Herr Gerber, wie es um unsere Wirtschaft tatsächlich steht, ha ben Sie auf dem Stahldialog in Berlin erfahren können. Schau en wir uns nun aber den Unternehmensstandort Brandenburg etwas genauer an. Ich will mit einem Zitat beginnen:
„Im Herzen von Europa - Berlin-Brandenburg liegt zent ral im Schnittpunkt der wichtigsten Verkehrsachsen Eu ropas.... Kurze Wege verbinden diese attraktive Investiti onsregion mit anderen europäischen Wachstumsmärk ten.... Berlin-Brandenburg ist das politische und wirt schaftliche Zentrum in Deutschland. Parlament, Bundes regierung, Landesvertretungen, Botschaften und Spitzen verbände aus Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten hier und treffen strategische Entscheidungen... Berlin ist Gründerhauptstadt.“
Diese Hommage an den Wirtschaftsstandort Berlin-Branden burg stammt aus der Imagebroschüre der Wirtschaftsförderung Brandenburg, ehemals ZAB.
Meine Damen und Herren, woran liegt es dann aber, dass Brandenburg trotz der hervorragenden Lage nicht zu den vor deren Plätzen erfolgreicher Gründer- und Innovationsregionen aufschließen kann? Warum kann Brandenburg an der Bundes hauptstadt nur so wenig partizipieren? Allein an dem Erbe der Zeit vor 1990 kann es nicht liegen und auch nicht nur an den unterschiedlichen Strukturen. Hierfür gibt es hausgemachte Gründe, und diese müssen beseitigt werden.
Wir haben zu wenige Anreize für Mobilisierung von Kapital. Wir haben brachliegende Potenziale und Barrieren, die nicht sein müssen. Andere Regionen mobilisieren viel stärker die private Initiative, da müssen wir auch hinkommen. Der Staat muss steuerliche Anreize setzen. Dies könnten zum Beispiel bessere Anrechnungsmöglichkeiten von Kapitalverlusten sein oder auch Steuererleichterungen in den jungen Jahren einer Unternehmung. Was dem Staat zunächst augenscheinlich als Steuereinnahme verlorengeht, ist in Wirklichkeit eine Investiti on in die Zukunft. Und diese Investitionen rechnen sich lang fristig. Andere Staaten haben hierbei gute Erfahrungen ge macht.
Doch es müssen nicht immer Gelder fließen, um Zustände zu verbessern. Deutschland und Brandenburg haben trotz gegen teiliger Beteuerungen immer noch viel zu hohe Bürokratiekos ten bei Gründungen und im Wirtschaftsleben. Intransparenz in den Strukturen und eine Unmenge an Förderprogrammen tra gen ihren Teil dazu bei. Firmengründungen müssen schnell, aber überlegt über die Bühne gehen können. Aber das braucht eben genau diese Transparenz.
Außerdem haben wir in Brandenburg einen Mangel an Unter nehmenskultur. Sie wird immer noch nicht als wertvoll ver standen und gepflegt. Wir haben brachliegende unternehmeri
sche Potenziale, weil ein unternehmerisches Scheitern noch immer nicht als Chance begriffen wird. Und ja, wir haben Pro bleme mit den fehlenden Fachkräften, den nicht ausbildungs reifen Lehrlingen und eine viel zu hohe Abbrecherquote bei unseren Studenten. Lassen wir endlich berufsorientierende Maßnahmen auch an Gymnasien zu. Darauf sind wir bereits ausführlich in unserer Großen Anfrage zur Arbeitsmarktpolitik in der letzten Plenarsitzung eingegangen. Mit unserem Antrag haben wir Ihnen heute ein Konzept vorgelegt, das die genann ten Problemfelder aufgreift und Lösungsansätze liefert. Nun bin ich zunächst auf Ihre Beiträge zu unserem Antrag gespannt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland und Brandenburg geht es wirtschaftlich so gut wie nie zuvor. Die sen Erfolg haben wir vor allem unseren Mittelständlern, unse ren Handwerkern zu verdanken, den Leuten, die unternehmeri sches Risiko auf sich nehmen, die damit Arbeitsplätze sichern, ihre Familien ernähren und natürlich die Familien der Mitar beiter. Sie haben keine geregelte Wochenarbeitszeit, und aus meiner Sicht erfahren sie zu selten eine Würdigung. Deshalb an dieser Stelle dieser kleine Hinweis.
