Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

(Lachen und Zurufe von der SPD, der Fraktion DIE LIN KE und von B90/GRÜNE)

Wenn Sie da etwas faseln von Machtergreifungsfantasien, dann muss ich sagen: Das ist parteilich - nicht persönlich, damit nicht wieder etwas verwechselt wird - schon gewagt. Wenn Sie sich als parteilicher Nachfolger des Mauermörder-Klubs hin stellen und sich als Wahrer der Demokratie präsentieren,

(Zuruf: Mehr als Sie!)

dann ist das wirklich lächerlich. Da kann ich nur sagen: Ma chen auch Sie so weiter!

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Herr Dr. Schönburg, möchten Sie auf diese Kur zintervention reagieren? - Gut, dann sind wir beim nächsten Redner. Das ist Herr Dr. Redmann für die CDU-Fraktion. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD-Fraktion hatte ein identisches Thema bereits vor drei Monaten auf der Tagesordnung. Wir haben hier, wie ich finde, eine sehr niveauvolle, ausführliche Debatte geführt. Ich möch te in diesem Zusammenhang auf meine Rede vom 2. März die ses Jahres verweisen. Sie ist im Protokoll nachzulesen.

Seitdem hat sich an unserer Auffassung nichts geändert. Wir sind immer noch der Meinung, dass Deutsch als Nationalspra che im Grundgesetz festgeschrieben werden sollte. Die Lan desverfassung ist dafür nicht der geeignete Ort; es gibt dafür aber auch keinen Ausschlussgrund. Das Grundgesetz ist schlicht der Ort, wo es hingehört. Darüber können wir hier im Landtag nicht entscheiden. Insofern werden wir uns bei diesem Antrag enthalten, wie auch schon im März. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Redmann. - Jetzt erhält für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete von Halem das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Es soll in der Bundesrepublik Landtage geben, in denen es verboten ist, innerhalb einer gewissen Zeit identische Anträ ge erneut einzubringen. Bei uns ist das nicht so, und das finde

ich auch gut. Es ist gut, dass wir alles vermeiden, was nach Zensur frei gewählter Abgeordneter aussieht.

Das heißt auf der anderen Seite, dass wir es selber in der Hand haben, wie und mit welchen Themen wir hier gut hundert er wachsene Menschen eine halbe Stunde oder länger beschäfti gen und wie wir dazu beitragen, interessante neue Ideen und Anregungen vorzutragen, die unser Land in irgendeiner Weise weiterbringen. Wir entscheiden darüber, ob wir wie kleine Kin der in der Trotzphase das gleiche Thema immer wieder neu aufs Tapet bringen, vielleicht ein bisschen anders verpackt - nur äußerlich, nicht inhaltlich -, vielleicht in der Annahme oder der irrigen Hoffnung, wir würden nicht merken, dass es das Gleiche ist.

Ich bin der Meinung, dass genau das hier passiert ist. Sie soll ten sich sehr wohl überlegen, wie angemessen das für Sie ist, die Sie uns doch immer vorwerfen, nur das durchdrücken zu wollen, was wir politisch für gewollt hielten. Wie das Bild aus sieht, das wir von uns abgeben, das jede Fraktion für sich ab gibt, haben wir alle selbst in der Hand.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Das Wort erhält jetzt die Landesregierung. Zu uns spricht Herr Minister Schröter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion habe ich zunächst ein bisschen nachgelesen und geistige Anleihe beim großen französischen Staatstheoretiker Charles de Montesquieu ge nommen. Dieser hat sich bekanntlich viele Gedanken über den Geist der Gesetze gemacht - so heißt im Übrigen auch sein Hauptwerk.

Bei Montesquieu lässt sich Folgendes nachlesen:

„Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

Dies gilt umso mehr für unsere Landesverfassung. Deshalb bit te ich darum, den Antrag der AfD abzulehnen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. Wir sind am Ende der Aussprache.

(Zuruf von der AfD: Haben wir nicht noch Redezeit?)

- Ach so, Sie haben noch Redezeit; das stimmt. Sie möchten die noch in Anspruch nehmen? - Aber natürlich, sehr gerne. Herr Königer, bitte. Da hätte ich Sie auch direkt fragen können, das ist wahr. - Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, das nehme ich Ihnen hundert prozentig ab. Ich verspreche auch, mich in reiner deutscher

Sprache verständlich auszudrücken und die neben mir Sitzende nicht wieder in die Verlegenheit zu bringen, nicht mitschreiben zu können.

Herr Schöneburg, der Herr Scharfenberg aus Ihrer Fraktion hat uns doch dazu aufgefordert, einen Gesetzentwurf einzubrin gen, wenn uns denn danach ist. Uns ist danach. Außerdem, Frau von Halem, wissen wir sehr wohl um den Unterschied zwischen einem Antrag und einem Gesetzentwurf. Den Ge setzentwurf, den Sie uns abverlangt haben, haben wir hiermit eingebracht.

Herr Schröter, es ist auch kein überflüssiges Gesetz, sondern lediglich ein normativer Überschuss von drei Worten. - Herr Schröter, wenn Sie mir da zuhören könnten? - Das ist, wie ge sagt, ein normativer Überschuss von drei Worten. Wenn Sie schon ein Gesetz, das Sie nicht brauchen, nicht einreichen müssen, dann verfahren Sie doch bitte mit Ihrer Kreisgebiets reform entsprechend.

