Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

(Zuruf des Abgeordneten Königer [AfD])

Aus dieser Überzeugung entsteht für uns die Aufgabe, Integra tionsangebote zu verbessern und weiterzuentwickeln. Der vor liegende Gesetzentwurf suggeriert eher eine sanktionsbewehrte Bringschuld von Migrantinnen und Migranten, die sich an eine wie auch immer geartete brandenburgische oder deutsche Leit kultur anpassen sollen.

Deswegen halten wir uns also an das Landesintegrationskon zept. Dabei steht für uns jetzt Folgendes im Vordergrund: Wir brauchen Maßnahmen, wie die Landesebene die Kommunen gezielter unterstützen kann, beispielsweise bei einer Auswei tung von Angeboten der Sozialarbeit oder der gesundheitlichen Versorgung. Gute Ansätze dazu werden im Integrationskonzept aufgeführt. Beispielhaft herausragend im Bereich der Jugendar beit ist aus unserer Sicht das Projekt „Krieg, Vertreibung und Flucht vor 70 Jahren und heute“ in Seelow. Hier sollen geflüch tete und einheimische Jugendliche gemeinsam Flüchtlinge und Vertriebene interviewen und so Geschichtsarbeit mit ihren eige nen Erfahrungen verbinden.

In solchen Projekten sehen wir ein wirksames Mittel gegen Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile. Mehr davon bitte! Denn ausgerechnet beim Schwerpunkt des Integrationskonzeptes „Überwindung von Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassis mus“ sehen wir keine Erfolgsbilanz im eigentlichen Sinne. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten steigt stetig an - die Zahl von Straf- und Gewalttaten gegen Flüchtlinge hat sich 2016 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt - und der Rechtspopulismus gedeiht allerorten. Prävention muss hier im Dreiklang mit Strafverfolgung und Opferberatung stehen. Wir fordern, dass die Strafverfolgung in Zukunft besser in die Lage versetzt wird, ihren wichtigen Beitrag zu leisten, wenn es zu rechtsextremistischen, antisemitischen oder fremdenfeindli chen Straftaten gekommen ist.

(Zuruf des Abgeordneten Königer [AfD])

Die Staatsanwaltschaften klagen über Personalnot, der Verein „Opferperspektive“ über lange Verfahrensdauern. Das verfes tigt rechtsextreme Strukturen. Eine „schnelle Reaktion“, wie im Konzept beschrieben, scheint in vielen Fällen momentan struk turell nicht zu gelingen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte fortfahren.

Wir schlagen auch vor, das Präventionskonzept „Sicheres Flüchtlingsheim“ nach dem Vorbild in Dahme-Spreewald, ver bunden mit einem entsprechenden Personalaufwuchs unter an derem bei der Polizei, landesweit auszudehnen.

(Beifall der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Eine Unterbringung in Massenunterkünften verursacht leider Konflikte und begünstigt Gewalt. Wir benötigen dringend Schutzkonzepte für die Geflüchteten und eine spezialisierte Op ferberatung. Das fehlt bisher, auch im Landesintegrationskon zept. Wie wäre es mit einer ausfinanzierten Opferberatung, die um kulturelle Unterschiede und ethnische Konflikte weiß und über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt?

Auf der anderen Seite darf es aber auch kein Vertun dabei ge ben, welche Partnerinnen und Partner wir uns für eine gelunge ne Integration auswählen. Wir Bündnisgrünen wollen beispiels weise keine Moscheen mit Geschlechtertrennung und keine Moscheen, die zu Hass und zur Bildung von Parallelgesell schaften beitragen.

(Senftleben [CDU]: Aha! Wird das umgesetzt? - Lachen bei der AfD)

Religionsfreiheit ist in unserem Land ein hohes Gut, aber es darf kein Primat der Religion vor anderen Grundrechten und vor unserem Grundgesetz geben.

(Beifall B90/GRÜNE sowie des Abgeordneten Günther [SPD])

Impulse zu diesen schwierigen Fragen bleibt das Integrations konzept schuldig.

