Umso verrückter, dass nach den Wahlen von der SPD die Hal tung zur Kreisneugliederung zum entscheidenden Kriterium für die Auswahl des Koalitionspartners erhoben wurde. Und statt die CDU, wenn nicht als Koalitionspartner, dann aber we nigstens als notwendigen Bündnispartner für dieses Vorhaben mit ins Boot zu holen, wurde sie von Herrn Ness mit dem Zi tieren aus internen Gesprächen als opportunistische Umfaller partei gebrandmarkt und bis zur Weißglut getrieben. Ich denke, das war ein entscheidender Fehler, der dazu führte, dass am Ende die Volksinitiative mit diesem Erfolg durchgeführt wer den konnte.
Hinzu kam der wenig sensible Umgang der gesamten Landes regierung mit den Betroffenen. Ironie im politischen Geschäft ist immer eine Gratwanderung. Feiner Humor des Innenminis ters wurde mitunter nicht als solcher erkannt. Umso besser aber sein ebenfalls ab und zu vorkommender Brachialhumor, der von den Betroffenen als Versuch gedeutet wurde, für dum me Witze herhalten zu müssen, während man zugleich mit dem
Holzhammer einen über die Rübe gezogen bekommt. Im Zwei fel wurde dann verkündet statt überzeugt. Strategische Partner wurden offenkundig nicht aktiv gesucht und, soweit sie an fangs vorhanden waren - wie der Potsdamer Oberbürgermeis ter Jann Jakobs sowie die Landräte von Barnim und Ucker mark -, verprellt.
Statt die Menschen emotional mitzunehmen und ein positives Bild einer effizienten, ortsnahen Verwaltung mit erweiterten Aufgaben und den Mehrwert an demokratischer Teilhabe für den Einzelnen zu verbreiten, wurde lang und breit über nicht belegte Fusionsrenditen und Skaleneffekte geredet. Das ver stand niemand.
Anstatt dass sich der Ministerpräsident selbst in die erste Reihe stellte, hat er seine Adjutanten, Innenminister Schröter und Fi nanzminister Görke, nach vorn geschickt.
Statt das Ohr an der Basis zu haben, Skeptiker in den eigenen Reihen zu hören, auf ihre Argumente einzugehen, wenigstens zu versuchen, diese zu überzeugen und einzubinden, auch ein mal in den eigenen Reihen zu intervenieren, wenn Koalitions vertreter in ihren Heimatkommunen ganz anders redeten als hier im Landtag - ich denke zum Beispiel an Herrn Gorholt -, bestand höchstens die Bereitschaft, Vorschläge der im Auftrag ihres Herrn vorgepreschten Minister aus taktischen Gründen wieder einzufangen und abzumildern.
Ganz am Schluss dann der Tiefpunkt: die Probeabstimmung in der SPD. Eine Probeabstimmung über ein Gesetz wohlge merkt, zu dem bis dato weder eine Anhörung geschweige denn eine Auswertung der Anhörung durchgeführt worden war. Das Ganze ein einziges Politik- und Kommunikationsdesaster.
Auch wir Grünen sind an den handwerklichen Fehlern und Kommunikationsfehlern der Regierung verzweifelt. Auch wir konnten letztlich unsere Unterstützung für das Vorhaben nicht mehr aufrechterhalten.
Am vorläufigen Ende dann das trostlose Bild des Ministerprä sidenten auf dem Fabrikparkplatz in Meyenburg.
Das Bild eines Ministerpräsidenten, der die Entscheidung aus der Hand gegeben hat, selber noch über Ort und Verkündung des Endes seines wichtigsten Reformvorhabens zu bestimmen.
Auch demokratische Politik lebt von Bildersprache. Das Min deste wäre es gewesen, gemeinsam mit dem Koalitionspartner und den Spitzen der beiden Fraktionen vor die Landespresse konferenz zu treten und damit die Chance zu nutzen, zu erklä ren, wie es weitergeht.
Anständig wäre es zudem gewesen, das Ende des wichtigsten Vorhabens dieser Legislaturperiode erst einmal mit den eige nen Abgeordneten zu erörtern und nicht die eigene Generalse kretärin zu einem Rücktritt aus Resignation zu treiben.
