Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Aber das, meine sehr verehrten Damen und Herren, setzt natür lich leistungsfähige Landkreise und vernünftige Verwaltungen voraus.

(Wichmann [CDU]: Die haben wir!)

Meine Damen und Herren! Die Reform wird auch in drei Städ ten eine Veränderung mit sich bringen. In diesen drei Städten sind zwei Themen wie unter einem Brennglas fokussiert: ers tens der Rückgang der Bevölkerung, aber zweitens auch eine Finanzschwäche. Mit diesem Gesetzespaket soll diese Finanz schwäche geheilt werden. Die kreisfreien Städte sollen bis zu 40 % ihrer Kassenkredite verlieren - und das ausschließlich mit Landesmitteln.

Ich wiederhole: Unsere Reform konzentriert sich auf Lösungen dort, wo die Probleme am dringendsten sind; an den Stellen, wo Veränderung nicht notwendig ist, belässt sie das Land, wie es ist. Deshalb ist die Kreisgebietsreform auch keine flächen deckende Reform.

Meine Damen und Herren, im Funktionalreformpaket sehen Sie Aufgaben, die zur Kommunalisierung vorgeschlagen sind. Es geht vor allem um die Forstverwaltung, den schulpsycholo gischen Dienst, die Überwachung nicht genehmigungsbedürf tiger Anlagen im BImSchG-Verfahren und den Grenzveterinär dienst.

Diese Aufgaben entsprechen im Wesentlichen den Vorschlägen des Gutachtens von Bogumil und Ebinger zur Funktionalreform und den Empfehlungen der Enquetekommission 5/2. Sie sind also nicht überraschend. Wie Sie wissen, war die ursprüngliche Liste länger, aber sie enthielt auch Kleinst- und Bagatellaufga ben, deren Kommunalisierung aus praktischen und wirtschaftli chen Gründen nicht vernünftig schien. Das Sammeln von Ab zeichen oder der Hufbeschlag - dass solche Aufgaben nun nicht mehr auf der Kommunalisierungsliste stehen,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Redmann [CDU])

ist für das Vorhaben kein wirklicher Verlust. Es gilt nämlich: Klasse statt Masse.

(Lachen des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Es ist eine ganz wichtige Aufgabe hinzugekommen, und zwar eine mit einem echten Gestaltungsmoment:

(Bretz [CDU]: Der Forst!)

die ländliche Entwicklung. Diese Aufgabe ist nicht nur von er heblichem Gewicht und lässt die Ausgleichsfunktion der Land kreise viel besser wahrnehmen; sie ist auch von den Landkrei sen so eingefordert und als wesentlicher Bestandteil angemerkt worden.

(Dr. Redmann [CDU]: Wie viele Mitarbeiter sind denn das? - Bretz [CDU]: Drei!)

Meine Damen und Herren, die vorliegenden Entwürfe sind auch das Ende einer Legende, nämlich der Legende, dass die ganzen Diskussionsprozesse eigentlich nur Alibiveranstaltun gen waren und vorab schon alles sozusagen in Hinterzimmern ausgedealt gewesen sei. - Nichts davon ist richtig.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Veränderungen vom Leitbild über den ersten Referenten entwurf bis zum jetzigen Kabinettsentwurf beweisen das Ge genteil. Die Gebietskulisse hat sich verändert, die Landkreise Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald bleiben selbstständig.

(Zuruf des Abgeordneten Schröder [AfD])

Die Finanzierung erfolgt ausschließlich durch Landesmittel, und den großen Lausitzkreis wird es nicht geben, so der Vor schlag der Landesregierung; stattdessen liegt eine schonendere Variante auf dem Tisch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Reform ist kein Reförmchen geworden,

(Frau Schier [CDU]: Eine schonendere Variante!)

sondern sie ist die bessere Reform geworden, denn sie bezieht viele der Vorschläge, die in den Diskussionsveranstaltungen gemacht worden sind, ein. Und deshalb wird sie auch getra gen - von mehr Menschen als bisher, das beweisen im Übrigen auch die Umfrageergebnisse. Es ist also richtig und wichtig, sich zu dieser Reform zu bekennen und sie anschließend mutig umzusetzen. An die CDU-Adresse möchte ich noch ein Zitat von Kurt Biedenkopf richten, der bekanntermaßen schon im mer ein Vordenker Ihrer Partei war. Er sagte:

„In der Gesellschaft hat sich eine fatale Arbeitsteilung entwickelt: Für die Reformen ist die Rhetorik zuständig, für die Wirklichkeit sind es die beharrenden Kräfte.“

In unserem Land ist es etwas anders: Hier gibt es eine Regie rung und die sie tragenden Fraktionen, die den Wunsch, die Kraft und auch den Willen haben, die notwendigen Reformen umzusetzen,

(Zuruf von der AfD - Wichmann [CDU]: Sturheit!)

und es gibt leider auch Fraktionen, die sich vor Verantwortung drücken und die Menschen stattdessen lieber verunsichern.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vor denen, die den Willen zur Veränderung wegen der Notwen digkeit haben, liegen noch große Anstrengungen. Aber denken Sie an Luther, meine Damen und Herren, der schon sagte:

„Anstrengungen machen gesund und stark.“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Vida für die Gruppe BVB/ FREIE WÄHLER.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben uns deutlich gemacht, dass schon seit sieben Jahren darüber debattiert und diskutiert wird. Ich glaube, die ersten fünf von diesen sieben Jahren standen Sie auf der anderen Seite der Diskussion