Erfolgreiche Integration braucht viele Eltern. Eine prägende Rolle dabei, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und Chancengleichheit herzustellen, nimmt mit Sicherheit die öf fentliche Verwaltung ein. Interkulturelle Öffnung beschreibt einen langfristigen Prozess der Organisationsentwicklung. Mit arbeitende in der Verwaltung brauchen Unterstützung dabei. Die im Integrationskonzept aufgeführten Maßnahmen können dafür das Fundament bilden. Auffallend oft stammen die im Integrationskonzept genannten Maßnahmen von den Regiona len Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie. Dort sind sie in fachlich sehr guten Händen, doch langsam stellt sich zumindest uns die Frage, ob die Landesregierung den RAA für diese vielen Aufgaben in einem Flächenland ausreichend Mittel zur Verfügung stellt oder diese nicht im Sinne einer zufriedenstellenden Aufgabenerfüllung aufgestockt werden müssten.

Wir möchten, dass Menschen mit Migrationsgeschichte auch im politischen Raum Brandenburgs Stellung beziehen können. Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen und -beiräte sind eine wichtige Facette. Wir begrüßen deren Unterstützung und auch die Bemühungen der Landesregierung um eine Ände rung des Wahlrechts für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger auf Bundesebene.

Andere Punkte bleiben uns allerdings zu vage. Immerhin defi niert die Landesregierung zumindest in einigen Bereichen Mei lensteine. Das war eine unserer Forderungen. Aber viel zu oft wird aus dem Konzept nicht ersichtlich, in welcher Quantität die aufgeführten Projekte in der Fläche des Raumes greifen. Es fehlen - wie im ersten Konzept von 2014 - Instrumente, mit denen der Landesregierung eine genauere Erfassung der Um setzung von Integrationsmaßnahmen in den Kreisen und kreis freien Städten möglich wird. Das birgt die große Gefahr, dass die Angebote, die den Migrantinnen und Migranten unterbreitet werden, regional sehr unterschiedlich sind.

Den parlamentarischen Auftrag bei der Überarbeitung des Lan desintegrationskonzeptes lässt die Landesregierung ganz lie gen. Sie war aufgefordert, in einem dem Landesintegrations konzept beizufügenden Bericht darzulegen, in welchen Rechtsvorschriften die Landesregierung unter Berücksichti gung des Gutachtens des Parlamentarischen Beratungsdienstes vom Dezember 2016 gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht. In diese Lücke stößt jetzt erwartungsgemäß die CDU-Fraktion, indem sie zum Beispiel andenkt, ob und in welcher Höhe kom munale Ordnungsämter künftig vermeintlich integrationsun willigen Migrantinnen und Migranten ein Bußgeld aufbrum men können. Dass das die Integration fördert, wagen wir zu bezweifeln.

Wir finden aber, einen Vorschlag macht die CDU, über den sich nachzudenken lohnt: die Wahl der Integrationsbeauftragten durch den Landtag. Ihre wichtige Funktion würde dadurch klar aufgewertet.

Ansonsten möchten wir im Ausschuss und mit Fachleuten über die vielen Maßnahmen des Integrationskonzeptes beraten. Im Dialog, in der Weiterentwicklung schaffen wir es, dass Integra tion den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.

Der Überweisung des Gesetzesentwurfs der CDU stimmen wir selbstverständlich zu. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Bevor ich den nächsten Redner bzw. die Kurzin tervention aufrufe, begrüßen wir Mitglieder des Vereins „Dorf Fohrde“. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Es sind zwei Kurzinterventionen angekündigt worden. Zuerst bitte der Abgeordnete Königer.

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Nonnemacher, vie len Dank für Ihren entlarvenden Vortrag. Wir reden hier zu ei nem Gesetz, das eigentlich der Integration von Menschen mit Fluchthintergrund dienen sollte. Sie haben uns lang und breit erklärt, dass es mit einem Mal einen Aufwuchs an Straftaten von Rechtsextremen und an Fremdenfeindlichkeit und Rassis mus gibt. Da kam am Rande auch das Wort Antisemitismus vor. Sie erklärten aber nicht, woher dieser kommt. Ist er wirklich auch auf dem Haufen der AfD gewachsen, oder handelt es sich dabei um das Problem des importierten Antisemitismus?

Gerade die Ereignisse der letzten paar Tage haben überdeutlich sichtbar werden lassen, dass Sie mit Ihrer Integrationspolitik gescheitert sind, nach der Sie alle, die hierbleiben wollen - selbst die, die Straftaten vorhaben, und selbst die, die Terrorak te planen -, hierbehalten und integrieren wollen. So geht es nicht, Frau Nonnemacher. So geht es nicht!