(Beifall AfD)

Wir wollen mit dieser Verfassungsänderung auch die überfälli ge Debatte über die Angriffskeile auf den Kern unserer Spra che in Gang setzen. Jeder lange Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

Zuvörderst die sprachlichen Umerziehungslager der Alt-68er. Wenn verhältnismäßig kleine Interessengruppen entscheidende Schaltstellen in Wissenschaft, Bildungswesen, Medienpolitik und Verwaltung besetzen, können sie Projekte teils oder ganz umsetzen, die der Großteil der Bevölkerung ablehnt oder de nen die Bevölkerung gleichgültig gegenübersteht.

Zur Absicherung der Projekterfolge wird im Regelfall auch die Sprache entsprechend umgestaltet. Meist wird dies mit der Be seitigung einer behaupteten Diskriminierung begründet. Dabei beließ es die 68er-Sprachguerilla aber nicht. Es ist bezeichnend, dass die unter 20-Jährigen jeden sprachlichen Diskriminierungs klamauk mitmachen, ohne auch nur mit der Achsel zu zucken.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich rede hier nicht der Diskri minierung das Wort. Aber im Wort eine Diskriminierung zu er kennen, wo es doch nur kulturelle Überlieferung trägt, führt regelmäßig genau dazu: zur Diskriminierung gegenüber dem Wort und demjenigen, der es führt.

Der große Lyriker der Philosophie Arthur Schopenhauer hat das einmal so beschrieben:

„Die Weiber wollen nicht mehr Weiber heißen, aus dem selben Grunde, aus welchem die Juden Israeliten und die Schneider Kleidermacher genannt werden wollen und Kaufleute ihr Comptoir Bureau titulieren, jeder Spaß oder Witz Humor heißen will, weil nämlich dem Worte beige messen wird, was nicht ihm, sondern der Sache anhängt. Nicht das Wort hat der Sache Geringschätzung zugezo gen, sondern umgekehrt …“

Liebe Kollegen, wer Diskriminierung wirklich bekämpfen möchte, soll den Kontext und im Gespräch auch den Sprecher einbeziehen. Denn nicht jeder, der „Neger“, „Zigeuner“ oder „Schlitzauge“ sagt, ist ein Rassist, und nicht jeder, der „Diver sity!“ brüllt, ein Demokrat.

Kommen wir zur nächsten Infektion des Deutschen, der Leich ten Sprache. Wir leben im Zeitalter von Inklusion, hinterherge worfenen Hochschulzugangsberechtigungen und sich epide misch ausbreitender funktionaler Analphabetisierung. Nach dem die letzten Bastionen des humboldtschen Bildungsideals des allgemein gebildeten Menschen erfolgreich geschleift wur den, wohl auch getrieben vom Wunsch schneller sprachlicher Integration der Massenzugewanderten, war die Einführung ei ner sogenannten Leichten Sprache ein logischer Schritt, aber ein falscher. Die Leichte Sprache folgt der 144-Zeichen-Logik von Twitter und der Redundanz von WhatsApp.

(Domres [DIE LINKE]: Da kennen Sie sich ja aus!)

Statt also massiv in die sprachliche Grundausbildung von Kin dern und Erwachsenen zu investieren und diese zu einer ein wandfreien Verwendung der Sprache zu befähigen, wird hier der umgekehrte Weg genommen: Der Inhalt wird auf Teletub by-Niveau gesenkt. - Herr Hoffmann, Sie in der Linksfraktion - das ist ein schönes Bild für mich.

Ich denke, dass in meiner letzten Rede zu unserem Antrag die Verenglischung unserer Sprache zur Genüge Thema gewesen ist. Somit brauche ich nicht noch einmal auf die Anglizismen zu verweisen, kann Sie nur im „word finding“ ein bisschen un terstützen, wenn es Ihnen im Bildungsausschuss wieder einmal an Fantasie mangelt.

Nun bin ich kein Purist, und mir ist natürlich bewusst, dass sich Sprache ändert und Anleihen bei anderen Sprachen nimmt. Die Zeiten, in denen eine Gesellschaft zur Rettung der deutschen Sprache forderte, Fremdwörter wie Pistole und Nase durch Meuchelpuffer und Gesichtserker zu ersetzen, sind für immer vorüber. Aber die gegenwärtige Entwicklung gehört gestoppt, wenn auch in 20, 50 und 100 Jahren noch deutsch in diesem Bundesland gesprochen werden soll. In all diesen Punkten kann die Gesetzesänderung der AfD ein guter Anfang sein, ei ne Art moralische Messlatte, die jedoch genau dort in unsere Verfassung gehört.

(Zurufe von der SPD)

Wir alle hier sind Arbeiter der Sprache in Wort und Schrift. Die Sprache ist unser Werkzeug, ohne das Politik undenkbar wäre. Und auch wenn wir die unversöhnlichsten Feinde sein sollten oder sind, in einem - das ist meine felsenfeste Überzeugung - sind wir uns einig: Das Streiten, das Ringen um Kompromisse, Verständigung und Ablehnung …

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, jetzt nicht - oder überhaupt nicht. Herr Petke, Sie können sich wieder setzen.

All das hat eine gemeinsame Klammer, nämlich unsere Spra che. Und wir stehen fraktionsübergreifend in der Pflicht, diese Klammer zu schützen und zu bewahren.

Meine Damen und Herren, eine Änderung unserer gerade 25 Jahre alt gewordenen Verfassung tut nicht weh und führt

schlimmstenfalls, wie schon erwähnt, zu einem normativen Überschuss von genau drei Worten. - Danke schön.

(Beifall AfD)

Wir sind am Ende der Aussprache und kommen zur Abstim mung. Wir stimmen über den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion, Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg, Drucksache 6/6762, in 1. Lesung ab. Wer diesem Gesetzent wurf folgt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstim men? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf bei eini gen Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungs punkt 10 auf: