Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Nein, ich gestatte heute keine Zwischenfrage.

(Frau Lehmann [SPD]: Dann würde er nämlich ins Schlin gern kommen!)

Zum Änderungsantrag der Grünen werden wir uns enthalten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Raschke.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es ist nach 18 Uhr, und die Luft war ja heute Morgen nach der Generaldebatte schon raus. Weil die Konzentration bei einigen jetzt weg ist, habe ich mir eine klei ne Hilfestellung ausgedacht. Wenn man ehrlich ist, besteht jede Rede nur aus wenigen Stichworten. Ich nenne Ihnen jetzt die fünf, sechs Stichworte, um die es in dieser Rede geht, und beim Rest können Sie vielleicht weghören.

Die Stichworte sind: erstens Rätsel, zweitens und drittens Ge wässerrandstreifen und Tagebaue, viertens schlechtes Gesetz, fünftens Jörg Vogelsänger und sechstens Hoffnung.

(Bretz [CDU]: Sechstens passt da nicht rein. Da ist ein Bruch drin!)

- Das löse ich gleich auf.

Stichwort eins, Rätsel: Vor dem stehe ich. Wir haben gerade schon gehört, wie lange an diesem Gesetz gearbeitet wurde, wie viele kluge Menschen monatelang daran gearbeitet und - das muss ich sagen - durch die Bank richtig gute Arbeit ge macht haben. Wir haben gerade auch von Anke Schwarzenberg gehört, wie viel Herzblut teilweise darin steckte. Auch von mir ergeht ein Dank an die Kollegen aus dem Ausschussdienst bzw. an die Landtagsverwaltung, die uns parallel zur Verwaltungs strukturreform einen unglaublichen Anhörungsprozess organi siert hat,

(Vereinzelt Beifall)

an die Expertinnen und Experten, die im Ausschuss hochkarä tige Vorträge gehalten und uns wirklich bereichert haben, an den Parlamentarischen Beratungsdienst, den wir mehrfach ge beten haben und der uns mehrfach beraten und, ja, aus der Pat sche helfen musste, sowie an die Verbände, einerseits unter Führung des Forums Natur die Landnutzerverbände, die ver sucht haben, ihre Interessen durchzusetzen, und andererseits an die Umweltverbände, die eigene Fachgespräche geführt haben und vor dem Landtag mit Bildaktionen auftraten, um zu zei gen, dass es um den Schutz des Wassers geht. Es haben also wirklich viele Leute richtig gute Arbeit gemacht. Ein Danke schön von mir! Und trotzdem stehe ich vor dem Rätsel, wie es dann zu so einem Gesetzentwurf kommen konnte.

Denn entgegen meiner Hoffnung am Anfang bin ich nun wie der in der unangenehmen Rolle, sagen zu müssen: Das ist ein schlechter Gesetzentwurf. Irgendetwas ist da gehörig schiefge gangen. Ich habe da meine Vermutungen, aber dazu später.

Erst einmal zu der Frage: Was ist denn daran schlecht? Ich kann mich da vielem anschließen, was Kollege Dombrowski sagte. Wenn wir uns einmal die Ziele, die damit verfolgt wur den, angucken - die Ziele haben wir fast alle gemeinsam; sie wurden in der letzten Legislaturperiode erarbeitet, Kollege Roick hat aus dem Koalitionsvertrag zitiert -, können wir kons tatieren: Es geht um eine gerechte Verteilung der Kosten, die Herstellung eines Interessensausgleichs und die stärkere Be rücksichtigung des Verursacherprinzips. Diese Ziele haben wir verfehlt. Und nicht nur das, wir sind an einigen Stellen mit die sem Gesetzentwurf sogar noch schlechter dran als mit dem bis her geltenden Wassergesetz.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Gehen wir’s durch: Gerechtere Verteilung der Kosten. Kollege Roick hat zu Recht ausgeführt, dass nun endlich eingeführt werden soll, dass versiegelte Flächen stärker belastet werden als Ackerflächen - und die wiederum stärker als der Forst. End lich! Gott sei Dank; das fordern wir Grünen schon seit langem. Das ist richtig gut. Aber wir kaufen hier die Katze im Sack. Wir

haben schon gehört: Wir haben uns im Ausschuss nicht getraut, zu entscheiden, wie stark denn die unterschiedlichen Belastun gen sein sollen.

