Da die AfD auch für die sogenannte Ehrenrunde ist, soll und muss dieses Gesetz vor der 3. Lesung nochmals im Ausschuss
(Frau Große [DIE LINKE]: Unglaublich! Sie reden kein Wort im Ausschuss und beantragen eine 3. Lesung!)
Ja, ich bringe meinen letzten Satz, Herr Vizepräsident. - Des wegen haben wir beantragt, den Gesetzentwurf gemäß § 46 der Geschäftsordnung noch einmal zur Beratung an den Ausschuss zu überweisen. - Danke.
(Frau Große [DIE LINKE]: Sie haben doch nicht ein Wort dazu im Ausschuss gesagt und beantragen eine 3. Lesung! Unglaublich! - Bischoff [SPD]: Missbrauch der Geschäftsordnung!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Da sieht man deutlich, wie sich die Geister scheiden. Wir werden uns zu dem Gesetzentwurf enthalten. Wir begrüßen die Änderungen zwar samt und sonders, aber der entscheidende Punkt für uns ist, dass die entscheidenden Weichen bei der In klusion nicht gestellt werden. Es ist uns bewusst, dass es flä chendeckende Inklusion zumindest in Deutschland noch nir gends gibt und es wahrscheinlich noch sehr lange dauern wird, bis wir eines Tages dazu kommen; da werden wahrscheinlich Generationen vergehen. Aber es ist ein wichtiger Weg, weil es um die Beseitigung der Diskriminierung von Minderheiten geht.
Weil dieses Gesetz uns nicht weit genug geht, stellen wir unse ren Änderungsantrag aus dem Ausschuss erneut. Die schritt weise Einführung der Inklusion nach der freiwilligen Beantra gung, so wie Sie das in Ihrem Konzept für Gemeinsames Ler nen vorgesehen haben, halten wir für den richtigen Weg; denn das alles gelingt nur mit denen, die die Sache umsetzen müs sen. Aber man muss ihnen auch einen klaren Rahmen geben, und ja, ich bin auch der Meinung, dass die Ausstattung besser werden muss.
In der Anhörung ist sehr deutlich geworden, dass der Gesetz entwurf weit hinter die Anforderungen der UN-Behinderten rechtskonvention, die Vorschläge der Monitoring-Stelle des Deutschen Instituts für Menschenrechte und die Empfehlungen unseres Beirates „Inklusive Bildung“ zurückfällt.
Die Rechte der Menschen mit Beeinträchtigungen sind im Brandenburgischen Schulgesetz weiterhin nicht verankert. Wäh rend die Empfehlungen des Beirats „Inklusive Bildung“ in an deren Bundesländern durchaus aufmerksam zur Kenntnis ge nommen worden sind, verschwinden sie hier in der großen Schublade. Dabei ist eine gute Schule ohne Inklusion genauso wenig sinnvoll wie Inklusion ohne eine gute Schule. Im Schul gesetz fehlt die Streichung des Ausstattungsvorbehalts, der bei der Abwehr von Kindern mit Beeinträchtigungen immer wie der eine zentrale Rolle spielt. Immer wieder müssen Eltern hö ren, die Schule verfüge nicht über ausreichende Ressourcen, deswegen könne kein gemeinsames Lernen an der Schule emp fohlen werden, aber die Förderschule sei bestens ausgestattet.