Aber die gute Auftragslage allein reicht nicht aus, um das Land nach vorn zu bringen. Wir brauchen Innovationen für beste hende Unternehmen, und wir brauchen Gründungen, die diese Innovationen bringen. Deswegen sollten wir uns langsam oder teilweise von dem Begriff Existenzgründer verabschieden.
Gründungen stehen heute für Kreativität, Experimentierfreude und Weiterentwicklung. Sie sind nicht der letzte Ausweg aus der Arbeitslosigkeit für Menschen, die keine Perspektive mehr haben. Gerade in der Start-up-Szene finden wir nicht diese ty pischen Existenzgründer, wie wir sie vielleicht im Handwerk finden, die ganz überlegt herangehen und nach der Meisteraus bildung weitermachen. Start-up-Gründer sind kreative Köpfe, junge Unternehmer, die eine Idee haben, die sie umsetzen wol len. Junge Gründerinnen und Gründer sind die Zukunft Bran denburgs. Sie entwickeln originelle Lösungen, damit auch der ländliche Raum eine Zukunft hat. Sie schaffen innovative Ar beitsplätze, die gerade auch im ländlichen Raum jungen Men schen eine Zukunft geben können. Und sie treiben die Digitali sierung voran, damit unsere Wirtschaft im globalen Wettbe werb eine Zukunft hat. Gründungen sind der Motor der Wirt schaft und müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt werden.
Mit gezielten Maßnahmen können wir auch als Land viel be wegen. Es bringt ja nichts, immer auf den Bund zu zeigen, an dieser Stelle können wir auch als Land etwas machen.
Die Landesregierung hat Ende März ihre Gründer- und Nach folgestrategie vorgelegt. Es gibt für potenzielle Gründer in
Brandenburg bereits diverse Finanzierungsprogramme. Aber sie können erst nach der Gründung oder in Verbindung mit ei nem Studium genutzt werden. Wir begrüßen diese Stipendien natürlich, gerade zum Beispiel Existenzgründerstipendien für Studenten und Wissenschaftler. Aber warum bekommen nicht auch Menschen mit einer Berufsausbildung diese Möglichkeit? Gründungen, die nicht auf wissenschaftlichen Innovationen, sondern zum Beispiel auf handwerklichem Geschick fußen, sind ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Es muss nicht immer eine außergewöhnliche Idee sein oder eine neue Erfindung. Der Anteil von Start-ups, die einen Markt revolutionieren kön nen, ist sehr gering. Innovativ kann es trotzdem sein. Lassen Sie uns nur solche Menschen wie Artur Fischer nennen: 1 163 Patente, er hat als Schlosser angefangen und mit dem Dübel den Markt revolutioniert. Oder die Hausfrau Melitta Bentz: Sie erfand die Filtertüte, weil sie den Kaffeegrund nicht in ihrer Tasse haben wollte. Sie hatten kein Abitur. Solche Leu te sollten unterstützt werden. Wenn jemand solche Ideen hat, sollte man ihm unter die Arme greifen.
Diese Lücke wollen wir mit unserem GründerTURBO schlie ßen. Wir wollen jungen Menschen, die ein Unternehmen grün den wollen, ein zinsloses Darlehen ermöglichen, unabhängig davon, ob sie einen Hochschulabschluss oder eine Berufsaus bildung haben - wie Melitta Bentz -, ob sie ihren Abschluss in Brandenburg oder in einem anderen Bundesland gemacht ha ben oder wie die finanzielle Situation der Eltern ist.