Das geben wir jetzt ans Ministerium ab; der Minister soll eine Verordnung erarbeiten. Aber ob dabei etwas Ökologisches her auskommt, daran habe ich so meine Zweifel.

Vor allem aber ist das aus meiner Sicht ein Nebenschauplatz; denn wenn wir über die gerechte Verteilung von Kosten reden, dann müssen wir auch darüber reden, warum die größten Ent nehmer von Wasser in Brandenburg - die Tagebaue - nur sym bolische, fast nicht relevante Preise zahlen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Sie zahlen symbolische 0,06 Cent. Alle anderen sollen in Zu kunft 11,5 Cent bezahlen. Da müssen wir über Gerechtigkeit reden.

Die Referentin unserer Fraktion war so freundlich, uns das ein mal auszurechnen. Würde man auf das Wasser, das die Tage baue pro Jahr entnehmen, den vollen Preis ansetzen, kämen im Jahr 25 Millionen Euro zusammen - 25 Millionen Euro! Wir haben vorhin gehört: Alle anderen Land- und Wassernutzer zahlen zusammen 20 Millionen Euro. Das heißt, es käme noch einmal mehr als die gleiche Summe obendrauf.

Diese 25 Millionen Euro werden ungerechtfertigterweise nicht erhoben und fehlen uns - Stichwort: Verursacherprinzip - für den Schutz der Gewässer. Denn wir wissen: Den Gewässern in Brandenburg geht es schlecht. Ich erinnere an die Zahl: Nur 6 % der Fließgewässer in Brandenburg sind in einem ökolo gisch guten Zustand - nur 6 %. Das heißt, 94 % sind nicht in einem ökologisch guten Zustand; die werden unter anderem durch Tagebaue - klare Spree, braune Spree -, Sulfate - das Thema hatten wir heute Morgen schon -, aber auch durch Nit rate und Pestizide aus der Landwirtschaft belastet. Was hier helfen würde - und auch da ist der Gesetzentwurf leider schlechter -, sind Gewässerrandstreifen links und rechts von unseren Flüssen oder Fließen, die dafür sorgen, dass Nitrate und Pestizide nicht mehr in die Gewässer hineingeschwemmt werden können und sie dadurch belasten.

Anke Schwarzenberg hat ausgeführt, wie unglaublich bürokra tisch und aufwendig das freiwillige Verfahren ist, das eingeführt werden soll. Es wird aus meiner Sicht nicht dazu führen, dass ein einziger Kilometer Gewässerrandstreifen zusätzlich geschaffen wird, geschweige denn dazu, dass die irgendetwas helfen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Letzter Check zu den Zielen: Wird dieses Gesetz dazu beitra gen, den Streit vor den Verwaltungsgerichten zu beenden, den Streit, der unsere Verwaltungsgerichte teilweise lahmgelegt und unsere Kommunen in Zwangslagen gebracht hat? Der Vi zepräsident hat es ausgeführt: Ganz im Gegenteil. Das Gesetz, das heute verabschiedet werden soll, wird eine neue Klagewel le mit sich bringen, und wir werden ganz von vorn anfangen und eher neue Verwaltungsrichter einstellen müssen, um allein dieses Gesetz behandeln zu können.

(Beifall der Abgeordneten Hoffmann und Bretz [CDU])

Fazit: Wir haben unsere Ziele nicht nur verfehlt, sondern dieser Gesetzentwurf ist in einigen Teilen sogar noch schlechter als das bestehende Gesetz, und das, obwohl wirklich fast alle Be teiligten richtig gute, intensive Arbeit geleistet haben.

