Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Wie dann auch das letzte vom Umweltministerium organisierte Wolfsplenum am 26. April gezeigt hat, bestimmen momentan leider vor allem gegenseitige Anschuldigungen zwischen Landnutzern und Naturschützern die Diskussion. Die bereits erfolgte Bewertung von Maßnahmenvorschlägen durch das Ministerium hat die Situation fast eskalieren lassen. Das hätte in der Tat anders laufen können. Aber auch inflationäre Land tagsanträge oder die unverschämten Äußerungen des Landrats von Märkisch-Oderland und Präsidenten des sogenannten Fo rums Natur, der Naturschützer wiederholt als „Öko-Pegida“ beschimpft hat, sind bei dem Thema sicherlich nicht förderlich.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich möchte an dieser Stelle an alle Beteiligten appellieren, zu einer konstruktiven und sachlichen Atmosphäre zurückzufin den, wie wir sie zum Beispiel in der ersten Anhörung zum Wolfsmanagementplan im Umweltausschuss hatten.

Nachdem wir nun bereits im Januarplenum von der AfD-Frak tion, den Abgeordneten von BVB/FREIE WÄHLER und von der CDU-Fraktion mit Anträgen zum Wolf versorgt wurden, muss die CDU jetzt noch einmal nachlegen. Ich nehme das Fa zit schon vorweg: Auch dieser Antrag geht leider weitgehend an den Erfordernissen vorbei. Irgendwie scheinen Sie die Er gebnisse der ersten Expertenanhörung im Ausschuss entweder zu ignorieren oder nicht wahrhaben zu wollen; anders ist es je denfalls nicht zu erklären, warum sie erneut die Ermittlung ei ner Populationsgröße fordern, um Abschusszahlen für den Wolf festzulegen. Sie haben jetzt zwar in Ihrer, wie ich fand, etwas gemäßigteren Rede das Wort „Obergrenze“ nicht er wähnt, aber letztendlich läuft es in Ihrem Antrag darauf hinaus. Und selbst der Schafzuchtverband hat klipp und klar gesagt, dass diese Herangehensweise eben gerade nicht zielführend ist.

Dann erinnere ich noch an die Diskussion zum Jagdgesetz. In der letzten Legislaturperiode waren auch einige dabei, als uns der ökologische Jagdverband nur allzu anschaulich vermittelt hat, dass man Wildtiere eben schwer bis gar nicht zählen kann. Ich hatte damals den Eindruck, dass Sie alle sich dieser Argu mentation angeschlossen hätten. Nun gilt das alles auf einmal nicht mehr.

In der Anhörung hieß es weiter, beim Wolf schaue man sich die Schneespuren an. Aber mit Schnee sieht es in Brandenburg ja nun nicht mehr so rosig aus; der Klimawandel lässt grüßen. Der Wolf hat außerdem extrem große Territorien, ist sehr mo bil, und da Populationen ohnehin nicht nach Landesgrenzen definiert werden, ist Ihre Forderung nach Obergrenzen auch schon nach fachlichen Gesichtspunkten Murks.

Der Schafzuchtverband hat ganz klar hervorgehoben, dass Her denschutzhunde und wolfssichere Zäune die Mittel der Wahl sind, um die Weidetiere vor Wolfsangriffen zu schützen. Er be

richtete von mehreren Schafhaltern, bei denen nach Anschaf fung eines Herdenschutzhundes Ruhe eingekehrt war. Der Wolf traute sich nicht mehr an die Schafe heran. Das zeigt doch, dass ein Miteinander von Weidetierhaltung und Wolfs schutz machbar ist. Wir plädieren stark dafür, diesen Weg wei terzugehen. Dafür brauchen wir aber ausreichende und schnel le Unterstützung vom Land, vor allem keine Wartezeiten von 14 Monaten oder mehr. Das betrifft nicht nur die Anschaffung, sondern vor allem auch den Unterhalt von Zäunen und Herden schutzhunden, inklusive des Arbeitsaufwandes.