Wir waren gestern auf dem Steubenplatz beim Chanukkafest, und es war kein Politiker der Linkspartei anwesend. So viel viel leicht dazu - zum Thema Integration. Es liegt nicht daran, dass wir hier Fehler machen, sondern daran, dass die, die zu uns kommen, ihr Gastrecht missbrauchen. Darauf will die CDU mit ihrem Gesetz hinweisen: dass auch die, die sich nicht an Regeln halten, welche in Deutschland seit mehr als 60 Jahren gelten, in ihre Heimatländer zurückzukehren haben. Das ist unser Anliegen.

Ihr Anliegen erschließt sich mir nicht. Wie Sie zu der erhöhten Zahl von Fällen von Drogenhandel, von Vergewaltigungen und Beschaffungskriminalität - eben durch Flüchtlinge in Deutsch land - stehen, wissen wir. Dass Ihre Vorstellungen Realität wer den, versuchen wir zu verhindern.

(Beifall AfD)

Frau Kollegin Nonnemacher, möchten Sie reagieren?

Sehr geehrter Herr Königer, ob Sie mein Vortrag enerviert oder nicht, ist mir ziemlich gleichgültig. Und ob Vertreter der Linken beim Chanukkafest anwesend waren oder nicht, ist auch nicht meine Angelegenheit. Ich möchte aber zu einem Thema Stel lung nehmen: Es geht um Antisemitismus. Wir haben im Mo ment sehr, sehr schwierige und unschöne Szenen: die Verbren nung israelischer Flaggen,

(Königer [AfD]: Waren das Deutsche?)

Proteste, die durch Präsident Trumps Anerkennung von Jerusa lem als Hauptstadt des Staates Israel hervorgerufen werden.

(Galau [AfD]: Klar, Trump ist schuld! Na klar!)

- Könnten Sie mich mal bitte ausreden lassen? Ich möchte dazu ganz klar Stellung nehmen: Wir verurteilen Antisemitismus in jeder Form

(Beifall B90/GRÜNE, SPD, DIE LINKE und AfD)

auf das Allerschärfste! Ob dieser Antisemitismus autochthon gewachsen ist - das heißt hier im Land, aus der Richtung Rechtsextremismus - oder dieser Antisemitismus von Palästi nensern oder Arabern oder wem auch immer geäußert wird: Das ist nicht akzeptabel, und wir sind dafür, dass dagegen mit der gebotenen Härte vorgegangen wird. - Danke schön.

(Königer [AfD]: Das heißt also abschieben! - Galau [AfD]: Auch abschieben? - Leider nur Lippenbekenntnisse!)

Eine weitere Kurzintervention kommt von der Abgeordneten Bessin.

Frau Nonnemacher, Sie haben von der Geschlechtertrennung in den Moscheen gesprochen. Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass sich einige Abgeordnete unserer Fraktion vor län gerer Zeit mit Vertretern des Moscheevereins getroffen haben. Und ich kann Ihnen auch mitteilen, dass sich Vertreter des Mo scheevereins geweigert haben, der Abgeordneten Schade zur Begrüßung die Hand zu geben. Wie wollen Sie da die Integrati on umsetzen?

Zweite Frage: Sie haben so sehr von der Integration und all dem geschwärmt, was wichtig sei. Ich habe vorhin etliche Vorfälle in Erstaufnahmeeinrichtungen aufgezählt: Übergriffe auf religi ös Andersdenkende, Übergriffe auf Frauen, Übergriffe auf Si cherheitspersonal usw.

(Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

- Ich rede gerade mit Frau Nonnemacher, Herr Domres. Sie können gern auch eine Frage stellen.

(Frau Richstein [CDU]: Nein, Sie reden zu allen!)

Wie wollen Sie diejenigen integrieren, die sich so offensichtlich weigern, sich zu integrieren? Wie wollen Sie aktiv dagegen vor gehen und diese Integration mit einem Integrationsgesetz gelin gen lassen?

(Beifall AfD)

Frau Abgeordnete Nonnemacher, möchten Sie darauf reagie ren? - Nicht. Danke schön.

Dann erhält jetzt der Abgeordnete Vida das Wort. Bitte schön.