Es ist aber richtig, dass wir nicht nach dem Gießkannenprinzip hantieren dürfen. Es muss geprüft werden, wo ein Zuschuss, wo ein Darlehen sinnvoll ist und wo vielleicht Beratungsmaß nahmen ausreichen. Wir brauchen eine lückenlose Förderkette, dass niemand hinten runterfällt. Wir brauchen jede Idee, jeden kreativen Kopf und jedes paar Hände in Brandenburg.
Mit unserem Antrag wollen wir nicht die bestehenden Pro gramme und Instrumente infrage stellen, sondern umgekehrt, wir knüpfen da an, wo diese vielleicht nicht ausdrücklich wei ter ausgebaut sind. Wir wollen die Lotsendienste weiter einbe ziehen, weil wir Beratung und Qualifizierung für wichtig hal ten. Es ist belegt, dass Gründer, die sich gründlich vorbereiten, seltener scheitern.
735 Euro, meine Damen und Herren, ist keine wahnsinnig ho he Summe. Es geht hier um die psychologische Wirkung. Wenn wir einem jungen Menschen ein Darlehen geben, wenn wir sagen, wir stehen hinter dir, wir stehen zu deinem Produkt, wir wollen dich fördern, dann, glaube ich, hat dieser Mensch auch keine Angst vor diesem Schritt und geht eher in die Selbstständigkeit.
Das Gleiche gilt für öffentliche Aufträge. Es wird überall be tont, wie wichtig es ist, dass etablierte Unternehmen mit Startup-Unternehmen zusammenarbeiten. Es ist aber für ein Startup in der Realität praktisch unmöglich, an einer öffentlichen Ausschreibung teilzunehmen oder sie zu gewinnen. Welches Signal wird hiermit gesendet? Wir erwarten von anderen, dass sie Vertrauen in Start-ups haben, haben es aber selbst nicht. Hier gilt es, meine Damen und Herren, neue Wege zu finden, die eine Zusammenarbeit ermöglichen, sodass ein junges Startup-Unternehmen vielleicht öffentlichen Verwaltungen zuarbei ten kann.
Natürlich muss man damit rechnen, dass manche Gründer scheitern. Das heißt aber nicht, dass die Politik versagt hat oder dass Gründung nicht mehr unterstützt werden sollte. Scheitern als Selbstständiger ist kein Makel; das kann jedem passieren und gehört zum wirtschaftlichen Leben dazu.
Hier müssen wir unser wahrscheinlich typisch deutsches Den ken ablegen: Im Zweifel geht es schief. Wir müssen uns auf die Chancen konzentrieren. Bei GründerTURBO geht es um eine Brückenfinanzierung, von der ein enormer Hebeleffekt, ein Turboeffekt, für neue, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze, für innovative Produkte und Dienstleistungen ausgehen kann.
Kurz zum Antrag der AfD: Meine Damen und Herren, wir ha ben uns sehr gefreut, dass auch die AfD-Fraktion die Wichtig keit dieses Themas erkannt hat. Aber die Forderung von Maß nahmen, die die Landesregierung in ihrer Gründerstrategie schon aufgezählt hat, die bereits in Arbeit sind - ich hoffe, Herr Gerber ist da schon dran -, trägt nicht viel zur Sache bei. Sinn voller wäre es gewesen, Sie wären wirklich mit neuen, kreati ven Ideen herangegangen.
Leider ist Herr Kalbitz jetzt nicht im Raum. Nur ein Hinweis zu seiner Kurzintervention: Er sagte: Gottkanzler Schulz. - Meine Damen und Herren, wenn schon, dann Gottkanzlerkan didat Schulz, er war noch nicht Kanzler.
Gründungen, meine Damen und Herren, finden in unserem Land nur statt, wenn Menschen Ideen haben und Politik dafür sorgt, dass sie eine Chance haben, ihre Ideen umzusetzen. Poli tik muss dafür sorgen, dass sich Gründer in Brandenburg wohl fühlen und nicht den Weg nach Berlin suchen; denn dort ist das Umfeld für Start-ups teilweise besser. Das liegt nicht unbedingt an den besseren Möglichkeiten, sondern Berlin ist die Haupt stadt und für junge Leute einfach attraktiver. Wir brauchen ein gründerfreundliches politisches Klima, mehr Engagement für kluge Köpfe und eine kreative Politik, damit Brandenburg am Ende zu einer Gründerschmiede wird und nicht zu einer Sili con Pampa. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Barthel für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Werte Gäste! Wir behandeln in diesem Tagesordnungs punkt zwei Anträge.