Ja, Inklusion soll „von unten“ wachsen, aber nicht nur vonsei ten der Lehrkräfte, sondern auch vonseiten der Kinder und der Eltern, wenn sie das wollen. Ergänzend dazu müsste, wie von uns beantragt, sichergestellt werden, dass die Schulen ver pflichtet sind, alle Kinder, die sie einmal aufgenommen haben, zum Abschluss der jeweiligen Schulform zu führen. Die dafür benötigte sonderpädagogische Förderung und Unterstützung muss den Schulen dann auch bis zum Ende der Schulpflicht zur Verfügung gestellt werden. Die Ressourcenvorbehalte, die wei terhin im Schulgesetz formuliert sind, stehen in einem eklatan ten Spannungsverhältnis zum Menschenrecht auf Bildung und hier insbesondere zu dem Recht, dass Menschen mit Behinde rung die notwendige Unterstützung für eine erfolgreiche Bil dung erhalten. Dieser Vorbehalt ist unvereinbar mit der Pflicht, angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen zu treffen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1997 den Ressourcenvorbehalt noch erlaubt; nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist dieser Ressourcen vorbehalt jedoch vollkommen obsolet. Erhielten wir ihn mit Rücksicht auf das Schulsystem aufrecht, so wie Sie das wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre das kontraproduktiv. Ich weiß, vieles ist schwierig, und ja, wir brauchen die Menschen, die Inklusion umsetzen: die Lehrerinnen und Lehrer. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass das zulasten der Menschen mit Behinderung geschieht, die wir in unzulässiger Weise weiter diskriminieren. Mit Rücksicht auf die Mehrheit diskriminieren wir hier die Minderheit.
Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass wir die einver nehmliche Einbindung der Schulen in die Organisation der Mittagessenversorgung brauchen. Schmackhaftes Essen in Schulen beeinflusst die Ess- und Geschmacksgewohnheiten und auch die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen - das wissen wir alles. Nach den letzten Berichten der Vernetzungs stelle Schulverpflegung ist noch einmal deutlich geworden - das kann ich auch den Kommentierungen des Bildungsministe riums durch Sie, Herr Baaske, entnehmen -, dass bei Beteili gung von Schulen die Qualität und die Akzeptanz von Schules sen deutlich steigen.
Kurz zum CDU-Antrag: Wir haben darüber ausführlich im Bil dungsausschuss diskutiert. Wir halten das, was darin steht, für entbehrlich, auch wenn es im Einzelnen fachlich durchaus richtig ist. Es ist aber entbehrlich, das ins Schulgesetz aufzu nehmen.
Im Gesetzentwurf, der heute sicher verabschiedet werden wird, steht nichts Falsches, aber für uns fehlt - um es mit den Worten von Wilfried W. Steinert zu sagen - „die konzeptionelle Durch dringung, Neuordnung und Neuformulierung des Brandenbur gischen Schulgesetzes im Blick auf ein inklusives Schulsys tem“. Damit wird aus unserer Sicht wichtige Zeit zuungunsten aller Schülerinnen und Schüler vergeudet. Gleichzeitig schrei ben wir die Diskriminierung fort.
Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir war schon klar, lieber Gordon Hoffmann, dass das Gestöhne wieder losgeht: „Schon wieder eine Schulgesetzänderung!“ Es kam diesmal aber nicht ganz so schlimm, wie ich erwartet hatte - das gebe ich zu. Man muss auch ehrlich zugeben, dass sich für die Kolleginnen und Kollegen kaum etwas relevant ändert. Wir verändern strukturell nicht so viel, dass sie jetzt nachsitzen müssten, dass die Schulleiter zur Fortbildung müssten. Es gibt da, denke ich, jedenfalls mehr Flexibilität im Schulsystem, vor allem durch die Änderungen, die aus den Fraktionen kamen, in Bezug auf das sonstige pädagogische Personal. Es gibt, wie ich finde, eine gerechtere Regelung für die Schulträger - das wurde heute noch gar nicht gesagt, dass wir beim Schulkostenbeitrag auch eine Änderung herbeiführen, zum Beispiel mit der Stadt Potsdam, die, soweit ich weiß, inzwischen schon fast 2 000 Schülerinnen und Schüler aus Potsdam-Mittelmark beschult und dafür natürlich auch Schulgebäude errichten muss. All das sind Dinge, die wir mit dem neuen Gesetz klären.
Es geht aber auch um stabile rechtliche Rahmenbedingungen, es geht um Rechtsprechung und vor allen Dingen um mehr Geld für freie Schulen. Gerade da wäre der Stichtag, der 01.08., schon relativ wichtig für die freien Schulen. Ansonsten ist es, glaube ich, nicht dramatisch, wenn wir alles andere erst im September beschließen, ohne das jetzt im Detail geprüft zu ha ben. Insofern hätte ich kein Problem damit, wenn wir heute Abend noch eine Bildungsausschusssitzung abhalten und dann morgen oder übermorgen von mir aus die 3. Lesung durchfüh ren. Mir wäre es recht. Ich hoffe nur, Herr Königer, Sie haben dann mehr zu sagen, als Sie bisher im Bildungsausschuss ge sagt haben; denn dort haben Sie gar nichts gesagt - zu keinem der Tagesordnungspunkte.
Ich bin gespannt, welche Relevanz eine neue Ausschusssitzung bzw. eine 3. Lesung für das Inkrafttreten dieser doch inzwi schen notwendigen Regelung hat.
Wir haben jetzt einige Diskussionen geführt; ich will noch ein mal darauf eingehen. Beim Kollegen Hoffmann ging es um die Notengebung. Natürlich haben wir sehr klar gesagt, dass es keinen Sinn macht, dort, wo zwei Jahrgangsstufen eine curri culare und pädagogische Einheit bilden - das ist gerade in den FLEX-Klassen der Fall -, mit unterschiedlichen Regeln zu ar beiten. Die einen kriegen Noten und die anderen nicht. Das kann man sehr schwer erklären. Ich weiß nicht, warum du das
nicht verstehen kannst oder ihr das nicht verstehen könnt. Ich kann mir schon vorstellen, dass es in einem Klassenzimmer Probleme gibt, wenn zwei Schüler nebeneinander sitzen und einer eine verbale Einschätzung und der andere eine Fünf be kommt. Dann weiß der eine relativ klar, dass er ein anderer Schüler ist als der andere. Das führt nicht gerade zu einem stär keren Zusammenhalt in der Klasse, sondern eher zu Spaltun gen und dazu, dass den Schülerinnen und Schülern nicht rich tig klar ist, warum das so sein soll.
Vielen Dank, Herr Minister. - Sie haben den Fall der FLEXKlassen angesprochen. Ich habe mich, wie ich berichtet habe, dort informiert und mit Schulleitern und Eltern gesprochen, die mir sagten, dass es bei ihnen an der Schule kein Problem gibt. Stimmen Sie mir denn zu, dass nach der gegenwärtigen Geset zeslage schon heute die Möglichkeit besteht, an den Schulen, an denen das als Problem empfunden wird, auf die Vergabe von Noten in der 2. Klasse zu verzichten?
Nein, eben nicht - wenn die Eltern nicht zustimmen, dann nicht. Deswegen wollen wir das gesetzlich regeln, genau das ist der Punkt. Im Übrigen, lieber Kollege, empfehle ich dir, sehr aufmerksam das Interview mit Prof. Dr. Ramseger in der heutigen Ausgabe der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ zu lesen. Er als Bildungsexperte äußert sich sehr ausführlich zu diesem Thema und beschreibt dezidiert, welche Gefahren gera de für Grundschüler lauern, wenn sie frühzeitig schlechte Er fahrungen mit Noten machen müssen. Ich glaube, was er dort im Interview kundtut, täte Ihrer Fraktion besonders gut.
Ich will noch auf ein Stichwort eingehen. Herr Hoffmann sag te, wir würden nicht die wirklichen Probleme aufgreifen, die hier eine Rolle spielen - zum Beispiel den Unterrichtsausfall. Ich habe einmal gegoogelt, was in diesen Tagen aus anderen Ländern berichtet wird. Ich habe unter anderem in SachsenAnhalt geschaut, wo nun der Bildungsminister bekanntlich von der CDU ist. Da lautet die Überschrift in der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Lehrermangel - Wittenberger Schule stoppt zwei Tage den Unterricht“.