Weil Sie die in der Tat sehr geringen durchschnittlichen Jahres einkommen der Weidetierhalter ansprechen, sei noch ein Hin weis gestattet: Die unsägliche Agrarpolitik der CDU-geführten Bundesregierung ist hieran mit schuld; denn eine adäquate För derung der Weidetierhaltung und der ökologischen Landwirt schaft hat Sie bisher nicht die Bohne interessiert. Bei Ihnen werden stattdessen den Großbetrieben immense Summen an Flächenprämien hinterhergeworfen. Mit einer vernünftigen Ausgestaltung der Agrarförderung wäre den Tierhaltern jeden falls mehr geholfen als mit dem vorliegenden Antrag, der den Abschuss der erfolgreich zurückgekehrten Vorfahren unserer Hunde fordert.

Zum Abschluss noch ein Zitat des Schafzuchtverbandes:

„Nicht der Wolf ist das eigentliche Problem der Weide tierhalter, sondern die nicht bezahlte Wertschätzung unse rer agrarökologischen Dienstleistungen für Umwelt- und Naturschutz.“

Das bringt es meiner Meinung nach ziemlich genau auf den Punkt. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun die Abgeordnete Schülzke für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Lieber Gregor Weyer! Weidetierhal tung ist aktive Landschaftspflege, sie dient dem Erhalt der brandenburgischen Kulturlandschaft. Die Kulturlandschaft zu erhalten ist verfassungsmäßiger Auftrag in Brandenburg. Auch die Landwirte leisten ihre Beiträge zum Erhalt der Kulturland schaft, selbst wenn sie durch EU-Auflagen immer wieder an gehalten sind, Bäume und Sträucher an landwirtschaftlichen Nutzflächen zurückzuschneiden, damit die Äste optisch nicht die Flächengrößen mindern. Die Landwirte würden diese Bäu me lieber als Schattenspender für die Tiere nutzen. EU-Vor schriften fordern anderes.

Damit will ich sagen, dass die Umsetzung mancher EU-Vor schriften natürlichen Gegebenheiten oftmals stark entgegen steht.

(Beifall der Abgeordneten Schade und Schröder [AfD])

Im Januar hatten wir ebenso wie die CDU mit dem heutigen Antrag klare Handlungsregelungen für Problemwölfe eingefor

dert. Eine Wolfsverordnung ist in Vorbereitung. Auf eine Klei ne Anfrage wurde vor wenigen Tagen geantwortet, dass die unteren Naturschutzbehörden in den Landkreisen für Entnah meverfahren zuständig seien. Für die Umsetzung der in Aus nahmegenehmigungen durch die Naturschutzbehörden der Landkreise oder kreisfreien Städte erlaubten Entnahmen von Wölfen in der Natur seien die Empfänger der naturschutzbe hördlichen Ausnahmegenehmigung zuständig, auch für die Entsorgung. Sachkundige Personen oder Jäger seien mit Aus nahmegenehmigungen berechtigt zu entnehmen.

Da passt vieles nicht zusammen. Wölfe unterfallen in Branden burg nicht dem Jagdrecht. Was Jäger jagen dürfen, regelt das Bundesjagdgesetz; eine Brandenburger Verordnung kann die ses Gesetz nicht aufheben. Auch ist in den Jagdgesetzen genau geregelt, wer wo was darf. Dies kann aus Sicherheitsgründen gar nicht anders sein. Das bedeutet auch, dass Wolfskundige nicht einfach in irgendeinem Revier Wölfe entnehmen können. Dies bedarf mindestens der Genehmigung der Pächter.

Die meisten Jäger - auch ich - können gut mit einer gewissen Anzahl von Wölfen leben. So ist es auch mit allen anderen Wildtieren: mit Rehen, Hirschen, Wildschweinen, Hasen, Füchsen und anderen.