Kurze Vorbemerkung: Kollege Bommert, wenn wir unser eige nes Land schlechtreden, wie Sie das zum Schluss getan haben, werden kaum Gründer aus Berlin nach Brandenburg kommen.
(Frau Richstein [CDU]: Das ist kein Schlechtreden, er hat gesagt, wie es ist! - Bommert [CDU]: Nicht richtig zuge hört!)
Zu den beiden Anträgen: Kollegin Schade, der Antrag ist aus unserer Sicht ein Sammelsurium von Punkten, die weder Ziel noch Richtung definieren.
Ich will nur zwei Punkte herausgreifen, um das deutlich zu ma chen. Da steht: Die AfD fordert die Hebung der Unternehmer kultur. Unterstellen Sie den Unternehmern hier in Brandenburg eine fehlende Kultur? Ich glaube, da liegen Sie völlig daneben.
Dann steht darin: Unternehmensgründer besser beraten. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie die Strategie, die wir letztes Mal hier beschlossen haben. Ich empfehle Ihnen auch die Förderfi bel, mit Datum vom 20. April durch die Landesarbeitsgemein schaft der Industrie- und Handelskammern des Landes Bran denburg in Zusammenarbeit mit dem Gründernetzwerk heraus gegeben. Darin steht, was das Land macht. Und das ist eine Menge; denn sonst wären wir in Ostdeutschland nicht Grün derland Nummer 2. Dass man noch besser und Gründerland Nummer 1 werden, also die Sachsen an der Stelle überholen kann, sehe ich als eine Aufgabe, der wir uns stellen sollten.
Zum Kollegen Bommert: Der Begriff Turbo kommt im Marke ting immer ganz gut. Eine große Imbisskette mit dem M im Symbol empfiehlt gerade Turbosparen. Man spart dabei eben. Aber Turbo bedeutet noch lange nicht, dass man auf der richti gen Straße ist. Die Idee mit dem Funklochmelder war jeden falls marketingmäßig besser.
Zu den Themen, die Sie hier angesprochen haben: Natürlich sagen auch wir: Wir brauchen mehr Gründungen im Land Brandenburg. Aber ich komme noch einmal auf die Förderfibel zurück. Darin sind genau die Themen und Inhalte, die Sie ein fordern, angesprochen. Wir haben bereits einen Gründerzu schuss, und zwar sowohl aus dem Arbeitslosengeld I als auch aus dem Arbeitslosengeld II heraus, da braucht man kein Abi tur. Wir haben ein Einstiegsgeld, wir haben eine Leistung zur Eingliederung von Selbstständigen, wir haben das EXISTGründerstipendium, das im Grunde genommen auch ein priva tes Darlehen ist; bis zu einem Jahr wird mit 1 000 bis 3 000 Eu ro pro Monat und Zuschlägen für das Kindergeld gefördert.
Die Programme gibt es also, und ein zusätzliches Programm wird an dieser Stelle den von Ihnen gewünschten Turbo nicht erzeugen. Es geht darum, dass diejenigen, die dafür verant wortlich sind - die Kammern und Verbände - und die beruflich
privatwirtschaftlich in der Beratung unterwegs sind, auf die be stehenden Möglichkeiten tatsächlich hinweisen. Wir brauchen - und da gebe ich Ihnen Recht - ein öffentliches Klima, das deut lich macht: Selbstständigkeit und Unternehmertum in Bran denburg sind eine Lebensperspektive, die sich lohnt. Daran ar beiten wir gemeinsam. Aber zu sagen, dass die Rahmenbedin gungen hier nicht stimmen, halte ich für völlig falsch.