Da stehe ich vor einem Rätsel. Ich bin ja Politologe und habe mich erst gefragt: Ist das parlamentarische System hier irgend wie kaputtgegangen? Was ist hier schiefgegangen? Am Ende habe ich ein paar Vermutungen, die mich etwas beruhigt haben, weil ich glaube, dass einige Sondereffekte eingetreten sind.

Was sind das für Sondereffekte? Ich bin auf drei gekommen - vielleicht haben Sie noch mehr identifiziert -: Erstens, im Zweifel ist selbstverständlich immer der Minister schuld. Und an dieser Stelle ist es tatsächlich so. Wir haben es gehört: Der Minister hat einen Entwurf vorgelegt, der so schlecht war, dass er nicht nur von sämtlichen Verbänden - von Umweltverbän den und Landnutzerverbänden -, sondern sogar aus der Fraktion der SPD und der Fraktion der Linken Kritik bekommen hat. Damit hatten wir einen extrem schlechten Start, und damit war sozusagen die Führung, die es braucht, um diesen Prozess zu gestalten, von Anfang an nicht vorhanden.

Zweitens - auch dadurch bedingt - haben wir uns als Parlament dieses Verfahren fast aus der Hand nehmen lassen. Ich habe wirklich großen Respekt vor dem, was Gregor Beyer da aufge zogen hat; das ist Lobbyismus auf einer neuen Stufe, auch wenn es mir inhaltlich nicht gefällt. Aber damit werden wir in Zukunft rechnen müssen. Wir haben hier bis zur letzten Rede gehört, wie sich das durchgezogen hat und wie schwierig es war, dafür zu sorgen, dass wir als Gesetzgeber das überhaupt noch in der Hand behalten und nicht der Verbändeentwurf am Ende alles dominiert. Damit werden wir auch in Zukunft rech nen müssen.

Der dritte Grund, warum das hier deutlich schiefgelaufen ist, ist die Kreisgebietsreform. Das hat aus meiner Sicht wiederum zwei Gründe: Erstens hat sie in der Umweltverwaltung richtig Kräfte gebündelt. Das Umweltministerium musste viele Dinge, die kommunalisiert werden sollten, und die entsprechenden Begründungen parallel durchdeklinieren. Das hat Kraft gekos tet. Vor allem aber kam etwas anderes hinzu: Angst. Ich habe im Ausschuss mit Erschrecken beobachtet, wie plötzlich zu nehmend Angst Einzug hielt: „Oh, wir legen uns mit dem Städ te- und Gemeindebund an“, „Oh, wir können das nicht ma chen; das wird vor das Verfassungsgericht gezogen“. - Angst ist ein extrem schlechter Ratgeber und hat uns bei der Befas sung mit diesem Gesetzentwurf in die Irre geführt.

Das Ganze ist also, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine trau rige Geschichte. Aber da muss es nicht enden. Ich hatte Ihnen noch ein Stichwort versprochen, nämlich Hoffnung - und die ist bekanntermaßen grün.

(Heiterkeit und Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt. Sie können jetzt noch zustimmen und dafür sorgen, dass die wesentlichen Feh ler dieses Gesetzentwurfs ausgebügelt werden, dass die größ ten Wasserentnehmer in Brandenburg - die Tagebaue - die 25 Millionen Euro zahlen müssen, dass wir dieses Geld für den Schutz unserer Gewässer verwenden können und Gewässer

randstreifen bekommen, die auch etwas bringen. Dafür werbe ich um Ihre Zustimmung. - Herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Vo gelsänger.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist gemeinsam geschafft: Die Beschlussempfehlungen sind das Ergebnis einer sehr intensiven und sorgfältigen Befassung der Landtagsausschüsse mit dem Gesetzentwurf und den Än derungsvorschlägen aus öffentlichen Anhörungen, Expertenge sprächen und Vorschlägen von Verbänden.

Der Umweltausschuss empfiehlt die Annahme des Gesetzent wurfs der Landesregierung mit Änderungen.