Wildschweine im Wald sind kein Schadwild, weil sie intensiv nach Forstschädlingen suchen. Auf dem Feld und auf Wiesen verursachen sie enorme Schäden. Bei Wildschweinen wurden die zwei- bis vierjährigen Keiler viel zu lange geschont. Sie haben sich schneller verbreitet als gewollt und sind nicht ein fach zu bejagen. Schutzgebiete dienen als Rückzugsflächen, Jägern wird dort gerne die Pirschjagd im Frühjahr und Sommer untersagt. Die Bestände wachsen dort immer schneller - genau dort läuft es aus dem Ruder.

Rehe zupfen auf Feldern Unkräuter; im Wald verbeißen sie gern junge Bäume - besonders oft, wenn nur wenige Jungbe stände vorhanden sind. Unsinnigerweise wurde die zwingende Jagd auf die weiblichen Rehe rechtlich außer Acht gelassen. Wo nicht ordentlich bejagt wird, kommt es zu Wildschäden; unwaidmännische Jagdpraktiken sind die Folge. Gleiches gilt bei den Hirschen.

Viele Jahre gab es in den Abschussplänen viel zu starre Plan vorgaben. Ausnahmegenehmigungen sind selten eingeholt worden. Der Tenor war: Die sollen doch sehen, was dann kommt. - In bestimmten Gebieten sind überhöhte Wildbestän de entstanden.

Mit dem unter Naturschutz stehenden Wolf ist es viel ernster. Im Süden Brandenburgs ist der notwendige Erhaltungszustand längst erreicht. Von den 22 Rudeln, die es offiziell gibt, leben 21 südlich von Berlin; zehn grenzübergreifende kommen hin zu, weitere fünf Paare sind auf der Karte des Landesamts für Umwelt zu finden. Wölfe haben keine Angst, sie ziehen am helllichten Tag am Rande der Ortschaften umher. Das ist natür liches Sondieren, Spionieren, würden manche in Städten sa gen. Ältere Menschen und Eltern haben zunehmend Angst. Oft wird gefragt: Können wir die Kinder noch allein in der Natur spielen lassen? Junge Eltern aus Trebbus in Doberlug-Kirch hain - beide Jäger - fragen, ob der Kindergarten seine Walder lebnistage noch durchführen sollte. Diese Eltern wollen es nicht mehr, weil sich dort Wölfe aufhalten und ihr Verhalten nicht vorhersehbar ist. In Luckau und Walddrehna sind die gleichen Fragen aufgetaucht.

Wolfskundige haben immer wieder bekundet, dass Wölfe vor Menschen Angst haben. Heute ziehen sie um die Ortschaften und sondieren. Wölfe haben kaum Angst vor Menschen; sie sind aber große Raubtiere und brauchen relativ viel Nahrung. Bisherige Vorschläge und Entwürfe in der geplanten Wolfsver ordnung sind nicht ausreichend. Das haben auch die am Wolfsplenum Beteiligten zum Ausdruck gebracht.

Die Wölfe werden in den nächsten Tagen mit ihrem Nach wuchs aus diesem Jahr auftauchen. Bei gutem Nahrungsange bot kann jedes Muttertier problemlos sechs bis acht Welpen aufziehen. Wenn die Wölfin ihrem Nachwuchs beibringt, wie er sich ernähren muss, bieten sich auf der Weide gehaltene Nutztiere an. Dort wird dann auch mehr getötet, als Nahrungs bedarf besteht. Für die Wölfe ist das Grundschule, aber natürli ches Verhalten des Raubtieres. Es kann nicht Aufgabe eines Landwirtes sein, Anträge auf Wolfsentnahme zu schreiben, der hat andere Sorgen, wenn der Wolf da ist und raubt. Schnelles Handeln muss möglich sein - und das nicht erst, wenn das Hündchen an der Leine in der Großstadt vom Wolf getötet wird. Auch die Landwirte haben Anspruch auf Schutz.

Wir unterstützen den Antrag der CDU-Fraktion. Es ist noch viel zu klären, und ich bin froh, dass die SPD diesem Antrag folgt.

(Zuruf des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE]: Was?)

Bitte überweisen Sie den Antrag an den Ausschuss, diskutieren und reden Sie darüber. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, CDU und ver einzelt AfD)

Wir danken Ihnen. - Wir setzen die Aussprache mit dem Bei trag von Minister Vogelsänger für die Landesregierung fort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordne te! Das ist ein richtig spannendes Thema. Ich habe viel erwar tet; aber dass der Abgeordnete Folgart dabei sogar zum FC Bayern München kommt, ist schon eine Leistung.

Ich gehe nach Märkisch-Oderland: Im Blumenthalwald bei Pröt zel befindet sich eine Bronzetafel. Darauf steht: „Hier wurde am 23. Januar 1823 der letzte Wolf von dem Bürgermeister Fubel aus Strausberg auf einer Treibjagd erlegt“ - der letzte Wolf.

(Petke [CDU]: War das ein Freier Wähler?)

Wir Menschen hatten und haben kein Recht, Tiere auszurotten - zu keiner Zeit.

(Beifall des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Das muss auch weiterhin Grundsatz unserer Diskussion sein.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Sehr gut!)

Der Wolf ist aus dem westlichen Polen kommend zuerst nach Sachsen und Brandenburg zurückgekehrt. Jetzt hat er auch

Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersach sen erreicht - ein Beleg dafür, dass der Artenschutz in Deutsch land erfolgreich ist. Diese Entwicklung verläuft nicht konflikt frei. Der Wolf ist ein wildes Tier,

(Zuruf: Ach!)

vom Wolf werden auch Nutztiere gerissen. Zudem sind mit der Rückkehr des Wolfes vielfach Ängste verbunden. Insofern müssen wir Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Brandenburg nimmt diese Herausforderung engagiert an.

Der Artenschutz - speziell Wolf und Biber - war ein wichtiges Thema bei der Umweltministerkonferenz in Bad Saarow in diesem Monat. Die Umweltministerkonferenz hat einstimmig die Einrichtung einer länderoffenen Ad-hoc-Arbeitsgruppe auf Amtschef- und Staatssekretärsebene unter Beteiligung des Bundes und Federführung des UMK-Vorsitzlandes Branden burg mit dem Auftrag beschlossen, sich den Themen günstiger Erhaltungszustand des Wolfes sowie Definition und Umgang mit Problemwölfen zu befassen - eine gute und wichtige Ent scheidung, ein guter und wichtiger Beschluss.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Die Umweltministerkon ferenz ist ein Gremium, das einstimmige Beschlüsse fasst. In sofern bin ich froh, dass dieser Beschluss gefasst wurde. Er sorgt dafür, dass das Thema Wolf endgültig in ganz Deutsch land angekommen ist. Damit erwarte ich auch vom Bund, dass er die Bewältigung dieser Herausforderung unterstützt - das müssen wir einfordern.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Artenschutz ist eine nationale und eine internationale Aufgabe. Trotzdem wird Brandenburg bei der Wolfsverordnung Vorreiter sein. Hier geht es in erster Linie um den Umgang mit Problem wölfen. Der Entwurf der Wolfsverordnung wird in Kürze zu diskutieren sein. Wir betreten juristisches Neuland, aber es ist notwendig, um Konflikte mit Problemwölfen zu entschärfen.

(Beifall der Abgeordneten Schier [CDU])

- Jetzt habe ich Zustimmung von der CDU bekommen.

Damit wird der Wolf keine jagdbare Art. Der Begriff Schutz jagd - an die Adresse der CDU - sorgt für eine völlig falsche Erwartungshaltung. Der Wolf bleibt zumindest mittelfristig streng geschützt. Eine Entnahme muss immer gut begründet sein. Und was man in einem anderen europäischen Land macht, muss nicht immer richtig sein. Es gibt beim Thema Wolf eben keine einfache Lösung - das sollte man auch nie mandem vorgaukeln. Das bleibt eine Daueraufgabe.