Stattdessen wurde im Vorbeigehen der Schwarze Peter der CDU und der kommunalen Familie zugeschoben, wurden
schnell einmal 400 Millionen Euro zur Neuverteilung und wur de den kreisfreien Städten Teilentschuldung gegen Wohlver halten angeboten. Das sollte wohl Stärke und Entscheidungsfä higkeit demonstrieren, war aber ein Zeichen unheimlicher Schwäche.
Es zeugt aber auch von Respektlosigkeit gegenüber dem Parla ment, wenn ein im Verfahren weit vorangeschrittener Gesetz entwurf eben mal so aus dem Off heraus einkassiert wird.
Angesichts des krachenden Scheiterns beim selbst ausgerufe nen Leuchtturmprojekt kann es kein Abschieben der Verant wortung auf andere geben. Mehr Demut angesichts der eigenen Fehler war angesagt und wurde von uns auch erwartet.
Aber Demut einzufordern heißt für uns Grüne nicht Demüti gung. Wir weiden uns nicht genüsslich am Scheitern des zent ralen Regierungsvorhabens dieser Landesregierung, und wir stellen auch nicht jegliche Kompetenz des Ministerpräsidenten und seiner Koalition infrage.
Wir stellen uns hier nicht in eine Reihe mit der CDU und der AfD. Eine Auflösung des Landtags, bei der es auf die Stimmen der AfD ankäme oder ankommt, wäre die Selbstdemontage dieses Landesparlaments. Das wäre eine Botschaft, die hier niemand wollen kann.
Solange die Regierung eine Mehrheit hat und nicht von sich aus Neuwahlen anstrebt, werden wir hier auch keine Neuwahl forderung unterstützen.
Der Respekt vor dem laufenden Volksbegehren hätte für uns aber auch bedeutet, dessen Inhalte nicht immer wieder aufs Neue im Landtag zur Abstimmung zu stellen, sondern erst ein mal die gesetzliche Eintragungsfrist abzuwarten.
Demut einzufordern, das heißt zu verlangen, dass aus dem Scheitern Lehren gezogen werden, dass in Zukunft eine besse re, eine den Menschen zugewandte Politik erfolgt und - last, but not least - dass der Landtag als Landes- und auch als Haus haltsgesetzgeber ernst genommen wird, kurz gesagt: ein neuer Politikstil Einzug hält. Das erschöpft sich nicht in einem besse ren Politikmarketing. Das erfordert nicht nur eine Ansage, wie es mit der Verwaltungsstrukturreform weitergeht. Das erfordert in der Tat auch eine neue Zielbestimmung für den Rest der Le gislaturperide. Fangen wir gleich damit an!
Mit der Absage der Kreisgebietsreform und der Funktionalre form I ist kein einziges Zukunftsproblem gelöst.
Das Leitbild ist damit zwar auch ohne formelle Aufhebung er ledigt, aber die Aufgabe, die Kommunalverwaltungen zu kunftsfest zu machen, bleibt unverändert bestehen.
Wie das aktuell in der Enquetekommission „Ländliche Räume“ diskutierte Gutachten des Länderinstituts in Leipzig zeigt, sind Globalzahlen und Durchschnittswerte kein geeigneter Grad messer für die Beurteilung der demografischen Probleme im Land.
Trotz des schönen Bildes von einzelnen wachsenden Kommu nen - insbesondere im Berliner Umland -: Die Hälfte der Kom munen verliert immer noch Einwohner gleichermaßen durch Abwanderung und Geburtendefizite. Während im berlinnahen Raum aufgrund des Zuzugs zusätzliche Mittel für neuen Wohn raum, mehr Schulen und Kitaplätze benötigt werden, braucht die überwiegende Zahl der Kommunen in der Peripherie, in den Randregionen neue Strukturen und mehr Mittel, um ein Mindestmaß an Daseinsvorsorge für - je nach Sichtweise - eine überalterte oder - wie ich gelesen habe; ein neuer Begriff - un terjüngte Einwohnerschaft sicherzustellen.