(Wichmann [CDU]: Genau!)

und haben jegliche Reform vehement bekämpft - wenn ich mich recht erinnere.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, CDU sowie vereinzelt AfD)

Dann wurden Sie Minister; das war dann für Sie der Wende punkt der Meinungsbildung - das kann man ja zubilligen. Aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Die Notwendigkeit der Re form mit den undemokratischen Strukturen der DDR zu be gründen ist wahrlich der Tiefpunkt Ihrer Argumentationskette der letzten Jahre.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, CDU sowie des Abgeordneten Königer [AfD])

Wir haben heute auch gehört: Das, was Sie im Radio machen, ist keine Werbung, sondern Aufklärung - über etwas, das man nicht spürt, also quasi eine Aufklärung über kommende Gefüh le. Da muss ich sagen: Das ist wirklich eine sehr starke psycho logische Leistung,

(Bretz [CDU]: Angst machen!)

die ich der Landesregierung so gar nicht zugetraut hätte. Be eindruckend!

Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, dass Ver bundenheit mit Gemeinden und Kreisen diesen die Kraft ver leiht, die sie brauchen, um leistungsstark zu sein und auch zu bleiben. Nur wenn man ihnen die Kraft zubilligt und sie nicht dauerhaft schlechtredet - auch mit Blick auf die Zukunft nicht -, wenn man alle Ehrenamtler, aber auch die Bürgermeis

ter und die Kreisverwaltungen, die sich redlich mühen, in ihrer Arbeit unterstützt, werden sie erfolgreich sein. Sie wollen mit ihren Hinweisen, was die Landesverwaltung betrifft, was die Kreisverwaltungen, was die Gemeindeverwaltungen betrifft, gehört werden.

Ich muss Ihnen sagen, ich bin stolz darauf - ganz ehrlich -, dass mit der Volksinitiative denen, die gehört werden wollen, eine Stimme gegeben wurde. Es ist eine Stimme gegen die Arro ganz der Macht, die Arroganz, die jede positive Entwicklung im Bereich der Demografie leugnet und weiter beharrlich mit alten Zahlen operiert, die den demokratischen Willen vieler Kreistage und Gemeindevertretungen ignoriert und auch in der Rhetorik all jene frustriert, die sich tagtäglich für ihre Heimat einsetzen. Das ist die Arroganz, die sich belehrend über sie er hebt. Dabei geschieht dies oft nur aus Opportunismus. Hier wird bei einer Sache mitgezogen, von der viele gar nicht selber überzeugt sind. Das sind all jene in Ihrer Koalition, die vor Ort mit großer Gebärde versprechen und suggerieren, in Potsdam dafür zu kämpfen, dass die Kreisreform nicht kommt, dass ihr jeweiliger Kreis erhalten bleibt, dass ihre Stadt kreisfrei bleibt, und die hier dann doch dafür stimmen, dass die Gebietsreform kommt.

(Vereinzelt Beifall AfD und Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie die Mehrheitsmeinung Ihrer Fraktion nicht ändern. Niemand hat die Pflicht, ein Held zu sein. Aber Sie haben die Pflicht und das Recht als frei gewählter Abgeordneter, nach Ihrem Gewis sen zu stimmen. Und das fordern Ihre Wählerinnen und Wähler aus Ihren Wahlkreisen zu Recht von Ihnen ein.

Wenn Ihr Gewissen Ihnen sagt, dass Sie dafür stimmen müs sen, dann ist das Ihr Recht. Aber dann erzählen Sie vor Ort bit te nicht das Gegenteil.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Wer macht denn das?)

In Interviews, in breitflächigen Ankündigungen in Zeitungen tun dies viele von Ihnen in den Kreisen. Ministerin Golze stimmt im Kreistag vollmundig gegen die Kreisgebietsreform, und hier im Landtag stimmt sie als Ministerin, als Kabinetts mitglied dafür und unterfüttert das dann selbstverständlich auch noch mit Argumenten.

Wir sind immer dafür eingetreten, meine Damen und Herren, dass Verwaltungsstrukturen optimiert werden können und müs sen. Es ist richtig, dass es jeder Zustand verdient, untersucht zu werden, verbessert zu werden. Doch das muss auf Grundlage von Erkenntnissen, Analysen und tiefgründigen Betrachtungen erfolgen und dadurch, dass man denjenigen zuhört, die das im Alltag vor Ort auszuführen haben, und nicht durch das dogma tische Durchziehen von Parteilinien und Parteitagsbeschlüssen.

Ich finde es sehr traurig, dass Sie diesen Konsens der sachge mäßen Analyse gegebener Lagen aufgekündigt haben und das Land durch Ihre Methodik der Durchsetzung der Gebietsre form spalten. Denn das ist das, was geschieht. Sie spalten, in dem Sie jetzt in dieser Diskussion, wo eine Volksinitiative läuft, die Bewerbung um die Kreisstädte bewusst schüren, um so den Widerstand der Landkreise dagegen, zusammengelegt zu werden, zu brechen, um so auch den Zusammenhalt für den

Erhalt gewachsener Strukturen wissentlich und willentlich zu attackieren. Sie tun das, weil Sie absichtlich keine Garantien für den Erhalt der Außenstellen der Kreisverwaltungen abge ben wollen, um somit die Diskussion den neuen Kreistagen zu überlassen, damit dort dann die regionalen Auseinandersetzun gen ausbrechen können.