollen.

Die geforderte Abwicklung der Genderforschung an den Hoch schulen würde einem massiven Eingriff in die Freiheit der Hochschulen gleichkommen. Frau Alter hat dazu schon ausge führt. Schauen Sie in Artikel 5 Grundgesetz, dort ist die Frei heit von Forschung und Lehre festgeschrieben.

Das Schlimmste an diesem Antrag war für mich aber etwas ganz anderes, nämlich das Eingangsdatum. Nachdem ich am 9. Mai aus der Veranstaltung hier im Plenarsaal anlässlich des Gedenktages der Befreiung vom Nationalsozialismus kam, hatte ich diesen Antrag in meinen E-Mails. Das hat mich ei gentlich am härtesten getroffen: dass es wieder einmal ein Bei spiel dafür war, wie heuchlerisch Sie sich hier darstellen. Sie sitzen in Fraktionsstärke in dieser Gedenkveranstaltung, sehen und beklatschen ein Theaterstück, in dem anhand von Textbei spielen bewiesen wurde, wie nahe viele Äußerungen der aktu ellen Politik der Rhetorik des Nationalsozialismus sind, und schreiben dann solche Anträge.

(Galau [AfD]: Frechheit!)

Ich möchte, meine Damen und Herren, diesem Gesellschafts- und Familienbild der AfD ein ganz anderes Bild der Familien in Brandenburg entgegenhalten: Es ist bunt, es ist vielfältig, es berücksichtigt individuelle Entscheidungen der Menschen, nämlich ob man heiraten möchte oder nicht, ob man mit einem gleich- oder andersgeschlechtlichen Partner ohne Trauschein zusammenleben möchte, ob man Kinder in Patchwork-, Stief kind-, Regenbogen- oder Einelternfamilien großziehen möch te. Es beinhaltet auch den Respekt vor Familie mit einem be hinderten oder pflegebedürftigen Familienmitglied. Das Bild von den in Brandenburg lebenden Familien wird durch Mig ranten- und Flüchtlingsfamilien ergänzt, die uns genauso wie die Familien willkommen sind, die schon immer hier gelebt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Sie alle machen Brandenburg reich und zu dem Land, das uns am Herzen liegt.

Bitte gestatten Sie mir, diesen Antrag wenigstens zu einer sinn vollen Sache zu nutzen, nämlich Sie darüber zu informieren, dass wir den Auftrag, den Sie erteilt haben, nämlich die Fort schreibung des Kinder- und Familienpolitischen Maßnahmen pakets, abarbeiten. Ich darf Ihnen sagen, dass sich der Entwurf, der federführend von meinem Haus erstellt wurde, derzeit in der Ressortabstimmung befindet und wir ihn Ende Juni vorle gen werden, wenn er vom Kabinett bestätigt wurde.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Hier finden sich viele Maßnahmen, die wir ergreifen können, und die sind bei Weitem sinnvoller als das, was uns heute vor liegt. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Das Wort erhält nun noch einmal die antragstel lende Fraktion. Frau Bessin spricht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Golze, ich finde es schon relativ anmaßend von Ihnen, so über unseren Antrag zu urteilen, uns hier so zu verunglimpfen und uns indi rekt mit dem Nationalsozialismus in Zusammenhang zu brin gen.

(Beifall sowie Zurufe von der AfD - Zurufe von der SPD)

Das finde ich eine absolute Frechheit von Ihnen, und da erwar te ich eine Entschuldigung.

Genauso finde ich es eine Frechheit von Ihnen, hier zu äußern, wir würden die Geburtshilfe nur für deutsche Kinder haben wollen. Lesen Sie unseren Antrag und unterstellen Sie als Mi nisterin uns hier nicht irgendetwas. Sie haben hier ein gewisses Neutralitätsgebot zu befolgen,

(Frau Lehmann [SPD]: Hat sie nicht!)

und das erwarte ich auch uns gegenüber.

Vielleicht sollten Sie, Frau Golze, auch noch einmal mit Bil dungsminister Baaske darüber diskutieren, ob der Biologieun terricht vielleicht in Zukunft doch separat erteilt wird, weil ich hier, denke ich, nicht zu erklären brauche, wie Kinder gemacht werden.

(Zuruf: Hä?)

Frau Nonnemacher, Sie sprechen immer von der Gleichberech tigung aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Sie wissen doch ganz genau, dass Gender-Mainstreaming nichts mit Gleichberechti gung zu tun hat, sondern es dabei um die Gleichstellung der Geschlechter geht. Auf diesen feinen Unterschied sollten Sie in Zukunft einmal eingehen, bevor Sie sich hier irgendwie äu ßern.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie können nicht zuhören, und Sie verstehen nicht!)

- Ich kann sehr wohl zuhören, ich kann auch im Protokoll nachlesen.

(Domres [DIE LINKE]: Dann verstehen Sie es trotzdem nicht!)

Frau Alter,

(Frau Alter [SPD]: Ja?)

Sie haben gesagt, Sie diskutierten schon lange über kostenlose Kita-Plätze. Das haben wir leider mitverfolgt, und ich frage mich: Wie lange soll diese Diskussion noch gehen? Diese Dis kussion über kostenlose Kita-Plätze muss irgendwann auch einmal zu Ergebnissen führen.