„Wernigerode: Kein Unterricht für drei Tage. Auch Eltern einer Grundschule in Wernigerode sind unzufrieden. In der August-Hermann-Francke Grundschule in Wernige rode fand zwischen Montag und Mittwoch kein Unter richt für die Kinder statt. […] An geregelten Unterricht sei nicht zu denken.“
In Bayern - so lesen wir im „Münchner Merkur“ - wurde we gen Lehrermangels eine Pensionssperre verhängt. Schließlich
habe ich noch die Information gefunden, dass in sächsischen Grundschulen inzwischen 52 % Seiteneinsteiger eingestellt wurden.
Lieber Kollege, nur ein solches Ding in Brandenburg hätte eu rerseits mit Sicherheit die Forderung nach drei Sonderaus schusssitzungen hervorgerufen,
weil das nämlich ein Debakel, ein Skandal ohnegleichen gewe sen wäre. Aber wenn das in CDU-Ländern passiert, ist das ja Mumpitz, nicht?
Insofern sage ich einmal: Gemach, gemach! Der Unterrichts ausfall liegt in Brandenburg bei gut 2 %, das ist, gemessen an dem, was in anderen Ländern passiert, eine gute Zahl. Ich glau be, wir sind da auf dem richtigen Weg.
Jetzt will ich noch einige Worte zum inklusiven Konzept ver lieren. Es wurde hier im Landtag diskutiert, in der Tat. Herr Königer war wahrscheinlich nicht dabei - er sagt ja, wir mach ten nichts anderes als die anderen.
Natürlich machen wir etwas ganz anderes: Wir haben ein abge rundetes Konzept. Das sieht aber im Gegensatz zu dem, was Sie meinen, Frau von Halem, nicht vor, dass wir jetzt einen Knopf drücken und im nächsten Jahr die inklusive Schule ha ben. Sondern wir haben gesagt: Wir brauchen dafür mindestens sechs Jahre.
Denn wir haben die Kollegen und die Möglichkeiten an den Schulen nicht. Aber wenn wir das nun als gesetzlichen An spruch für das Kind ins Schulgesetz schreiben, müssen wir die sen auch erfüllen. Das können wir in der Zeit nicht, weil wir die Kollegen noch nicht an Bord haben. Darum können und dürfen wir das nicht ins Gesetz schreiben, weil wir damit Er wartungen wecken würden, die wir beim besten Willen derzeit nicht erfüllen können, weil das Konzept am Anfang und nicht am Ende seiner Umsetzung steht. Wie man sich danach verhält und ob man dann alle Schulen durch einen gesetzlichen Zwang einbezieht, ist eine ganz andere Frage. Aber davon sind wir noch sechs Jahre entfernt. Das muss man ganz ehrlich sagen, und ich finde, diese Ehrlichkeit sollte man auch an den Tag le gen. Und da Kollege Königer das nicht kennt, wird er vielleicht im Sonderausschuss noch einmal die Gelegenheit haben, das mit uns gemeinsam zu diskutieren.
Wir haben auch eine ganz andere Personalausstattung als ande re Länder, und wir sagen: Dort, wo die Ausstattung an den Schulen gegeben ist, soll und muss inklusiv beschult werden; da müssen dann die Eltern auch das Recht haben, ihr Kind an diese Schule zu geben - ohne jede Frage. Da kann der Schullei ter nicht sagen: Nein, das Kind nehme ich nicht auf, das ist lernbehindert. - Das ist der große Unterschied zu den Konzep ten, die andere Länder erstellt haben.
Was E-Learning und Blended Learning angeht: Das ist zwei felsohne mit dem jetzigen Schulgesetz machbar. Das passiert in Ansätzen auch schon. Da werden wir vielleicht irgendwann noch Sonderregelungen formulieren, um im Detail zusammen zufassen, was tatsächlich notwendig ist, um das zu strukturie ren. Aber das muss man keinesfalls im Schulgesetz machen; das werden wir auf dem Verordnungswege regeln - und da, denke ich, auch ganz vernünftig.