(Bretz [CDU]: Herr Minister!)

Das ist völlig normal bei einem so komplizierten Gesetzes werk,

(Bretz [CDU]: Herr Minister!)

wobei die 60 Änderungsvorschläge des Regierungsentwurfs zur Novelle des Wassergesetzes zum größten Teil Ihre Zustim mung gefunden haben.

Die intensiven Beratungen haben sich also gelohnt. Nach enga giert geführten Diskussionen konnten für das jetzt vorliegende Wassergesetz gute Kompromisse für die Bürgerinnen und Bür ger gefunden werden. Neben den Vorgaben, wie wir unsere Wasserwirtschaft auskömmlich finanzieren und effizienter or ganisieren wollen, sind auch Lösungen für Probleme auf den Weg gebracht worden, die wir zum Teil seit Jahrzehnten vor uns hertragen bzw. die nicht gelöst werden konnten. Das wurde hier von den Rednern der Opposition immer wieder ausgeblen det.

Beispiele sind die Neuregelung von Zuständigkeiten und die solidarische Finanzierung zur Unterhaltung und zum Betrieb von Stauanlagen und Schöpfwerken, die seit 1990 immer wie der zu Auseinandersetzungen geführt haben. Ich nenne hier die längst überfällige Anpassung der Tarife für Gewässerbenut zung, die Möglichkeit für Grundstückseigentümer, auf Antrag Mitglied in den Gewässerunterhaltungsverbänden zu werden, Regelungen für mehr Transparenz in den Verbänden und zur Vermeidung von Mehrfachmitgliedschaften.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung zusätzlich, durch Rechtsverordnungen die Nutzung von Elektromotorbooten auch auf nicht schiffbaren Gewässern in gewissem Umfang zu er möglichen - das ist auch eine Neuerung - und eine entsprechen de Grundstücksnutzung und die vorteilsgerechte Umlage der Gewässerunterhaltungskosten konkret auszugestalten. Diese Differenzierung soll ab 2021 in Kraft treten. Wir sind gut bera ten, diese Differenzierung einzuführen, weil das eine grundle gende Änderung ist; denn das Ziel besteht darin, eine gerechte

re Lösung zu finden. Frau Abgeordnete Schwarzenberg hat ei ne Rundreise durch die Bundesrepublik Deutschland gemacht und dargestellt, wie kompliziert das ist und wie differenziert das in anderen Bundesländern gehandhabt wird.

Ich möchte aus Sicht der Landesregierung noch auf folgende Regelung hinweisen - das ist ganz entscheidend -: Das Wasser nutzungsentgelt sichert die Umsetzung der wichtigsten wasser wirtschaftlichen Investitionen und ist unverzichtbar, um die entsprechenden Investitionen auszufinanzieren. Brandenburg verfügt über 33 000 km oberirdische Fließgewässer. Diese müssen durch regelmäßige Pflege erhalten und nach den Vor gaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie so entwickelt werden, dass sie spätestens 2027 einen guten Zustand haben. Gewässer müssen saniert und wasserwirtschaftliche Anlagen erhalten werden. Der Landschaftswasserhaushalt ist mit Blick auf die Auswirkungen klimatischer Veränderungen zu verbes sern. Schließlich macht die Hochwasservorsorge erhebliche Investitionen notwendig. Ich will hier im Parlament sagen: Im Bereich des Hochwasserschutzes haben wir im Land Branden burg viel erreicht - das kann man einmal hervorheben -, aber auch noch viel vor uns.

(Beifall SPD)

Die Finanzierung dieser öffentlichen Aufgaben kommt allen zugute; deshalb erheben wir das Wassernutzungsentgelt im Land Brandenburg. Die Anpassung der Tarife war längst über fällig. Und grundlegende Kritik gab es nur von grüner Seite. Ansonsten war das nicht Bestandteil der Hauptauseinanderset zung in den Ausschüssen; das hatte ich eigentlich erwartet.