Wir sind bereits zu einem Bundesland der zwei Geschwindig keiten geworden. Das muss natürlich Folgen für die Landes entwicklungsplanung haben. Das Thema einer Gemeindestruk turreform, die Einführung des Amtsgemeindemodells als Alter native zu Einheitsgemeinden und Ämtern bleibt daher genauso auf der Tagesordnung wie eine mögliche Neuverteilung der Aufgaben zwischen Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden. Diese sogenannte Funktionalreform II muss jetzt auch schnell mit den Kommunen zum Abschluss gebracht werden, weil das nämlich unmittelbar Auswirkungen auf den kommunalen Fi nanzausgleich hat.
Das in der Anhörung von deren Präsidenten, Herrn Blasig und Herrn Jakobs, gezeichnete Bild, dass sich Landkreistag und Städte- und Gemeindebund über diese Aufgabenverteilung ganz schnell einigen könnten, hat aber schon seine ersten Risse bekommen. Indem die Verantwortung wieder an die Landesre gierung delegiert wird, spiegelt sich erneut das bekannte Bild aus der Enquetekommission, dass die Landräte zwar gern alles haben, aber keine Aufgabe abgeben wollen.
Unverändert sind Cottbus, Frankfurt, Brandenburg an der Ha vel mit Millionenbeträgen überschuldet und kaum noch in der Lage, Investitionen zu planen. Bis heute ist unklar, welcher Anteil strukturell - also zum Beispiel durch besonders hohe So ziallasten - bedingt und welcher Anteil einer unsoliden Haus haltsführung in der Vergangenheit geschuldet ist. Vor einer Neuordnung des horizontalen und des vertikalen Finanzaus gleichs ist deswegen eine unabhängige Analyse notwendig.
Mit 200 Millionen Euro, die Sie bisher für die Teilentschul dung eingeplant hatten - über zehn Jahre verteilt, also 20 Milli onen Euro pro Jahr -, werden sich diese Probleme nicht lösen lassen. Neben einem Investitionszuschuss als Kompensation für 2020 wegfallende Solidarpaktmittel für alle Gemeinden
beispielsweise weniger Pauschalierung und Orientierung an Einwohnerzahlen, sondern mehr am Bedarf orientiert. Ich den ke, das hatten Sie auch angesprochen.
Wir teilen die Auffassung, dass mit dem Verzicht auf die Kreis gebietsreform auch die Grundlagen für die Übertragung weite rer Landesaufgaben auf die Kreise vorerst entfallen sind. Erst einmal müssen gemeinsam mit den Kreisen andere Wege ge funden werden, um die Aufgabenerledigung auch in Kreisen mit schrumpfender Bevölkerungszahl langfristig qualifiziert sicherzustellen und auszufinanzieren.
Das bedeutet aber im Gegenzug, wenn jetzt die Aufgaben beim Land verbleiben, dass die Forstreform jetzt in Landeszustän digkeit zum Abschluss gebracht wird - da geht es nicht nur um die Waldarbeiter - und das notleidende Landesamt für Umwelt durch Zuführung neuer Stellen endlich in die Lage versetzt wird, seine Aufgaben in Natur- und Umweltschutz wieder zu erfüllen.
Die im ursprünglichen Gesetzentwurf, der jetzt zurückgezogen wurde, bereits enthaltenen Vorschläge zur Stärkung der Ein wohnerrechte auf kommunaler Ebene, zur Stärkung der Mit wirkungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen, die Verbesserungen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden müssen kommen, auch wenn der Städte- und Gemeindebund bislang nicht mitziehen will.
Die diesbezüglich notwendigen Änderungen in der Kommu nalverfassung könnten schon in der nächsten Sitzung des Landtags auf die Tagesordnung genommen werden. Die ent sprechende Formulierung liegt ja schon vor.
Und nicht zuletzt Verwaltungsmodernisierung und E-Govern ment. Hier besteht unverändert großer Handlungsbedarf. Aber das haben Sie selbst erkannt; deswegen werde ich jetzt dazu nicht mehr sehr viel ausführen.